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Probleme des Schwingenfluges
Der Kolibri kann senkrecht hochsteigen
Durch neue Forschungen hat das Problem des Schwingenfluges erheblich an Bedeutung für die moderne Luftfahritechnik gewonnen.
Die Technik ist sich der Grenzen bewußt geworden, die ihr auf dem Gebiet der Luftfahrt gesetzt sind. Sie sucht daher neue Wege zu beschreiten und bedient sich hierbei jener Hilfsmittel, die auch die Natur kennt. Dadurch wird die Forschung wieder mehr an das Schwingenflngprinzip heran- geführt und beginnt, sich in zunehmendem Matze für die fliegende Tierwelt zu interessieren, deren Entwicklung seit Jahrmillionen langsam und sicher fortschreitet, wo der Meuschen- geist erst auf einen stürmischen Aufstieg von nur wenigen Jahrzehnten zurückblicken kann.
ES ist die Aufgabe der Flugbiophysik, das tierische Flugwesen in seiner ganzen Mannigfaltigkeit von allen Seiten her, vom Standpunkt des Anatomen, Aerodnnamikcrs, Flugtechnikers und Psychologen aus, eingehend zu studieren: die Gesetze der Bewegung und der auftretenden Luftkräfte zu erkennen, sowie das vielgestaltige Material über Vau und Beschaffenheit -er Flügel. Gelenkmechanik, Flugreflexe, Mus- kein und Oricntierungsvcrhalten nach einheitlichen Gesichtspunkten zu ordnen. Man hat eS somit hier mit einer Grenzwissenschaft zu tun, wie Dozent Dr. Erich von Holst von der Universität Göttingen in „Forschungen und Fortschritte", dem Organ des Reichsforschungsamtes, darlegt, die Probleme der Aerodynamik, Biologie und Technik umfaßt. Sie bedient sich zu ihrer Lösung ebenso rein aerodynamisch-mathematischer Berechnungen wie der Hilfsmittel der Biologie und des Zeitlupenfilms. Hierzu sind in neuester Zeit noch Untersuchungen an dem tierischen Vorbild nachgebauten Schwingenflugmodellen und Messungen an schwingenden Flügeln im Windkanal gekommen.
Der Kernpunkt des Problems des Schwingenflugs, um den sich alles andere dreht, ist der Bewegungsvorgäng selbst. Er konnte erst tn letzter Zeit näher erforscht werden. Die tierische Schwingenbewegung enthüllt zwei wesentliche Teilkräfte: die Schlagschwingung und die ebenso wichtige, wenn auch weniger auffällige Drehschwingung um die Flügeft längSachse, die beide gegeneinander um 9st Grad phafenver- schoben sind, so daß der weiteste Ausschlag der Drehung auf der Mitte der ganzen Schlagstrecke liegt.-Schwingt der Flui gel in einer Ebene, so bestimmen die Flügellänge und der Schlagwinkel die bei einer Schwingung überstrichene Fläche und, zusammen mit der Schlagfrequenz, auch die mittlere Geschwindigkeit, der Flügelspitze, die „Umfangsgeschwindigkeit". Wird der Flügel nicht von außen angeströmt, was beim „Flug auf der Stelle" der Fall ist, so bestimmen die mittlere Stellung des Flügels tn der Schlagebene und die Weite der Drehschwingung den Winkel, unter dem der schwingende Flügel jeweils angeblaien wird und der für jeden Flugelschnttt gleich ist. Findet aber eine engere Anströmung statt, wie sie Bedingung für einen Vorwärtsflua ist. so wird die ieweilias
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effektive Anblasung durch das Verhältnis der Anströmgeschwindigkeit zur Umfangsgeschwindigkeit festgelegt. daS man den Fortschrittsgrad nennt.
Es würde zu weit führen, hier alle drei komplizierten Zusammenhänge aufzudecken, die zwischen Auftrieb, Drehschwin» gung, Fortschrittsgrad und dem sogenannten Schub bestehen, Das Fliegen auf der Stelle mit dem Schub beherrscht in reinster Form der Kolibri, dessen Flügelkchwingebene nahezu horizontal liegt. Er kann daher, ähnlich wie der Aufzug m einem großen Gebäude, senkrecht hochsteigen. Die Bienen, Libellen, Schwärmer und Schwebefliegen dagegen bewegen ihre Flügel in einer gegen die Horizontale geneigten Ebene, wobei sie im Nutzeffekt dem reinen „Schubfliegen" noch ziemlich nahekommen. Bei den großen, langsam schlagenden Flugtieren wie Kranich und Schwan aber ist die „aktive Verwindung" von entscheidender Wichtigkeit.
Die praktischen Ergebnisse dieser und vieler anderer Forschungen oder Versuche lassen sich etwa in folgenden Leitsätzen zusammenfassen: der menschliche Schwingenflug mi! eigener Muskelkraft wird wohl immer ein Traum bleiben, nachdem selbst der Propellerflug bei größter körperlicher Anstrengung nur für wenige Minuten möglich ist. Bestenfalls kann man sich davon nicht mehr erhoffen als einen ebenso anstrengenden wie halsbrecherischen Sport ohne praktisch« Bedeutung. Dagegen ist die Konstruktion eines motorbetriebenen Schwingenflugzeuges nach dem Libellenprinzip nichi ausgeschlossen. Es besäße gegenüber den heutigen Flngzeug- typen einen wichtigen Vorteil: die weite Geschwinbigkeits- fpanne. Eine solche Maschine könnte vom Fleck weg starten und punktförmig landen wie der Hubschrauber, aber zugleick auch die hohen Geschwindigkeiten moderner Normalflngzeugr Erreichen, wenn nicht gar überbieten. Schließlich stellt di« Flugbiophysik der Luftfahrttcchnik auch gewisse FlughiliS- mittel wie z. B. jene zur „HochantriebSerzengung" zur Verfügung, die bei Start und Landung eine Verringerung der Fluggeschwindigkeit ermöglicht, indem sie ein Nbrcißen bei Strömung auch bei steilerem Anstellwinkel verhindert.
Weltuhr als Sühne
Eine Sehenswürdigkeit weit über die Bedeutung eines Denkmals heimischer Handwerkskunst hinaus ist die Weltuhr von Bcrnburg. Sie hat außer dem normalen Zifferblatt noch 22 weitere Zifferblätter. Auf 2N Blättern liest man die Uhrzeiten der Weltstädte. Eine Monökugel dreht sich in der Umlaufzeit des Mondes, eine Sternenuhr zeigt im Laufe eines Jahres einen Tag mehr an: am 2». März geht sie zur Normalzeit zurück. Eine Kalenderuhr zeigt Tag und Monat an: ihr Kreislauf schließt sich alle vier Jahre, wenn die Periode eines Schaltjahres abgelaufen ist.
Der Bernburger Uhrmachermeister Fuchs hat das Met- sterwerk in zehnjähriger Arbeit geschaffen. Es war eine Art Sühnearbeit. Im Jahre 1875 verübte der Nordamerikaner Keith einen Anschlag aus den Dampfer „Mosel" des Norddeutschen Lloyd. Er wollte das Schiff auf hoher See tn die Luft sprengen und verbarg in dem Schiffskörper eine Höllenmaschine. Der Anschlag auf das Schiff mißlang, die Höllenmaschine explodierte im Hafen, aber deur Verbrechen fielen 100 Menschen zum Opfer. Der Bernburger Meister Fuchs hatte den Mechanismus der Höllenmaschine gebaut, ohne eine Ahnung zu haben, zu welchem Zweck er verwendet werden sollte. Erschüttert von dem Verbrechen, an dem er schuldlos mitschuldig geworden war, zog sich Fuchs non der Welt zurück und suchte seinen Trost in der Arbeit Er wollte sühnen durch seine Kunst. Ein Ergebnis seiner Ar- beit war die Weltuhr. die im Rathaus von Bernburg aufgestellt wurde. Eine zweite Uhr gleicher Art, ebenfalls von Fuchs geschaffen, wurde im Rathaus von Paderborn aufgestellt.
Das Auge des Pflanzers. Der Pflanzer einer kleinen Siedlung hatte im Kampf mit räuberischen Stämmen sein rechtes Auge verloren. Als Ersatz trug er ein Glasauge, das zwar sein Gesicht entstellte, von dem aber die Eingeborenen wußten, daß es auch gefährlich war. Nun mußte der Pflanzer eines Tages zur Entladung eines Schiffes nach einer unbedeutenden Hafenstadt, um für seine Farm notwendige Ge- brauchsgegenstände und landwirtschaftliche Maschinen abzu- holen. In feierlicher Form nahm er das Glasauge aus der leeren Augenhöhle, legte es auf den Tisch im Pflanzerhaus und erklärte den Schwarzen: Dieses Auge werde sie ebenso scharf beaufsichtigen, als ob er selber zugegen sei. Die Schwarzen machten erst unheimliche Gesichter, versprachen aber dann, fleißig zu arbeiten. Was mußte der Pflanzer erleben, als er vom Hafen zprückkchrte? Die schwarze Bande räkelte sich bequem in den geflochtenen Rohrsesseln. Wo war das scharf« Äuge geblieben? Die Schwarzen hatten es kurzerhand mit einem bastgeflochtencn Hut zugedeckt.
Hu? öle
Brotaufstrich aus Fleisch — Winke zum Fettausgleich
Die durch Fleisch ausgetauschte Fettration wird die Hausfrauen veranlassen, sich selber mit der Herstellung von Brotaufstrichen vertraut zu machen. Es gibt da allerlei praktische Möglichkeiten, über die im Zeitungsdicnst des Reichsnährstandes berichtet wird. Eine Verlängerung von gekaufter Leberwurst durch Hinzufügen gedünsteter Zwiebeln oder von Bregen hat wohl manch« Hausfrau schon erprobt und recht gut befunden. Das kann aber nur in kleinem Matze empfohlen werden, zumal sowohl Zwiebeln wie Bregen nicht immer in größeren Mengen vorhanden sind. Ueberhaupt kann es sich stets nur um die Herstellung kleinerer Portionen von Brotaufstrichen handely, die mit Hilfe von Streckmitteln zubereitet werden. Gründe der Haltbarkeit sind da zu beachten. Bei Versuchen hat sich ergeben, daß geschmacklich keine große» Unterschiede entstehen, ob man zur Herstellung von Brotaufstrichen gebratenes oder gekochtes Fleisch verwendet. Ein Aufstrich, der aus Suppenfleisch besteht, muß natürlich kräftiger abgefchmeckt werden, als wenn man z. B. Reste von Gulasch verwendet, das ja schon an sich stark gewürzt ist. Rindfleischaufstrich wird stets den kräftigsten Geschmack haben, während bei Schweinefleisch wieder der Fleischgeschmack zugunsten de- Fettgehalts etwas zurücktritt. Ueberraschend gut eignet sich auch Kalbfleisch zur Herstellung von Brotaufstrich. Zum Verlängern dieser Brotaufstriche nehmen wir^ausgequollene Grütze oder dicken Mehlbrei oder auch kalte, geriebene, gekochte Kartoffeln. Grützaufstriche sind am schmackhaftesten iftid halten sich auch ein paar Tage, während die beiden anderen Streckmittel möglichst nur für den sofortigen Verbrauch genommen werden sollten. DaS wichtigste bei allen derartigen Aufstrichen ist natürlich das Abschmeckcn. Reben gedünsteter oder roh geriebener Zwiebel oder Lauch können die verschiedensten Kräuter frisch oder getrocknet verwendet werden. Salbei, Kümmel. Thymian, Majoran, Basilikum, Koriander, Petersilie usw. eignen sich dazu. Rindsleischausstrich wird durch eine Keine Zugabe von Sens und fein gehackter saurer Gurke sehr pikant. Die Hausfrau hat auf dem Gebiete der Brotanfstrichmittel «ine Fülle von Möglichkeiten. Sie kann durch immer neue Zusammenstellungen ihrer Familie wohlschmeckende Brote bieten. Am heften gibt man alle diese Aufstriche in kleinen Gefäßen zur Arbeit mit, denn die gestrichenen Schnitte werden nach einiger Zeit leicht unansehnlich.
Wie man Fett spare« kann. Butter und Margarine werben für den Aufstrich wesentlich Ergiebiger, wenn man sie vorher sehr sähmig rührt. Beim Kochen verfährt man mit Fett sparsamer, wenn er flüssig aufgelöst wird. Um das Fett von Suppen, Fleischsäften und Bratentunken abschöpfen zu können, gießt man etwas kaltes Wasser zu und läßt es an kühler Stelle stehen. Das Fett, das sich an der Oberfläche ansammclt, kann dann noch zu anderen Gerichten verwendet werden. Von allem Fleisch werden die äußeren und durchwachsene Fettschichten ab- oder ausgelöst, klein geschnitten und auSgebratcn, um es ebenfalls noch für andere Speisen gebrauchen zu können. Spritzt beim Anbraten von Fletsch das Fett, so streut man etwas Salz hinein, damit es sich sofort besänftigt.
EintopsgerWe sparen Feuerung!
s Kohle zu sparen, ist heute ein zwingendes Gebot. Wenn auch nicht in jedem Haushalt durch die Benutzung - iues ' Kohlenherdes Kohle verbraucht wird, so entsteht doch e,n m- ! direkter Kohleverbrauch durch die Verwendung von Gas und j Strom. Man wird also auch, um Feuerung zu. sparen, Ein- ! topfgerichte zubereitcn. Beim Zusammenkochen von Gemüse ! und Kartoffeln spart die Hausfrau außerdem das Mehl zum ! Andicken, denn die mitgekochten Kartoffeln binden das Gericht ! genügend. An Stelle von Kartoffeln kann man auch Grütze ! verwenden, die ebenfalls eine gute Bindungsfähigkeit hat. — Welche Zutaten stehen jetzt zur Verfügung zur Herstellung eines Eintopfgerichts? An Gemüse gibt es hauptsächlich Kohlrüben, außerdem Kohl, Mohrrüben, und manche Hausfrau wird aus dem eigenen Garten den letzten Grünkohl hereinholen. Der süßsaure Kohlrübeneintopf ist eine gute Abwechslung. Man bräunt dafür klein geschnittenen Lauch in Fett, dazu gibt man fein geschnittene Kohlrübenstifte und dünstet sie gut durch. Kartoffelwürze und Flüssigkeit werden gleichzeitig zugegeben und zur Herstellung des Geschmacks wird Kümmel hineingestreut. Mit den weiteren Gewürzen Salz, Essig nnd Zucker schmeckt man das Gericht zum Schluß ab. Hat man kein Gemüse zur Verfügung, bereitet man ein Eintopfgericht aus Kartoffeln. Da die Kartoffeln in diesem Jahre recht mehlig sind, braucht man die Kartoffelsuppe nicht mit Mehl anzudicken, sondern stampft die Kartoffeln ein wenig und erhält so eine gebundene Suppe, die mit Salz abgefchmeckt wird.
kioinsn -o- Oif.Ici von NüNLlHIN
(Urheberschutz durch L. Ackermann, Romanzentrale Stuttgart)
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Als Alfred Hella zum letztenmal im Zimmer ihres Vaters gesehen, als er kam, um Abschied zu nebmen, da war zwischen ihr und ihm eine unübersteigbare Schranke gewesen. Und jetzt? Jetzt sab da neben ihm ein armes, weinendes Menschenkind, und er wunderte sich gar nicht darüber, daß sie ihm, dem Schüler ihres Vaters, ihr Leid mitteilte.
Wie lieb er sie hatte! Er war versucht, seinen Arm um sie zu legen, ihren Kopf an seine Brust zu ziehen und lind über ihre feuchten Wangen zu streichen.
Hella, die ganz still gesessen, fragte leise: „Wie ist es Ihnen ergangen?"
Da dachte er wieder an sich und war froh, daß er nicht voreilig gehandelt hatte.
„Was macht Ihre Erfindung?"
„Es war ein Beweis der großen Güte Ihres Vaters, daß er mir einen Preis zuerkannte, den ich wohl nicht verdiente. Dieser Preis hat uns drei Monate vor Not be- wahrt und meinem Vater vielleicht mehr Glück gebracht al« mir."
„Sprechen Sie! Lassen Eie uns i« den Gängen hier auf und ab gehen."
„Sie frösteln!"
Eie hatte ein wehe« Lächeln um ihre Lippen.
„Erzählen Sie mir. Ich habe jetzt so selten Gelegenheit, mit einem Menschen zu sprechen."
Sie gingen auf und nieder, und unwillkürlich hatte Hella ihren Arm in den Alfreds gelegt. Alfred sprach, sagte ihr alles, sagte es mit einem bitteren Unterton in
der Stimme, und dann, dann lagle er unwillkürlich mehr, als er wollte:
„Jetzt werden Sie vielleicht verstehen, Fräulein Hella, warum ich nicht mehr zu Ihnen kommen durfte. Ich habe Ihrem lieben Vater alles geschrieben."
Sie blieb stehen und sah ihn an.
„Ich habe den Brief gelesen."
„Sie haben —?"
„Es hat mir weh getan, daß Sie so klein von mir dachten."
„Hella?"
Eie hatte den Kops gesenkt.
„Sie wissen also, daß ich Sie liebhabe. Lieber als alles auf der Welt. Eben deshalb mußte ich von Ihnen gehen. Mußte es, sonst wäre es vielleicht eines Tags mit meiner Beherrschung vorbei gewesen. Ich bin nichts. Bin weder Akademiker noch Handxoerker. Sie sind Ihres Vaters Tochter —"
„Ich bin nichts als ein einsames Mädchen."
„Liebe Hellai Liebe, liebe Hellai Jetzt haben Sie sich in Ihren Schmerz verloren. Sie sehen ja, daß auch Ihr Vater sich in mir irrte. Ich werde anderer Menschen Modelle machen und werde langsam innerlich stumpf werden, und Sie —"
„Sie brauchen einen Menschen, der an Sie glaubt."
Wieder gingen sie still nebeneinander, dann sagte sie ganz leise:
„Alfred, wenn Sie nicht wüßten, daß ich Sie lieb habe, hätten Sie das alles nicht gesagt, was Sie mir anvertraut haben."
„Hella —?"
Eie blickte zu ihm auf.
„Du dummer Junge! Glaubst du, Vater hätte immer wieder geschrieben, wenn ich ihn nicht gebeten hätte?"
Jetzt legte er seinen Arm um sie.
„Wenn dein Vater jetzt wüßte, was ich getan habe?"
„Würde er uns zulächeln und sich freuen, daß ich nicht
mehr allein bin."
Sie standen wieder vor dem Grab. In der Ferne ertönte eine Glocke, das Zeichen, daß der Friedhof geschlossen werden sollte.
Hellas Gesicht war wieder von Tränen übergossen.
..Küsse mich und sag' mir, daß du mich immer lieku haben wirst: sag' es vor meinem Vater."
Er beugte sich nieder und küßte sie ganz zart.
„Jetzt komm!"
Sie gingen Arm in Arm durch das Tor.
„Ich kann dich nicht bitten, mich, zu besuchen. Es würde aussallen, wenn ich dich empfange. Wann willst du nach Manzell?" '
Jetzt war Hella wieder die ruhige Tochter ihre» Vaters.
„Ich denke, in acht Tagen."
„Du wirst mir von dort schreiben. Denke immer daran, daß ich bereit bi». Ich warte auf dich."
Schon riß Hello sich los und stieg in die Straßenbahn, die nach dem Westen fuhr.
Alfred erwachte wie aus einem Traum und sah der entschwindenden Bahn nach. Er hatte ein merkwürdiges Empfindei, in seiner Seele. Ein Gefühl jauchzenden Glücks und gleichzeitig das eines begangenen Unrechts. Er batte Hella geküßt, er hatte von seiner Liebe gesprochen, er. der nichts war, dessen Zukunft völlig hoffnungslos ausiah, denn seine Zukunft hing ja an der seines Vaters. Da war wieder ein Zwiespalt in seinem Charakter: er, der so energisch, so draufgängerisch und optimistisch gehandeft als es galt, den Vater über sein Unglück hinwegzubring; a. er war verzagt und pessimistisch, nun es sich um ihn selbst handelte.
Das- Erlebnis mit Dr. Geliert an diesem Morgen hatte ihn zu sehr getroffen. Neue Zweifel stiegen auf: hätte der Professor, der gute, liebe Mann, der seinem Kind alles zuliebe tat, ihm den Preis erteilt, weil er wußte, daß Hella ihn liebte? (Forts. folgt.)