Die Neutrale«.
Die englische Weltpostkontrolle.
Amsterdam. 29. Dez. Unter dem Titel „Amokläufer zur See" wendet sich der „Standard" gegen die Willkür, mit der die Engländer die Post neutraler Länder aufhalton. England halte kurzweg mit Waffengewalt neutrale Schiffe, die von einem neutralen Land nach dessen Kolonien fahren oder umgekehrt, an. leere die Postsäcke aus und tue damit was es wolle. Schlimmer könne es nicht mehr fein. Schweden habe bereits zu Repressalien Zuflucht genommen. Die holländische Regierung werde dies, wenn sich ihr dazu Gelegenheit biete, sicherlich auch tun und es nicht bei Protesten bewenden lassen. „Standard" schlägt eine gemeinsame Aktion aller neutralen Staaten Europas und der Vereinigten Staaten von Amerika (Oh heilige Einfalt!) vor, denn es handle sich hier um ein heiliges Recht, das unter keiner Bedingung von England so gröblich verletzt werden dürfe. Wie die Dinge jetzt liegen, sei kein Brief, der über See führe, mehr sicher.
Frankfurt a. M.. 29. Dez. Die „Frankfurter Zeitung" meldet aus Stockholm: Die in Gothen- burg anlangenden Dampfer führten zum Teil die beschlagnahmte Paketpost mit. Die Freigabe ist jedoch nicht derart, daß die schwedische Regierung geneigt ist. die Gegenmaßnahmen aufzuheben oder zu mildern. Der Vertreter der dänischen Amerikalinie in Newyork hat seine Kunden benachrichtigt, daß künftig eine Konnossementsklausel verlangt werde, wonach der Empfänger gegenüber den Vereinigten Dampfschiffahrtsgesellschaften in Kopenhagen eine schriftliche Erklärung abgeben müsse samt einer Bankgarantie in Höhe des doppelten Wertes der Warenladung, daß die Waren im Bestimmungslands verbraucht werden. Im Weigerungsfälle sei die Rhederei berechtigt, die Auslieferung der Waren zu verweigern und sie an einem beliebigen Ort zu löschen. — „Stockholms Dagbladdet" erklärt hierzu, die Folge werde sein, daß wir künftig aufhören werden, dänische und norwegische Linien zu benutzen.
(WTB.) Kopenhagen, 29. Dez. „Politiken" meldet aus Malmö: Die von den Engländern zurückgehaltene amerikanische Paketpost des Dampfers „Heilig Olav", die für Schweden bestimmt ist, ist gestern in Malmö eingetroffen. Sämtliche Postsäcke waren von den Engländern geöffnet und von neuem geschlossen und mit englischem Siegel versehen. In dem Verzeichnis des amerikanischen Postamts über die Pakete sind die beschlagnahmten Eummipakete ausgestrichen. Die mit den Dampfern „Oskar II" und „Frederik VIII" von Amerika nach Schweden abgegangene Paketpost ist von England noch nicht eingetroffen.
Die Verluste der norwegischen Handelsflotte.
(WTB.) Kopenhagen, 29. Dez. „National Tidende" meldet aus Christiania: Eine Aufstellung der Kriegsverluste der norwegischen Handelsmarine bis zum 27. Dezember er gibt 50 Dampfer verloren und 4 für gute Prise erklärt. Diese 54 Dampfer mit zusammen 94 000 Tonnen ergeben nach Abzug von 4 Prisendampfcrn, die von den Befrachtern vergütet werden, einen Nettoverlust von 87 000 Tonnen und einen Nettoverlust von Segelschiffen von 21000 Tonnen, so dag der Gesamtverlust sich auf 108 600 Tonnen im Werte von 47 Millionen Kronen beläuft. (Diese Verluste dürften in der Hauptsache auf das Konto der deutschen Seewacht zu- rückzuführen sein, da Norwegen sich seit Kriegsbeginn auf einen einseitigen wie ausgedehnten Handel zugunsten Englands verlegt hat.)
Gegen die amerikanische Munitionsausfuhr.
(WTB.) Newyork, 29. Dez. (Durch Funkspruch von unserem Prioatkorrespondenten.) Die „Associated Preß" meldet aus Washington: Die Bewegung, die auf ein gesetzliches Verbot der Ausfuhr von Kriegsmunition abzielt, hat sich so verstärkt, daß der Vorsitzende des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten des Repräsentantenhauses, Flood, beschlossen hat, gleich nach Zusammentritt des Kongresses den Ausschuß einzuberufen, um einen Meinungsaustausch über die Frage zu veranlassen.
Vermischte Nachrichten.
Belgien nicht für den Londoner Vertrag.
(WTB.) Bern, 29. Dez. Wie französische Blätter aus Le Havre erfahren, wird Belgien dem Londoner Vertrage nicht beitreten. Belgien sei in den Krieg eingetreten, um seine Neutralität zu verteidigen. Es möchte nichts tun, was dagegen verstoßen könnte.
Das Mißlingen der englischen Pläne.
Berlin, 2S. Dez. Die „Vossische Zeitung" berichtet: Im Bremer Kaufmannskonvent hielt gestern der Präsident der Bremer Handelskammer Lohmann eine bedeutsame Ansprache, aus der wir folgendes herausheben: „England wollte durch die Absperrung Deutschlands dreierlei besorgen: Uns aushungern, Rohstoffe für die Munitionserzeugnisse abschneiden und unseren finanziellen Zusammenbruch herbeiführen. Für drei bis vier Monate über die kommende
Ernte hinaus haben wir genug Getreide. Eine reiche Kartoffelernte wird uns ermöglichen, uneingeschränkt dieses wichtige Volksernährungsmittel dem Volte zur Verfügung zu stellen. Der Biehstand zeigte bei der Zählung im Herbst eine sehr erhebliche Zahl. Die Absperrung der Rohstoffe
die Munitionserzeugung hat für Bremen ein ganz besonderes Gepräge durch die Erklärung der Baumwolle als Bannware seitens unserer Feinde. Ich kann hier Mitteilen, daß ich Gelegenheit habe, amtlich festzustellen, daß seit acht Monaten nicht ein Kilo Baumwolle mehr für die Pulver- jabrikation verarbeitet worden ist. Dank der Arbeit deutscher Wissenschaft ist es gelungen, aus dem unermeßlichen Bestand deutscher Wälder einen Zellstoff herzustellen, der billiger und weit geeigneter zur Pulverfabrikation ist, als Baumwolle. Und auch nach dem Kriege wird die deutsche Munitionsfabrikation nicht ein Kilo Baumwolle mehr von Amerika kaufen. Der zweitwichtigste Bestandteil, der Salpeter, von welchem wir zwei Drittel der gesamten chilenischen Produktion bezogen haben, wird nunmehr ausschließlich aus der Lust in Deutschland fabriziert. Unsere Fabriken sind bereits soweit gediehen, daß sie mit dem kommenden Frühjahr die gesamten Bedürfnisse an Stickstoff auch für die Landwirtschaft decken. Und dauert der Krieg noch etwas länger, so werden unsere Luft-Stickstoffabriken in der Lage sein, sogar zu exportieren. Unsere chilenischen Freunde haben damit ein wichtiges Absatzgebiet ihrer großen Produktion verloren und können sich bei unseren Feinden dafür bedanken. Leider sind dadurch auch erhebliche Bremer und Hamburger Interessen in den Salpeterminen Chiles betroffen worden. Ein anderer Bestandteil der Sprengstoffe der Kampfer, wurde bis vor sieben Jahren ausschließlich von Japan importiert und dann synthetisch hergestellt unter Verwendung von amerikanischem Terpentinöl, das wir für mehrere Millionen Mark jährlich impotieren mußten. Die Absperrung der Zufuhr durch England hat unsere chemische Industrie veranlaßt, den Kampfer, der für Sprengstoffe unentbehrlich ist, künstlich herzustellen, und zwar billiger uird besser, als sowohl der synthetische Kampfer aus Terpentinöl, wie der natürliche aus Japan. Und nach dem Kriege wird kein Kilo Kampfer vom Auslande zu importieren sein. Die großen Terpentinkäufe für die Kampferproduktion aus Amerika werden aufhören. Auch hier hat die Absperrung der Meere durch England uns wertvolle Fabrikationsgebiete erschlossen, und es werden uns im Frieden diese Millionen Mark am Einkauf aus dem Auslande erspart bleiben. Allein das neutrale Ausland, das immer ncch unter der Hypnose von scheinbarer englischer Ueber- niacht zur See steht, wird geschädigt. Schließlich finanziell. Seit Kriegsausbruch konnten wir zunächst eine 5prozentige Anleihe mit 4)^ Milliarden Marl zum Kurse von 97,5 aus- geben, gefolgt im März von einer zweiten Anleihe, beziffert auf 9 Milliarden Mark zum Kurs von 98,5. Dieses Ergebnis wurde dann durch den Riesenerfolg unserer Septemberanleihe mit 12 Milliarden Mark zum Kurs von 99 noch weit übertroffen. 25 Milliarden frisches Geld zu stets sich steigerndem Kurs wurden in Deutschland aufgebracht ohne jedes Hilfsmittel, die unsere Feinde nötig hatten, um ihre Anleihen unterzubringen. Hierin drückt sich die Siegeszuversicht des deutschen Volkes aus.
Die Italiener und die Genfer Konvention.
(WTB.) Wien, 26. Dez. Aus dem Kriegspressequartier wird gemeldet: Ueber das italienische Heldenstück der Beschießung des Roten Kreuz-Spi- tales in Eörz wird amtlich folgendes festgestellt: Protokoll, ausgenommen auf Befehl des k. u. k. Korps-Sanitütschefs, über die Beschießung des Ber- eins-Reserve-Spitals sin Eörz durch schweres Artilleriefeuer am gestrigen Tage: Ban 8 V 2 bis 11 ^ Uhr vormittags schlugen schwere Granaten, abwech^ selnd mit Schrapnells, hinter dem Spitale gegen die Bia Rooeso zu ein. Kurz vor 11 Uhr 30 Minuten krepierte eine Granate etwa siebzig Schritte hinter dem Spitale. Punkt 11 Uhr 30 Minuten vormittags schlug eine Granate schweren Kalibers (15 Ctm., wie die später aufgefundene Eeschoßspitze erwies) als Volltreffer durch das Dach in den Öperations- saal und platzte hier. Die Splitter gingen durch den Fußbooen in das Offizierskrankenzimmer im zweiten Stock, töteten im Operationszimmer einen dort beschäftigten Zugführer und einen Infanteristen und verwundeten einen Infanteristen schwer und euicn andern leicht. Bis 12 Uhr mittags schlugen mehrere Granaten rings um das Spital in Entfernungen von 10 bis 100 Schritten ein. Um 12 Uhr erfolgte ein Volltreffer in den Turm, der das Wasserreservoir durchschlug, so daß ein knöcheltiefer Bach vom dritten Stocke ins Untergeschoß floß. Um 12 Uhr 15 Minuten erfolgte ein Treffer neben dem Turm ins dritte Stockwerk und durch ein bereits geleertes Krankenzimmer ins zweite Stockwerk. Üm I/ 2 I Uhr war bereits die Abtragung der Verwundeten und Kranken ins Parterre und Erdgeschoß erledigt. Punkt 1 Uhr erfolgte ein weiterer Volltreffer in den Turm des Spitals, dem noch drei weitere — einer in die Aufnahmekanzlei, einer in ein Mannschaftszimmer und einer in die Küchenanlagen — folgten. Im ganzen erfolgten sieben Volltreffer. In die Gebäude im Hofe und Garten und in unmittel
barer Nahe schlugen in Zwischenräumen von fünf zu zehn Minuten schwere Granaten ein. Vorstehendes Protokoll nach nochmaliger Verlesung geschlossen und gefertigt. Görz, den 14. Dezember 1915. Dr. Adolf Schwarz, Spitalskommandant. Dr. Wolfgang Weinlechner. Abteilungschefarzt, Dr. Alois Kolarz, Abteilungschefarzt, Dusan Medacovic, Kadett. Martin Tommaseo, Sanitäts-Fähnrich. Ich habe am 14. Dezember, 4 Uhr. das Vereins-Reserve- Spital vom Roten Kreuz besichtigt. Es war von der Genfer Konvention gekennzeichnet und war bis zum 14. Dezember in Uebereinstimmung mit den Aussagen gefangener italienischer Offiziere vom feindlichen Feuer verschont geblieben. Cs unterliegt keinem Zweifel, daß die Beschießung der unter dem Schutze der Genfer Konvention stehenden Heilanstalt mit vollster Absicht von italienischer Seite erfolgte. Dr. Gustav Weil, k. u. k. Generalstabsarzt und Korps-Sanitätschef.
Aus Stadt und Land.
Calw, den 30 Dezember 1915.
Auszeichnung.
Das Wilhelmskre»; mit Schwertern hat erhalten Major z. D. Stall, Kommandeur des Landwehrbezirks Calw.
Das Eiserne Kreuz.
Der Vizefeldwebel Hugo Vühuer, in einem bayerischen Pionierbatl., hat neben dem bayerischen Militärverdienstkreuz 2. Kl. mit Schwertern nun auch das Eiserne Kreuz erhalten; auch der Kriegs- Fretw. Unteroffizier Erwin Schiler, Sohn des Kaufmanns Schiler, im Feldart.-Regt. Nr 4, wurde mit dem Eisernen Kren; ausgezeichnet. .
Die neuen Kriegszehner.
Nach den Kriegsfünfern kommen die Kriegszehner. Wie verlautet, werden 1v Millionen Mark in dieser neuen Münzsorte ausgeprägt werden, das macht 1VÜ Millionen eiserne Zehnpfennigstücke. Ihre Größe wird die gleiche sein wie die der Nickelstücke. Die Aufseite — früher sagte man „Avers" — zeigt in der Mitte die „10", darunter „Pfennig" genau so wie auf den nickligen Zehnern ,und auch die Umschrift „Deutsches Reich" mit der Jahreszahl bleibt die gleiche. Auf die Rückseite kommt der Reichsadler zu stehe» und nur so groß, wie der auf den eisernen Fünfern. Der Rand wird nicht gerippt sein. Also, mit Ausnahme des verkleinerten Adlers wird der Kriegsgroschen in seinem Aeußern sich nicht von den Nickelzehnern unterscheiden. Die etwas dunklere Färbung des Eisengelds kennt man ja schon, und man hat sich an sie gewöhnt, obgleich nach öfterem Gebrauch dieses Eisengeld fast so aussieht wie Kupfer.
Der Ehrenpokal im Luftkampf.
(SCB.) Friedrichshasen, 29. Dez.' Dem Offizierstellvertreter und Flugmeister Richard Gras, Ritter des Eisernen Kreuzes 1. Klasse, ist als Anerkennung für die in siegreichem Luftgefechte bewiesene Tapferkeit vom Großrn Hauptquartier der Ehrenpokal für den Sieger im Lustkampf überwiesen worden. (
(SCB.) Stuttgart, 28. Dez. Die gemeinderätliche Ab teilung zur Festsetzung von Höchstpreisen hat für den Kleinhandel mit Fleisch, Fleischwaren und Wurstwaren folgende Höchstpreise festgesetzt: für Ochsenfleisch 1,20 -4t, Rindfleisch 1. Qualität 1,20 -kt, 2. Qualität 1,15 -4t, Kuhfleisch 90 Kalbfleisch 1. Qualität 1,20 -kt, 2. Qual. 1,15 -4t, Schweinefleisch 1,50 -4t, roher Speck 1,90 -4t, gerauchter Speck 2,40 -4t. Schmalz 2,30 -4t, Rauchfleisch 2 °4t das Pfund. Für Schütze» wurst 30 Bratwurst 20 Saitenwurst 20 rote Wurst 16 Leberwurst 15 schwarze Wurst 15 Salvenat- wurst 15 -Z. Für Schinkenwurst 1,60 -4t, weiße Preßwurst 1,50 -4t, Schwartenmagen 1,30 -4t das Pfund.
(SCB.) Stuttgart, 29. Dez. Durch die K. Württ. Landesversorgungsstelle, die vom K. Ministerium des Innern ins Leben gerufen wurde und diesem untersteht, sind Milchlieferungen (zwischen 3VVV und 40ÜV Litern täglich) aus dem württembergischen Allgäu für die Stuttgarter Abnehmer vermittelt worden. Die Milch gelangt in Stuttgart zu den festgesetzten Höchstpreisen an die Verbraucher. Die Stadt ist an der Aufbringung der Kosten nicht beteiligt.
Katholische Gottesdienste.
Freitag, den 31. Dezember. Abends 5 Uhr: Fahresschluß- andacht mit Prozession. Samstag, den 1. Januar. Fest Christi Beschnetdung zugleich Neujahrsfest. 9>/, Uhr: zuerst das Amt, hernach die Predigt. 2 Uhr; Nachmittagsandacht. Sonntag, den 2. Januar. 9», Uhr: Amt. 1", Uhr: Kriegsandacht. Donnerstag, 6. Januar. Dreikönigsfest, 9'/r Uhr: Predigt, hernach Hochamt. Werktags ist die Pfarrmcsse um 8 Uhr.
Gottesdienste der Methodistengemeinde.
Freitag, 3l. Dezember, abends 9 Uhr: Jahresschlußgottes- dienst. Neujahrsfest, vormittags 10 Uhr: Predigt, Prediger Rücker. Nachmittags 5 Uhr: Weihnachts- und Neujahrsfeier, des Jugendbundcs (Gesänge und Deklamation). Sonntag, den 2. Januar. Vierteljährliche Bczirksvcrsammlung. Vormittags 9'/» Uhr: Predigt und hl. Abendmahl. Distr.-Vorst. Wobith, Stuttgart. Nachmittags 2 Uhr: Freie Aussprache über religiöse Erfahrungen.
Für die Schriftl. verantwort!. Otto Seltmann, Calw. Druck u. Verlag der A. Oelschläger'schen Buchdruckerei, Calw.