London, 25. August. Das Reutersche Bureau meldet aus Boston: Eine Konferenz der Tauner- »eure vo» 2V Staate» hat eine Tagesordnung angenommen, in der sie Wilson das Vertrauen in dieser Stunde großer internationaler Beunruhigung ausspricht und ihm versichert wird, daß man bereit sei, ihm zu folgen, welchen Weg auch immer er als zweckmäßig einschlagen werde.
Die Stimmung in Amerika.
(WTB.) London» 25. Aug. Die „Times" melden aus Washington vom 25. Aug.: Bryan erklärte, Amerika dürfe nicht in einen Krieg verwickelt werden, weil einige leichtsinnige Bürger Schiffe krieg- führender Nationen benützen. Senator Lewis aus Illinois, in dessen Wahlkreis viele Deutsche und zahlreiche Fleischexporteure ansässig sind, beschuldigt England, daß es versucht habe, die Vereinigten Staaten in den Krieg hineinzuziehen, indem es die „Arabic" in ein schwimmendes Arsenal verwandelte. Auch Hermann Nidder und seine Anhänger verdächtigen die britischen Methoden und Beweggründe. Der Korrespondent der „Times" fügt hinzu: Diese stellen ebensowenig die öffentliche Meinung dar, wie Roose- velts Befürwortung einer sofortigen Aktion.
Die Präsidentenwahl unter dem Einfluß des Krieges.
(WTB.) Manchester, 25. Aug. Der Korrespondent des „Manchester Guardian" weist darauf hin, daß die deutsch-amerikanischen Beziehungen den Wahlseldzug für die nächstjährige Präsidentenwahl beeinflussen würden. Die Parteiorganisationen würden in wenigen Monaten ihre Vorbereitungen beginnen. Der Anfang des Wahlkampfs werde vermutlich durch die Beziehungen der Vereinigten Staaten zu den europäischen Mächten beeinflußt werden. Der Korrespondent prophezeit, daß die Deutsch-Amerikaner, die jedenfalls gegen Wilson stimmen würden, dadurch seine Wiederwahl mit unerhörter Mehrheit (?) verursachen würden.
Die Berichte der belgischen Gesandten.
(WTB.) Berlin. 24. Aug. Die „Nordd. Allg. Zei- ^ tung" beendigt die Artikelreihe über die in belgischen! Archiven gefundenen Berichte der belgischen Gesandten.! Die heute veröffentlichten Schriftstücke umfaßen die Zeit ^ von 7. Nov. 1913 bis 2. Juli 1914 und beginnen mit der Charakteristik der Politik Ereys und schließen mit der Erwartung, daß Rußland sich nicht auf dia Seite der Königsmörder von Serajewo stellen werde. Alle zwischen beiden Staaten liegenden Ereignisse, die Bemühungen der Ententemächte, die Einkreisung Deutschlands und seines österreichisch-ungarischen Verbündeten zum Abschluß zu bringen, die Tripleentente durch Heranziehung der Mächte zweiten Ranges zu erweitern und sich militärisch zu Wasser und zu Lande zu übermächtiger Stellung den beiden isolierten Zentralmächten entgegenzuwerfen, wurden von den belgischen Gesandten mit Besorgnis verfolgt. Graf Lalsing läßt keinen Zweifel darüber, daß in dem politischen Programm Greys er eine Gefahr für die schwächeren Staaten sieht. Aus Anlaß des für die Einführung der dreijährigen Dienstzeit agitierenden Deputierten Ribot schreibt Baron Guillaume am 16. Juli 1914: Es scheint mir sicher, daß wir mehr Interesse daran hätten, die Politik Laillaux, der Radikalen und der radikalen Sozialisten erfolgreich zu sehen. Poincarch Delcasss, Millerand und ihre Freunde seien es, die die nationalistisch-militaristische und chauvinistische Politik erfunden und befolgt haben. Sie bildet eine Gefahr für Europa und für Belgien. Darin erblicke ich die größte Gefahr, die heute den Frieden Europas bedroht. Nicht als ob ich zu der Annahme berechtigt wäre, daß die französische Regierung vorsätzlich den Frieden stören will, ich glaube eher das Gegenteil, sondern weil die Haltung des Kabinetts Barthou meiner Ansicht nach das Anschwellen militaristischer Neigungen in Deutschland hervorgerufen hat. Nach dem Sturze Barthous schreibt Guillaume am 10. März 1914: Der Umstand, daß Poincars sich gezwungen sah. die Macht Caillaux zu übertragen, hat ihn stark verstimmt. Er sah darin einen Mißerfolg der militaristischen und nationalistischen Politik, die er systematisch schon seit dem Tage verfolgte, an dem er als Ministerpräsident an die Spitze der Regierung gestellt wurde. Zusammen mit Delcassö, Millerand und einigen anderen predigte er unablässig die politisch-militärische Wiederausrichtung Frankreichs im Verein mit der Schaffung enger Beziehungen zu Rußland. Er ging als Ministerpräsident nach St. Petersburg. In einigen Monaten wird er als Präsident der Republik dorthin zurückkehren. Er schickte kürzlich Delcassö dorthin, den er mit der Mission beauftragt hatte, mit allen Mitteln die Wohltaten der französisch-russischen Allianz zu unterstreichen und das große Kaiserreich zu einer Vergrößerung seiner militärischen Vorbereitungen zu veranlassen. Anläßlich des Besuchs des englischen Königspaares in Paris schreibt Baron Beyens in der Depesche vom 24. April aus Berlin, daß der Einfluß Jswolskys auf die französische Politik sogar Herrn Cambon lästig geworden sei. Er spricht die Hoffnung aus, daß der intrigante Diplomat den Zaren bald in London vertreten werde.
Von größtem Interesse aber ist eine Bemerkung in dem Bericht, ob im Falle eines deutsch-französischen Kriegs England an die Seite Frankreichs treten werde. Baron Beyens schreibt: Wir hatten den Beweis dafür, daß die Mitwirkung der englischen Armee und die Entsendung eines Expeditionskorps auf den Kontinent von den Militärbehörden beider Länder ins Auge gefaßt worden war. Würde es heute noch ebenso sein und müßten wir immer noch befürchten, daß englisch« Soldaten in Belgien einmarschieren, um uns in der Verteidigung unserer Neutralität dadurch beizustehen, daß sie diese von vornherein kompromittieren? Deutlicher konnte gar nicht ausgesprochen werden, daß sich die belgische Regierung besten bewußt war, daß für die von dem englischen Generalstab im Einvernehmen mit der französischen Heeresleitung geplante englische Landung in Belgien der Schutz der belgischen Neutralität nur den Borwand bildete. Daß dieses Eingeständnis gerade aus dem Munde Baron Beyens kommt, entbehrt nicht eines komischen Beigeschmacks, weil der jetzige belgische Minister des Aeußern kürzlich in der „Revue des deux Mondes" in einem von gehästigen Angriffen und Verdächtigungen strotzenden Artikel über die belgische Neutralität, die Schuldlosigkeit der belgischen Regierung nachzuweisen versucht hat. Interessant ist auch der Bericht von Baron Guillaume vom 8. Mai. Er schildert sehr zutreffend die Stimmung, woraus drei Monate später der Krieg erwuchs. Er schreibt: Unstreitig ist die französische Nation in diesen letzten Monaten chauvinistischer, selbstbewußter geworden. Dieselben berufenen und sachverständigen Personen, die vor zwei Jahren sehr lebhafte Befürchtungen bei der bloßen Erwähnung von Schwierigkeiten zwischen Frankreich und Deutschland äußerten, stimmen jetzt einen anderen Ton an. Sie behaupten siegesgewitz zu sein, machen viel Aufhebens von den übrigens tatsächlich vorhandenen Fortschritten, die die französische Armee gemacht hat. und behaupten sicher zu sein, ein deutsches Heer zum mindesten lange genug in Schach halten zu können, um Rußland Zeit zu lasten, mobil zu machen, Truppen zusammenzuziehen und sich auf seinen westlichen Nachbarn zu stürzen. Ein erfahrener und hochgestellter Diplomat sagte neulich: Wenn sich jetzt plötzlich eines Tages ein ernster Zwischenfall zwischen Frankreich und Deutschland ereignet, so werden die Staatsmänner beider Länder sich bemühen müssen, ihm innerhalb der nächsten drei Tage eine friedliche Lösung zu geben, oder es giebt einen Krieg. Eines der gefährlichsten Momente in der augenblicklichen Lage ist die dreijährige Dienstzeit. Sie wurde von der Militärpartei leichtfertig durchgesetzt, aber das Land kann sie nicht ertragen. Innerhalb zweier Jahre wird man auf sie verzichten, oder Krieg führen müssen. Am 9. Juni fragt Baron Guillaume unter Hinweis auf die Agitation Jswolskys für die dreijährige Dienstzeit: Ist es wahr, daß das Petersburger Kabinett das Land zur Annahme des Gesetzes über die dreijährige Dienstzeit gedrängt hat und heute seine Aufrechterhaltung mit seinem ganzen Gewicht verlangt? Sollte sich vielleicht die Haltung des Petersburger Kabinetts auf die Ueber- zeugung gründen, daß Ereignisse nahe genug bevorstehen, daß man sich dieses Werkzeugs bedienen könnte, das es seinen Verbündeten in die Hände geben wolle. Um dieselbe Zeit schrieb Baron Beyens, daß das Scheitern des Gesetzes der dreijährigen Dienstzeit vom belgischen Standpunkt aus als ein Glück zu bezeichnen wäre. Das würde mehr als alles andere dazu beitragen, von unseren Grenzen die Gefahren eines Krieges fernzuhalten, dessen Folgen wir ohne Rücksicht auf seinen Ausgang fürchten müssen, sowie dazu, im Westen Europas wieder-eine gesicherte Lage zu schaffen. Die letzte Depesche Beyens und zugleich die letzte dieser Publikation, datiert vom 2. Juli, betrifft die von Oesterreich- Ungarn an Serbien gerichteten Forderungen aus Anlaß der Ermordung des Erzherzog Thronfolgers. Der Gesandte zweifelt nicht an der Mitschuld des serbischen Kabinetts, das die Augen schloß, um den Herd der anarchistischen Propaganda nicht zu sehen, fürchtete aber, daß aus einer Ablehnung der von Oesterreich-Ungarn verlangten Genugtuung ein Konflikt entstehen könnte. In Berlin sagt man, Serbien werde es nur dann soweit kommen lasten, wenn es sich von Rußland gestützt fühlt, aber die Regierung des Zaren wird es nicht unterstützen, denn sie muß selbst den Abscheu und die Furcht teilen, welche die Verbrechen der Königsmörder von Serajewo hervorgerufen haben. Das hat man nicht allgemein in Berlin gesagt. Man war in Petersburg seit langen Zähren gewohnt, mit politischen Morden außerhalb Rußlands zu paktieren. Der monarchische Gedanke spielte in der Politik nicht mehr mit. Er war vor den panslavistischen Leidenschaften völlig in den Hintergrund getreten. Das war es, was den Weltkrieg unvermeidlich machte. Frankreich und England aber mußten sich als Beschützer den serbischen Mordgesellen an die Seite stellen. Das war das Ergebnis der Politik, die sie aus Haß gegen Deutschland durch Jahrzehnte getrieben, lleberblickt man in Gedanken noch einmal die lange Reihe der belgischen Depeschen, so geben sie uns den bündigen Beweis, daß diese kühl beobachtenden Diplomaten, die klare Vorstellung davon hatten, daß ein Kontinentalkrieg eine ernste Gefahr für das Paterland bedeute, daß Deutschland alles .was an ihm liege, getan habe, um ihn zu vermeiden, daß das französische Volk ihn nicht wollte, aber von ehrgeizigen Politikern in einen Zustand überhitzter, chauvinistischer Leidenschaft versetzt worden sei, die die ruhige Ileberlegung ausschloß, daß ebenso in Rußland der Ehrgeiz und die Rachsucht Jswolskys, sowie die panslaurstische deutschfeindliche Presse den Konflikt vorbereiteten und daß endlich die von König Eduard VII eiugeleitete, von Erey
fortgesetzte Politik diese Entwickelung herbeigesiihrt und ihr als Rückhalt gedient habe. Es war ein Unglück für Belgien, daß es diesen Stimmen kein Gehör schenkte und die ihm zugestreckte deutsche Hand nicht ergriff, die bereit war und die Kraft hatte, dem Lande inmitten des Weltkrieges den Frieden und die Zukunft zu sichern.
Vermischte Nachrichten.
Ostpreußenhilfe. — Iunggesellensteuer. — Eine empfindliche Strafe.
Berlin, 26. Aug. Nach dem „Berliner Lokal, anzeiger" hat die Münchener Ostprenßenhilfe außer den bereits gestifteten 2000 neuen Zimmereinrichtungen im Werte von V» Million Mark weitere 32 Eisenbahnwagen mit großem und kleinem Hausrat aufgebracht. — Laut „Berliner Tageblatt" haben in Oschatz die Gemeindebehörden die Einführung ei«er Junggesellensteuer beschlosten. — Die Strafkammer in Frankfurt a. M. verurteilte, verschiedenen Morgenblättern zufolge, einen Kaufmann namens Benzinger wegen Ueberfchreitens der Höchstpreise für Mehl zu der höchsten zulässigen Geldstrafe von 10VVV Mark.
Neuschnee in den Alpen.
Berlin, 26. Aug. Dem „Berliner Tageblatt" zufolge berichten schweizerische Blätter, daß im Alpengebiet bis zu einer Höhe von 1800 Metern ungewöhnlich ergiebige Schneefälle niedergingen. Der Neuschnee erreichte teilweise 1 Meter Höhe. — Jetzt haben die italienischen Blätter doch wieder ergiebigen Stoff zur Begründung der Ergebnislosigkeit der italienischen Offensive.
Die vlämische Frage.
(WTB.) Rotterdam. 25. Aug. Der „Rotter- damsche Courant" schreibt in einem Leitartikel anläßlich der hundertsten Wiederkehr des Tages, an dem König Wilhelm die revidierte Konstitution ankündigte, die für das Königreich der 17 Niederlande gelten sollte: Flandern ist vor eine schwere Wahl gestellt: Es ist nicht unsere Sache, ihm den Weg zur Rettung zu zeigen. Wer Kraft besitzt, erkämpft sich das Heil selbst. Wir werden das Brudervolk in den schwierigen Augenblicken, die es jetzt durchlebt, mit den herzlichsten Wünschen für sein Weiterbestehen begleiten, aber das Weiterbestehen muß sein eigenes Werk sein. Holland vermag für Flandern jetzt nicht mehr zu tun, als sich selbst zu behaupten. Wer anders denkt, verkennt die höchsten holländischen Interessen und schädigt sie und Flandern nicht minder. Flandern ist weder mit der lateinischen Zivilisation noch mit den Bestrebungen, die alle lebendigen Kräfte des germanischen Mitteleuropas zu einem Reiche zusammenschliehen wollen, gedient. Es kann nur in der Atmosphäre der Freiheit atmen. Daher die mißglückte Vereinigung von 1815. Ein neuer Zwang würde nur zu neuen Fehlschlägen führen.
Die unbequeme Duma.
Petersburg, 25. Aug. Der Dumapräsident teilte im Privatgespräch mit, daß der Ministerpräsident Eoremykin ihm gegenüber die Ansicht geäußert habe, die Duma müsse in der zweiten Augusthälfte (russischen Stils) aufgelöst werden.Diese Enthüllung des Dumapräsidenten hat, wie der „Voss. Zeitg." gemeldet wird, in Dumakreisen höchst alarmierend gewirkt, weniger im Zentrum, von der Rechten schon gar nicht zu sprechen, als bei der Linken, deren Parteien eine Sitzung nach der andern abhalten und in ihrer Presse erklären, eine so rasche Dumaauflösung würde das Volk vor den Kopf stoßen und glauben machen, daß die Regierung nach wie vor im Trüben fischen wolle.
Eine müßige Rechnung.
Köln. 25. Aug. Nach der „Kölnischen Zeitung" wird dem „Daily Telegraph" aus Sidney gemeldet, der Ministerpräsident Holman habe die Ansicht kundgegeben, falls das Freiwilligenwesen keine genügende Heeresstärke ergebe, die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht für die Dauer des Krieges zu betreiben. Australien würde alsdann 1/» Millionen Soldaten aufbringe«. — Daß sich in Australien die allgemeine Wehrpflicht zu Gunsten Englands einführen ließe, das glaubt ja der „Daily Telegraph" selbst nicht.
Aus Stadt und Laud.
Cal», den 26. August ISIS.
Verlustliste für den Oberamtsbezirk Ealw.
Au» der amtlichen wiirttrmbrrgischen Verlustliste 252. Grenadier-Regiment Nr. IIS, Stuttgart.
Kappler, Hermann, Utffz., Calw, verw. — Bauer, Gottlob, Wildberg, OA. Nagold, l. verw.
Infauterie.Reglmeut Nr. 126, Straßburg. Bühler, Christian, Stammheim, l. verw. — Bahnet, Albert, Deckenpfronn, l.verw.