Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.
90. Jahrgang.
Nr. 248.
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Samstag, den 23. Oktober 1912.
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Allgemeiner italienischer Angriff.
Die Lage auf den Kriegsschauplätzen.
Die militärische und politische Lage.
* Gewissermaßen als Rechtfertigung dafür, daß Italien sich nicht an dem neuen Balkankrieg beteiligt, haben die Italiener nun wieder, zum 3. Mal, eine große Offensive in Szene gesetzt, die die ganze Jsonzolinie, die Kärntner Grenze und das Trentjno umfaßt. Nach ungeheurer Artillerievorbereitung — sie haben es ebenso wie die Franzosen dem Meister abgeguckt — wurde der allgemeine Ansturm angesetzt, und ebenso wie an der Westfront wurde der Feind bisher unter blutigen Verlusten an dem größten Teil der Angrifsssront abgewiesen. Das also war der Gegenstand der geheimnisvollen Andeutung, daß die Italiener den Alliierten auf andere Art bessere Dienste tun werden, als auf dem Balkan. Die Oesterreicher sollten abgehalten werden, noch stärkere Kräfte nach dem neuen Kriegsschauplatz zu werfen. Aber jedenfalls hatte man mit dieser Offensive noch höhere Pläne' es sollte eben wahrscheinlich diesmal doch, womöglich am Isonzo der Durchbruch gelingen, wodurch auch nach außen hin die Stärke des Vierverbands gekennzeichnet worden wäre. Die Offensive wird wohl auch diesmal einen Gang nehmen, der demjenigen ihrer Vorgängerinnen ähnlich ist. Unsere Bundesgenossen hat ten fest, und so darf auch dieser Teilplan der Alliierten heute schon als gescheitert gelten, der wohl als Kombination mit den russischen Massenangriffen gedacht war, die an verschiedenen Stellen der Ostfront ohne wesentlichen Erfolg angesetzt worden sind.
Was die politische Lage anbelangt, so liegen angesichts des glänzenden Vormarsches der Bulgaren, sowohl in Serbien selbst, als auch besonders in Serbisch Mazedonien die Brennpunkte der diplomatischen Tätigkeit in Athen und Bukarest. England hat sich zu dem großmütigen Schritt bereit erklärt, im Falle daß Griechenland den Serben, die der Merverband schmählich im Stich gelaffen hat, zu Hilfe komme, den Griechen die — türkische Insel Cypern, die allerdings unter englischem „Protektorat" steht, abzutreten, und außerdem geht die Entente verschwenderisch mit weiteren Geschenken an türkischem und bulgarischem Gebiet an Griechenland um, wenn dieses die Herrschaften aus ihrer sehr peinlichen Lage befreien wollte. Es hat heute noch nicht den Anschein, als wolle Griechenland auf diese „glänzenden" Angebote eingehen und ebenso ist unbegreif- licherweisc Rumänien trotz der Versprechung ganz Beffaoabiens immer noch nicht bereit, sich dem Bierverband mit Haut und Haar zu verschreiben. Ja, man hört sogar, daß diese beiden Staaten eher geneigt sind, ihr Selbstbestimmungsrecht mit allen Mitteln zu verteidigen. als sich ohne ihren Willen in den Krieg hineinzerren zu lassen. Es wird gemeldet, daß Griechenland dem italienischen Gesandten bezüglich seiner Anzeige der Landung italienischer Truppen in Kawalla keine sonderlich zustimmende Antwort erteilt hat und von Bukarest kommt die Nachricht, daß sich eine Neugestaltung des rumänischen Kabinetts vorbereite, welcher der Vieroerband ebenfalls nicht mit ungetrübter Freude entgegen- sehen dürfte. Ans diese Weise drängt die Entwicklung der Dinge ans dem Balkan täglich mehr der Entscheidung entgegen.
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Die deutsche amtliche Meldung.
(WTW.) Großes Hauptquartier. 22. Okt. (Amtlich.) Westlicher Kricgsschan platz. Keine besonderen Ereignisse.
Oest'icherKriegsschauplatz. Heeresgruppe des Gcneialfeldmarschalls v. Hindenbnrg: Starke ruffischt Angriffe gegen unsere Stellungen in den Seen
engen bei Sadewe südlich von Kofiany wurden abgewiesen.
Heeresgruppe des Gcneralfeldmarschalls Prinz Leopold von Bayern: Auf breiter Front griffe« die Russen nordöstlich, östlich und südöstlich von Barano- witschi an, sie find zurnckgeschlagen. Oestlich von Bara- nowitschj wurden in erfolgreichem Gegenangriff 8 Offiziere, 114V Mann gefangen genommen.
Heeresgruppe des Generals v. Li ns in gen: Unser umfassend angesetzter Gegenstoß westlich von Czar- torysk hatte Erfolg. Die Russen find wieder zurückgeworfen. Die Verfolgung ist angesetzt. Zn den Kämpfen der letzten Tage fielen dort IS ruffische Offiziere, über 36VV Mann in unsere Hand, 1 Geschütz, 8 Maschinengewehre wurden erbeutet. Der gestern gemeldete Verlust einiger unserer Geschütze wurde dadurch veranlaßt, daß russische Abteilungen Nachbartruppen durchbrachen und im Rücken unserer Artillerielinie erschienen. Es find 8 Geschütze verloren gegangen.
Balkankriegsschauplatz: Bon der Heeresgruppe des Eencralfeldmarschalls v. Mackensen hat die Armee des Generals v. Koeoeh die allgemeine Linie Arnajewo bis Sladinaberg erreicht. Die Armee des Generals v. Gallwitz drang bis Selevac, Savanovac und Trnovca sowie nördlich Ranovac vor. Die Armee des Generals Bojadeff ist nördlich Knjazeoac im weiteren Vorgehen. Bon den übrigen Teilen der Armeen find die Meldungen noch nicht eingetroffen. Von anderen bulgarischen Heeresteilen ist Kumanovo besetzt. Seles ist genommen. Südlich von Strumitza wurde der Feind über die Wardar geworfen.
Oberste Heeresleitung.
Eine Demonstration der englischen Flotte.
(WTB.s Sofia. 22. Okt. (Bulg. Tel.-Agentnr.) Die englische Flotte hat heute Dedeagatsch beschaffen, ohne wesentlichen Schaden anzurichten.
Der österreichisch-ungarische Tagesbericht.
(WTV.)Wien, 22. Okt. Amtliche Mitteilung vom 22. Okt. mittags. Russischer Kriegsschauplatz. Zn Ostgalizien herrschte Ruhe. Bei Rowo Aleksinec setzten die Russen ihre Angriffe fort. Unsere Front wurde vor dem Druck überlegener Kräfte in einer Breite von fünf Kilometer auf 1VVS Schritte zuriickgenommen. Alle Vorstöße, die der Feind gegen diese neue Stellung führte, brachen ebenso, wie Angriffe auf unserer Front östlich von Zaloicze unter dem Kreuzfeuer unserer Batterien zusammen. Die Kämpfe am Styr nehmen an Heftigkeit zu. Die Russen hatten, starke Kräfte anfbietend, in den letzten Tagen westlich von Czartorysk einen Keil in die Front der deutschen und österreichisch-ungarischen Truppen getrieben. Gestern gingen wir nach Heranführung von Reserven zum Gegenangriff über. Der Feind wurde bei Okonsk von drei Seiten gefaßt und geworfen. Seine Versuche, diesen bedrängten Abteilungen durch Angriffe nordwestlich von Czartorysk und gegen Kolli Lust zu schaffen, scheiterten am Widerstand der deutschen Truppen. Die südlich von Kolli kämpfenden Kräfte des Generals Grafen Hcrberstein brachen zuletzt selbst überraschend aus ihren Gräben hervor und trieben den Gegner, 2 Offiziere und 600 Mann gefangen nehmend, in die Flucht. Insgesamt wurden bei den noch nicht abgeschlossenen Kämpfen am Kormyn und am Styr seit dem 18. Oktober 15 russische Offiziere und 36VV Mann als Gefangene, 1 Geschütz und 8 Maschinengewehre als Beute eingebracht.' Auch gegen unsere Streitkräfte in Litauen unternahm der Feind mehrere Angriffe, die zum Teil bis in unsere Stellungen führten, aber alle restlos abgewiesen wurden.
Ztalieuischer Kriegsschauplatz. Wie erwartet, hat gestern vormittag nach mehr als Svstiindiger
Artillerievorbereitung der allgemeine Ansturm der Hauptkräfte des italienischen Heeres gegen unsere Stellungen im Küstenland begonnen, der dritte in fünfmonatiger Kriegsdauer. Aus dem Krn, an den Stellungen des Tolmeiner Brückenkopfes und namentlich am Plateaurand von Doberdo wird erbittert gekämpft. Der gegen den Krn-Stützpunkt angesetzte Angriff des Mobil-Miliz-Regiments Nr. 119 brach unter außerordentlich schweren Verlusten zusammen. Ein zweiter Angriff in diesem Raum scheiterte im Feuer unseres tapferen Verteidigers nach kurzer Zeit. Das Borfeld der Stellungen ist mit italienischen Leichen bedeckt. Am Tolmeiner Brückenkopf richten sich die feindlichen Angriffe hauptsächlich gegen den Mrzli Vrh und den Siidteil un- sercr Verteidigungsfront. Alle Angriffe wurden blutig abgewiesen. An einzelnen Stellen, wo der Gegner bei dem ersten Sturm in unsere vordersten Linien einbrach, warf ihn ein Gegenangriff wieder zurück. Auch hier sind die Verluste der Ztaliener sehr groß. Am Monte San Michele drangen starke feindliche Kräfte am Nachmittag in unsere Schiitzendeckungen ein. Durch den folgenden Gegenangriff wurden sie überall zuriickgeworfe». Die früheren Stellungen find wieder in unserem Besitz. Nach mehrfachen Angriffen gelang es den Ztaliener« auch im südlichen Nachbarabschnitte in unsere Schützengräben einzudringen. Keiner von ihnen kam zurück. Die Südwestfront der Hochfläche war gleichfalls der Schauplatz blutigen Ringens. Die Kämpfe führten vielfach zum Handgemenge. Die Verluste des Feindes find hier besonders schwere. Während der eben verflossenen Nacht dauerten die Kämpfe auf der Hochfläche von Doberdo mit unverminderter Heftigkeit fort. Zn Kärnten wurden schwächere Angriffe am Hochweißenstein (Monte Peralba), in der Plölengegend und im Seebachtale abgewiesen. An der Tiroler Front nach wie vor heftige Ee- schütztämpfe. Zn den Dolomiten brachen sich neue italienische Angriffe an unfern festen Stellungen.
Südöstlicher Kriegsschauplatz. Die Offensive der Verbündeten in Serbien machte auch gestern überall Fortschritte. Oesterreichisch-ungarische Truppen der vom General Koeveß befehligten Armee erstürmten, gegen die Kosmajstellung vordringend, die südlich der Ralja ausragende Höhe Slatina. Die beiderseits der unteren Morawa oordringenden deutschen Streitkräfte gewannen die Räume nördlich von Palanka und von Petrooac. Vranje, Kumanowo und Beles im Wardar- Tale find in der Hand der Bulgaren.
Der bulgarische Vormarsch.
lWTB.) Berlin, 23. Okt. Aus Kopenhagen wird dein „Berl. Tagebl." berichtet: Nach einer Pariser Meldung der „Berlingske Tidende" ist llcskiib geräumt. Bei Kotschana stehe eine große Schlacht bevor. Die Bulgaren dringen über Beles gegen Monastir vor. — Der militärische Mitarbeiter der Kopenhagener „Politiken" schreibt, wie dem „Berl. Tagebl." gemeldet wird, daß die Lage der serbischen Armeen verzweifelt sei. Das bulgarische Heer sei glänzend reorganisiert worden. Den Serben bleibe nur ein verzweifelter, schwieriger Rückzug in die montenegrinischen Berge übrig.
Die Dardanellentruppen für den Balkan.
Konstanliaopel, 22. Okt. Zu den Meldungen, daß die Engländer und die Franzosen die Halbinsel Gallipoli räumen würden, erfährt ein Berichierftatter aus unterrichteter Quelle, daß die bis jetzt vorliegenden Angaben die Annahme zulassen, daß zwei französische Divisionen, die 1. und die 2., also fast sämtliche Franzosen, und die 19. englische Division ihr Lager aas der Halbinsel Gallipoli bereit» verlassen habe». Truppen, die zu diesen beiden fron-