8. Jahrgang
Die Sefeffunbe
Nummer 71
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Von Carola Gaudelius'
„Ist Frau Lena Pertanek aus Neiße hier gemeldet?“
„Ich werde gleich nachsehen; setzen Sie sich inzwischen. Sie sind der Ehemann?“
-©er Mann mit dem gelben, abgezehrten Gesicht nickt, sieht sich nach einem Stuhl um und setzt sich steifbeinig. Nach wenigen Sekunden fällt sein Kopf vornüber. Als die Beamtin den Karteikasten zustößt, schreckt ihn das Geräusch auf.
„Die Wohnung ist ziemlich abgelegen. Das beste ist, Sie gehen in das Blumengeschäft Ihrer Frau. Das ist hier ganz in der Nähe. Ich schreibe Ihnen Straße und Hausnummer auf einen Zettel.“
Der Mann murmelt einen Dank und geht zur Türe. Auf der Straße wird ihm nach wenigen Schritten dunkel vor den Augen. Er lehnt sich an eine Hauswand. Nach einiger Zeit sagt d'e Stimme eines jungen Mannes:
„Suchst du h' r Jemanden?“
Was soll sie denn mit mir anfangen? Ich bin ja schon gar kein Mensch mehr. Ein Gespenst bin ich, vor dem jeder Angst hat!“ Leiser fährt er fort: „Fünf Jahre, da kann sich viel ändern. Vielleicht ist da längst ein anderer!“
„Ich häb da nie einen gesehen. Aber nun iß erst mal!“ Er schiebt ihm einen gefüllten Teller zu. „Ich will rasch noch was zum Trinken für dich aus dem Keller holen. Bin gleich wieder zurück.“
Vornübergebeugt und heißhungrig ißt der Mann schlürfend den Teller leer. Dann steht er langsam auf, geht unruhig in der Küche auf und ab und murmelt: „Ich muß wieder fort! Wo bleibt er nur so lange! Ich kann nicht mehr warten.“
Mundwinkeln vertiefen sich und werden länger. „Weiß Bescheid.“ Gesenkten Hauptes schleppt er sich ein paar Häuser weiter. Jemand zupft ihn am Aermel: „Das soll ich Ihnen von Frau Pertanek geben.“ Er sieht auf und erkennt das junge Mädchen aus dem Laden.
„Von Frau ...?“
„Ja, von Frau Pertanek aus dem Blumengeschäft. Sie standen doch eben bei uns am Schaufenster, nicht wahr?“ Sie lächelt verlegen. „Frau Pertanek hat Sie gesehen. Weil Sie aus Rußland kommen, gab sie mir die Tüte mit Birnen für Sie. Ich helfe dort nur im Laden.“ Sie hält ihm das Geschenk entgegen.
Der Fremde sieht sie eine Weile an, dann schüttelt er heftig den Kopf.
„Ach bitte, nehmen Sie doch! Die Frau wird
WOCHE DES BUCHES VOM 7. bis 14. MAI 1950
Der Fremde reicht ihm den Zettel mit der Anschrift.
„Das’ ist ganz in der Nähe. Wenn du willst, kannst du mit mir gehen. Ich wohne drei Häuser weiter.“
„Nein. Laß mich allein! Ich kann nicht mit dir gehen“, fügt er nach einer kleinen Pause gequält hinzu.
Schwerfälligen Ganges setzt der Heimkehrer seinen Weg fort. Als er von weitem ein Schild „Blumenhaus Pertanek“ liest, wischt er sich mit dem Aermel den Schweiß von der Stirne. Sein Atem geht pfeifend. Wieder will ihm der Blick trüb werden und er muß eine Weile stehen bleiben.
Vor der Auslage des Blumengeschäfts verharrt er starren Blickes. Ueber die ausgestellten Blumen hinweg gehen seine tief in den Höhlen liegenden Augen ins Ladeninnere. Dort ist alles sauber gehalten und ordentlich aufgeräumt. Die Blumen in den verschiedenartigen Vasen zeigen die Sorgfalt, mit der sie eingeordnet wurden. Eine dunkelhaarige etwa fi'mfunddreißigjährige Frau stellt Nelken zu einem Strauß zusammen. Ein flinkes junges Mädchen legt einen bunten Kranz auf den Ladentisch. Reglos verweilt der Mann an seinem Platz. Plötzlich schüttelt er heftig den Kopf: „Nein, ich kann nicht.“
Schlurfenden Schrittes läßt er sich von der Masse der Fußgänger weiterschieben, bis sich ihm eine Hand auf die Schulter legt: „Bist du also doch am Haus vorbeigegangen und hast es nicht gesehen! Das dachte ich mir gleich. Nun komm aber mit mir!“ Entschlossen greift de!- junge Mensch nach dem Arm des Heimkehrers. Aber mit einem Ruck, den man der ausgemergelten Gestalt nicht zugetraut hätte, reißt dieser sich sogleich wieder los: „Nein! Laß mich! Ich hab das Haus ja gefunden, aber ich kann nicht hineingehen — ich kann nicht!“ Bestürzt sieht ihn der andere an.
„Ich bin kaputt, Mensch! Begreifst du das? Fast fünf Jahre beim Russen und kein Wort von zu Hause! Die Dunkelhaarige aus dem Blumengeschäft — das ist meine Frau. Aus Neiße geflohen. Hat sich anscheinend hier ein neues Leben aufgebaut. Sie stammt aus der Gegend. Vielleicht hat sie mich schon für tot erklären lassen? Bin auf alles gefaßt, Mann, auf alles ...“
Er schweigt und stiert vor sich hin.
„Nun kommst du erst einmal mit zu uns und ißt etwas. Hier kannst du auch nicht bleiben.“ Gewaltsam zieht der Mann den Widerstrebenden mit sich fort. Nach ein paar Schritten bleibt er vor einer Haustüre stehen, die er aufschließt. Er schiebt den Fremden in den Hausflur und öffnet an dessen Ende eine zweite Türe. Während sie eine saubere Küche betreten, fragt der Aeltere den Jüngeren: „Kennst du sie eigentlich? Meine Frau, meine ich.“
„Nur so vom Geschäft her. Ich glaube, es geht ihr ganz gut. Aber setz dich doch!“
Müde läßt sich der Heimkehrer auf einen Stuhl fallen.
„Fünf Jahre, Mann“ — er haut auf den Tisch — „fünf Jahre weiß sie kein Wort von mir. Und nun komm ich als Wrack nach Hause. Gerade zum Sterben taug ich noch.
Wer liest , kommt weiter
Ich habe selber einen studierten Freund, einen Arzt, der eines Tages einen Hof übernahm und bewirtschaftete. Die Bauern machten sich erst weidlich lustig über den Herrn Doktor, der die Viehzucht aus Büchern lernen wollte. Denn sie sahen ihn feierabends sitzen und studieren. Nach zwei Jahren hatte der Doktor das höchstprämiierte Vieh. Natürlich brachte er auch Begabung für das Bauern mit — schließlich braucht man mit oder ohne Bücher für alles Begabung —, aber den Erfolg verdankte er den Büchern.
Dieses richtige Lesen muß man allerdings üben. Je lebhafter der Gebrauch von Büchern, desto größer der Nutzen. Es hilft zum Beispiel ja auch nichts, einen noch so großartigen Fotoapparat zu benützen, wenn man nicht mit ihm umgehen gelernt hat. Ich reiste mit so einem Nichtskönner einmal durchs höchste Norwegen, er knipste unaufhörlich, aber geworden ist nichts. Da ich selber nicht fotografiere, weiß ich nicht, woran es lag; aber wenn ich es hätte wissen wollen, hätte ich nur das entsprechende Buch studieren müssen, und dann hätte ich es gewußt. So kann man sich mittels einiger Mark, die man sich für ein Buch anlegt, Hunderte von Mr.rk ersparen. Denn gute Bücher sind das Ergebnis langer Erfahrungen; man kauft sich mit einem einzigen Buch oft die Kenntnisse eines ganzen Lebens.
Wer liest, zieht sich Siebenmeilenstiefel an. Wer liest, kommt weiter. Alle großen Wirtschaftsführer und Staatsmänner sind große Leser gewesen (von allen geistigen Berufen, denen das Buch Handwerkszeug ist, versteht sich das von selbst). Ein großer Leser sein, heißt nicht, das lesen, was gerade allgemein gelesen wird, sondern das, was einem förderlich ist. Das sind keineswegs nur Fachbücher. Oft kann ein poetisches Werk einem Leben eine neue Richtung geben.
Was man und wie man lesen soll, muß jeder für sich selbst herausfinden. Zur Anleitung sind die Buchhändler da. Sie sind gewissermaßen die Buchheilkundigen, die einem sagen können, was für ein Buch man in dem oder jenem Fall „einnehmen“ soll. Augenblicklich halten diese Buchhändler eine große Rezeptenschau ab, die Buchwoche, und niemand sollte sich entgehen lassen, sich bei dieser Gelegenheit ein Lebenselixier zu besorgen. ERNST HEIMERAN
...
Vor dem Schaufenster des Blumengeschäfts bleibt er wieder lange bewegungslos stehen und starrt in- das Ladeninnere. Diesmal erreicht ihn ein flüchtiger Blick der Frau. Sie hält in ihrer Arbeit inne und sagt etwas zu dem jungen Mädchen. Dann bedient sie ihre Kundin weiter, nimmt Bast vom Haken, bindet Rosen zusammen, gibt Geld heraus.
„Brauchst keine Angst zu haben — ich stör dich nicht.“ Die scharfen Falten an seinen
traurig sein, wenn Sie es nicht tun. Sie haben sie ein wenig an ihren Mann erinnert, der auch in Rußland in Gefangenschaft ist. Wenn er noch lebt“, fügt sie zweifelnd hinzu. „Seit fünf Jahren hat sie keine Nachricht mehr von ihm.“
Aufmerksam, fast angstvoll hört ihr der heimgekehrte Soldat zu. „Sie wartet also noch auf ihn?“
„Natürlich wartet sie. Haben Sie den Veil
Des Seufels prisma
Von Joseph Wittig
Das helle Sonnenlicht besteht aus sieben Farben, die freilich nur der Herrgott so rein und fein zusammenmischen kann, während der Maler oder der Chemiker, wenn er es versucht, nur ein besseres Grau zusammenbringt. Das Auseinanderbringen ist freilich leichter. Jeder Junge kann es mit einem Stücklein geschliffenen Glases, und jeder Gewitterregen, wenn er gerade so richtig vor der Sonne her über die Felder trippelt, kann es auch. Der Junge wirft das gebrochene Licht an die Wand und läßt ganz wunderbare Farbenflecke an der Wand auf- und niedersteigen oder springen oder gleiten oder zucken; der Gewitterregen aber baut aus ihnen den herrlichen Regenbogen, von dem die Leute sagen, daß dort, wo er auf der Erde aufsitzt, Dukaten zu finden sind.
Auseinanderbringen ist überhaupt immer
leichter als zusammenbringen. Wenn zum Beispiel einmal Vater und Mutter oder Eltern und Kinder oder die Geschwister unter sich auseinandergebracht sind, weil der Teufel mit seinem Prisma gespielt hat oder weil ein Gewitter über die Familie gezogen ist, dann kommt es zwar vor, daß sie am liebsten an den Wänden emporspringen möchten vor lauter innerer Wut, aber sie bringen nicht einmal einen richtigen Regenbogen zustande, wenn nicht gerade die Rücksicht auf die Dukaten des Vaters oder eines Erbonkels den Bogen baut. Das helle Licht wird nicht mehr, wenn der Herrgott nicht einmal ganz besonders hilft. Die Menschen, die den Versuch machen, die gebrochene Einheit wieder zusammenzubringen, müssen bald erkennen, daß nicht mehr das helle Lieht wird, sondern nur ein ziemlich schmutziges Grau.
Der Lenz kommt
Der weite Bogen ist überzogen mit Blumendecken, der grüne Wald, er wölbt sich hoch zu Siegesbogen, gefiederte Einzugsmusik erschallt.
Es kommt der schöne Lenz geritten, sein Auge sprüht, die Wange glüht!
Ihr solltet ihn zur Hochzeit bitten, denn gerne weilt er, wo Liebe blüht.
HEINRICH HEINE
iiiMimmiiiMimiiimtimiiiMimimiintiiMMmiiiminiiiiiiiimitiiiHiiimMMMiiitmiiiiHiiimiii
chenstrauß in unserem Schaufenster nicht gesehen? Der steht dort immer für ihren Mann. Veilchen waren seine Lieblingsblumen. Sie zieht sie selbst und nie hat sie einen Strauß verkauft, immer nur ins Schaufenster gestellt. Zwei volle Jahre lang.“
„Zwei Jahre lang? Und für den Mann? Ist das wahr? — Ich will die Blumen sehen!“
Erschreckt geht das junge Mädchen die kurze Strecke zurück und deutet auf die kleine Vase. Die Birnentüte hält sie noch in der Hand. Dann betritt sie eilig den Laden. — Kopfschüttelnd blickt der Heimgekehrte in das Schaufenster. „Zwei Jahre lang! Blumen — für mich! Daß es so etwas noch gibt auf dieser Welt! Soviel Treue und Liebe!“ Er holt tief Atem. Sein ausgehungerter Körper strafft sich ein wenig. Dann legt er die Hand auf die Klinke und murmelt: „Ja, nun kann ich nach Hause kommen!“
<£d)t roic fcas £eben
Von Ronald Rascal
Theophrastus Meier ist Maler. Seine Bilder haben etwas Bestechendes, nein, das ist zu schwach gesagt, sie sind erschütternd. Sie erschüttern — jedenfalls mich — durch ihre äußerste, durch ihre unerhörte Gegenständlichkeit. So konnte ich mich zum Beispiel von seiner großartigen Schöpfung „Regenwurm, von einer Straßenbahn überfahren“ l?nge nicht trennen. Theophrastus liebt eben das Leben, wie es wirklich ist. Er ist echt. Und hier macht er keine Zugeständnisse an die herrschenden, so merkwürdigen Kunstrichtungen.
Oder laßt mich von dem atemberaubenden Werk „Messingschraube am Vorabend des Zusammenbaues einer landwirtschaftlichen Maschine“ sprechen. Ich schäme mich nicht, es zu sagen — ich vergoß heiße Tränen, als ich es sah. Und wer könnte sich eines Jubelschreies enthalten beim Anblick von „Radiowelle beim Verlassen der Antenne“? Genau so, wie er es dargestellt hatte, war es. Nichts war erfunden oder unecht.
Genug, ich sah zu Theophrastus auf. Und dann kam die große Krise. Eigentlich gibt es sie für Maler immer. Aber Theophrastus war stets darüber erhaben gewesen.
Nun, ich besuchte ihn wieder einmal in seinem Atelier. Draußen herrschte bittere Kälte. Doch bei ihm war es warm, richtig warm. „Guten Tag. Theophrastus“, sagte ich, „wie geht es dir?“
Er nickte zufrieden.
„Welch, angenehme Wärme“, fuhr ich fort.
Er nickte wieder und streckte seine Füße von sich. „Ja. ja, die echte realistische Kunst muß auch einen Zweck haben.“
„Natürlich“, pflichtete ich ihm bei, „man muß seine Bilder verkaufen.“
„Unsinn“, brummte er, „wer trifft Schon den Geschmack der Leute, die Geld besitzen. Kennst du die Geschichte von Pygmalion? Seine Plastik bekam plötzlich Leben. Das ist es! Schau her!“
Und er zeigte mir seine neueste Schöpfung, ein kleines Oelbild, auf dem ein Heizofen von Siemens & Halske dargestellt war.
Ich fühlte mich sofort von der Glut dieses Werkes durchdrungen und wir verharrten in Andacht, bis Theophrastus einen Hitzschlag bekam.
Nach seiner Genesung wandte er sich der abstrakten Malerei zu und wurde ein glühender Anhänger Picassos.
ie TEXAS —eine Freude!'
sagt EMIL GÖNNER/ maitre d’hotel des***Restaurants„ATELIER"Köin a. Rh.
Emil Gönner's Aufstieg als kulinarischer Fachmann führte ihn durch die ersten Hotels und Restaurants in sechs Ländern der Welt. Vom Monarchen bis zur Filmprominenz, vom Sport-Crack bis zum berühmten Dirigenten führt die Skala der Gäste, die er betreute. „Eines aber hauen meine Prominente durchweg gemeinsam - es waren alle Feinschmecker”, erzählt Herr Gönner. „Und aus Feinschmeckern setzt sich auch die clientele unseres ^Ateliers” zusammen. Es sind Gäste, denen man nur das Beste vor
setzen darf. Deshalb empfehle ich ihnen auch als Zigarette die TEXAS — eine Zigarette, von der jeder Zog ein wirklicher Genuß ist. Selbst überseeische Gäste ziehen sie vielfach ihren heimatlichen Zigaretten vor, weil sie trotz ihres würzigen Aromas so besonders bekömmlich ist.”
AMERICAN BLEND
Packungen ztt .5. tC und 20 Stück.
Texas - eine Zigarette/ die einem etwas sagt
V 0103 i