Sette 3

Schroarzwälder Tageszeitung -

Nr. 200

Die große Schlacht um Orel

Sechs Wochen Heldenkampf zweier Armeen

Von Kriegsberichter Walter Vrandecker

(PK.) Wenn wir ostwärts sehen, dann liegt Land vor uns mit Hügeln und Schluchten, niedergebrannten, ausgestorbencn Dörfern und mit Gräbern; vielen stummen Gräbern, in die wir unsere gefallenen Kameraden gebettet haben. 2m Osten liegt auch Orel, der Trümmerhaufen aus Stein und Eisen, in dem nichts mehr stehen blieb, was den Bolschewisten nützlich sein könnte. Die Erde, über die wir nach Osten Hinsehen, ist unser geworden auch wenn wir sie verlassen haben. Sie ist unser geworden durch das viele Blut, das sie getrunken hat. So stehen wir heut« in den neuen Stellungen, sehen nach Osten und kämpfen weiter. Sechs Wochen sind vergangen, seit im Raum von Orel der Heldenkampf unserer Armeen begonnen hat. Heute, nach diesen sechs Wochen härtester und bitterster Kämpfe, von denen Worte nur unvollkommen berichten können, stehen wir westlich von Orel und haben die Gräber vieler Kameraden dem Feind gelassen.

In manchem mag nun der Zweifel sein, die große Frage, ob alles so kommen muhte und warum; wir wollen darum, was war, noch einmal übersehen, denn vom Graben, vom Schützenloch und von der fernen Heimat sieht manches ganz anders aus, als es wirklich war. Wir wollen nichts verschönern, wir wollen nur noch einmal betrachten, was wir sechs Wochen lang erlebten: dis Wirklichkeit.

Der Orelbogen

Nach Abschluß der Winterkämpse 1842/l:; ragte der die ganze Zeit hindurch erfolgreich verteidigte Frontbogen von Orel nach Osten. Die Karte veranschaulicht den Frontverlauf am besten. Schon im Mai 1943 wurde nun eindeutig erkennt­lich, daß es für die Bolschewisten das Nächstliegende Ziel war, den Frontbogen von Orel durch umfassende Angriffe von Süden und Norden wegzunehmen, unsere Truppen einzuschliehen und damit ein zweites, größeres Stalingrad zu schassen. Ungeheure Menschen- und Materialmassen stellten dis Bolschewisten zur Durchführung dieser Absicht bereit. Ein paar Zahlen, die die ms gegenüberstehende Uebermacht veranschaulichen:

So standen um den Frontbogen von Orel vor dem 5. Juli 1S43 fast Sl> Divisionen, 4V Panzerbrigaden und 23 Panzer­regimenter, 10 Artilleriedivisionen, 17 Saloengeschützregimenter. Eine derartige Materialmassierung auf verhältnismäßig kleine« Raum war im Osten bisher noch nie dagewesen.

Ihr zu begegnen war die Ausgabe jedes einzelnen im Front­bogen von Orel stehenden Grenadiers. Die Absicht der Bolsche­wisten, hier ein zweites Stalingrad zu schaffen, war von unserer Führung klar erkannt worden. Ebenso klar,war es, daß diese Riesenkräfte sich nicht planmäßig entfalten durften. Das Gesetz des Handelns mußte in unserer Hand bleiben.

Darum griffen wir am 5. Juli 1943 an. Die Kräfte der Bol­schewisten mußten angeschlagen, ihre Führung zersplittert, der Zeitpunkt des Kampfbeginns von uns bestimmt werden. Unser Angriff traf in die Massierungen der Bolschewisten im Süden von Orel und zwang sie tatsächlich, so zu handeln, wie wir woll­ten. Unser Angriff, der hart und opferreich war, erfüllte seinen Zweck. Aus dem ersten Schwung entwickelte sich ein verbissenes Ringen um jeden Meter Boden, entwickelte sich die zweite Phase -es Kampfes: die Abnutzungsschlacht.

Die Abnutzungsschlacht

Tag um Tag verbrauchte sich das riesenhafte Material der Psllchewisten, wurde in Angriff und Gegenangriff zerschlagen. Divisionen wurden vollkommen zertrümmert, Panzerregimenter und Panzerbrigaden bis auf wenige Panzer vernichtet. Irgend­wo kam es zum entscheidenden Durchbruch, der den Plan der Bolschewisten, die Einschließung, hätte verwirklichen können. Wohl erzielten die Bolschewisten Einbrüche in unsere Stel­lungen, wohl gelang es ihnen bei ihrem Angriff von Norden her beinahe, wichtige Straßen zu erreichen, doch warf sie auch dort unser Gegenangriff zurück. Der Frontbogen von Orel er­zitterte nun Tag um Tag unter den wütenden Angriffen, unter dem rasenden Trommelfeuer der bolschewistischen Artillerie, unter den fast pausenlosen Angriffen der Bomber und Schlacht­flugzeuge. Doch er hielt stand! Das ist das Verdienst jedes ein­zelnen Grenadiers, und mag er auch noch, so hoffnungslos und fast verzweifelt in seiner Stellung der Uebermacht gegenüber gelegen haben, mag er jeden Tag gezweifelt haben, den nächsten noch zu erleben. Immer ungeheurer wurde das Ausmaß der M-^srialschlacht und damit das Ausmaß der Vernichtung: Die

Vernichtungszahlen wuchsen ins Unvorstellbare. Das bis zum 14. August vorO-rgende Gesamtergebnis besagt, daß im Raum von Orel in heldenhaftem Kampf den Bolschewisten folgende Verluste zugefügt wurden: 13774 Gefangene eingebracht. 4711 Panzer vernichtet und kampfunfähig geschossen, 629 Geschütze erbeutet und vernichtet.

Mit diesem Ergebnis haben die schon in der Schlacht um Rschew des vergangenen Jahres, die in den harten Winter- kämpsen bei der Absetzbewegung in diesem Raum und die um Orel im Winter kämpfenden Divisionen sich erneut bewährt und bewiesen, welcher Uebermacht Hu trotzen sie imstande sind. Zahl­reiches anderes Kriegsmaterial wurde ebenfalls vernichtet. Die Len Kampf auf der Erde unterstützenden Verbünde der Luft­waffe vernichteten in dieser Zeit 668 Panzer. Die blutigen Ver­luste der Bolschewisten jeder von uns hat sie mit eigenen Alleen gesehen sind ungeheuer. Hunderttausend« sind Opfer dieser Schlacht geworden, sind von unseren Gräben zusammen­geschossen worden und verblutet.

Die Absetzbewegung

Als die Abnutzungsschlacht auf ihrem Höhepunkt angelangt war, begann die planmäßige Absetzbewegung. Die vollkommen zertrümmerte, gesprengte und niedergebrannte Stadt Orel, in der nichts mehr stehen blieb, was sie zu einer Stadt machte, wurde geräumt. Langsam. Schritt für Schritt, zogen sich unsere Divisionen zurück, bis sie in diesen Tagen in der in­zwischen ausgebauten neuen Stellung stehen.

Diese Absetzbewegung, bei der es den Bolschewisten trotz aller .Versuche nicht gelang, sie irgendwo in ihrer Planmäßigkeit zu Kören, hat die Hoffnung der Bolschewisten, sie zur Flucht werden !zu lassen und damit vielleicht einen entscheidenden Durchbruch 'oder eine Abschnürung einer unserer Krüftegruppen zu erreichen, iendgiiltig zunichte werden lassen. Die Opfer, die wir in dieser iSchlycht gebracht haben, waren hart und schwer. Wir wollen sie nicht verkleinern, dank unserer überlegenen Führung im Ver­hältnis zu den Opfern, mit denen die Bolschewisten ihrenEr­folg" bezahlen mußten, sind.sie gering. Obwohl wir die Zahlen aus begreiflichen Gründen heute noch nicht nennen können, sind gerade die Toten für das Riesenausmaß dieser Schlacht sehr gering.

Dies war die große Sommerschlacht um Orel, die noch nicht -m Ende, mit dem Erreichen der neuen Linie aber doch in ein

ndues Stadium getreten ist. Was in ihr von jedem einzelnen, vom Grenadier im Graben, vom Kanonier am Geschütz, vom Fahrer im Panzer, vom Schützen an der Pak und nicht zuletzt von jedem Führer geleistet wurde, was jeder an Opfern und Entbehrungen getragen hat, ist so gewaltig, lebt noch so un­mittelbar in uns, daß wir davon nicht reden wollen. Wir wissen, was wir getan haben, was wir ertragen haben. Wer es niA selbst miterlebte, wird es nie wissen, die höchsten Worte könne» es ihm nicht begreiflich machen.

Das Gesetz dieses Krieges

Was diese Schlacht bedeutete, vermögen wir heute noch nicht in voller Tragweite zu übersehen, wir vermögen es nur zi» ahnen. Denn bei Orel zerbrach an jedem Grenadier die Hoff­nung der Bolschewisten, unserer Ostfront den Todesstoß ver­setzen zu können.

Das Gesetz dieses Krieges ist unerbittlich, und jeder Schlag, den wir tragen müssen, muß uns härter machen. Es ist Be­freiend, selbst zuschlagen zu können, und es ist schwer, Schläge ertragen zu müssen. Doch niemals darf das Vertrauen auf die eigene Stärke verloren gehen. Allein die Tatsache, daß wir im­stande waren, diesen gigantischen Aufmarsch der Bolschewisten zu zertrümmern, ohne daß sie imstande waren, uns wirklich große Verluste zuzufügen, macht uns stolz. Nicht große Sieg» können wir jetzt erkämpfen, dem Willen, unser Volk von der Erde zu vernichten, müssen wir trotzen. Dem einzelnen und jeder von uns ist Mensch mit tausend Wünschen und Sehnsüch­ten mag es schwer werden, gerade sein Schicksal, seine Ent­behrungen, seine Opfer als notwendig zu begreifen. Um diese» Begreifen aber geht es. Nzir dann, wenn wir jede Minute daran denken, daß, stünden wir einmal nicht mehr fest, die Walze der Vernichtung nach Deutschland Hineinrollen würde und nichts verschonte nicht uns, nicht unsere Frauen, nicht unsere Kinder, nur dann werden wir begreifen lernen, daß das Leben des einzelnen, alle Nöte und Entbehrungen, die er trage« muß, nichts bedeuten und bedeuten dürfen. Es geht ums nackt» Leben diese Sommerschlacht hat es uns wiederum bewiesen. Das Ersetz heißt: Du oder ich. Das gilt für den einzelnen wie für unser Volk. Und da wir leben wollen, da wir unsere Frauen und Kinder und Mütter leben sehen wollen, müssen wir kämpfen auch wenn nach tausend Entbehrungen der Kampf unser Leben verlangt. Das ist das Gesetz des Krieges.

Darüber hinaus aber haben wir den Glauben an die Gerech­tigkeit und an den Sieg unserer Sache. Wir haben ihn nichts verloren, auch in dieser erbarmungslosen Schlacht nicht u^»j werden ihn auch nie verlieren. ;

Neues vom Tage

Schwere Bomben trafen den Britenzerstörer Der Erfolg deutscher Kampfflugzeuge vor der Nordwest­spitze Spaniens

DNB Berlin, 26. August. In den Nachmittagsstunden des LS. August stießen schwere deutsche Kampfflugzeuge etwa 469 Kilometer nordwestlich Kap Oretegal an der Nordwestspitze von Spanien auf einen aus zwei Zerstörern und fünf schnellen Ge­leitbooten bestehenden britischen Flottenverband. Dabei wurde, wie schon gemeldet, ein Zerstörer versenkt. Das feindliche Kriegs­schiff erhielt gleich beim ersten Angriff mehrere schwere Bom­bentreffer, die vermutlich die Kesselanlage vernichteten. Dichte Rauchschwaden drangen aus dem schwer getroffenen Schiff, das bewegungsunfähig liegen blieb und kurze Zeit später in die Luft flog.

Der versenkte britische Zerstörer gehörte der J-K-N-Klasse 1938/39 an, hatte eine Wasserverdrängung von 1690 Tonnen und eine Geschwindigkeit von 36 Seemeilen. Seine Bewaffnung be­stand aus sechs 12-Zentimeter-Geschützen, acht Torpedorohren so­wie mehreren 4-Zentimeter-Flakgeschützen auf Vierlingslafetten. Die Schiffsbesatzung betrug 193 Mann.

^ Feindlicher Kreuzer von Lufttorpedo getroffen DNB Tokio, 26. August. (Oad.) Am Montag früh wurden im Südpazifik, so meldet Domei, sieben feindliche Kreuzer mit nörd­lichem Kurs in der Gegend der Navo-Jnsel gesichtet. Kampsjtüg- zeuge von einem japanischen Flugzeugträger gingen sofort zum Angriff über und beschädigten einen der feindlichen Kreuzer schwer durch einen Lufttorpedo. Alle japanischen Flugzeuge kehr­ten zu ihren Stützpunkten zurück. Gleichzeitig schossen japanische Marineflugzeuge neun feindliche Jäger in drei Lustkämpfen am L3. August über Neu-Georgien ab.

Kulturelle Zusammenarbeit der amerikanischen Staaten

DNB Buenos Aires, 25. August. Die 21 Republiken des West­kontinents sind neben politischen und wirtschaftlichen Eleichschal- tungsbestrebuugen auch um verstärkte kulturelle Annäherung be­müht. In Panama sollen Ende September erstmalig die llnter- richtsminister aller amerikanischen Länder zu einem Kongreß zu- sammentreten. Das Programm umfaßt theoretische und prak­tische Erziehungsfragen sowie Beratungen über den Kulturaus­tausch als Mittel zur Festigung gegenseitiger Beziehungen,

Tschungking hält nichts von den Quebecer Hilfsversprecheu

DNB Schanghai, 26. August. (Oad.) Die in dem inhaltslosen Quebecer Kommunigus angekündigteLeistung einer wirksamen Hilfe für China" hat in Tschungking keineswegs Hoffnungen ruf eine baldige Hilfsaktion von Seiten der USA. und Eng­lands ausgelöst. Am Mittwoch gab der Svrecher der Tschuir^ !ing-Regierung zu, daß er die Quebec-Ertlürungnur mit Reserve betrachten könne". Ihm sei klar, daß der Kampf gegen Deutschland weiterhin Kräfte binde, ohne die ein Angriff im Pazifik undenkbar sei. Nur die gesamten anglo-amerikanischen Streitkräfte nämlich könnten etwas gegen Japan ausrichten.

Roosevelt stattete am Mittwoch, der Hauptstadt des bri­tischen Domonions Kanada, einen Besuch ab. Er wurde vom Oberbürgermeister mit einer Ansprache bewillkommnet, in der dieser sagte:Wir sind fest davon überzeugt, daß in, einem wei­teren engen Zusammenschluß zwischen dem britischen Common- vealth und den USA. die sicherste Garantie für die Förderung »er Wohlfahrt der Menschheit liegt." Der Anfang mit diesem engen Zusammenschluß dürfte wohl bei Kanada gemacht werde», Sas ja schon lange die Begehrlichkeit der Pankees reizt.

via kiiuler vom flollingeikot

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^ vrai Qv«IIsn-V«rIoy. König-d-SUr (kor 0i-sz<tsnl

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Hanne lächelte. Aber die Stunde war nicht günstig, um Heinz Zu erklären, warum Herbert sich so um seine junge Frau sorgte, denn vor ihr saß Lotte mit hängenden Schultern und in ihrem traurigen Gesicht spiegelte sich deutlich die große Enttäuschung darüber, daß wieder kein Brief für sie gekommen war. So schickte Ne Heinz denn jetzt mit einem Auftrag hinaus.

Als die Tür sich hinter ihm geschlossen hatte, hob Lotte die hoffnungslosen Augen zu der Mutter empor.

»Wieder nichts für mich. Verstehst du das, Mutter?"

Nein, Hanne verstand es auch nicht, aber sie suchte in ihrem Gerechtigkeitssinn doch nach Gründen.

«Es kann Hochmut sein, wie du vermutest", sagte sie. «Cs rann aber auch etwas anderes sein."

»Was meinst du?"

Hanne faßte fest ihre Hand. Es half ja alles nichts, Lotte urume sich damit abfinden, daß Reinhard Lohse für immer aus ihrem "de,, fortgegangen war. Es würde kein Brief mehr kommen, u>eoer von ihm noch von seinen Eltern, davon war sie jetzt über­zeugt, Sie konnte nur noch eins tun Das Andenken an den Ver­lorenen reinwaschen von aller Bitterkeit. Und das wollte sie jetzt

wn. Ejx sagte,

« . "Nehmen wir einmal an, daß es so ist wie wir fürchten, daß -myard nichi mehr ist Dann werden seine Eltern in ihrem Nworz nicht an ein fremdes Mädchen schreiben, von dem sie dem, nicht einmal wissen, was es ihrem Jungen be-

uiete. Weil ihnen eben alles gleichgültig ist, weil alles vor ihrem °Wnem Leid verblaßt darum -"

bn«, >,!^ wenn sie mir nur eine,gedruckte Todesanzeige geschickt unterbrach Lotte sie in leidenschaftlichem Aufbegehren, doch E^ßh^'t?" rucht zuviel verlangt, und ich hätte dann.

»Du darfst in diesem Falle nicht mit ihnen rechten", bat yanne sanft.Sie wollen vielleicht nicht wieder in kaum ver­boten Wunden wühlen, es geht wohl über ihre Kraft, Kind, m ^ »'Ete dich, suche dich mit dem Gedanken vertraut zu machen, daß du ein schweres Opfer hast bringen müssen. Gräme stjbhr so sehr. Hoffen wir, daß das Schicksal es dabei wenden läßt, daß Gerd gesund wiederkehrt und Lisas Mann." Lotte nickte und suchte sich zu fassen und die rinnenden Tränen

zu stillen. Hänne ging leise hinaus und ließ sie in der Küche allein. Es war wohl am besten so.

Da saß sie nun, die Arme auf die Tischplatte gelegt und den Kopf darauf, mit zuckenden Schultern, und ließ ihren Schmerz verströmen. Sie sah ja ein. daß die Mutter recht hatte. Sie mußte einen Schlußstrich ziehen unter ihr Warten und Hoffen. Sie mußte aber es war ein unsagbar bitteres Muß!

Fremde Stimmen auf der Deele ließen sie plötzlich aufsahren. Es schien jemand gekommen zu sein.

Hastig stand Lotte auf, strich die verwirrten Löckchen aus der Stirn und ging zur Pumpe, um ihr verweintes Gesicht zu kühlen. Dann lauschte sie.

,.Ja", hörte sie Heinz' Stimme antworten. »Wir heißen Hollinger."

Dann kam eine erneute Frage, die Lotte nicht verstand und daraus Heinz' Antwort:

Meine Mutter ist nicht da, aber meine Schwester."

Dann führe uns doch bitte zu ihr", bat eine dunkle Frauen­stimme.

Heinz schien sich aul seine Wohlerzogenheit zu besinnen.

Bitte!" sagte er, und gleich darauf "hörte Lotte ihn die vom Flur in die Wohnstube führende Tür öffnenIch will Meiner Schwester Bescheid sagen."

Lotte hielt noch lauschend das Handtuch 'in der Hand, als Heinz hereinkam. Die Mutter hatte ihm vorhin ihren Kummer angedeutet und ihn gebeten, sie nicht zu stören. Daran dachle er nun aber schon nicht mehr

Da sind zwei fremde Leute", berichtete er wichtig und so leise, daß die unerwarteten Gäste es in dem anstoßenden Zimmer nicht verstehen konnten,Du möchtest zu ihnen kommen."

Wo ist denn die Mutter?"

Zur Wiese zum Melken."

Ach ja, daran hatte Lotte in ihrem. Kummer nicht gedacht es war ja Zeit für die Bieharbeit. Das Melken war sonst immer ihre Arbeit, nun hatte die Mutter es ihr stillschweigend abgenom­men. Sie blickte ein bißchen ratlos.

Was sind es denn für Leute?"

Ein Mann und eine Frau. Sie sind schon ein bißchen älter, oben sie sehen fein aus", gab Heinz Auskunft. Dann riet er ihr noch altklug:Die alte Schürze würde ich lieber abtun."

Lotte sah unschlüssig an ihrer Küchenschürze herunter und streifte sie dann wirklich ab. Sie überprüfte noch rasch die Töpfe auf dem Herd: Die Kartoffeln kochten noch nicht, die Brathähnchen brutzelten leise in der Bratpfanne, das war in Ordnung und konnte eine Weile unbeaufsichtigt bleiben. Also öffnete sie jetzt rasch ent­schlossen die Stubentür.

Bei ihrem Eintritt erhoben sich eine stattliche, hochgewachiene Dame und ein beleibter, etwas kleinerer Herr von ihren Sinen

!Fräulein Lotte Hollinger?"' fragte die name und rkchkeke ! ihre Augen aufmerksam, aber unauffällig prüfend aus das junge Mädchen. Genau so, wi« sie vorher mit sicher abschätzendem Blick ! die schlichte, aber doch von einem gewissen Wohlstand zeugende ! Einrichtung des Zimmers gemustert hatte.

Sie ist reizend", stellte sie be? sich fest. Sie sah auch sofort die Trünenspuren auf dem jungen Gesicht und wunderte sich nicht darüber.

Ja, die bin ich", antwortete Lotte und hatte dabei ein ihr selbst unerklärliches Gefühl der Befangenheit. Eine Ahnung drängte sich^ihr auf, aber sie schob die Gedanken sofort weit von sich. Das war ja nicht möglich.

Sie haben mir einen Brief gesch»ieben", sagte da die fremde Frau und hatte dabei den Anflug eines Lächelns um den Mund.

Lottes Hände fuhren jäh zum Herzen.

Oh Sie sind?"

Ja, wir sind Reinhard Lohses Eltern, und wir kommen ge­radewegs von ihm."

Von ihm? So lebt er doch! Er lebt!" Es kam wie ein Aufschrei der Erlösung aus Lottes Munde.

! Ein Zucken lief über die beherrschten Züge der Frau. Der Mann sah es. Er räusperte sich und nahm nun seinerseits das Wort.

Ja, Fräulein Hollinger, er lebt. Aber es hat viele Stunden ! gegeben, da war ihm dieses Leben nichts mehr wert."

! Wieder räusperte er sich. Mit großen, bang fragenden Aua iah Lotte ihn an.

Das war, als er meinte, daß er nun in ewiger Nacht w». lelen müssen."

..Die Augen?" fragte das Mädchen mit versagender Stimme.

..Ja. die Augen", nickte Reinhard Lohses Vater schwer.Aber wir wißen heute, daß das Augenlicht des linken Auges ihm er- b.lten bleiben wird. Das rechte ist freilich verloren. Und das ui nicht alles. Auch das rechte Bein"

Aber er lebt!" sagte Lotte. Cs klang wie ein Dankgebet und ! schob alles andere weit von sich. Ihre Äugen leuchteten und ihr ! Gesicht war hell und zuversichtlich.

Das Ehepaar tauschte einen Blick, mit dem es sich über die , Wirkung der Eröffnung zu verständigen schien. Dann sagte der ! Mann:

»Sie sollten es nicht erfahren, Fräulein Hollinger. Er wollte für Sie tot sein, deshalb hat Ihnen niemand geschrieben."

Lottes Augen verdunkelten sich bei der Erinnerung an d' ausgestandene Not.

Das war schlimm. Viel schlimmer als Krankheit und Wahr­heit."

Jetzt nahm Frau Lohse wieder das Wort.

tfvortlekuna fololl .