8. Jahrgang
Samstag, 18. März 1950
Nummer 43
Politik im eigenen Lande nicht nur den Wind aus den Segeln genommen — was mit Rücksicht auf die kommenden Parlämentswahlen in den USA wohl die Hauptsache war —, sondern auch gezeigt, daß es mit den Sowjets zurzeit keine Verständigung gibt. Acheson will den Beweis führen, daß es notwendig ist, mit allen Mitteln auch weiterhin die demokratischen Staaten zu stärken und zu unterstützen und durch eine solche feste Haltung den Russen die Erkenntnis beizubringen, daß die Demokratien keineswegs Selbstmordkandidaten, sondern Faktoren sind und bleiben, mit denen Moskau nicht nur ständig rechnen, sondern auch eines Tages sich zwangsläufig wird verständigen müssen.
Allerdings ist \veder für uns, noch für die anderen Opfer der Ost-West-Spannung die Aussicht, daß eä in nächster Zeit zwischen den Russen und Amerikanern zu keiner Verständigung kommen wird, wenig erfreulich. Sie bedeutet, daß es bei der Zerreißung Deutschlands sowohl wie Oesterreichs bleiben wird. Das ist für uns bitter. Aber es ist immer noch besser, als eine Vereinbarung zwischen den beiden Mächten, bei der wir die Kosten zu bezahlen hätten. Auch dazu wären gewisse amerikanische Kreise bereit. Nur um mit Moskau ins Gespräch zu kommen, zu einem Teil wohl auch aus Haß gegen Deutschland. Die Reden Achesons haben gezeigt, daß die offizielle amerikanische Politik zu einem solchen gefährlichen Spiel nicht bereit ist, sondern daß sie glaubt, ihr Ziel der Friedenssicherung mit Festigkeit und ohne weitere Konzessionen an Moskau erreichen zu können. Wi$d ihr das jedoch möglich sein? Die Entscheidung darüber wird im wesentlichen davon abhängen, für wie stark sich die Sowjets zurzeit halten.
Politik als Lehrfach
Führungsschicht lebensentscheidend
BERLIN. Der Heidelberger Soziologe, Prof. Dr. Alfred Weber, trat in einem Vortrag in der Berliner Hochschule für Politik dafür ein, daß die politischen Wissenschaften an allen Hochschulen „gewichtiges akademisches Lehrfach“ würden. Nur so könne Deutschland aus dem „politischen Analphabetentum“ herauswachsen.
Bundesminister Jakob Kaiser erklärte in einer kurzen Ansprache, es sei für die Bundesrepublik lebensentscheidend, daß sie eine politische Führungsschicht erhalte. Das Wesentliche in der Politik sei vor allem, daß sich Wissen und praktische Erfahrung verbänden.
Gottsieben ausgeschlossen
Neuer Aktionsausschuß der DNVP
DÜSSELDORF. Am Donnerstagabend wurde in Düsseldorf ein neuer Aktionsausschuß der Deutsch-Nationalen Volkspartei (DNVP) gegründet. Er besteht aus 13 früheren Angehörigen dieser Partei aus der Zeit vor 1933. Der als Gründer der DNVP nach dem Krieg bekannt gewordene Hans Joachim Gottsieben, der zwar eingeladen worden war, aber nicht erschien, wurde einstimmig ausgeschlossen, weil er, wie es im Protokoll der Versammlung heißt, keinen Auftrag zur Parteigründung gehabt, die Namen Hugenbergs undPapens mißbraucht, die Presse getäuscht, autoritäre Maßnahmen ergriffen und falsche Beschlüsse verbreitet habe.
„Oberregierungsrat“
2 Jahre Gefängnis für Amtsanmaßung
TRIER. Die Strafkammer des Landgerichts Trier verurteilte am Donnerstag den Schlosser Heinemann aus Köln, der auf einer Rundfahrt durch die Eifel bei verschiedenen Landratsämtern als „Oberregierungsrat der Bundesregierung“ sich mehrere hundert DM und größere Mengen Benzin zur Erledigung seiner „Dienstfahrten“ erschwindelt hatte, wegen Amtsanmaßung und Betrugs zu zwei Jahren und 1 Monat Gefängnis. Heinemann war nach dem Zusammenbruch zunächst in der öffentlichen Verwaltung in Thüringen tätig.
FRANZ WILHELM KIELINQ (SQät*seL UM A.
32 KRIMINALROMAN
Alle Rechte bei Feuilletondienit MoUndet, Tübingeo-Lustntu
Erstaunt saVt Dorothea ihn an. „Was soll das heute noch, Paulchen? Für solche Erwägungen ist es ja jetzt zu spät. Warum sich damit noch quälen! Uebrigens hat mir Dr. Berning gesagt, daß nach seiner genauen Feststellung Vater an einer schweren Adernverkalkung gelitten habe, so daß gegebenfalls ein Schlaganfall mit Lähmung und allen derartigen Begleiterscheinungen zu befürchten gewesen wäre. Wer weiß, was ihm erspart geblieben ist.“
„Dein Vater und schwere Ademverkalkung? Das ist doch Unsinn! Seine sportliche Figur, seine Beweglichkeit, seine sonstige Frische — das ist doch unvereinbar.“ Im selben Augenblick fiel ihm ein, daß er eine Dummheit begangen hatte. Gewiß hatte der - Gedanke, den ihr Berning eingegeben hatte, ihr einen gewissen Trost gegeben, und er hatte sich törichterweise bemüht, ihn ihr zu nehmen.
Aber Dorothea Falk hatte etwas ganz anderes daraus gehört: eine schroffe Kritik an Dr. Bernings ärztlichen Fähigkeiten. Ihr Medizinerstolz empörte sich dagegen.
„Du kannst versichert sein, daß Dr. Bernings Diagnosen zuverlässig sind. Als Laie wirst du dir wohl, kaum in solchem Falle, ein Urteil anmaßen können. Wie hoch übrigens mein Vater den von dir so wenig geschätzten Arzt anerkannt hat, kannst du daraus ersehen, daß er mir empfohlen hat, Berning mit der Leitung des Sanatoriums zu betrauen.“
Sie hatte es fast stolz gesagt, um so mehr mußte sie es verbittern, daß ihr Jugendkamerad völlig ruhig entgegnete: „Ich fürchte,
Schiffsbau entgingen große Aufträge
Amerikanischer Plan zur Aufhebung der alliierten Restriktionen
FRANKFURT. Wie aus alliierten Kreisen am Donnerstag verlautet, besprechen westalliierte Behörden zurzeit einen amerikanischen Plan, Deutschland den unbeschränkten Bau von Schiffen jeder Größe und Geschwindigkeit zum Zwecke des Verkaufs' an andere Länder zu gestatten. Die Deutschen könnten für 30 Millionen Dollar jährlich Schiffe verkaufen, wenn die bestehenden -alliierten Beschränkungen gemildert würden.
Nach dem Petersberg-Abkommen ist es der Bundesrepublik verboten, Schiffe über 7500 t und einer größeren Geschwindigkeit als 12 Knoten für den Eigenbedarf wie für fremde Länder zu bauen. Der amerikanische Plan würde den Deutschen gestatten, größere Schiffe für fremde Rechnung auf Kiel zu legen, doch dürften diese nicht von Deutschland selbst benutzt werden.
Der amerikanische Plan hat nach den Angaben der alliierten Beamten den Zweck, der Arbeitslosigkeit Einhalt zu gebieten und die westdeutsche Wirtschaft anzukurbeln. Es
wurde darauf hingewiesen, daß deutsche Werften allein in den Monaten Dezember und Januar ausländische Aufträge im Werte' von 168 Millionen DM zurückweisen mußten, weil die in Auftrag gegebenen Schiffe mit den alliierten Restriktionen nicht in Einklang standen. Die Bestellungen kamen aus Frankreich, Argentinien, Norwegen und einigen anderen Ländern.
Die gegenwärtige Baukapazität der westdeutschen Werften beträgt etwa 200 000 t, könnte jedoch ohne Schwierigkeiten auf 300 000 t erhöht werden.
Der unwirtschaftliche Typ der 7000-t- Schiffe mit 12 Knoten Höchstgeschwindigkeit, der von Deutschland gebaut werden darf, ist nach Ansicht alliierter Beamter der Hauptgrund dafür, daß die Werften nicht genügend Beschäftigung finden.
Amerikanischerseits rechnet man mit scharfem Widerspruch Frankreichs und Englands gegen die Aufhebung der Schiffsbaubeschränkungen in Deutschland.
„Fliegende Untertassen“
Ueberall tauchen sie jetzt auf / Beobachtungen mexikanischer Flieger
MEXIKO CITY. In der letzten Zeit haben sich die Berichte über das Auftauchen sogenannter „fliegender Untertassen“ gehäuft. Am Donnerstag hat man solche merkwürdigen Gebilde, denen die ersten Beobachter wegen ihrer seltsamen Form den Namen „fliegende Untertassen“ gaben, in Mexiko, Kanada, Pennsylvanien, Guatemala und Bolivien beobachtet.
Vier mexikanischen Piloten ist es nadi ihren Aussagen — es handelt sich um vertrauenswürdige und erfahrene Männer — gelungen, sich mit ihren Maschinen einer „fliegenden Untertasse“ - zu nähern, während zu gleicher Zeit ein Amerikaner diesen seltsamen Himmelskörper mit einem Teleobjektiv auf
den Filmstreifen zu bannen vermochte. Die mexikanischen Piloten berichten, daß sie die „fliegende Untertasse“ in etwa 10 000 Meter Höhe gesichtet haben. Der Körpe* habe sich zunächst nur langsam fortbewegt, sei jedoch plötzlich mit ungeheurer Geschwindigkeit und unter Ausstoß von Flammen und Funken senkrecht nach oben verschwunden, als sich die Flieger näherten. Die „Untertasse“ habe eine metallene Oberfläche und einen Durchmesser von etwa: 30 Meter. In der Mitte der Oberfläche habe sich eine Art Auspuffrohr befunden. Die Piloten glauben nicht, daß die „fliegende Untertasse“ von menschlichen Wesen bemannt war. Sie meinen, daß es sich um ferngelenkte Geschosse gehandelt habe.
Nachrichten aus aller Welt
MÜNCHEN. Die in München tagenden Präsidenten der Länderparlamente der Bundesrepublik bezeichneten in einer am Donnerstagnachmittag Bundeskanzler Dr. Adenauer übermittelten Entschließung die Wahrung der Immunität der frei gewählten Volksvertreter gegenüber der Besatzungsmacht als unerläßlich.
BAD AIBLING. Auf einer Versammlung der Milcherzeugungsgenossenschaft in Bad Aibiing schlug ein Regierungsdirektor vor, den Arbeitslosen einen Teil der Unterstützung in Käse auszubezahlen, um die 6000 t überschüssigen Käse, zu beseitigen.
HEIDELBERG. Die Abwehr eines „Angriffs“ auf das amerikanische Besatzungsgebiet im Raum der Flüsse Rhein, Main und Neckar ist die taktische Aufgabe der diesjährigen Frühjahrsmanö- ver der amerikanischen Streitkräfte in Europa, die unter dem Decknamen „Exercise Shamrock“ am Donnerstagnachmittag begannen. An den Manövern nehmen 11 800 Angehörige der Erdtruppen, der Luftstreitkräfte und der Rhein- Flußmarine teil.
HEIDELBERG. Ein amerikanisches Kriegsgericht verurteilte am Donnerstag vier Negersoldaten, die zwei Deutsche überfallen und geschlagen hatten, wobei einer an den erlittenen Verletzungen starb, wegen Totschlags zu je 2!i Jahren Zwangsarbeit und unehrenhaftem Ausscheiden aus der Armee.
KÖLN. Das Kölner Schöffengericht verurteilte die Verkäuferin Gertrud Risch, die im November vorigen Jahres in einer jüdischen Gaststätte nazistische Lieder gesungen und bedauert hatte, daß der Inhaber des Lokals nicht den Gastod gefunden hatte, zu drei Monaten Gefängnis. Die Angeklagte weigert sich, ihre Erklärungen zurückzunehmen.
OLDENBURG. Der frühere Gauleiter und Reichsstatthalter von Weser-Ems, Paul Wegener, wurde am Donnerstag auf Antrag des öffentlichen Klägers als Minderbelasteter eingestuft und zu einer Verfahrensgebühr von 5000 DM verur
teilt. Wegener war zuletzt Verteidigungskommissar im Hauptquartier von Dönitz und bekleidete den Rang eines Staatssekretärs. Er war 1930 in die NSDAP eingetreten und hatte hohe Stellungen in der SA und der SS inne.
HAMBURG. Am Freitag wurden sieben Personen in einer Hamburger Villa das Opfer des Selbstmords einer 49jährigen Hausangestellten mit Leuchtgas. Beim Durchsuchen des Hauses fand man die Selbstmörderin in der Küche neben dem geöffneten Gashahn und in den übrigen Räumen des-Hauses sechs weitere Tote.
LONDON. Das von den de Havilland-Werken konstruierte Düsenflugzeug „Comet“ legte am Donnerstag die 3000 km lange Flugstrecke London—Rom—London mit 11 Fluggästen und fünf Mann Besatzung in einer Flugzeit von 4 Stunden und 12 Minuten zurück.
ROM. Vatikankreise rechnen nach der Ausweisung des Sekretärs der päpstlichen Nuntiatur, Monsignore Ottavio de Liva, mit dem Abbruch aller Beziehungen zwischen der Tschechoslowakei und dem Vatikan.
MOSKAU. Der Ministerrat der Sowjetunion und das ZK der KP beschuldigten am Freitag die Organe der Partei und des Staates in einigen Teilen der Sowjetunion der „Nachlässigkeit bei der Organisierung der Landwirtschaft“.
HELSINKI. Da die finnischen Sozialdemokraten nach mehrtägigen Verhandlungen bekanntgegeben haben, daß sie sich nicht an einer Regierung unter Führung des Vorsitzenden der Agrarpartei, Dr. Urho Kekkonen beteiligen werden, ist mit der Bildung einer Koalitionsregierung aus den Parteien der Mitte in Kürze zu rechnen.
MELBOURNE. Der australische Farmer Dave Butterick, der sich in dem Landstädtchen Wed- derburn 240 km von Melbourne zur Ruhe gesetzt hatte, beutete, wie jetzt erst bekannt wurde, seit drei Jahren in aller Stille eine Goldmine aus, die er auf seinem Hof betrieb. In 18 Monaten förderte er Gold im Werte von 10 000 Pfund.
daß auch dein armer Vater das wahre Wesen dieses Menschen nicht völlig durchschaut und sich erheblich in ihm getäuscht hat.“
„Deine, wie ich wohl beinahe glauben muß, lächerliche Eifersucht treibt dich zu Geschmacklosigkeiten, die ich nur bedauern kann.“ Noch immer bewahrte Reuter seine Ruhe. „Du magst recht haben, daß aus mir bis zu einem gewissen Grad Eifersucht spricht. Viel mehr aber ist es meine alte Freundschaft und ein Gefühl guter Kameradschaft, die mich zwingen, dich vor dem Mann mit allem Nachdruck zu warnen. Er ist nicht ehrlich und offen, er ist ein kalter Streber und Mitgiftjäger.“
„Ich verbiete dir, in meiner Gegenwart in derart häßlicher Weise einen Mann zu schmähen, der meines Vaters größtes Vertrauen genoß und der sich als Abwesender nicht einmal verteidigen kann. Ich sehe Dr. Berning ganz anders: er ist ein hochbefähigter Arzt, ein wissenschaftlich denkender und ungeheuer fleißiger Mensch, der über die besten Manieren verfügt. Hast du nicht das Gefühl, daß es dir recht wenig zukommt, ihn herabzusetzen, vor alfem, wo du mir für deine Behauptungen jeden Beweis schuldig bleiben mußt?“ „Aus deinen Worten höre ich deutlich genug, wie du mich einschätzt. Einmal hast du mir ja bereits dein Urteil über mich in ungeschminkter ]*örm gesagt. Glaubst du nicht, daß ein Mensch, beherrscht von einem guten und anständigen Gefühl, sich von Grund aus ändern und über Nacht wandeln kann? Um ganz offen zu sein: glaubst du nicht, daß meine Liebe zu dir — ja, ich sage es ehrlich, daß ich mich plötzlich und unsinnig in dich verliebt habe, du brauchst gar nicht so zweifelnd zu lächeln, — mich anders gemacht hat? Ich bin ja in deinen Augen wohl so sine Art Hanswurst gewesen, ein Tagedieb, nur mittelmäßig begabt. Wenn das nun heute anders aussähe. sag, Dorothea, würdest du es dann nicht doch vielleicht mit mir versuchen?“
Es war warm und herzlich gesagt worden,
aber das Mädchen hörte aus seinen Worten etwas ganz anderes.. Sie wollte wohl auch nicht verstehen, der Einfluß, den der Arzt auf sie ausgeübt hatte, war schon zu stark. „Wenn du meinst, daß ich an deine innere Wandlung glauben soll, nein, das kann ich nicht. Du darfst es mir nicht verargen, wenn ich dieser so plötzlich auftretenden Liebe etwas zweifelnd gegenüberstehe. Du warst vorhin so geschmackvoll, Dr. Berning einen Mitgiftjäger zu nennen; du wirst es mir dann auch nicht verdenken dürfen, wenn ich mich frage, ob deine mir soeben bekannte Liebe nicht auch in einem gewissen ursächlichen Zusammenhang mit meinem Gelde steht.“ Im gleichen Augenblick dachte Dorothea: ,Das hätte ich nicht sagen sollen, das war häßlich? Sie schrak zurück, als sie Paul Reuters Gesicht sah. Er war aschfahl geworden, seine Lippen bildeten einen dünnen Strich, alles Jungenhafte war verschwunden. Hart und kantig schienen mit einemmal die Züge. Ein in Wahrheit verwandelter Mensch stand vor ihr.
‘Schon wollte Dorothea mildern, einlenken, da sprach Paul Reuter, und seine Stimme klang anders als sonst: „Ich kam heute aus einem ganz anderen Anlaß zu dir und bedaure in deinem Interesse aufs äußerste, daß das Gespräch eine derartige Wendung nahm. Ich betone nur noch, daß das, was ich dir jetzt sage, eine reine Tatsachenfeststellung ist, für deren Richtigkeit ich mit meinem Ehrenwort verbürge. Ich halte es für meine Pflicht, sie dir bekannt zu geben, obwohl ich mir darüber klar bin, daß ich nochmals mißverstanden werde. Meine Behauptung, daß Herr Dr. Berning ein Mitgiftjäger sein dürfte, belege ich damit, daß er mit dem Büro einer Berliner Heiratsvermittlerin in Verbindung steht und nach einer besonders günstigen Partie fahndet. Du kannst dich durch einen neutralen Beobachter davon überzeugen lassen; sein Bild liegt bei einer Frau von Haack am Nollendorf- platz in Berlin unter den Heiratskandidaten aus.“
Ein „dreifaches Nein“
LONDON. Der britische Oppositionsführer Winston Churchill erklärte am Donnerstag im Unterhaus bei der Debatte über den Verteidigungshaushalt, Westeuropa könne ohne die aktive Mitarbeit Westdeutschlands nicht erfolgreich verteidigt werden. Er beklagte außerdem die Demontage potentieller Rüstungswerke in Deutschland, die verspäteten Prozesse gegen deutsche Generale und sprach von einem „dreifachen Uebel“.
Diese Maßnahmen störten die Versöhnung Frankreichs und Großbritanniens mit Deutschland, und spielten der kommunistischen fünften Kolonne in Westdeutschland in die Hände. Außerdem unterstützten sie das Wiederaufleben des Nazismus. Deutschland müsse seinen „Beitrag“ leisten. Den Deutschen könnten keine Garantien gegen die Armee Rußlands und der Ostblockstaaten gegeben werden, es sei denn, man lasse sich in einen Krieg ein, der die europäische Zivilisation vollends zerstöre und unter Umständen mit der Versklavung Westdeutschlands durch die Kommunisten — und nicht nur Westdeutschlands — beginnen könnte.
Der britische Ministerpräsident nannte. Winston Churchills Vorschlag und die damit verbundenen Behauptungen „unverantwortlich und ungerechtfertigt“. In Paris erklärte man, Churchills Aussagen seien „interessant, abei keiner ernsthaften Prüfung wert“.
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cz. Man wird es nicht übelnehmen, wenn Angebote wie das, von Churchill, geboren aus der innenpolitischen Opposition zur regierenden Partei, uns nachgerade ärgern. Es ist derselbe Churchill, der zu gegebener Zeit über Hitler des Lobes voll war, dann mit der Sowjetunion aus Zweckmäßigkeitsgründen paktierte und heute nichts dagegen hätte, wenn deutsche Landser sich erneut im Osten verbluten würden. Vielleicht möchte er auch die Erfahrung der deutschen Kriegsgefangenen, soweit sie heimgekommen sind, ausnutzen. Es dürfte aber leichter sein, in Reden vor dem Unterhaus von „Versöhnung“ Westeuropas durch Wiederaufrüstung Deutschlands zu reden, als nach den jüngsten bitteren Erfahrungen neuerdings als Kanonenfutter gegen den Osten zu krepieren.
Auf Churchills „dreifaches Uebel“ können wir daher nur mit einem „dreifachen Nein“ antworten. Wir sind abgerüstet, tragen das „dreifache Uebel“ mit Fassung und wollen abgerüstet bleiben.
Di© unechte „Heimkehr“
Schöffengericht lehnt ab / Zu hohe Vorstrafen
KARLSRUHE. Das Karlsruher Schöffengericht erklärte sich am Donnerstag nach vierstündiger Verhandlung über die beiden angeblichen Rußlandheimkehrer Thilo Wagner und Siegfried Kluger, die im September vorigen Jahres in der Bundestagssitzung die Ausführungen des Vorsitzenden der KPD, Rei- mann, gestört haben, als nicht zuständig, da die beiden auf Grund ihrer Vorstrafen bedeutend höhere Strafen erhalten müßten, als das Schöffengericht sie aussprechen könne.
Aus den Aussagen der beiden ergab sich, daß sie in Heimkehrerkleidern in der Vorhalle des Bonner Bahnhofs von dem Bundestagsabgeordneten Dr. Höfler (CDU) angesprochen worden waren, der sie gebeten habe, an der Bundestagssitzung teilzunehmen. Auf dessen Veranlassung sei ihnen vom Bundestagspräsidenten Dr. Köhler je eine Karte zum Besuch der Sitzung ausgehändigt worden.
Vor der Sitzung seien sie im Bundesre- staurant Gäste des Bundeskanzlers gewesen. Wagner behauptete, verschiedene Abgeordnete hätten ihn aufgefordert, gegen Reimann aufzutreten. Nach der Sitzung seien sie wiederum als Gäste verschiedener Bundestagsabgeordneter bewirtet worden. Schließlich habe man ihnen je 50 DM ausgehändigt, ohne sie während ihres dreitägigen Aufenthaltes ein einziges Mal nach Entlassungspapieren oder sonstigen Ausweisen zu befragen.
Dorothea Falk war in heftiger Erregung aufgesprungen. „Wie gemein von dir, anderen Menschen nachzuspionieren und dann noch mit einem Beweis zu kommen, von dem du genau wissen durftest, daß er sich nie wird antreten lassen, nachdem Frau von Haack tot ist.“
„Um Gottes willen, was sagst du da: Frau von Haack tot?“ Paul Reuter hatte es fast herausgesehrien. „Nein, das kann ja nicht sein, das wäre ja zu furchtbar! Woher weißt du denn das?“
Peinlich berührt sah die Aerztin den maßlos Erregten an. „Du kannst es in Berlin an jeder Plakatsäule lesen: sie wurde ermordet.“
„Ermordet, das ist ja grauenvoll... “. Tonlos hatte Referendar Reuter es geflüstert.
„Kanntest du denn die Unglückliche?“
„Nein, das heißt ja, natürlich ...“, der junge Mensch stammelte nur noch. Befremdet sah Dorothea ihn an.
„Ich bedaure, was ich dir gesagt habe, und bitte dich, es zu vergessen. Es tut mir leid, wenn ich dich kränkte, das war gewiß nicht meine Absicht. Darf ich dich bitten, wenn du in Zukunft einmal Rat und Beistand brauchen solltest, dich meines Vaters zu erinnern, der dich gewiß nicht im Stich lassen wird und bei dem wohl auch der Verdacht, es auf dein Geld abgesehen zu haben, wegfallen dürfte. Auch meine Mutter hängt sehr an dir, du wirst bei uns immer ein Heim haben, Dorothea. Mir zu begegnen, brauchst du nicht zu befürchten.“
Bevor Dorothea ihn nach dem rätselhaften Sinn seiner Worte fragen konnte, war Reuter nach'einer höflichen Verbeugung gegangen.
Noch einmal begab er sich ins Gericht. Der Präsident beglückwünschte ihn zu seinem Erfolg und bewilligte ihm sofort den erbetenen Urlaub zur Teilnahme an der akademischen Preisverteilung in Freiburg und für einen anschließenden Erholungsurlaub.
(Fortsetzung folgt)