6. Jahrgang
MONTAG, 27. MÄRZ 1950
NUMMER 48
Das flämische Problem
Königskrise macht alte Spannungen sichtbar
Von unserem Düsseldorfer G.F.-Korrespondenten
Für den Weltfrieden
„Nachfolger des Marshallplans“?
WASHINGTON. Präsident T r u m a n forderte am Samstag in einem Telegramm von seinem augenblicklichen Urlaubsort Kay West in Florida aus den Kongreß auf, die Kosten für das von der Regierung vorgeschlagene Auslandshilfsprogramm in voller Höhe zu billigen. In diesem Programm sind u, a. 3,1 Milliarden Dollar für das dritte Marshallplan- Jahr enthalten. Verschiedene Politiker im Kongreß fordern eine Herabsetzung dieser Summe. Zudem hat der Bewilligungssausschuß des Repräsentantenhauses sich kürzlich schon dafür ausgesprochen, nur 2,1 Milliarden in bar zu geben.
Truman vertrat in seinem Telegramm den Standpunkt, die Bewilligung des Regierungsvorschlags sei ,,das mindeste, was im Interesse der USA und ihrer Bemühungen zur Herstellung des Weltfriedens geschehen muß“.
Senator Vandenberg forderte am Samstag die Bildung eines Untersuchungsausschusses, der die Möglichkeiten für einen „Nachfolger des Marshallplans“ prüfen soll. Vandenbergs Vorschlag ist der erste richtige Vorstoß in der schon seit längerer Zeit diskutierten Frage, ob und in welcher Form die USA nach Beendigung des Marshallplans in zwei Jahren ihre Auslandshilfe fortsetzen werden.
85 Personen landeten
58 wollen wieder zurück
ERDING. Am Freitagabend landeten auf dem amerikanischen Flugplatz Erding bei München drei tschechoslowakische Flugzeuge mit 85 Passagieren und Mannschaften an Bord. Am Samstag erklärten 58 der Passagiere, daß sie in ihr Heimatland zurückkehren wollten. Nur 26 beabsichtigen, in Westdeutschland zu bleiben.
Die Maschinen kamen von drei verschiedenen Flugplätzen der Tschechoslowakei. Der Fluchtplan ging von den Flugzeugbesatzungen aus. Mitglieder der Besatzungen, die sich geweigert hatten, nach Deutschland zu fliegen, waren überwältigt und gefesselt worden.
Am vergangenen Wochenende war Prag voll von Gerüchten über den Tod von Kabinettsministern, „Palastrevolutionen“ und Flügen von Regierungsbeamten nach dem Westen. Ueber den stellvertretenden Ministerpräsidenten Fierlinger wurde erzählt, er sei durch Attentäter erschossen worden — wobei S 1 a n z k y, der Generalsekretär der kommu- r '.irischen Partei, schwer verletzt worden sei, er habe Selbstmord begangen und man habe ihn verhaftet.
Ein Regierungssprecher bezeichnete die Gerüchte als „phantastisch“.
„Das schwäbische Knäblein“
Wohlcb und YVirth weiben für Gesamtbaden
MANNHEIM. Auf einer am Samstag von der „Arbeitsgemeinschaft der Badener“ in Mannheim veranstalteten Versammlung, auf der Staatspräsident Wohieb und Altreichskanzler Dr. Wirth sprachen, kam es zu einem Tumult, als die Versammlungsleitung eine Diskussion ablehnte, bei der ein Anhänger des Südweststaats zu Wort kommen sollte- Dr. Wirth rief bei dieser Gelegenheit in den Saal: „Unser Baden wird leben und Sie, die Sie den Südweststaat wollen, werden untergehen.“ Als ein junger Mann darauf von ihm Diskussionsfreiheit forderte, erwiderte Wirth: „Sie sind zu j ung, um mit mir zu sprechen.“
Vorher hatte Wohieb festgestellt, er verstehe nicht, daß ausgerechnet im südwestdeutschen Raum ein größerer Staat geschaffen werden soll: „Gehen Sie hin und fragen Sie einen Hamburger, ob er sich vielleicht Niedersachsen anschließen wolle oder gar Schleswig-Holstein — aber nehmen Sie gleich Verbandszeug mit.“ Wirth sagte: „Ich habe den Eindruck, daß wenn in Baden eine Stelle frei wird, das schwäbische Knäblein dafür bereits geboren ist.“
Im gleichen Gebäude hielt zur selben Zeit die Vereinigung „Südwest“ eine Versammlung ab, auf der Vertreter des Südweststaat-Gedankens sprachen.
BRUSSEL, im März.
Die belgische Königsfrage hat den Riß aufgezeigt, der quer durch Belgien geht: Hier Wallonen, hier Flamen. Die Wallonen bevölkern die Industriegebiete im Osten' und Süden des Landes. Sie sitzen in den südlichen Kohlenrevieren um Charleroi, Lüttich und in der Provinz Limburg, während die Flamen im Norden zu Hause sind, um Antwerpen, Gent, Brügge. In den wallonischen Gebieten überwiegen die sozialistischen Elemente, bei den Flamen die katholische Weltanschauung.
Die Spannung zwischen Flamen und Wallonen ist genau so alt wie der Staat Belgien. Albert I., der in den Jahren nach dem ersten Weltkrieg auf einer Klettertour tödlich verunglückte, hat diese Schwierigkeiten einmal mit einem Satz umrissen: „Cette couronne me pese“ (diese Krone drückt mich). Das war nur zu verständlich, denn die großen flämisch-wallonischen Auseinandersetzungen haben sich unmittelbar nach dem ersten Weltkrieg abgespielt. Damals setzten die Flamen die Gleichberechtigung ihrer Sprache durch, damals wurde der Kampf um die Hochschulen zu ihren Gunsten entschieden. Damals fanden alljährlich Wallfahrten zum großen Kreuz an der Iser statt, auf dem die Initialien A. V. V. — V. V. K. (Alles voor Vlanderen — Vlanderen voor Christus) eingemeißelt waren. Für dieses christliche
VILLINGEN. „Die Sozialdemokratische Partei der drei südwestdeutschen Länder bekräftigt ihre positive Haltung zum Südweststaat, den sie als eine nationalpolitische, wirtschaftliche und geschichtliche Notwendigkeit betrachtet“, heißt es in einer von den Bezirksvorständen der SPD von Baden, Württemberg-Hohen- zollern und Württemberg-Baden am Sonntag auf einer Konferenz in Villingen gefaßten Entschließung. Die SPD der südwestdeutschen Länder wünsche‘so bald als möglich eine Volksabstimmung über den Südweststaat und halte sofortige Verhandlungen über die Abstimmungsformel zwischen den beteiligten Länder-
MÜNCHEN. Der bayerische Rundfunk will das im Kriege ausgebrannte Armeemuseum in München zu einem neuen Rundfunkhaus ausbauen.
SAARBRÜCKEN. Die Verwaltung der Saargruben hat für heute eine Feierschicht im Saarbergbau angeordnet und dies mit dem auf Grund der französischen Streiks stockenden Kohlenabsatz erklärt.
MÜNCHEN. Im Anschluß an eine Kundgebung der Gewerkschaften, bei der rund 2000 Menschen gegen die Freisprüche im Münchener Gestapoprozeß protestierten, kam es zu blutigen Schlägereien zwischen den Demonstranten und der Polizei. Die Polizei verhaftete mehrere Personen.
KASSEL. Der Landrat des Kreises Rotenburg a. d. Fulda, Dr. Seraphim, verhängte am Freitag ein Redeverbot gegen den thüringischen Finanzminister Dr. König, der in Sontra vor dem kommunistischen Komitee für die Einheit Deutschlands sprechen wollte.
BRAUNSCHWEIG. Im Prozeß gegen den früheren Ministerpräsidenten von .Braunschweig, Dietrich Klagges, der der Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt ist, forderte der Oberstaatsanwalt am Samstag lebenslängliche Zuchthausstrafe. Klagges bezeichnete am Freitag sich selbst als „politisch Verfolgten des Marxismus“.
MÜNCHEN. Prof. Ernst Niekisch von der Humboldt-Universität im Sowjetsektor Berlins, erklärte am Samstag in München, die Sowjetunion erwäge gegenwärtig, die zu Zwangsarbeit verurteilten deutschen Kriegsgefangenen zu amnestieren.
Flandern hatten die flämischen Regimenter im ersten Weltkrieg gekämpft, hatten sie sich die Gleichberechtigung im parlamentarischen Leben ebenso erstritten wie die Verwaltungstrennung.
Den Flamen war das noch nicht genug, so kam in den dreißiger Jahren eine Welle hoch, die gern ein deutsches Reich gesehen hätte, das von Dünkirchen bis zur deutschen Grenze ging. Vom Hitlerismus geblendet, blieben solche Wünsche junger Heißsporne Utopien.
Die Gegensätze der beiden Volkstumsgruppen haben in der Nachkriegszeit, wo Belgiens Wirtschaft zunächst als erste europäische auf Hochtouren lief, nach außen hin nur relativ wenig sichtbar sein können. Unter der Oberfläche haben sie immer bestanden. Durch die Königsfrage sind sie vertieft worden. Mit einer Entscheidung so oder so sind sie noch lange nicht gelöst. Das zukünftige Zusammenleben von Wallonen und Flamen in einem Staat hängt in erster Linie davon ab, wer an der Staatsspitze steht. Persönlichkeiten wie die früheren belgischen Könige, auch, aber der westeuropäisch denkende und handelnde Ministerpräsident Spaak sind mit diesen Problemen fertig geworden. Es ist die Frage, ob, falls Leopold abdanken sollte, der jetzt 18jäh- rige Thronfolger Baudouin reif und erfahren genug wäre, diese schon historischen Gegensätze auszugleichen.
regierungen für erforderlich. Den Wählern solle nur die Frage vorgelegt werden, ob sie den Südweststaat wünschen oder nicht. Die Stimmen sollen in den beiden alten Ländern Baden und Württemberg durchgezählt werden.
Die drei Bezirksvorstände kamen überein, ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt des Zustandekommens des Südweststaates die drei jetzt bestehenden Parteibezirke zu einem einheitlichen Parteibezirk zusammenzuschließen. Eine Kommission soll mit den organisatorischen Einzelheiten des Zusammenschlusses beauftragt werden, der zum technisch frühest möglichen Termin erfolgen soll.* *
WIEN. Ungarische Grenzpolizei eröffne^ am Freitag das Feuer auf eine Gruppe von österreichischen Frauen, die sich in der Nähe der Grenze aufhielt. Dabei wurde eine Frau getötet, eine weitere schwer verletzt.
BUDAPEST. Die ungarische Regierung hob am vergangenen Wochenende die Sonderbestimmungen für die deutsche Bevölkerung in Ungarn auf.
LONDON. Am Freitagabend starb im Alter von 56 Jahren der frühere Vorsitzende der britischen Labour-Party, Prof. Harold Laski. Laski, der seit 1936 dem Vorstand der Partei angehörte, und viel über Sozialismus geschrieben hat, war nie Mitglied einer Regierung.
ANKARA. Am Samstagnachmittag stürzte ein türkisches Verkehrsflugzeug in der Nähe des Flughafens von Ankara ab. Alle 15 Insassen wurden getötet.
TOLEDO. Am Freitag wurden 18 Spanier, denen vorgeworfen wurde, sie hätten beabsichtigt, General Franco zu stürzen, zu Freiheitsstrafen von 2 bis 25 Jahren verurteilt.
NEW YORK. Die National City Bank in New York gab am Wochenende bekannt, daß Spanien von ihr eine Anleihe über 20 Millionen Dollar erhält.
TOKIO. Politische Kreise Japans wollen wissen, die Sowjetunion sei bereit, zwei Inseln der Kurilen-Gruppe an Japan zurückzugeben, falls Japan sich zu einem stärkeren Handel mit dem kommunistischen China verpflichte.
Die unklugen Frauen
cz. Man freut sich immer sofern der Autor bei der Behandlung eines ernsten Themas Humor entwickelt. Wenn nur der spröde Stoff seine Auflockerung erfährt. Daher soll den Lesern, denen derv,,Schwäbische Bauer“, das „Organ des Landesbauernverbandes für Württem- berg-Hohenzollem, und Mitteilungsblatt des Landwirtschaftsministeriums Tübingen“, nicht zugänglich ist, ein Passus aus dem Artikel vom Präsidenten des Verbandes und Bundestagsabgeordneten Bauknecht nicht entgehen. Unter dem Titel „Wachsende Erkenntnis“ wird da zum Thema: Wie kommt es, daß trotz Angebots der Verzehr an Fleisch auf der halben Höhe des Friedensverbrauchs stehen blieb?, nach einer Reihe gewichtiger Argumente wie geschwächte Kaufkraft der Bevölkerung, Ersatz verlorener Güter, unumgängliche Investitionen, Notgroschen, Druck der ausländischen Märkte usw., folgendermaßen argumentiert:
Dazu kommt, was meist nicht genügend beachtet wird, eine Verlagerung des Geldverbrauchs bei der weiblichen Welt auf das Gebiet, was man schlechthin als Mode bezeichnet. Und heute sind diese Erscheinungen stärker denn je. Denn wohl kaum war seit dem 30jährigen Kriege der Ueberschuß der Frauen so groß, wie heute. Das hat zur naturgemäßen Folge bei dem starken Angebot und der schwachen Nachfrage auf dem Heiratsmarkt, daß alle Schönheitsmittel aufgewendet werden, um die äußeren Reize genügend herauszustellen. Und so sind denn modische Kleider und Fantasiehüte, möglichst jeden Tag wieder etwas Neues, teure Kreppsohlenschuhe, Wasserwellen, Nylonstrümpfe, Nagellack und Lippenstifte und die Ausgaben für Theater, Film und Cafehaus, wo diese Dinge dann zur Schau getragen werden, zu scharfen Konkurrenten, mit den 'Ausgaben für bessere Mahlzeiten geworden.
Mahlzeit! Hoffentlich vernehmen alle Frauen diesen humorigen Appell, lassen modische Kleider, Phantasiehüte, Nylonstrümpfe und Lippenstifte fahren und essen. Ist ja zweifellos gesünder und nahrhafter als beispielsweise Lippenstifte und was man sonst „schlechthin als Mode bezeichnet“. Sehr gut der Ueberschuß an Frauen, der sich, wie Käse und Fleisch, jedes .auf seinem Markt, nach dem Gesetz'von Angebot und Nachfrage nicht an den Mann bringen läßt. Wie wärs denn, wenn man es auch bei Käse und Fleisch mit „Schönheitsmitteln“ versuchte, „um die äußeren Reize genügend herauszustellen“? Der normale Weg, durch Kaufkraftstärkung in Form von Preissenkungen und Lohnerhöhungen bleibt ja immer noch.
Mit den Ausgaben für Theater, Film und Cafehaus ist das auch nicht so einfach, steht doch schon in der Bibel: „Der Mensch lebt nicht von Brot (bzw. Fleisch und Käse) allein...“
Noch eine Sorge: Wenn die Frauen plötzlich oben Gerügtes unterlassen und sich dem Fleische zuwenden, besteht da nicht die Gefahr, daß sie an Stelle der Männer beschließen Politiker zu werden. Oder sollen sie es gar nicht essen, sondern nur zubereiten? Ganz klar ist das nicht.
Wie wärs mit: „Deutsche Frau iß deutsches Fleisch“ — für Käse ähnlich. Oder: „Weg mit dem Lippenstift — eßt mehr Käse“.
Eine glatte Rechnung: Halbe Höhe des Friedensverbrauchs, verdoppelter Friedenspreis bei Fleisch. Stimmt haargenau, vom Geldbeutel des Konsumenten aus gesehen. Also waren die Frauen des Landes vordem nicht weniger „lasterhaft“, wenn man die ernstzunehmenden Gründe für den Konsumverzicht gegen etwaige Lohnerhöhungen aufrechnet. Fast möchte man annehmen, daß das schon vor dem 30jährigen Krieg so war, als die Frauen noch nicht so „reizen“ mußten.
Und so nebenbei: Mir jedenfalls ist eine kreppbesohlte, wassergewellte, nylonbe- strumpfte, nagelgelackte, lippenbestiftete, modisch angezogene (mit Hut!), Theater, Film und Cafehaus — zwecks zur Schaustellung — nicht verschmähende charmante, aber „unkluge“ Frau lieber als die Gewißheit, daß selbige — ohne das alles — die ihr zukommende Portion Fleisch und Käse vertilgt hat. Doch das ist individuell und wird mir hoffentlich niemand übelnehmen.
Eine nationalpolitische Notwendigkeit
Bekenntnis der SPD zum Südweststaat
Nachrichten aus aller Welt
FRANZ WILHELM KIELING
t&ä&seL um kDc. a, iL
KRIMINALROMAN Alle Rechte bei Feuilletondienu Molmder, Tübingen-LuKmu
In ehrlicher Besorgnis um ihre Gesundheit hatte Oberregierungsrat Werner Dr. Beming aus der Klinik rufen lassen. Sein Erscheinen aber wirkte sich noch unheilvoller aus. Dorothea weigerte sich nicht nur, sich von Ber- ning behandeln zu lassen, sie tat es in einer Form, die für ihren Verstand fürchten ließ.
Werner wußte sich keinen Rat, aber irgend etwas mußte für die Bedauernswerte geschehen. Da sie offenen Abscheu gegen Dr. Ber- ning bezeugte, war es unmöglich, sie in seine Behandlung zu geben. Zuerst ließ er eine Schwester aus dem Sanatorium kommen, die sich um das junge Mädchen bemühte. Schließlich fiel ihm ein, daß Referendar Reuter ihm kürzlich erzählt hatte, wie sehr seine Eltern an Dorothea Falk hingen. Er entschloß sich, sie in die Obhut des Justizratehepaars zu geben; die Veränderung würde ihren angegriffenen Nerven gewiß wohltun.
Auf diese Weise kam Dorothea Falk, die Willenlos alles mit sich geschehen ließ, in das Haus Reuter, und Dr. Werner nahm das beruhigende Gefühl mit, daß sie sich dort in besten Händen befand.
*
Paul Reuter vermied es, die Kranke sofort nach seiner Rückkehr zu besuchen. Zunächst wollte er sich ein möglichst genaues Bild der Vorgänge verschaffen. Die Erzählung des Vaters, der auch nur Gerüchte wiederzugeben vermochte, genügte ihm nicht.
Er hielt es für das Richtigste, Dr. Werner oder den Kommissar aufzusuchen, und er traf
beide im Hause des verstorbenen Sanitätsrats.
Werner schien ihm seine plötzliche Abreise nicht übelgenommen zu haben. Er begrüßte ihn kameradschaftlich, sagte mit leisem Lächeln, daß er sich jetzt ein gutes Bild über das rasche Verschwinden des jungen Kollegen machen könne und gab bereitwilligst auf alle Fragen Auskunft. Danach sah für die Beamten der Fall Haack-Falk so aus:
Sanitätsrat Dr. Falk war nach dem Tode seiner ersten Frau eine zweite Ehe eingegangen, die nur kurze Zeit bestanden hatte und wegen Verschuldens der Frau geschieden worden war. Aus der ersten Ehe war ein Töchter- chen vorhanden, Dorothea, aus der zweiten Ehe stammte ein Sohn, der der Mutter belassen worden war. Falk schien niemals Ansprüche wegen Herausgabe des Sohnes an seine geschiedene Frau gestellt zu haben.
Hier schaltete zur Ueberraschung Dr. Werners sich der Referendarein: „Er war andern Verbleib des Sohnes uninteressiert, weil er Anzeichen dafür zu haben glaubte, daß seine um vieles jüngere, lebenslustige Frau es mit der Treue nicht genau genommen hatte. Er hatte sich mit dem Scheidungsurteil, das seiner Frau die Alleinschuld gab, begnügt, hatte verlangt, daß die Frau ihren Mädchennamen wieder annahm, den diese auch dem Kinde gab, und sorgte im übrigen so ausreichend für den Sohn, den er nie zu Gesicht bekam, daß Mutter und Kind ein sehr anständiges Leben von diesem Unterhaltsbetrage führen konnten. Dafür hatte er zur Bedingung gemacht, daß beide völlig aus seinem Leben verschwanden. Seiner Tochter, die noch viel zu klein gewesen war, um etwas von diesen Vorgängen in sich aufzunehmen, verbarg er später diese Dinge.“
„Das ist ja fabelhaft, Herr Kollege! Wir bemühen uns seit langem um die Aufklärung dieser Zusammenhänge, und für Sie scheinen das längst ölte Kamellen zu sein.“
Paul Reuter lächelte ein wenig, als er fortfuhr: „Ich habe in Freiburg Ermittlungen angestellt, weil ich wußte, daß Falk früher dort gelebt hatte. Auf dem Standesamt und im Landgericht verschaffte ich mir Einblick in diese Zusammenhänge. Ich wußte auch, daß Margot von Haack, Falks zweite Gattin, versuchte, sich ihrem einstigen Manne wieder zu nähern, um von ihm größere Geldbeträge zu erhalten. Zufällig war ich selbst unfreiwillig Zeuge einer sehr erregten Auseinandersetzung beider hier im Garten. Frau von Haack hatte wohl Falk mit Enthüllungen an Dorothea gedroht, worüber der Sanitätsrat aufs tiefste empört war.“
„Und so hat er, um sich seiner Quälgeister zu entledigen, diese für immer zum Schweigen gebracht“, fiel Dr. Werner ein. „Der Beweggrund wäre gegeben, alle Indizien sprechen dafür. Insbesondere fällt es erschwerend ins Gewicht, daß der Sanitätsrat, wie wir durch die Vernehmung des Karl-Heinz von Haack, sowie einer weiteren Zeugin festgestellt haben, am Mordtage bei Frau von Haack gewesen ist, wenn wir auch bisher nicht einwandfrei ermitteln konnten, daß er der letzte war, der sie lebend zu Gesicht bekam. Da wir nun aus ihrem Munde vernehmen müssen, daß Falk eine erbitterte Auseinandersetzung mit seiner geschiedenen Frau gehabt hat, rundet sich das Bild immer mehr ab. Sie wissen ja auch noch nicht, daß in der Brieftasche des verunglückten Rank, die wir in Falks Schreibtisch verborgen fanden, Wechsel steckten, die Rodewald ausgefertigt hatte und die Unterschrift des Sanitätsrats trugen. Vermutlich waren die Unterschriften gefälscht, sie sollten zweifellos als Mittel dienen, den Sanitätsrat in einen Skandal zu verwickeln. Man hatte wohl gehofft, daß er, um sich davon loszukaufen, den Erpressungen willig nachgeben würde.“
„Und noch etwas ist festgestellt“, setzte der
Kommissar Flodman den Bericht fort, „was
wohl auch Sie als ausschlaggebend ansehen werden. Wir haben in Falks Manteltasche das Werkzeug gefunden, das bei der Ermordung der Frau von Haack benutzt wurde: ein Skalpell von besonderer Form, das in der ärztlichen Praxis Verwendung zu finden pflegt.“
„In der Manteltasche Falks sagten Sie? Wo fanden Sie den Mantel? In seinem Wagen etwa? Erstaunt sahen die Beamten den erregten Referendar an.
„Gewiß, der Wagen war abgeschleppt worden und stand noch im Schuppen der Werkstatt. Darin lag Dr. Falks Mantel, und in der Tasche befand sich das Mordinstrument.“
Reuter war aufgesprungen, seine Augen flammten, mühsam mußte er sich zur Ruhe zwingen, als er den überraschten Männern eröffnete: „Meine Herren, das Skalpell befand sich noch vor wenigen Tagen ganz bestimmt nicht in diesem Mantel. Der Besitzer der Werkstatt wird Ihnen bezeugen, daß ii*. den Wagen gründlich untersuchte. Dabei entdeckte ich auch Dr. Falks Mantel, den dieser auf seinen Fahrten stets im Wagen mitzuführen pflegte. Den Inhalt der Taschen habe ich genauestens untersucht: außer Brille, Lederhandschuhen und Taschentuch befand -sich nichts darin. Ich bin bereit, dies zu beschwören. Es ist unmöglich, daß mir das Messer entgangen sein könnte. Damit dürfte der Beweis erbracht sein, daß man erst nachträglich die Mordwaffe dorthin befördert hat, um den Verdacht unter allen Umständen auf Falk zu lenken. Damit dürfte aber auch weiter erwiesen sein, daß der Sanitätsrat nicht der Mörder der Frau von Haack ist. Die ganze Angelegenheit bekommt sonach ein anderes Gesicht, wir wissen nun, daß der Mörder noch unter den Lebenden weilt.“
Reuter hatte mit großer Überzeugungskraft gesprochen. Der Kommissar war sichtlich aus seiner Ruhe gebracht, nur Werner blieb etwas im Zweifel, (Fortsetzung folgt)
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