Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.

90. Jahrgang.

Nr. 248.

»likPL«.'!

iLwWK

rrschetnungrweise: Smal wöchentlich. Anzeigenpreis: Im Obcramt«. i>rztrk Calw siir di- einspaltige Borgis,eile IO Psg.. außerhalb desselben 12 Psg.. Reklamen LS Psg. Schluß sür Jnseratannahme 10 Uhr vormittags. Leleson g.

Samstag, den 23. Oktober 1912.

II Bezugspreis: In der Eladt mit Trägerlohn Mk. 1.25 vierteljährlich. Post»

II bezugspreiS für den OrlS- und Nachbarortsverkehr Mt. 1.20. im Fernverkehr II Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg.. in Bayern und Reich 42 Pfg.

Allgemeiner italienischer Angriff.

Die Lage auf den Kriegsschauplätzen.

Die militärische und politische Lage.

* Gewissermaßen als Rechtfertigung dafür, daß Italien sich nicht an dem neuen Balkankrieg beteiligt, haben die Italiener nun wieder, zum 3. Mal, eine große Offensive in Szene gesetzt, die die ganze Jsonzolinie, die Kärntner Grenze und das Trentjno umfaßt. Nach unge­heurer Artillerievorbereitung sie haben es ebenso wie die Franzosen dem Meister abgeguckt wurde der allgemeine Ansturm angesetzt, und ebenso wie an der Westfront wurde der Feind bisher unter blutigen Ver­lusten an dem größten Teil der Angrifsssront abgewiesen. Das also war der Gegenstand der geheimnisvollen An­deutung, daß die Italiener den Alliierten auf andere Art bessere Dienste tun werden, als auf dem Balkan. Die Oesterreicher sollten abgehalten werden, noch stärkere Kräfte nach dem neuen Kriegsschauplatz zu werfen. Aber jedenfalls hatte man mit dieser Offensive noch höhere Pläne' es sollte eben wahrscheinlich diesmal doch, wo­möglich am Isonzo der Durchbruch gelingen, wodurch auch nach außen hin die Stärke des Vierverbands ge­kennzeichnet worden wäre. Die Offensive wird wohl auch diesmal einen Gang nehmen, der demjenigen ihrer Vorgängerinnen ähnlich ist. Unsere Bundesgenossen hat ten fest, und so darf auch dieser Teilplan der Alliierten heute schon als gescheitert gelten, der wohl als Kombina­tion mit den russischen Massenangriffen gedacht war, die an verschiedenen Stellen der Ostfront ohne wesent­lichen Erfolg angesetzt worden sind.

Was die politische Lage anbelangt, so liegen ange­sichts des glänzenden Vormarsches der Bulgaren, sowohl in Serbien selbst, als auch besonders in Serbisch Maze­donien die Brennpunkte der diplomatischen Tätigkeit in Athen und Bukarest. England hat sich zu dem groß­mütigen Schritt bereit erklärt, im Falle daß Griechen­land den Serben, die der Merverband schmählich im Stich gelaffen hat, zu Hilfe komme, den Griechen die türkische Insel Cypern, die allerdings unter engli­schemProtektorat" steht, abzutreten, und außerdem geht die Entente verschwenderisch mit weiteren Geschen­ken an türkischem und bulgarischem Gebiet an Griechen­land um, wenn dieses die Herrschaften aus ihrer sehr peinlichen Lage befreien wollte. Es hat heute noch nicht den Anschein, als wolle Griechenland auf dieseglän­zenden" Angebote eingehen und ebenso ist unbegreif- licherweisc Rumänien trotz der Versprechung ganz Beffaoabiens immer noch nicht bereit, sich dem Bierver­band mit Haut und Haar zu verschreiben. Ja, man hört sogar, daß diese beiden Staaten eher geneigt sind, ihr Selbstbestimmungsrecht mit allen Mitteln zu vertei­digen. als sich ohne ihren Willen in den Krieg hinein­zerren zu lassen. Es wird gemeldet, daß Griechenland dem italienischen Gesandten bezüglich seiner Anzeige der Landung italienischer Truppen in Kawalla keine sonder­lich zustimmende Antwort erteilt hat und von Bukarest kommt die Nachricht, daß sich eine Neugestaltung des rumänischen Kabinetts vorbereite, welcher der Vieroer­band ebenfalls nicht mit ungetrübter Freude entgegen- sehen dürfte. Ans diese Weise drängt die Entwicklung der Dinge ans dem Balkan täglich mehr der Entschei­dung entgegen.

*

Die deutsche amtliche Meldung.

(WTW.) Großes Hauptquartier. 22. Okt. (Amtlich.) Westlicher Kricgsschan platz. Keine beson­deren Ereignisse.

Oest'icherKriegsschauplatz. Heeresgruppe des Gcneialfeldmarschalls v. Hindenbnrg: Starke ruffischt Angriffe gegen unsere Stellungen in den Seen­

engen bei Sadewe südlich von Kofiany wurden abge­wiesen.

Heeresgruppe des Gcneralfeldmarschalls Prinz Leopold von Bayern: Auf breiter Front griffe« die Russen nordöstlich, östlich und südöstlich von Barano- witschi an, sie find zurnckgeschlagen. Oestlich von Bara- nowitschj wurden in erfolgreichem Gegenangriff 8 Offi­ziere, 114V Mann gefangen genommen.

Heeresgruppe des Generals v. Li ns in gen: Unser umfassend angesetzter Gegenstoß westlich von Czar- torysk hatte Erfolg. Die Russen find wieder zurückge­worfen. Die Verfolgung ist angesetzt. Zn den Kämpfen der letzten Tage fielen dort IS ruffische Offiziere, über 36VV Mann in unsere Hand, 1 Geschütz, 8 Maschinen­gewehre wurden erbeutet. Der gestern gemeldete Ver­lust einiger unserer Geschütze wurde dadurch veranlaßt, daß russische Abteilungen Nachbartruppen durchbrachen und im Rücken unserer Artillerielinie erschienen. Es find 8 Geschütze verloren gegangen.

Balkankriegsschauplatz: Bon der Heeres­gruppe des Eencralfeldmarschalls v. Mackensen hat die Armee des Generals v. Koeoeh die allgemeine Linie Arnajewo bis Sladinaberg erreicht. Die Armee des Ge­nerals v. Gallwitz drang bis Selevac, Savanovac und Trnovca sowie nördlich Ranovac vor. Die Armee des Generals Bojadeff ist nördlich Knjazeoac im weiteren Vorgehen. Bon den übrigen Teilen der Armeen find die Meldungen noch nicht eingetroffen. Von anderen bul­garischen Heeresteilen ist Kumanovo besetzt. Seles ist genommen. Südlich von Strumitza wurde der Feind über die Wardar geworfen.

Oberste Heeresleitung.

Eine Demonstration der englischen Flotte.

(WTB.s Sofia. 22. Okt. (Bulg. Tel.-Agentnr.) Die englische Flotte hat heute Dedeagatsch beschaffen, ohne wesentlichen Schaden anzurichten.

Der österreichisch-ungarische Tagesbericht.

(WTV.)Wien, 22. Okt. Amtliche Mitteilung vom 22. Okt. mittags. Russischer Kriegsschauplatz. Zn Ostgalizien herrschte Ruhe. Bei Rowo Aleksinec setz­ten die Russen ihre Angriffe fort. Unsere Front wurde vor dem Druck überlegener Kräfte in einer Breite von fünf Kilometer auf 1VVS Schritte zuriickgenommen. Alle Vorstöße, die der Feind gegen diese neue Stellung führte, brachen ebenso, wie Angriffe auf unserer Front östlich von Zaloicze unter dem Kreuzfeuer unserer Batterien zusammen. Die Kämpfe am Styr nehmen an Heftigkeit zu. Die Russen hatten, starke Kräfte anfbietend, in den letzten Tagen westlich von Czartorysk einen Keil in die Front der deutschen und österreichisch-ungarischen Trup­pen getrieben. Gestern gingen wir nach Heranführung von Reserven zum Gegenangriff über. Der Feind wurde bei Okonsk von drei Seiten gefaßt und geworfen. Seine Versuche, diesen bedrängten Abteilungen durch Angriffe nordwestlich von Czartorysk und gegen Kolli Lust zu schaffen, scheiterten am Widerstand der deutschen Trup­pen. Die südlich von Kolli kämpfenden Kräfte des Ge­nerals Grafen Hcrberstein brachen zuletzt selbst über­raschend aus ihren Gräben hervor und trieben den Geg­ner, 2 Offiziere und 600 Mann gefangen nehmend, in die Flucht. Insgesamt wurden bei den noch nicht abge­schlossenen Kämpfen am Kormyn und am Styr seit dem 18. Oktober 15 russische Offiziere und 36VV Mann als Gefangene, 1 Geschütz und 8 Maschinengewehre als Beute eingebracht.' Auch gegen unsere Streitkräfte in Litauen unternahm der Feind mehrere Angriffe, die zum Teil bis in unsere Stellungen führten, aber alle restlos ab­gewiesen wurden.

Ztalieuischer Kriegsschauplatz. Wie er­wartet, hat gestern vormittag nach mehr als Svstiindiger

Artillerievorbereitung der allgemeine Ansturm der Hauptkräfte des italienischen Heeres gegen unsere Stel­lungen im Küstenland begonnen, der dritte in fünf­monatiger Kriegsdauer. Aus dem Krn, an den Stel­lungen des Tolmeiner Brückenkopfes und namentlich am Plateaurand von Doberdo wird erbittert gekämpft. Der gegen den Krn-Stützpunkt angesetzte Angriff des Mobil-Miliz-Regiments Nr. 119 brach unter außeror­dentlich schweren Verlusten zusammen. Ein zweiter An­griff in diesem Raum scheiterte im Feuer unseres tap­feren Verteidigers nach kurzer Zeit. Das Borfeld der Stellungen ist mit italienischen Leichen bedeckt. Am Tol­meiner Brückenkopf richten sich die feindlichen Angriffe hauptsächlich gegen den Mrzli Vrh und den Siidteil un- sercr Verteidigungsfront. Alle Angriffe wurden blutig abgewiesen. An einzelnen Stellen, wo der Gegner bei dem ersten Sturm in unsere vordersten Linien einbrach, warf ihn ein Gegenangriff wieder zurück. Auch hier sind die Verluste der Ztaliener sehr groß. Am Monte San Michele drangen starke feindliche Kräfte am Nachmit­tag in unsere Schiitzendeckungen ein. Durch den folgen­den Gegenangriff wurden sie überall zuriickgeworfe». Die früheren Stellungen find wieder in unserem Besitz. Nach mehrfachen Angriffen gelang es den Ztaliener« auch im südlichen Nachbarabschnitte in unsere Schützen­gräben einzudringen. Keiner von ihnen kam zurück. Die Südwestfront der Hochfläche war gleichfalls der Schau­platz blutigen Ringens. Die Kämpfe führten vielfach zum Handgemenge. Die Verluste des Feindes find hier besonders schwere. Während der eben verflossenen Nacht dauerten die Kämpfe auf der Hochfläche von Doberdo mit unverminderter Heftigkeit fort. Zn Kärnten wurden schwächere Angriffe am Hochweißenstein (Monte Per­alba), in der Plölengegend und im Seebachtale abge­wiesen. An der Tiroler Front nach wie vor heftige Ee- schütztämpfe. Zn den Dolomiten brachen sich neue ita­lienische Angriffe an unfern festen Stellungen.

Südöstlicher Kriegsschauplatz. Die Of­fensive der Verbündeten in Serbien machte auch gestern überall Fortschritte. Oesterreichisch-ungarische Truppen der vom General Koeveß befehligten Armee erstürmten, gegen die Kosmajstellung vordringend, die südlich der Ralja ausragende Höhe Slatina. Die beiderseits der unteren Morawa oordringenden deutschen Streitkräfte gewannen die Räume nördlich von Palanka und von Petrooac. Vranje, Kumanowo und Beles im Wardar- Tale find in der Hand der Bulgaren.

Der bulgarische Vormarsch.

lWTB.) Berlin, 23. Okt. Aus Kopenhagen wird deinBerl. Tagebl." berichtet: Nach einer Pariser Mel­dung derBerlingske Tidende" ist llcskiib geräumt. Bei Kotschana stehe eine große Schlacht bevor. Die Bulgaren dringen über Beles gegen Monastir vor. Der mili­tärische Mitarbeiter der KopenhagenerPolitiken" schreibt, wie demBerl. Tagebl." gemeldet wird, daß die Lage der serbischen Armeen verzweifelt sei. Das bul­garische Heer sei glänzend reorganisiert worden. Den Serben bleibe nur ein verzweifelter, schwieriger Rück­zug in die montenegrinischen Berge übrig.

Die Dardanellentruppen für den Balkan.

Konstanliaopel, 22. Okt. Zu den Meldungen, daß die Engländer und die Franzosen die Halbinsel Gallipoli räumen würden, erfährt ein Berichierftatter aus unterrichteter Quelle, daß die bis jetzt vor­liegenden Angaben die Annahme zulassen, daß zwei französische Divisionen, die 1. und die 2., also fast sämtliche Franzosen, und die 19. englische Division ihr Lager aas der Halbinsel Gallipoli bereit» ver­lassen habe». Truppen, die zu diesen beiden fron-