Nr. 216. Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw._ 90. Jahrgang.

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Donnerstag, den 1K. September 1915.

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Vor der El

Hochspannung aus dem Balkan.

Die politische Lage aus dem Balkan ist in ein Sta­dium getreten, dessen Weiterentwicklung in nächster Zukunft zur Entladung des bis zum Platzen ausgehäus- ien Konfliktsstofss sichren mutz. Die Gründe für diese Zuspitzung der Situation dürsten einmal in der Tat­sache des Abschlusses des türkisch-bulgarischen Vertrags liegen, andererseits aber in dem letzten mit allen Mit­teln gemachten Persuch des Bierverbandes. Bulgarien und damit auch die andern Balkanstaaten zum aktiven Eingreifen zu seinen Gunsten zu bestimmen. Da die Angriffe gegen die Dardanellen bisher nur riesige Opfer gekostet haben, ohne znm Ziel zu führen, sollte Bulgarien die Türkei von der Landseite angreisen, wahrend man Rumänien nach der Richtung bearbeitet, es solle Oesterreich-Ungarn in den Rücken fallen, um ihm Siebenbürgen und die Bukowina zu cntreitzcn. Als Hauptfaktor in der ganzen Rechnung des Bierverbands entstand, oh Ironie des Schicksals, gerade jener Vnl- kanstaat, den man im Balkankrieg am schmählichsten behandelt hatte, und ausgerechnet von dem betrogenen Bulgarien erwartete man, datz es nochmals als Banner­träger für Rußlands Interessen aus dem Balkan vor- angchen solle. War Bulgarien für den Bierverband ge­wonnen, so war man der Beihilfe Rumäniens sicher, und Griechenland, das durch den Eintritt Italiens in den Krieg mißtrauisch gemacht worden war. wäre eben nach Dreivcrbandsart so oder so beiseite geschoben wor den. Daß sich die Alliierten da keine großen Skrupeln machen, das haben sie ja durch die Besetzung der griech­ischen Inseln gezeigt, und durch den brutalen wirtschaft­lichen Druck, den sie aus alle neutralen Staaten aus üben. Der seine Plan ist an der bulgarischen Politik gescheitert. Man war sich in Bulgarien wohl darüber klar, daß ein siegreicher Pierverband trotz aller Ver­sprechungen die Wünsche des bulgarischen Volkes bezüg­lich Mazedoniens wahrscheinlich eben nicht erfüllt hätte, und die zugestandenenErcnzberichtigungen" gegen die Türkei hätte sich das bulgarische Heer, genau so wie Italien, erst erstreiten inüstcn.

In seiner höchsten Not hat sich aber der Viervcr- band durch den Abschluß des türkisch-bulgarischen Ver­trags nicht abhalten lassen, nochmals einen letzten Schritt in Sofia zu unternehmen. Die Vierverbands­gesandten haben einzeln beim Ministerpräsidenten Vor­gesprächen. Welche Bedeutung diese letzteDemarche" haben soll, ist nur zu vermuten. Es dürfte sich wohl kaum nochmals um weitergehende Vorschläge handeln, sondern eher um die Frage, wie sich Bulgarien verhal­ten werde, wenn die verbündeten Zentralmächte einen Vorstoß über Serbien nach Kcknstantinopel machen wür­den. Es würde sich dann darum handeln, ob Bulgarien den Heeren der Zentralmüchte den Durchmarsch gestattet. Die Unterredung kann sich auch darum gedreht haben, ob Bulgarien beabsichtige, Serbien gleichzeitig anzu­greifen, und Mazedonien zu besetzen. Jedenfalls darf man eher annehmen, daß es sich bei descm hochosfiziellen Vorgehen des Vierverbands um eine Drohung handelt als um einen letzten Verständigunasversuch. Wie weit die Stimmung in Bulgarien sich entwickelt hat, sehen wir aus den Erklärungen selbst oppositioneller Führer, die einem italienischen Korrespondenten erklärten, nn Falle eines siegreichen Vordringens der dentsch-öster- reichisch-ungarischen Heere durch Serbien müßte Bul­garien wohl oder übel den Durchmarsch nach der Türkei gestatten. Rußland werde dann jedenfalls an der Küste des Schwarzen Meeres auch Truppen landen, und Bul­garien würde so das Schlachtfeld fremder Heere. Mehr als die Erlaubnis zum Durchmarsch würde Bulgarien den Zentralmächten nicht geben, denn es sei ausgeschlos­sen, daß das bulgarische Heer je gegen Rußland kämpfe. Daß man in Vierverbandskreisen selbst nicht mehr an eine Verständigung der Balkansiaatrn im Sinne der Alliierten glaubt, das geht auch aus einem Artikel des Corricre della Sera", der immer gut unterrichtet ist, hervor. Der Artikel macht der Dierverbandediplomatie schwere Vorwürfe, weil sie solangsam" gearbeitet habe.

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Der Pierverband könne mindestens zur Zeit aus eine Teilnahme Rumäniens und auch Bulgariens nicht rech­nen. Ebensowenig könne er auf Griechenland rechnen, das die Vorgänge in den anderen Balkanstaaten auf­merksam verfolge. Die Anstrengungen gegen den ge­meinsamen Feind müßten mindestens vorerst ausschließ­lich vom Vierverband geleistet werden. In Griechenland hat infolge der Vergewaltigungspolitik des Vierver­bands und seines unredlichen Spiels bezüglich der Ver­teilung der Beute eine von Tag zu Tag steigende Er­bitterung eingesetzt, die sich in sckrarsen Angriffen gegen die Politik des Bicrverbands Lust macht. Die Tele grammspionage. die schon seit einem Jahr von Ruß­land und England getrieben worden ist, wird zum An­laß-ärfster Aeußerungen gegen die Moralität des Dreiverbands genommen. Diese Handlungsweise ent­spreche ganz seiner sonstigen Heuchelei. Man spreche vom Schutz der Freiheit der kleinen Nationen und des Nationalitätenprinzivs, während man durch die Be­setzung der griechischen Inseln die Neutralirät Griechen­lands verletzt und auch auf alle anderen neutralen Staaten einen brutalen Druck ausübt. Gleichzeitig ver­spreche der Dreiverband Italien den griechischen Dode- kanesos, Albanien und die slawische Küste an der Adria. So falle allmählich die heuchlerische Maste, die das wahre Gesichk"drs"Drervetbands bisher verhüllt habe. Was Rumänien anbelangt, so können wir nicht recht glauben, daß es seine Neutralität im jetzigen Stadium der militärischen Lage aufgeben wird, um die Russen zu retten, und von Serbien weiß man eigentlich gar nicht, was es machen will, im Hinblick auf den von allen Seiten ausgeübten Druck.

Das aber darf wohl mit Bestimmtheit gesagt wer dein Der Balkan wird in den nächsten Wochen unsere erhöhte Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen. Darauf weisen nicht nur die Truppenzusammeiiziehungcn der Zentralmächte an der serbisch-rumänischen Grenze hin. das deuten auch die Absichten des Vcerverbands an, in Saloniki mit oder ohne Erlaubnis Griechenlands Truppen zwecks Hilfe für Serbien zu landen, und gleich zeitig mit einem großen Heer einen letzten Versuch zur Eroberung Konstantinopels zu machen

O. 8.

Der Balkan im neuen Zeichen."

Berlin, 15. Cept. Graf Revcntlow schreibt in der Deutsch. Tagcszeitg." unter der Ueberschrift:Der Bal­kan im neuen Zeichen": Der türkische Kriegsminister Enver Pascha hat dem Herzog Johann Albrecht die Truppen vorgeführt mit den Worten:Die Gegenwart des Herzogs von Mecklenburg ist das Zeichen der An­kunft der großen deutschen Armee." Damit hat Enver Pascha das Wort ausgesprochen, in dessen Zeichen die Balkanlage jetzt getreten ist und in dem sie sich ent­wickelt: Im Zeichen der großen deutschen Armee. Jetzt, wo nach dem neuerlichen Ausspruch des Reichskanzlers große deutsche Armeen frei geworden sind zu neuen starken Schlägen, wird die indirekte Wirkung unserer Armeen im Osten und Südostcn ergänzt durch unmit­telbares Eingreifen von Strcitkräften Deutschlands und Oesterreich-Ungarns, um die Balkansrage endgültig zu bestimme«. Die Notwendigkeit solchen Vorgehens (die serbische Ecke) ist hier oft dargelegt worden. So ist das Wort Enver Paschas in Gegenwart des Herzogs von Mecklenburg eine Fanfare, die man in allen Balkan­staaten gehört hat und nicht nur dort, sondern auch in Petersburg, in London .Paris und Rom.

Bulgarien.

(WTV.) Sofia, 15. Sept. DieAgence Bulgaire" meldet: Die Vertreter der Mächte des Vicrverbandes statteten gestern vormittag dem Ministerpräsidenten gesonderte Besuche ab und Lberbrachten ihm eine ergän­zende Mitteilung, über deren Inhalt strengstes Still­schweigen gewahrt wird.

Dömbsrg.

Wien, >5. Sept. Wiener Blälicr melden aus Sofia, daß dort vom Viervcrdand eine Bank mit 18 Miillonen Frauken Kapital gegründet wurde. Direktor der Bank ist Ghenadiew. Man sicht, der Bierverdand gibt sein Spiel noch nicht verloren, sonst würde er nicht in dieser hochkritischen Zeit eine derartige Finanzgründung über­nehmen. Die Berufung Ehenadiews, des Exministers mit seiner anrüchigen Vergangenheit, znm Leiter der Bank aber zeigt, daß mit der Gründung reine politische Zwecke oersvlgt werden, und hiebei spielte die Bestech­ung durch die Vierverdündler von jeher eine besondere Rolle.

Kopenhagen, Ni. Sept. Rach einem Londoner Tele­gramm aus Sofia, das demLokalanz." übermittelt wird, hat der bulgarische Kriegsminister Befehl ge­geben, daß alle Mitglieder des bulgarisch-mazedonischen Verbandes, sowie alle Bulgaren aus den mazedonischen nnd thrazischen Gebieten zwischen 25 und 40 Jahren unter die Fahnen gerufen werden, um eine besondere mazedonische Division zu bilden.

Rumänien.

Berlin, 15. Sept. DerVoss. Zeitg." wird aus Bu­karest gemeldet: Die plötzliche Ankunft des Gesandten in Petersburg, Konstantin Diamandi, wird in politi­schen Kreisen lebhaft besprochen. Die hier verbreitete Lesart besagt, daß der Gesandte mit einer Sonderbot- schast betraut ist, um Rumänien noch im letzten Augen­blick durch das Angebot, ihm Bcssarabien abzutreten, für den Bieroerband zu gewinnen. Aber die Beding-. ungeir entwerten das Zugeständnis. Selbst ehemalige russophile Führer, die sich nicht genugtun konnten in Gehässigkeiten gegen die Zentralmächte, sind angesichts des russischen Zusammenbruchs ganz kleinlaut gewor­den. Selbst diese Russophilen sind heute zufrieden, wenn Rumänien bei seiner Neutralität verharrt. Ein Ge­schenk Bessarabiens aus der Hand Rußlands habe keine größere Bedeutung als die im letzten Augeirblick den Polen versprochene Autonomie. Rußland vermöge die Behauptung von Bcssarabien den Rumänen heute nicht mehr zu garantieren, bliebe aber Rußland schließlich der Sieger, so traut man ihm hier zu, daß es schon nach wenigen Jahren Bcssarabien zurückfordern würde, zu­mal dieses bereits so stark russifiziert sei, Laß es ge­radezu als russisches Gebiet gilt. Man hält hier des­halb die Sendung Diamandis allgemein für gescheitert. Rumänien scheint entschlossen zu sein, aus seiner Neu­tralität nicht mehr herauszutrcten und das Schicksal mit wechselndem Kriegsglück nicht herauszusordern. Die Beziehungen zu Bulgarien sind freundschaftlich und man möchte sich diese Freundschaft nicht verscherzen. Dia­mandi ist auch nicht eine Persönlichkeit, die imstande wäre, aus die Geschicke Rumäniens in entscheidender Stunde bestimmenden Einfluß zu gewinnen.

O r Loge auf den Kriegsschauplätzen.

Di« deutsche amtliche Meldung.

(WTB.) Großes Hauptquartier, 15. Sept. (Amt­lich.) Westlicher Kriegsschauplatz. Ein fran­zösischer Angriffsversuch am Hartmannsweilerkopf wurde durch unser Feuer verhindert. Ein bei Recheq, nahe der französisch-schweizerischen Grenze, beobachteter Fessel­ballon wurdehcruntergeschossen. Er iiberschlug sich und stürzte ab.

Oestlicher Kriegsschauplatz. Heeresgruppe des Eeneralfeldmarschalls o. Hi n d e n b » rg: Am Brilk- kentops westlich von Diinaburg Kämpfe. Bei Soloti (südwestlich von Diinaburg) wurde die feindliche Ka­vallerie geworfen. An der Wilia, nordöstlich und nord-