Pr. 305
Schroarzwälüer Tageszeitung
Seit, ,
Erfolgreiche Handstreiche unserer Grenadiere
Sowjetischer AufklSrungsvorstoß vor Leningrad abgeschlagen
DRV Berlin, 28. Dez. Bei einem Stogtruppunrerneymen un Abschnitt von Saporoshje arbeiteten sichwiirttembergische Grenadiere unter Führung ihres Leutnants im Schutz der Dunkelheit durch die sowjetischen Linien an eine feindlich» Eranatwerferstellung heran. Als der aufgehende Mond das Kampfgelände erhellte, wurde der Stoßtrupp von bolschewistft scheu Sicherungsposten erkannt, die daraufhin Alarm schlugen.' Farbige Leuchtkugeln lösten auf beiden Seiten das Feuer der, Artillerie aus. Als es wieder ruhig geworden war, legten sich die Grenadiere, die das Feuer ohne Ausfälle durchgestanden hatten, am Dnjepr in unmittelbarer Nähe der Eranatwerferstellung auf Lauer. Bald darauf traten zwei Bolschewisten mit Eimern aus einem Bunker, um Wasser aus dem Fluß zu holen.' Der Leutnant sprang auf sie zu, um sie gefangen zu nehmen, doch setzten sie sich zur Wehr. Durch den Kampflärm wurden hie M den Gräben befindlichen Bolschewisten aufmerksam. Während^ die Grenadiere schossen, was die Maschinenpistolen hergaben, um eine möglichst große Kampfstärke vorzutäuschen, nahmen der, Leutnant und zwei Grenadiere die beiden sich mit Handgranaten^ verteidigenden Wasserholer an. Nachdem die beiden Bolschewisten ihre letzten Handgranaten geworfen hatten, flüchteten sie in den Dnjepr, wo sie in einiger Entfernung vom Ufer bis an Pen Hals im eisigen Wasser stehen blieben. Auf die Aufforderung des Leutnants kamen sie bald heraus und gaben sich gefangen. Der Stoßtrupp trat mit den beiden Gefangenen den Rückmarsch Pr den deutschen Linien an, die er trotz heftigen Feuers ohne eigenen Verlust erreichte.
An anderer Stelle griffen die Bolschewisten in den Morgenstunden des ersten Weihnachtsferertages in Regimentsstärke Höhenstellungen sächsischer Grenadiere an. Die ersten eilen der Sowjets blieben rm zusammengefaßten Feuer unserer affen liegen, den folgenden gelang ein etwa 200 Meter tiefer Einbruch, der aber sofort abgeriegelt wurde. Während der ganten Zeit belegten feindliche Batterien und Salvengeschütze den Hinteren Hang der Höhe mit heftigem Feuer, um die Heranführung von Verstärkungen zu unterbinden. Trotzdem traten Kampfgruppen zum Gegenstoß an, warfen mit Unterstützung durch leichte Flak die Sowjets und gewannen die alte Hauptkampflinie zurück.
Auch der Feind versuchte durch Aufklärungsvorstöße insbesondere im Norden der O st front Erkundungsergebnisse zu erzielen. Bei einem vorLeningrad gegen die Stellungen einer! Kompanie gerichteten Unternehmen gelang es 40 Bolschewisten' unter dem Schutz von Artilleriefeuer und künstlichem Nobel in! ssinen vorgetriebenen deutschen Sappenkopf einzudringen. Ein i»' der Nähe liegender Oberfeldwebel wehrte zunächst zwei sowje»! rische Gruppen ab, die ihn abzuschneiden drohten. Dann stürmte er mit wenigen Männern seines Zuges gegen den Sappenkopf selbst vor, bevor sich die Bolschewisten dort festsetzten konnten.! Mit Maschinenpistolenfeuer und Handgranaten warf er die Sowjets zurück, während Maschinengewehre und Artillerie das ^eranfiihren weiterer feindlicher Kräfte unmöglich machten. Nackt kur-om Kanins war die Sanne w'->8er fest in der Hand »der Grenadiere, die dabei mehrere Bolschewisten gefangen nay-s Lien. Allein in der Sappe und vor den Stellungen wurde»! «0 tote Bolschewisten gezählt.
Heldenhafter Einsatz eines kleinen Pioniertrupps DNB Berlin, 27. Dez. 15 Mann eines niederbayerisch-ober- älzischen Pionierbataillons verteidigten vor einigen Tagen
eine wicyuge'yoye im xampi ruum von Knowograd, allein aus sich gestellt, stundenlang gegen 500 immer wieder angreifende Bolschewisten. Erst nach Ausfall der Maschinengewehre setzten sich die Grenadiere vorübergehend ab. Bald darauf brachten sie die Höhe mit Unterstützung zweier Sturmgeschütze in deutschen Besitz. 80 Bolschewisten blieben tot liegen, 50 weitere wurden 'verwundet.
Brückenkopf gegen alle Sowjetangriffe erfolgreich verteidigt DNB Berlin, 27. Dez. Bei den harten Abwehrkämpfen westlich Kritsch ew erhielt dieser Tage eine niedersächsische Kompanie den Auftrag, eine Brücke zu sichern. Die Kompanie stieß bereits auf dem Anmarschweg auf feindliche Kräfte und wurde daraufhin von ihrem Führer in richtiger Erkenntnis von der Bedeutung des Auftrages in schnellem Nachtmarsch weit aus- holend im Boden an die Brücke herangesührt. Noch darüber hinaus vorstoßend bildete sie einen Brückenkopf und verteidigte ihn in den folgenden Tagen hartnäckig gegen alle Angriffe der immer Wieder anstürmenden Bolschewisten.' Nach diesen erfolgreichen
«vweyrrampsen oer Oirenadtere lagen mehr als 700 tote Sowjets vor den Stellungen des Brückenkopfes.
Mit dem Karabiner sowjetischen Schlachtflieger heruntergeholt
DNB Berlin, 27. Dez. 2m Brückenkopf Nikopol schossen Truppen des Heeres vor einigen Tagen zahlreiche angreifende sowjetische Schlachtflieger ab. Mit drei Schuß aus seinem Karabinek brachte dabei der Obergefreite Hofmann eine in etwa 50 Meter Höhe fliegende feindliche Maschine zum Absturz. Wenig später gelang es dem Gefreiten Geiger, Funker in einem" Panzergrenadierregiment, bei seinem ersten Einsatz mit drel kurzen Feuerstößen aus dem Maschinengewehr seines Schützenpanzerwagens, ein weiteres feindliches Flugzeug herunterzuholen.
Neuer Erenzstreit in Südamerika. Wie „Nya Dagligt Alle- handa" meldet, ist ein neuer Erenzstreit zwischen Peru und Ecuador ausgebrochen. Ecuador habe sich mit der Bitte um Vermittlung an die Regierungen Argentiniens, Brasiliens und der USA. gewandt.
Weihnachten in W st-ington stand im Zeichen der Influenza«! Epidemie, meldet der Washingtoner Korrespondent von „Aston- tidningen". Aerzte und Krankenhäuser seien überlaufen und könnicn den Andrang nicht bewältigen.
3m Angriff gesunken
Das Schlachtschiff „Scharnhorst", das im Nordmeer in heldenmütigem Kampf gegen feindliche Uebermacht untergangengen ist, ^trug einen ruhmvollen Namen. Er verband die stolze Tradition des deutschen Heeres und eines der besten preußischen Generale mit der Ueberlieferung des Panzerkreuzers „Scharnhorst", der im ersten Weltkrieg im Geschwader des Grafen Spee bei Coronet siegte und bei Falkland mit wehender Flagge sank. Dieser Ueber- stieferung des kühnen Angriffsgeistes und der trotzigen Stand- Hastigkeit hat das Schlachtschiff „Scharnhorst" in seiner Laufbahn immer Ehre gemacht.
Als erstes Schlachtschiff der deutschen Kriegsmarine nach der Wiedererringung der Wehrfreiheit durch Adolf Hitler war „Scharnhorst" am 8. Oktober 1936 vom Stapel gelaufen. Dieser 'erste Neubau konnte in der Größe und Bewaffnung noch nicht an die Schlachtschiffriesen anderer Mächte heranreichen, aber es 'kam damals darauf an, der deutschen Kriegsmarine bald einen stärkeren Rückhalt an schweren Seestreitkräften zu schaffen, als ihn die Panzerschiffe von 10 000 Tonnen bieten konnten, die unter den Versailler Zwangsbestimmungen entstanden waren. Das 26 OOO Tonnen große Schlachtschiff „Scharnhorst" ist auf der Marinewerft Wilhelmshaven erbaut und im Jahre 1938 fertiz- gestellt worden. Es war mit neun 18-Zentimeter-Eeschützen, zwölf 15-Zentimeter-Geschützen und zahlreichen Flakgeschützen verschiedener Kaliber bewaffnet und hatte 1461 Mann Besatzung.
2n dem harten Ringen gegen die englische Seetyrannei hat sich das Schlachtschiff „Scharnhorst" in diesem Krieg hervorragend bewährt. Die wenigen deutschen Schlachtschiffe haben den Kampf gegen die vielfach überlegene englische Schlachtflotte entschlossen geführt. Bereits im November 1939 stieß das Schlachtschiff „Scharnhorst" gemeinsam mit seinem Schwesterschiff „Gneisenau" weit in das Nordmeer vor, wo dem deutschen Verband der englische Hilfskreuzer „Rawalpindi" im Seegefecht bei Island zum Opfer fiel. Dann war die „Scharnhorst" bei der Sicherung des kühnen Norwegenunternehmens beteiligt, insbesondere vor den Lofoten im April 1940 an dem erfolgreichen Gefecht mit dem englischen Schlachtkreuzer „Renown", der an einer Störung der Landung bei Narvik verhindert wurde. Im Juni 1940 war das
Schlachtschiff „Scharnhorst" Teilnehmer des Seegefechts bei'IaLs Mayen im Nördlichen Eismeer. Dort vernichtete eine deutsch«! Kampfgruppe den englischen Flugzeugträger „Glorious" sowi«! fünf weitere englische Kriegs- und Hilfskriegsschiffe, die zu de»! englischen Seestreitkräften vor dem belagerten und nunmehr befreiten Narvik gehört hatten.
Es folgte im Februar und März 1941 der sechs Woche», dauernde Vorstoß deutscher Schlachtschiffe in den nördlichen und" mittleren Atlantik, der zur Versenkung von 22 bewaffnete»' feindlichen Handelsschiffen mit zusammen 116 000 BRT. führte, woran wiederum „Scharnhorst" stark beteiligt war. Später liefen „Scharnhorst" und „Gneisenau" in den französischen Hafen Brest am Atlantischen Ozean ein. Trotz zahlreicher britischer Luftangriffe behielten die Schlachtschiffe ihre Kampfkraft und vollführten zusammen mit dem schweren Kreuzer „Prinz Eugen" im Februar 1942 den Durchbruch durch den Kanal nach einem heimischen Stützpunkt. Diese glänzende Tat erregte in der ga»-' Zen Welt größtes Aufsehen, denn niemand hatte es für möglich" gehalten, daß deutsche Schlachtschiffe vor den Toren Englands" durch den Kanal und die Straße von Dover und Calais durchbrechen konnten.
Damals waren die beiden Schlachtschiffe heimwärts befohlen/ worden, um zusammen mit dem Schlachtschiffe „Tirpitz" und den anderen schweren Seestreitkräften in der Nordsee und im Nordmeer eine neue Aufgabe zu lösen, die sehr wesentlich zur Entlastung der Ostfront beigetragen hat. Der englisch-amerikanisch« Nachschubverkehr für die Sowjets durch das Nordmeer war nu» nicht nur durch llnterwasserstreitkräfte bedroht. Die deutschen schweren Seestreitkräfte, die im Nordmeer operieren, habcn ihre Aufgabe voll erfüllt. Das gigantische Ringen auf See bleibt nicht ohne schmerzliche Opfer, Geschehnisse wie der Endkampf de» Schlachtschiffes „Bismarck" oder des Hilfskreuzers „Pinguin" und nun der ruhmvolle Untergang des Schlachtschiffes „Scharnhorst" bleiben ein leuchtendes Vorbild der unbeugsamen Haltung deutscher Seeleute. Das deutsche Volk steht in Trauer um das stolze Schiff und seine tapfere Besatzung in der Gewißheit, daß solche Tapferkeit den Endsieg verbürgt.
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15. Fortsetzung
„Ja, an die Gertrud Jäger kann ich mich gut erinnern! !2ch war in der Kirche, wie sie getraut worden ist mit dem Edmund Schulz'. Der damalige Pfarrer Undorf hat so besonders schön gesprochen und die Gertrud hat geweint, als ahne sie schon, was ihr im Leben alles bevorstehe. Man hat ja manchmal so Ahnungen. Aber der Edmund Schulz als Bräutigam hat einem jchon gefallen können, er war ein schneidiger Bursch'. Schließlich hat er sich ja auch was einbilden können,, er war an einer Privatbank in Berlin, hat man gehört."
Frau Lederlein näßte ihren Zeigefinger an den Lippen, prüfte damit die untere Fläche des Bügeleisens. Es zischte.
Sie begann zu bügeln. Taupadel wollte wissen, wieviel Jahre die Eheleute dann in Berlin geblieben seien, aber diese Frage konnte Frau Lederlein mit dem besten Willen nicht beantworten.
„Zahlen kann ich mir halt nicht merken, aber ich mein', idas war schon eine ganze Zeit, und für die Gertrud hat sich "viel ereignet inzwischen in der Heimat. Der Vater ist gestorben, der Bruder hat schlecht gewirtschaftet, das Sägewerk kam an zugezogene Leute, das Elternhaus wurde aufgelöst. Die Gertrud ist wohl mal über einen Tag gekommen ous Berlin, aber sprechen hat man sie da nie können, sie war immer verhetzt und eilig, als dürfe sie ihren Mann inicht allein lassen. Bis man dann einmal gehört hat, die Schulzens ziehen nach Ludwigsstadt. Sie sind dann auch ^wirklich gekommen, als der Onkel tot war, der den Laden hatte. Der Schulz hat ein Bankgeschäft mit dem Laden verbunden und die Gertrud hat dazu Zigarren und Tabak verkauft. Sie war immer freundlich und gut, die Gertrud, aber doch verändert, so blaß und kränklich, zweimal hat sie operiert werden müssen, und beim zweiten Male ist sie in der Operation gestorben. Das Kind war noch zu klein, um :«s zu verstehen, Hildegard hat's geheißen, das arme "Würmle."
Taupadel fragte weiter nach Edmund Schulz. „War er ^wirklich so unrecht? Oder hat er auch gute Seiten gehabt?"
Frau Lederlein wollte nichts Böses über ihre Mitmenschen sagen, besonders nicht über einen Toten, aber daß >der Mensch ein schlechter Mensch war, habe man nach der Gertrud ihrem Ableben immer mehr gesehen. In der Bank sei er nicht ehrlich gewesen, er habe mit falschen Karten gespielt und ein Trunkenbold sei er auch gewesen. Solange die Gertrud gelebt, habe sie wohl vieles verdeckt — aber hernach habe es bei dem Manne kein Halten mehr ^gegeben...
Sonderbar, wie geringen Anstoßes es bedarf, um Menschen zum Reden zu bringen!, überlegte Taupadel auf d»m Rückwege.
Taupadel empfand Schrecken über den Totschlag, über Den Trunkenbold, der der Vater von Frau Hildegard Schäfer, der Großvater der kleinen Dorrit sein sollte. Sein sollte, wiederholte er ein paarmal, als gäbe es da noch eine Ausflucht, wo doch die Maschen des Netzes sich erbarmungslos über dem Beweis zusammenzogen. Er empfand Mitleid mit den Menschen im allgemeinen, mit Malte von
Arten und Dorrit Schäfer im besonderen. Etwas vom Jammer der Welt faßte ihn an bei dem Gedanken, welches Geschick Kinder erwartet, deren Väter Verbrechernaturen sind.
Nie vergaß Taupadel diesen Abend. Er saß in der einfachen Wirtshausstube — nein, er rannte darin umher wie ein gefangenes Tier. Da war er nun am Ziel seiner Forschung. Und Hildegards Vater war also ein Zuchthäusler, ein Betrüger, ein schlechtes Element der menschlichen Gesellschaft. Taupadel graute es davor, den abschließenden Bericht an den alten Arten zu schreiben — oder sollte er ihn besser mündlich geben? Verteufelte Angelegenheit. Nebenbei gesagt, allerhand Respekt vor Wolf von Arten, das war ein ganzer Kerl, ein Prachtexemplar von Mensch, dem man nicht einfach eine Schwiegertochter aus dem Unbekannten ins Haus bringen konnte. Der kaufte keine Katze im Sack, der wollte klar sehen, war auch sein gutes Recht. Seit Jahrhunderten haben die Arkens ihre Frauen nach Herkommen und Stand gewählt, Stamm und Blut hochgehalten. Und nun plötzlich — sollte eines Zuchthäuslers Enkelkind in der Halle der Arkens sitzen, die Prautkrone der Arkens tragen ...
Taupadel rannte zum Fenster, es stand offen, und doch war ihm zumute, als ginge ihm die Luft aus. Ueber die große Ludwigsstädter Brücke sausten Züge und verklangen in der Ferne. Taupadel setzte sich wieder, prüfte nochmals die Aufzeichnungen aus dem Pfarrhause über die Familie des Edmund Schulz und über die erloschene einheimische Familie Jäger. Sie stimmten, zum wievielten Male überprüfte er sie?
Taupadel hatte eine schlechte Nacht. Was zu tun übrigblieb, war nicht lejcht. Es galt, die amtlichen Papiere beizubringen. Zum guten Glück lagen sowohl Amtsgericht wie Untersuchunasgefängnis und Zuchthaus nicht allzu weit auseinander. Trotzdem hielten diese düsteren Pflichten über Gebühr auf. Aber als alles erledicst war, als Taupadel wirklich jeden Beweis für die Wahrheit seiner Untersuchungen beglaubigt und besiegelt in Händen hielt, als es aalt, vor Wolf von Arten hinzutreten und zwei jungen Menschen die Liebeshoffnungen zu zerstören, da erst meinte Hans Georg von Taupadel, nun komme das Schwerste seines Berufs.
*
Major von Taupadel reiste wieder nach Rügen. Er fand im gleichen Hotel die gleichen Zimmer vor. In einer halben Stunde durfte er Wolf von Arken erwarten.
Dieses Wiedersehen hatte sich Taupadel anders vorgestellt. Müde packte er leinen Handkoffer aus und dachte: Nun hat die Herumreiserei in Sachen Frau Hildegard Schäfer ein Ende. Ich werde wieder in Weimar sitzen, Briefe diktieren, meine Kakteen gießen, in meinen Klub gehen.
„ Unten klang die dreitönige Hupe, und zwei Minuten spater stand Wolf von Arken im Zimmer. Weißer Leinenanzug, weißer Leinenhut, genau wie das letztem«!.
„Nun, mein lieber Taupadel, vor allem willkommen in Putbus! Sie haben ja eine halbe Weltreise hinter sich — ich bestaune Ihre Geduld, Ihre Energie. Ihre Ausdauer ..."
„Bestaunen Sie mich lieber nicht, Herr von Arken!" sagte Taupadel nervös. „Ich brinqe keine guten Nachrichten. Aber — soll ich gleich mit der Tür ins Haus fallen?"
„Ist mir am liebsten", antwortete Arken.
Sie setzten sich an den runden Tisch. Die Filetdecke wurde von Arten achtlos zu Boden gefegt. „Kann ich nicht leiden, solches Zeua . brummte er.
„Ja, also — daß mein Beruf schwer ist". Hub Taupadel an, „Hab' ich immer gewußt. Aber so hart Hab' ich ihn noch nie empfunden wie in den Tagen in Ludwigsstadt." Er
„Wieso?" fragte Arken. hielt inne.
Taupadel gab sich einen Ruck. „Es steht schlimm, Baro» Arken! Der Later von Frau Hildegard Schäfer war ein notorischer Trunkenbold und wurde zum Totschläger."
Eine Weile war es so still im Zimmer, daß man von der Straße herauf die Abzählverse der Kinder hörte.
Dann fragte Wolf von Arken, als habe er Taupadels Mitteilung nicht recht verstanden, als könne es einfach nicht wahr sein, was er vernommen, als läg» eine Gehör- täuschung vor: „Ich habe Sie nicht verstanden, Herr Major! Ein notorischer Trunkenbold war der Vater — das kommt: immerhin vor, das kann ja sein; aber das andere, das andere — was sagten Sie da, Herr von Taupadel?" Taupadels Blicke schweifen durch das leere, seelenlose otelzimmer. Vor einem grünen, weit ausladende» anapee breitete sich ein roter Teppich, von Arabesken durchzogen. Willkür schien diese Arabesken ausgestreut zu haben, kein Gesetz der Symmetrie herrschte. So verrückt ist auch das Leben!, dachte Taupadel, und Wut packte ihn» daß er nicht davonlausen konnte, an den Strand, an» Meer, gleichgültig wohin, daß er hier sitzen und Rechenschaft über etwas oblegen mußte, das ihm maßlos schien» ungeheuerlich, grotesk. Die schöne und gütige Frau Hildegard, die unschuldige kleine Dorrit, Menschen, über die es nur ein Urteil gab und geben konnte, nämlich das der allgemeinen Anerkennung, sie beide würden ohne jenen Schädling der menschlichen Gesellschaft nicht existieren...
„Auch das andere ist wahr, Herr von Arken — Fra« Schäfers Vater war ein Totschläger und Zuchthäusler..."
Wolf von Arken griff nach dem Hinterkopf. Er schöpfte tief Atem, als wolle ;r etwas sagen, er schluckte, sein Gesicht lief rot an, die blauen Adern an den Schläfen schwollen drohend an, die schwarzen Augenbrauen zogen sich zusammen, dann hieb die Hand durch die Luft und mitte« auf die Tischplatte, daß die Fensterscheiben klirrten. „Mei« Sohn kann sich nicht so geirrt haben, Herr von Taupadel!" schrie er, brüllte er.
Taupadel entnahm einer Aktentasche die Papiere, e«h- faltete sie. breitete sie vor Arken aus:
„Nach menschlichem Ermessen kann kaum ein Irrtum, vorliegen, die Papiere beweisen es, ich habe sie beglaubige»! lassen..."
„Ich will nichts sehen..."
Dennoch fing er an, die Papiere zu prüfen. Er tat «» mit einer Gründlichkeit, die er selbst hassenswert fand. Es kam darauf an, genau Taupadels Reise zu rekonstruieren., Erfolg um Erfolg aufzubauen wie eine Trepp«» auf deren höchster Stufe das grauenhafte Ergebnis stand.
Taupadel sprach, Arken hörte zu. Die Kinder auf der «traße lärmten lange nicht mehr.
Wie auf der Leinwand eines Films zogen die Gestatte« vorbei: Pfarrer Künzel, der Dachauer Maler, der Korb- warenfabrikant^ der Totengräber, die Büglerin, die alt« Frau auk der Haustreppe von Ludwigsstadt. Sie alle, und noch viel mehr Menschen, Unbekannte in der Welt draußen» wußten den Weg, den Dorrit Schäfers Mutter gekommen war, oder sie kannten doch Strecken davon, hatten sie beobachtet als kleines Mädel, als Waise, als Schülerin — tausend Hirne bewahrten Bilder. Worte, Begebenheiten —, und nur die beiden, die sich liebten, Dorrit und Malt;, sie wußten nichts. Wie das erste Menschenpaar reichten sie sich die Hände, zwei Unbeschwerte, zwei der Vergangenheit Entsprungene.
(Fortsetzung folgt)