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SchwarzwAder Tagrszeitungf
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Wie man den Wintermantel behänden
Der Wintermantel ist das kostbarste Kleidungsstück, das wir besitzen. Deshalb bedarf er einer besonders schonenden Behandlung und Pflege.
Wenn wir den Mantel ausgezogen haben, so hängen wir ihn sofort aus einen Kleiderbügel und nicht an irgendeinen Nagel oder Haken. Er behält dadurch länger Form, und man braucht ihn seltener auszubügeln. Ast der Mantel nab geworden. so wird er im warmen Raum, aber nicht am heißen Lsen getrocknet. Aus regelmäßiges Ausbürsten, zeitweiliges Ausklopsen und gründliches Auslüften ist beim täglichen Tragen besonders zu achten.
Kleine Schäden werden sofort repariert! Wir warten nicht erst, bis der locker gewordene Knopf abreitzt und womöglich verlorengehl, was bei überfüllten Verkehrsmitteln leicht passieren kann. Wir nähen ihn lieber an. bevor ein Loch ein- »erissen ist. Kleine losgerissene Stellen am Futter oder Mantel- laum werden ebenfalls gleich in Ordnung gebracht, das Futter >arf nicht erst ausfransen oder der lose Saum unter dem Mantelrand Hervorschauen! Aktenmappen oder Handtaschen werden bester am Henkel als unter dem Arm getragen. Wir vermeiden damit, daß das Gewebe schnell fadenscheinig oder gar durchgescheuert wird. Auch beladen wir die Taschen nich, unnötig mit schweren Gegenständen, wie Schlüsseln, Taschenlampen usw.. oder hängen tief und fest mit den Händen drin.
Daß auch bei der sorgsamsten Pflege im sechsten Kriegs- iahr hier und da Schäden austreten, ist selbstverständlich. Wenn sich zum Beispiel dünne Stellen zeigen an Aermel-. Vorderoder Taschenrändern, dann versuchen wir diese fein zu stopfen und zu durchziehen. Wir nehmen dazu einen Faden des glei- chen Gewebes, den wir aus einem vorhandenen Stoffrest, aus dem unteren Saum oder den seitlichen Nähten herausziehen. Auch kleine Löcher kann man aus diese Weise gut stopfen. Zum besseren Halt unterlegt man die Schadensstelle mit einem Stück aletchen oder ähnlichen Stofs, der dann beim Stopfen milgefaßt wird. Am besten stopft man in der Webart des Stoffes, also leinen- oder köperbindig. Die gestopfte Stelle wird dann von der linken Seite gut feucht gebügelt.
Wenn der Kragen am Bruchrand durchgestoßen ist, dann wird er entweder gestopft oder gewendet. Beim Abtrennen achtet man darauf, wie der Kragen verarbeitet ist. damit man ihn später genau so wieder annähen kann. Man bürstet den Kragen — vor allem von innen — gut aus und näht ihn so an, daß der Unterkragen als Oberkragen benutzt wird. Dieses Wenden des Kragens ist nicht möglich bei Mänteln, die ausgesprochen herrenmäßig verarbeitete Kragen Haben-
Schadenstellen im Futter werden gestopft oder mit eingesetzten Flicken ausgebessert. Falls kein gleicher Futterrest vorhanden ist, schneiden wir ein Stück Futter aus der Mitte des Aermels heraus und ergänzen dort das Futter durch irgendeinen anderen leichten Stofs.
Wenn wir uns auf diese Weise selbst helfen, entlasten '.vir Nicht nur die vielbeschäftigte Schneiderin, sondetn wir tragen dazu bei. wertvolles Textilgut zu erhalten.
Leckeres fürs FeWoftpöckchen
Jetzt werden die Weihnachtspäckchen für unsere Soldate« gepackt, bis zum 3». November sollen sie bei der Post sein. Ein paar selbstgebackene Plätzchen dürfen dabei als kleiner Weih- nachtSgruß nicht fehlen. Für „den Soldaten" ist bestimmt schon etwas zusammengespart worden, zumal man ja nicht Mvviel schicken kann. Die Suche nach dem richtigen Rezept soll durch die hier ausgeführten sparsamen Vorschläge erleichtert werden. Je nachdem, ob man etwas Fett oder vielleicht elu eingelegtes Ei verwenden kann, kvird die Wahl aus das eine oder andere fallen.
Buttermilch Plätzchen (ohne Ei). 250 Gramm Mehl, Backpulver, lvv Gramm Zucker, Gewürz. 30 Gramm zerlassenes Fett, ein sechzehntel Liter Buttermilch. Das Mehl wird mit dem Backpulver vermischt und aus ein Backbrett gesiebt. Zucker und Geschmackszutaten streut man darüber, gibt in die Mitte das zerlassene Fett und nach und nach die Buttermilch. Man verarbeitet alles zu einem geschmeidigen Teig, den man >§ Zentimeter dick ausroüt und aussticht. Bei Mittelhitze werden die Plätzchen goldgelb gebacken
Mürbe Honigkuchen. 100 Gramm Kunsthonig oder Sirup.
Gramm Mehl oder halb Weizen-, halb Noggenmehl, 50 Gramm Zucker. 30 Gramm Fett, l Ei. Gewürz/3 gestrichene Teelöffel Backpulver oder l^ gestrichene Teelöffel Hirschhornsalz. 2 Eßlöffel Milch, eventuell etwas sein gewiegte Nüsse oder Kurbiskerne. Kunsthonig. Zucker und Fett werden zerlassen, das Gewürz hinzugegeben und. nachdem die Masse etwas ab- Me'-'-- ^ .—
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sekühlt ist. mit dem.Mehl vermischt. Dann gibt man das Ei
zowie oas m» der Flüssigkeit angerührte Hirschhornsalz oder das mit dem Mehl gesiebte Backpulver hinzu, knetet alles zu einem glatten Teig, den man ausrollt. Man sticht Formen aus und bäckt sie bei guter Hitze.
Nudeln selbst machen. 500 Gramm Mehl. 1 Teelöffel Butter oder Butterschmalz. Salz, etwa '/« Liter Wasser (lauwarm) je »ach der Quellfähigkeit des Mehles etwa mehr oder weniger, evtl. 1 Ei oder gehäufter Teelössel Milet. Mehl sieben Dann gibt man in die Mitte Salz, lauwarmes Wasser und die fein zerpflückte Butter und arbeitet von da aus alles zu einem festen llber geschmeidigen Teig, den man ausrollt. Wenn der Teig etwas getrocknet ist, rollt man ihn zusammen und schneidet etwa V, Zentimeter breite Streifen, die man lockert, dn-tt« sie nicht »neinanderkleben können. Nach nochmaligem Trocknen werden oie Nudeln so verwendet wie fertig gekaufte, -- Dazu Kompott, vackobst oder Mischgemuse.
Ratschläge litt Frauen iu Mstungssavrikeu
Trage keine lose Kleidung. Sie verfängt sich leicht ist den sich bewegenden Maschinenteilen. Lege zur Arbeit deinen Schmuck ab. Fingerringe, Armbänder und bergt, stören niHt nur. sie sind auch gefährlich. Trage bei der Arbeit vernünftig ausgesuchtes Schuhwerk Schütze Kopf und Haar durch die Kopsschutzhaube. Es hat seinen Grund. Zu viele Arbeiterinnen wurden schon gräßlich verunstaltet, weil sich ihr loses Haar um den umlausenden Bohrer usw. wickelte. Zu Hause beim Reinemachen trägst du das Tuch ja auch. Richte dich, wenn du an eine Maschine gestellt wirst, streng nach den Anweisungen des Maschtneneinstellers. Scheue dich nicht, ihn zu fragen, wenn dir etwas nicht klar ist. Melde ihm auch rechtzeitig jede Störung der Arbeit, jeden Mangel an deiner Maschine Halte nichts für selbstverständlich, sondern frage lieber Sprich nicht Arbeitskameraden während ihrer Tätigkeit an Maschinen an. Wird man abgelenkt, so kann man leicht von Maschinenteilen erfaßt werden. Mache dir an unbekannten Maschinen und Vorrichtungen nichts zu schaffen Diese Neugierde ist gefährlich. — Betriebsleiter, Meister. Vorarbeiter und Maschineneinsteller: Sorgt dafür daß diese Hinweise genau beachtet
werden. Geht selbst bei der Beachtung der berussgenossen- schaftlichen Unfallverhütungsvorschriften mit gutem Beispiel voran. Es darf nicht — wie es z. B. bei vielen Drehern aus Zeitersparnis üblich ist — die Planscheibe der Drehbank oder der Antriebsriemen mit der Hand gebremst werden. Es mutz für das richtige Aufspannen der Werkstücke gesorgt werden. Die Werkzeuge müssen weitestgehend abgedeckt sein, vor- stehende Schrauben an Spannköpsen usw müssen unbedingt vermieden werden Drehherz und Mitnehmer müssen gesichert sein. Der Maschineneinsteller darf in der ständigen Belehrung und Ueberwachuna Neueingestellter nicht müde werden
Auk jeden Fall Milch Machen
Alle Hausfrauen wissen, daß it>k Milch vor ihrem Verbrauch abgekocht werden muß. damit sie nach ihrem Wege vom Landwirt bis zum Verbraucher untadelig sei Wenn sie aber zum Lande hin umquartiert wurden und ihre Milch „direkt von der Kuh" beziehen können, geraten sie häufig in Zweifel, ob das Abkochen auch unter diesen Umständen noch erforderlich ist Tatsächlich muß die Milch aber auch bei unmittelbarem Bezug aus dem Kuhstall abgekocht werden, weil sonst die Gefahr der Uebertragung tuberkulöser Krankheitskeime vor allem auch auf Säuglinge und Kleinkinder niemals mit Sicherheit ausgeschlossen ist. Bei zahlreichen tuberkulös erkrankten Kindern ist die Krankheitsursache auf die Sorg- losigkeit der Mütter zurückzuführen, die der Meinung waren, daß unabgekochte Milch „natürlicher" und daher auch bekömmlicher fein müsse Nun erkrankt gewiß auch keineswegs jedes Kind, das tuberkelbazillenhaltige Milch trinkt, wenn der Körper genügend Widerstandskraft besitzt, die in den Körper gelangten Keime zu vernichten Aber selbst bei kräftigen Kindern und kerngesunden Erwachsenen kann sich das von einem Tage zum anderen ändern, wenn sie durch andere Ursachen vorübergehend geschwächt sind. Dieses Risiko kann niemand eingehen und die Verantwortung dafür keine Mutter tragen! Milch muß also in jedem Falle abgekocht werden, sobald sie in den Haushalt kommt, auch wenn sie „direkt von der Kuh" her geliesert wird.
Rührkuchcn mit Marmelade (ohne Fett). 250 Gramm Roggenmehl, 1 Ei. 30 Gramm Zucker. 3 Eßlöffel Marmelade, knapp 14 Liter Milch. 1 Päckchen Backpulver. Geschmackszutaten. Ei wird mit Zucker verrührt. Marmelade und dann die übrigen Zutaten daruntergemischt, zum Schluß das mit einem Rest Milch vermischte Backpulver. Der Kuchen wird in einer Napfkuchenform gebacken.
Obftkernsamnrlung auch in diesem Jahr!
Die Schwierigkeiten in der Beschaffung von Brennmaterial für die Anzucht von Obstunterlagen sind noch nicht irberwimden. Die Landesbauernschaft Bayern richtet deshalb an die Schulen, Erziehungsanstalten. Lazarette und Krankenhäuser, nicht zuletzt aber auch an die privaten Sammler den Appell, auch in diesem Jahre fortzufahren, )ie Kerne von Aepfeln und Birnen zu sammeln und luft- getrocknet an die Landesbauernschaft, München 2, Prinz Ludwigstr. 1, einzusenden. Einsendungen bis zum 1. Fe- )ruar können noch für bas kommende Jahr ansgervertet »erden.
Wie wird der 1S44er?
Wir müssen uns nach der eigenen Weindecke strecken
Die Weinernten der letzten Jahre — bis zur diesjährigen — waren mengenmäßig klein, in der Güte aber beacht- lich. Zumal im Jahre 1943 gab es einen recht guten Tropfen. Diese kleineren Erträge sielen in eine Zeit, in der die Weintrinker einen früher für unmöglich gehaltenen Zuzug bekommen hatten, und in der für die Wehrmacht bedeutende Mengen abgezweigt werden mußten, so Saß es fast über Nacht zu einer Weinknappheit kam, wie sie Deutschland wohl noch nie erlebt hat. Wenn es schließlich doch noch neben Zuteilungen für bombengeschädigte Städte, neben Sondergaben für Schwerstarbeiter usw. ab und zu auch sonst noch ein Glas Wein gab und gibt, so deshalb, weil erhebliche Mengen aus dem Auslände, insbesondere aus Frankreich und aus dem Südosten, eingeführt wurden.
Weniger Weinberge
Heute sind wir nun im ganzen auf den Ertrag unserer deutschen Weinberge angewiesen. Wir werden uns daher nach der Weindeckc strecken müssen, obwohl die 44er Lese sehr ergiebig ist. Dabei ist allerdings noch zu berücksichtigen, daß erhebliche Flächen, auf denen früher Wein gedieh, in den sibirischen Wintern ausgefroren sind und der Rodehacke zum Opfer fielen. Neue Weinberge konnten hier aus Mangel an Pflanzgut meist nicht angelegt werden, und wo es doch möglich war, brauchen die Junqweinberge drei bis vier Jahre, bis sie Trauben tragen. Auf den Flächen wurden nach Möglichkeit Gemüs° und Feldfrüchte angebaut: als Weinlieferer treten sie daher vorerst Nicht mehr in Erscheinung.
Mengenmäßig ergiebige Ernte
Der Winter 1943/44 brachte keine Frostschäden mehr, und das Frühjahr war für die Rebe nicht ungünstig. Die Blüte indes spielte sich — häufig mit einiger Verzögerung — nicht in einem kurzen Zeitraum bei sonnigem Wetter ab. sondern zog sich hin und litt, wenn auch nicht unter Frühjahrsfrösten, ko doch unter Regen und Kühle, was sehr unterschiedlichen „Reifegrad im Herbst verursachte. Danach
war oas Wetter sehr günstig: auch die gefürchteten Schädlinge und Krankheiten traten wenig oder überhaupt nicht auf. In den sprichwörtlichen 100 Tagen zwischen Blüte und Lese hatten die Reben den notwendigen Sonnenschein und hier und da sogar zuviel Trockenheit. Die hochgespannten Erwartungen der Lese erfüllten sich aber nur hinsichtlich der Menge. Anfang September setzte kaltes, trübes, nasses Wetter ein, also zu ein^r Zeit, die ausschlaggebend für das Ausreisen und die Güte des Jahrganges ist. Bei den einzelnen Traubensorten waren erhebliche Unterschiede in der Reife festzustellen. Sogar die Beeren einer einzelnen Traube waren oft auf der S"unenseite weit reifer als auf der Innenseite. Kurz vor der Lese wurden die Trauben bei Nebel und Ni-derschläqen vielfach tagelang nicht mehr trocken: Fäulnis setzte ein, ohne dgß Wurmbeeren dafür die Ursache waren. Ein langes Hinauszögern der Lese, um bessere Ausreise zu erzielen, ist unter diesen Umständen meist nicht angängig, auch konnte wegen Kräftemangels mit dem Herbsten nicht zu lange gewartet werden.
Weniger edle Weine
Immerhin wird es auch in diesem Jahre, besonders in den wetterbegünstigten Weinbaugebieten, durchaus selbstständige Weine geben und zu Svätlesen und Auslesen kommen können. Der Weinherbst ist ja noch keineswegs überall beendet.
Die Mostgewichte der Rotweine gehen nicht hoch: die Rotmoste werden daher meist einer Trockenzuckerung bedürfen. und auch viele der frühgeherbsteten Wejßmoste werden ver" -rungsbedürftig sein. Man sieht wieder einmal, daß m- er den Ausfall der Weinernte Endaültiges erst
sage" t wenn die Trauben in der Kelter sind.
- aß t heute statt weniger edlen Weines — die Güte
geht imr - ein wenig auf Kosten der Menge — eine rei
chere Menge Tischwein gibt, soll uns im übrigen bei bex Mangellage nicht bekümmern: haben wir so doch eh"r Aufsicht, uns einmal an einem Glase "i-in 'aben zu können.
LEKtdeMk
«o. Fortsetzung.»
Vielleicht — Anna Maria kniete nieder vor dem kleinen Blumenstück mit den gläsern zerbrechlichen Blüten — vielleicht auch trieb sie die Dankbarkeit eines Tages doch dazu, für immer in diesem Haus zu bleiben, in dem man sie über Gebühr gut ausgenommen hatte
Ein kühler Nachtwind fuhr hin über das einsame Mädchen. Da erhob Anna Maria sich fröstelnd, klinkte vorsichtig das Tor zur Gasse hin aus. Irgendwie war es ihr, als müsse sie in dieser Nacht der Enge des Vrandtschen Hauses entfliehen. bevor es sie wobl einmal ganz umschloß.
-ie Gasse breitete sich nachtstill vor ihr aus. Nur von fern lag der Widerhall immer näher nickender Trommeln llber ihr. Ob keiner ihn in der Stadt gleich ihr vernahm? Die Häuser kehrten dunkle Giebel der Straße zu. Kein Bursche suchte verschwiegenen Pfad vor das Haus der Liebsten. Nur aus dem Schankraum des Gasthauses „Zum weißen Schwan" klang Lachen und Eröh- len. Dort saß das Fähnlein Landsknechte zusammen. das dis Stadt auf das Bestreben Matthias Dorreiters vor kurzem in ihren Dienst genommen. Würfelbecher wurden gedreht, hart kanteten Pch die Würfel. Geschrei begleitete jeden Wurf. Die Würfel schienen falsch gearbeitet oder der Teufel spukte in ihnen. Denn konnte es sonst mit rechten Dingen zugehen, daß immer der Fähnrich
Anna ou oieje Geräusche. Im
Lager war es nicht anders als bei den Soldaten der Stadt. Kein Nachtwächter stellte die Unruhe ab? Die Soldateska beherrschte die Stadt. Der Bürger hatte zu schweigen wie der Bauer, solange ihn dicht eine rettende Stadtmauer umschloß. Die Aäüte aber holten sich unter dem Druck sedwe- d»n vorübermarschierenden Feindes die Söldner
o,e Mauern, um sich von ihnen schützen zu lassen.
Über den Marktplatz segelte der silberne Nachen des Mondes. Schien so, als verharre er gerade über dem Brunnenhaus mit seinem spitzgiebligen Dach
Mehr als einmal hatte Anna Maria in diesen Tagen Wasser geholt. Sie kannte das geheimnisvolle Raunen des Quellwassers aus der Tiefe, sie sah es aufsteigen, unaufhörlich, gleich, was in der Stadt sich zutrug
Sie wollte die Hand aus den Türgriff legen, um auch in dieser Stunde innerer Unruhe hinabzuhorchen in das Wasser, das hoch oben aus den Wäldern kam und an dieser Stelle lebendig aus der Tiefe hervorsprudelte.
„Was treibt die Jungser hier zu so später Stunde?" Eine harte Stimme drang in den Zauber der mondsilbernen Stunde.
Anna Maria schrak zusammen. Der Klang der anrückenden Trommeln schien jäh übertönt. Die Stimme klang barsch und wenig entgegenkommend. In ihr schwang die Selbstverständlichkeit und nüchterne Wirklichkeit der Rechtfertigung. Denn war es angängig, daß eine Jungfer in solchen Nachtstunden sich auf der Gasse Herumtrieb und gar Einlaß in das Brunnenhaus begehrte?
„Es hat mich Hinausgetrieben!" Es schien ihr. als würde sie klein mit dieser kindlichen Antwort vor der Größe des Mannes, der im Mondlicht hell vor ihr aufragte. „Die Unruhe hat mich hinaus- aetrieben!" wiederholte sie die Worte noch zaghafter. Es gab ja im Grunde keine rechte Erklärung für ihr Verhalten. Denn daß die Unruhe der fernen Trommeln sie unrastig machte, verstand sie nicht in Worte zu fassen.
Matthias Vorreiter schwieg für einen Augenblick. Hatte es ihn nicht selbst Hinausgetrieben, ohne daß er einen Grund dafür hätte angeben können^ Schien ihm nicht selbst diese Nacht als etwas Besonderes, so daß man nicht schlafen konnte, sondern aufhorchen muhte auf etwas, das kommen würde? Aber er war ein Mann, gehörte zu den Verantwortunqtragenden der Stadt. Nicht jede namenlose Jungfer durfte es ihm gleichtun und ziellos durch die Gassen streifen. Wo hätte sonst wohl die Ordnung bleiben sollen?!
„Schert Euch nach Hause!" Seine Stimme
drohte. „Ihr habt hier draußen nichts zu suchen. Begrabt Eure Unruhe in Euren Kissen und Dek- ken. Oder sucht Ruhe in den Armen des Bürgermeisters Brandt." Die Worte wurden höhnend.
Matthias Vorreiter sprach das aus, was die ganze Stadt sich zuflüsterte. Für ein Kind hatte man die Landfremde anfangs gehalten. Da man sie aber die Eimer aus dem Brunnenhaus in der Mittagssonne hatte tragen sehen, wußte man. daß sie ein Machen war, schön und lebensvoll, und daß es nur ^ Liebe bedurfte, um sie vollends erblühen zu lassen. Was lag näher, als daß der sonst so sittenstrenge Bürgermeister Brandt sie nicht ohne Gegengabe in deinem Haus behielt. Jeder andere hätte es auch getan. Und wagte es bis jetzt auch noch keine Stimme öffentlich, zu behaupten, so war sich die Meinung der ganzen Stadt doch insgeheim darüber einig.
„Scherl Euch nach Hause!" Matthias Vorreiter wiederholte es wie einen Befehl.
Da schaute das Mädchen zu ihm auf. Anna Maria las in den Augen Matthias Vorreiters die gleiche Unruhe, die auch sie fühlte. Auch er mußte das Trumtrum der Trommeln von der Straße hören.
Anna Maria kannte nicht den Namen des vor ihr Stehenden. Aber es war ihr, als kennte sie sein Innerstes und Geheimstes, sein Blut, das um die Unruhe dieser Nacht Bescheid wußte gleich dem ihren. Da stieg eine heiße Röte in ihr Gesicht. Und als der Mann sie, um sie fortzuschieben, an der Hand berührte durchzuckte es sie wie in Furcht und Glück zugleich.
Sie hätte diesem Gefühl keinen Namen geben können. Aber als ihre Augen wieder frei wurden von denen des Mannes, glitten sie wie liebkokend über die Dinge, die zu dieser Stunde gehörten. Niemals würde sie das spitzgiebelige Dach des Brunnenhauses vergessen, niemals auch dies Rauschen vergessen, das tagaus tagein ausstieg. unbekümmert um das Weinen und Lachen der Menschen in der Stadt, unbekümmert um Herrschen und Unterliegen, unbekümmert auch um dies jähe Erschauern im Blut der Junaier Anna Maria Wittkoppin.
„Ich will nur einmal noch auf das Wasser im Brunnenhaus lauschen!" Sie trat wieder einen Schritt gegen die Tür hin, unerschrocken trotz der
droh««d«r Art des Mannes, in dessen Augen sie nichts anderes war als eine landfahrende Dirne, die in der Stadt bei einem angesehenen Bürger schamlos ihr Glück suchen wollte
„Das Wasser?" Matthias Vorreiter zögerte einen Augenblick. „Was willst du mit dem Wasser"?
„Es gehört in diese Stadt!" Das Mädchen sprach aus, was es vor Minuten kaum noch gefühlt. Das Brunnenhaus war ihm zu einem Sinnbild geworden, für die Stadt, in der es sich plötzlich ">ie unter einem Zauber sonderbar heimisch sühlie »
Matthias Vorreiter btteo >ur ernen Augenblick reglos, so daß Anna Maria die Brunnenstube betteten koknte. Quellend stieg es aus den Tiefen aus. Der-Mann vernahm das Lied gleich dem Mädchen.' Fa, so lange man sich aus dies Wasser aus den Wäldern verließ wie aus die festen Mauern, würde die Stadt bestehen können.-
ANer diele Landsahrende durste den wunder- dareii Zauber des Wassers nicht entweihen.
„Ich sagte Euch schon einmal, schert Euch nach Hause! Ihr werdet iehnlichst erwartet werden." Seine Stimme höhnte. Und doch blieb er erneut fitt einen Augenblick lang wie geblendet stehen, als Anna Maria das Brunnenhaus verließ Hoch und schmal wie eine der schlanken aufstrebenden Pfeiler des Bauwerkes stand sie da. das Antlitz silbern im Liicht des Mondes das er aus leinen Segeln wehte. Sie schien ihm in dieser Nacht besonders verbunden wie auch dem auellenden Wasser der Tieii
Doch der Mann mochte es sich nicht emgestehen.
Klang nicht auch jäh das Trommeln unheimlich nahe gerückt? Schreie hörte man jetzt, am Himmel leuchtete plötzlich begehrlich ein blutroter Schein. Und von dem Nordtor lief keuchend einer der Wachtmannschaft. schrie in den nächtlichen Frieden, daß der Schwede vor dem Tor stände und Einlaß begehrte wie es ihm vor Tagen versprochen worden sei. Die Stunde der Entscheidung war gekommen
Matthias Vorreiter schlug den Mantel fest um die Schultern. Es tat nicht aut zu wissen, daß die Stadt wider seine in der Welt erkannte Einsicht handelte. Der graue Morgen schon würde sie schrecklich belehren.
(Fortsetzung jolgt.)