mit jedem Tag, der vorüber geht, ausgesprochener wird, wenn nicht schon die Zentralarmee bereits ihren Rückzug von der Weichsel und vom Bug begonnen habe. Es scheint in jedem Falle wahrscheinlich, daß das deutsche Hauptquartier eine Bewegung gegen das russische Zentrum beabsichtigt und daß ein wichtiger Teil des Planes der ist, die Linie Kolvel— kholm—Lublin zu nehmen, eine Operation, die, wenn sie ausgeführt wird, die von der österreichischen Armee im letzten Jahre beabsichtigten Pläne zur Vollendung bringen würde und aus diese Weise die Verbindungen auf untergeordnetere und in großen Umwegen laufende Eisenbahnen anweisen würde. Aber um diesen Zweck in genügender Weise zu erreichen, mutz die Eisenbahnverbindung in Kovel genommen werden, und bevor Kovel genommen werden kann, mutz der Bug überschritten werden. Der Großfürst hat daher ein beängstigendes Problem zu lösen. Er hat nichtallein gegenüber den drei Armeen standzuhalten, die die Weichsellinie vom Süden her bedrohen, sondern er mutz auch sich gegenüber den deutschen Armeen unter Falkenhausen in der Gegend von Szawle stellen, unter v. Eichhorn in der Gegend von Suwalki, unter v. Bülow am Narew und unter v. Mackensens Nachfolger an den Fronten der Bzura und Rawka. Die russischen Zentral- und Nordarmeen mögen etwa sieben österreichisch-deutsche Armeen und eine große Masse von Kavallerie als Gegner haben, und wir müssen diesen feindlichen Armeen die Gerechtigkeit widerfahren lassen, anzuneh- . en, daß ihre Bewegungen in gutem Zusammenhänge stehen. Es werden weitere derartige Angriffe von der Seeseite, wie von Windau her, beabsichtigt, um auf diese Weise die russischen Streitkräfte auf diese Gegend hinzuziehen und sie so von den Stellen zu entfernen, wo man sucht, die Entscheidung herbeizuführen.
Rückzug der Russen aus der Bukowina.
Wien, 5. Juli. Der Kriegskorrespondent des „N. W. Tagbl." meldet aus Czernowitz: Auch im Grenzgebiet der Bukowina ist seit wenigen Tagen eine allgemeine Riickzugsbewegung der Nutzen eingetreten. Um ihren Rückzug zu decken, versuchen die Russen an den wichtigsten Erenzstratzen nochmals einen Widerstand mit besonderer Heftigkeit. Im übrigen schreiten sämtliche Kämpfe in Galizien außerordentlich günstig fort, die Befreiung vom Feind steht unmittelbar bevor.
Geschütz- und Munitionsmangel in Rußland.
Wien, 9. Juli. Der Kriegsberichterstatter der Wiener Sonn- und Montagszeitung meldet seinem Blatte: Der Mangel an Geschützen und Munition wird dadurch gekennzeichnet, datz die Nutzen gezwungen waren, in den galizischen Kämpfen Festungs- und Schiffsgeschütze aus Kronstadt zu verwenden. Zn Lemberg gefangen gewesene und zurückgelangte österreichisch-ungarische Artilleristen erzählten mir, datz die Russen bei der Flucht 8 schwere Kronstädter Schiffsgeschütze, die von je 12 Pferden gezogen wurden, durch die Stadt transportierten. Auch viele Festungsgeschütze aus Rowno, Luck und Dubno waren in Galizien. Diese Tatsache läßt den Schluß zu, datz Rußland im Laufe des Feldzuges seine Festungen ordentlich ausplünderte um den Bedürfnissen der Feldschlacht Nachkommen zu können.
Die feindlichen Verluste an den Dardanellen.
Konstantinopel, 5. Juli. Zu den Erklärungen As- quiths im Unterhaus über die englischen Verluste an Len Dardanellen, die bis zum 31. Mai 39 000 Mann und 1793 Offiziere betrugen, bemerkt die türkische Presse, daß bis zum 1. Zuli diese Ziffer sich um mindestens 90 Prozent erhöhte. In einem ähnlichen Umfang bewegen sich auch Frankreichs Verluste vor den Dardanellen. Die türkische Presse bemerkt, daß zu diesen Verlusten noch der Untergang von neun Schlachtkreuzern, mehreren Torpedo- und Unterseebooten sowie Transportschiffen, ferner die ernstliche Beschädigung einer Anzahl von Dreadnoughts und der Verbrauch ungeheurer Mengen von Munition hinzutritt. Aber vielleicht die wichtigste Einbuße, die England und Frankreich vor den Dardanellen erlitten und die der Berechnung dieser Länder noch entgeht, ist nach der Auffassung der türkischen Presse die Minderung des Prestiges.
Unsere U-Boole.
(WTB.) Rotterdam, 9. Juli. In einer Londoner Depesche des „Nisuwe Rotterdamschen Courant" werden folgende Dampfer als von V-Booten versenkt genannt: „Craigrad", 3286 Tonnen groß, aus Leith, mit Baumwolle von Queenstown nach Havre unterwegs, „Eagsby", 3497 Tonnen groß, aus Westhartlepool, der am Donnerstag torpediert wurde. Der versenkte Dampfer „Nichmond" hatte eine Ladung Bahnschwellen für Boulagne an Bord. Die torpedierte norwegische Bark „Kotka", die angetrieben wurde, konnte gestern nach Queenstown geschleppt werden. Die Goölette „Subneam" wurde von einem deutschen Unterseeboot auf der Höhe von Wick versenkt. Die Besatzung von 5 Mann wurde gerettet.
Amtliche Bekanntmachungen.
Amtskörperschaft Cal».
Bezug von Teigwaren.
E» ist Aussicht vorhanden, daß der Kommunalverband einen weiteren Waggon Teigwaren (Schntttnude! und Suppen« teige) erhält, um der weniger bemittelten Bevölkerung ein gute» und nicht zu teures Nahrungsmittel, welches ohne Brot« oder Mehlbezugsmarken abgegeben werden darf, zur Verfügung zu stellen.
Der an die Amtskörperschaft zu zahlende Preis für die Teigwaren ist aus 48 Pfennig das Pfund festgesetzt und er darf der Verkaufspreis nicht über 60 Pfennig das Pfund bettagen.
Bestellungen auf diese Teigwaren seitens der Gemeinden, Genossenschastea, Vereine, und TeigwarenhLadler wollen bis spätestens
12. Juli ds. I«. beim K. Oberamt eingereicht werden.
Die Abgabe erfolgt nur in ganzen Kisten zu 25 Pfund.
Auf 9 Kisten Schnittnudeln kommt eine Kiste Suppen- teige.
Calw, den 5. Juli 1919.
Regierungsrat Binder.
Heuaufkauf.
Das K. Proviantamt Stuttgart-Feuerbach hat sofort eine größere Menge Heu zum Nachschub für das Feldherr sicher zu stellen.
Zu diesem Zweck wollen die Schultheißeuämter von ihren Gemeinden Nachweisungen über die sofort verkäuflichen Heuvorräte (enthaltend Namen der Besitzer und ungefähres Quantum) bis spätestens zum 16. Juli ds. Fs. dem Ober« amt einsenden.
Fehlanzeigen sind nicht erforderlich.
Calw, den 5. Juli 1919.
K. Oberamt: Binder.
London, 5. Juli. Reuter meldet: Der englische Dampfer „Angola-Californian", der 3VVV Tonnen Wasserverdrängung hat, ist in Queenstown angekommen, nachdem er von einem deutschen Unterseeboot beschossen worden war. 12 Mann der Besatzung, unter ihnen der Kapitän, sind tot, viele verwundet. (Der Dampfer hat offenbar das Haltesignal des Unterseeboots unbeachtet gelassen.) Die norwegische Bark „Fiery Grog" mit einer Ladung Schmieröl wurde von einem deutschen Unterseeboot durch Ee- schützfeuer versenkt.
Bon unseren Feinden.
Die Italiener und der Papst.
Berlin, 9. Zuli. Aus Chiasso wird dem „Lokalanzeiger "gemeldet: Ein ernster Pressezwischenfall, welcher noch viel von sich reden machen wird, wird aus Rom gemeldet: Das römische humoristische Wochenblatt „Travaso" brachte in der letzten Wochennummer einen durchaus nicht humoristischen poetischen Erguß des Bologneser Dichters Lorenzo Stecchetti wider den Papst, in dem er, von der Unterredung des Papstes mit Labatie ausgehend, den Papst aufs heftigste angriff, ihn der Feindschaft gegenüber Italien bezichtigte und die Erwartung ausfprach, datz der Papst hoffentlich den bedauerlichen Fehler wieder gut machen und die Verurteilung der deutschen Barbaren in Belgien verkünden werde. Die Zensur ließ den Erguß unbeanstandet, beschlagnahmte aber eine sofortige Entgegnung des Organs des Vatikans, und das Blatt erschien zum erstenmal mit einem weißen Fleck. Der Protest war jedoch vom Kardinalstaatssekretär des Vatikans gezeichnet und die Sache konnte also nicht enden. Gestern abend veröffentlichte denn auch „Observatore Romano" einen neuen Protest, in welchem das Blatt bedauert, daß die hohe Würde des Papstes in den Schmutz gezogen und dem Hohn des Publikums preisgegeben werde. Diesmal schwieg die Zensur, aber es ist gleich vorauszusehen, datz der Zwischenfall damit nicht sein Bewenden haben wird.
Die Kehrseite der Medaille.
Chiasso, 9. Juni. Mit eindringlichen Worten hält heute der „Corriere della Sera" in seinem Leitartikel unter dem Titel „Die Verantwortlichkeit der führenden Klasse" dem italienischen Bürgertum seine Pflicht vor, williger Geldopfer für Kriegszwecke zu bringen. Der Appell der Regierung an die Geldbörsen der Besitzenden zu Fürsorgezwecken wurde mancherorts, wie der „Corriere" sich ausdrückt, lau, um kein strengeres Wort zu gebrauchen, aufgenommen. Aus weiteren Ausführungen geht deutlich hervor, datz die Bourgeoisie trotz der gegenteiligen Versicherungen der gestrigen Stefani-Mit- teilung keineswegs begeistert die Zeichnungsaufforderung zur Kriegsanleihe beantwortet hat. „Corriere" weist daher das Bürgertum dringend auf die äußeren und inneren Gefahren hin, denen es ausgesetzt ist, wenn es nicht williger die Börsen öffnet, um Gaben, Spenden und Kriegsanleihe zu zeichnen.
Teuerungsunruhen in Italien.
(WTB.) Basel, 9. Juli. Die Schweizerische Depeschenagentur meldet: Zn Chiavari blieben am Sonntag die Bäckereien geschlossen, weil die Gemeindebehörden einen Tarif für den Brotverkauf aufgestellt hatten. Die Behörden mutzten Vorräte von auswärts beziehen. Die empörte Bevölkerung veranstaltete eine heftige Kundgebung. Türen, Fenster und Läden wurden zertrümemrt und mehrere vollständig ausgepliindert.
Die Serbe« in Durazzo.
Basel» 3. Juli. „Torriere della Sera" meldet die Besetzung v»u Durazzo durch die Serben. Es sollen sich dort zur Zeit zwei serbische Regimenter unter dem Obersten Popowitsch befinden.
Die Verteidigung von Warschau.
(WTB.) London, 6. Zuli. Die „Times" meldet aus Petersburg, datz man dort um das Los Warschaus nicht unmittelbar besorgt sei. Sollte um die Stadt gekämpft werden, so würde das allem Anschein nach eine langwierige Sache werden, denn ein gegen Brest-Litowsk anrückender Feind müsse nicht nur mit dem Widerstand der Russen rechnen, sondern auch mit dem morastischen Charakter des Geländes. Selbst wenn die Deutschen bis Jwangorod durchdringen würden, werde das nach der Ansicht von militärischen Sachverständigen noch nicht notwendig den Fall Warschaus zur Folge haben müssen. lWenn die Warschauer Bürger die Stadt verließen, so ! sei das ein Zeichen, datz Vorbereitungen für die Verteidigung der Stadt getroffen würden.
j Verlegung der russischen Hauptstadt?
j Kopenhagen. 5. Juli. Die russische Presse er- ! örtert lebhaft die Frage der Verlegung der Haupt- ^ stadt nach dem inneren Ruhland. Es herrscht eine allgemeine Einigkeit, datz die Verlegung notwendig j sei, weil Petersburg weder geographisch noch ethno- ! graphisch die Zentrale sei. Große Meinungsunter- schrede bestehen aber über die Lage der neuen Hauptstadt. Einige wünschen einen Ort in der Nähe der Dardanellen, die bald geöffnet werden würden (!),
! andere sprechen von Tambow, Moskau oder einer ! Wolgastadt, auch Turuchansk wird als geographisches Zentrum genannt. „Nowoje Wremja" schreibt: Steigen wir baldmöglichst vom deutschen Fensterbrett Petrograd, wo es nach deutscher Küche riecht, herab und wandern wir rasch in die Säle unseres lichten russischen Schlosses."
Die Neutralen.
Protest der skandinavischen Staaten gegen Rußland.
Berlin, 9. Zuli. Aus Wien wird dem „Lok.-Anz." gemeldet: Wie die Blätter erfahren, wird in Gemäßheit des Königs-Abkommens von Malmö der schwedische Protest wegen der russischen Neutralitätsverletzung oou den zwei anderen skandinavischen Staaten unterstützt. Die Neutralitätsverletzung eines der skandinavischen Staaten trifft alle skandinavischen Reiche.
Das holländische Munitionsbureau.
Haag» 5. Juli. Das niederländische Munitionsbureau, das die Aufgabe haben wird, Heer und Marine mit genügend Munition zu versorgen, ist
errichtet.
Zum Attentat auf Morgan.
Kopenh-gen» 5. Juli. Wie hiesige Blätter aus New-Pork berichten, ist bisher dort nur gemeldet worden, daß Franz Holt, der das Attentat auf Morgan ausgeführt hat, Lehrer der deutschen Sprache an der Cornelluniverfität war, daß aber nicht feststeht» datz er Deutscher war.
Griechische Erbitterung gegen England.
Berlin, 5. Juli. Der Athener Korrespondent der „Voss. Zeitung" schildert in einem langen Telegramm die Erbitterung,, die in Griechenland gegen England herrscht. Man habe in Athen die Empfindung, als ob England mit seinen Nerven zu Ende wäre, sonst hätte es sich zu dieser Vergewaltigung der griechischen Schiffahrt nicht herbeigelassen, zumal man in London sehr genau weiß, daß man damit die empfindlichste Stelle der griechischen Nation trifft. Die Handelsmarine ist nämlich der Stolz der Griechen, weil sie nicht bloß ihre wesentlichste Leistungsquelle, sondern auch ihre wirtschaftliche Lebensader darstellt. In zehn Jahren hat die griechische Handelsflotte den Rekord geschlagen, der sich nur mit dem deutschen Rekord vergleichen läßt. Heute ist die griechische Handelsflotte im Mittelmeer die zweitgriHte nach England. Das angesehene Blatt „Strip" fordert geradezu die Abberufung des griechischen Gesandten aus London. Die meisten Blätter sehen in dem Vorgehen Englands eine schamlose Erpressung. Wolle man den griechischen Handel zerstören, so trifft man damit die gesamte griechische Nation an ihrem Wirtschaftsnerv. So einmütig wie in dem Zornaus- bruch in Griechenland, hat man die griechische Presse seit Kriegsbeginn noch nicht gesehen. Selbst die Bern,zelos nahestehende „Hestia" schlägt einen russenfeindlichen Ton an.
Athen, 5. Juli. Die dem griechischen Gesandten in London auf seine Beschwerde erteilte Antwort des Foreign Office, daß griechische Schiffe in griechischen Gewässern künftig nicht mehr ungehalten werden sollen, gibt keinen Anlatz zu einer optimistischen Auffassung über die Lage des griechischen Handels, der durch das rücksichtslose Vorgehen Englands schwer geschädigt ist und vollständig unter britischer Kontrolle