Amtsblatt des Kreises Calw für Altensteig und Umgebung Heimatzeitung der Kreise Calw und Freudenstadt

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Nummer 2VV

Altensteig, Montag, den 28. August 1939

I 62. Jahrga»,

Briefwechsel zwischen dem Führer und Daladier

Deutschland gibt den vollen Wortlaut bekannt. Der Führer erklärt: Danzig und der Korridor muffen an Deutschland zurück"

bin, bin bereit, alle Anstrengungen zu machen, die ein auf-

BerUn, 28. Aug. In einer Erklärung, die der fran­zösische Ministerpräsident Daladier am Sonntagabend vor der Presse in Paris abgab, hat er Bezug genommen auf einen Briefwechsel, den er mit dem Führer hatte. Zn seiner Erklärung vor der Presse hat Daladier Be- merkungen über den Inhalt der Briefe gemacht und Schlußfolgerungen daraus gezogen, ohne der Presse die Briefe selbst zur Kenntnis zu geben. Zur vollständigen Unterrichtung der Oeffentlichkeit gibt das DNB. daher den Wortlaut des Briefwechsels wieder.

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Der Vries des sranzöfischen Minister­präsidenten

Paris, 26. August 1939.

Sehr verehrter Herr Reichskanzler!

Der französische Botschafter in Berlin hat mir Ihre per­sönliche Mitteilung zur Kenntnis gebracht.

In der Stunde, wo Sie von der schwersten Verantwor­tung sprechen, die zwei Regierungschefs unter Umständen übernehmen können, das heißt das Blut von zwei großen Völkern, die sich nur nach Frieden und Arbeit sehnen, zu vergießen, bin ich Ihnen persönlich und unseren beiden Völkern schuldig, zu sagen, daß das Schicksal des Friedens noch in Ihren Händen liegt.

Sie können weder an meinen Gefühlen Deutschland gegenüber, noch an den friedlichen Gefühlen Frankreichs für Ihre Nation einen Zweifel hegen. Kein Franzose hat mehr als ich selbst getan, um zwischen unseren beiden Völkern nicht nur den Frieden, sondern eine aufrichtige Mitarbeit in ihrem eigenen Interesse sowie im Interesse Europas und der Welt zu bekräftigen.

Es sei denn, Sie trauen dem französischen Volke einen weniger hohen Begriff der Ehre zu, als Sie selber dem deutschen Volke zuerkennen, so können Sie nicht bezweifeln, daß Frankreich seine Verpflichtungen anderen Mächten gegenüber treu erfüllt, Mächten, wie z. V. Polen, die, davon bin ich überzeugt, mit Deutschland in Frieden leben wollen.

Diese beiden Ueberzeugungen sind vollkkommen unver­einbar.

Bis heute gibt es nichts, was eine friedliche Lösung der internationalen Krise in Ehren und Würden für alle Völker verhindern könnte, wenn auf allen Seiten der gleiche Friedenswille besteht.

Mit dem guten Willen Frankreichs bekunde ich denjeni­gen aller seiner Verbündeten. Ich übernehme selbst die Garantie für diese Bereitschaft, die Polen immer gezeigt hat, für die gegenseitige Anwendung eines Verfahrens des freien Ausgleiches, wie man es sich oorftellen kann zwischen den Regierungen zweier souveräner Nationen. Mit dem besten Gewissen kann ich Ihnen die Versicherung geben, daß ts unter den zwischen Deutschland und Polen mit Bezug auf die Danziger Frage entstandenen Differenzen keine gibt, di« nicht einem solchen Verfahren unterbreitet werden könnte zwecks einer friedlichen und gerechten Lösung.

Auf meine Ehre kann ich auch bekunden, daß es in der klaren und aufrichtigen Solidarität Frankreichs mit Polen und seinen Verbündeten nichts gibt, was die friedliche Gesinnung meines Vaterlandes irgendwie beeinträchtigen könnte. Diese Solidarität hat uns niemals daran gehin­dert, und hindert uns auch heute nicht, Polen in dieser fried­lichen Gesinnung zu erhalten.

Zn einer so schweren Stunde glaube ich aufrichtig, daß kein übelgesinnter Mensch es verstehen könnte, daß ein Krieg der Zerstörung unternommen werden könnte, ohne daß ein letzter Versuch einer friedlichen Lösung zwischen Deutschland und Polen stattfindet. Ihr Friedenswill e könnte sich in aller Bestimmtheit dafür einsetzen, ohne der deutschen lkhre irgendwie Abbruch zu tun.

Ich, der Chef der französischen Regierung, der ich eine Sute Harmonie zwischen den Franzosen und dem deutschen Volke wünsche, und der ich andererseits durch Freundschafts­bande und durch das gegebene Wort mit Polen verbunden

richtiger Mensch unternehmen kann, um diesen Versuch zu einem guten Ende zu führen.

Sie waren wie ich selbst Frontkämpfer im letzten Kriege. Sie wissen, wie ich, welchen Abscheu und Verurteilung die Verwüstungen des Krieges im Gewissen der Völker hinter­lassen haben, ganz gleich, wie der Krieg endet. Die Vor­stellung, die ich mir von Ihrer hervorragenden Rolle machen kann als Führer des deutschen Volkes auf dem Wege des Friedens der Vollendung seiner Aufgabe in einem gemein­samen Werk der Zivilisation entgegen, führt mich dazu, eine Antwort auf diesen Vorschlag zu erbitten.

Wenn das französische und das deutsche Blut von neuem fließen, wie vor 25 Jahren, in einem noch längeren und mörderischen Krieg, dann wird jedes der beiden Völker kämpfen im Vertrauen auf seinen eigenen Sieg.

Siegen werden am sichersten die Zerstörung und die Barbarei.

gez. Daladier.

Die Antwort des Führers

Berlin, 27. August 1939.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident!

Ich verstehe die Bedenken, die Sie aussprechen. Auch ich habe niemals die hohe Verpflichtung übersehen, die denen auserlegt ist, die über das Schicksal der Völler gestellt sind. Als alter Frontsoldat kenne ich wie Sie die Schrecken des Krieges. Aus dieser Gesinnung und Erkenntnis heraus habe ich mich auch ehrlich bemüht, alle Konfliktstoffe zwischen unseren beiden Völkern zu beseitigen. Ich habe dem fran­zösischen Volk einst ganz offen versichert, daß die Rückkehr des Saargebietes die Voraussetzung dazu sein würde. Ich habe nach dieser Rückkehr sofort feierlich meinen Verzicht bekräftigt auf irgend welche weiteren Ansprüche, die Frank­reich berühren können. Das deutsche Volk hat diese meine Haltung gebilligt. Wie Sie sich selbst bei Ihrem letzten Hiersein überzeugen konnten, empfand und empfindet es gegen den einstigen tapferen Gegner im Bewußtsein seiner eigenen Haltung keinerlei Groll oder gar Haß. Zm Gegen­teil. Die Befriedung unserer Westgrenze führte zu einer steigenden Sympathie, jedenfalls von Seiten des deutschen Volkes. Einer Sympathie, die sich bei vielen Anlässen geradezu demonstrativ zeigte. Der Bau der großen West­befestigungen, der zahlreiche Milliarden verschlang und verschlingt, stellt für Deutschland zugleich ein Dokument der Akzeptierung und Festlegung der endgültigen Reichsgrenze dar. Das deutsche*Volk hat damit auf zwei Provinzen Ver­zicht geleistet, die einst zum alten deutschen Reich gehörten, später durch piek Blut wieder erobert wurden und endlich mit noch viel mehr Blut verteidigt wurden. Dieser Ver­zicht stellt, wie Sie mir, Exzellenz, zugeben müssen, keine taktische, nach außen gezeigte Haltung dar, sondern einen Entschluß, der in allen unseren Maßnahmen seine konse­quente Erhärtung erfährt. Sie werden mir, Herr Minister­präsident, nicht einen FM nennen können, in dem auch nur durch eine Zeile oder eine Rede gegen diese endgültige Fixierung der deutschen Reichsgrenze nach dem Westen hin verstoßen worden wäre. Ich glaubte, durch diesen Verzicht und durch diese Haltung jedem denkbaren Konfliktstoff zwi­schen unseren Heiden Völkern ausgeschaltet zu haben, der zu einer Wiederholung der Tage von 191118 würde führen können. Diese freiwillige Begrenzung der deutschen Le­bensansprüche im Westen kann aber nicht anfgefaßt werden als eine auch auf allen anderen Gebieten geltende Akzep­tierung des Versailler Diktates. Ich habe nun wirklich Jahr für Jahr versucht, die Revision wenigstens der un­möglichsten und untragbarsten Bestimmungen dieses Dikta­tes auf dem Verhandlungswege zu erreichen. Es war dies unmöglich. Daß die Revision kommen mußte, war zahlrei­chen einsichtsvollen Männern aus allen Völkern bewußt und klar. Was immer man nun gegen meine Methode anführen kann, was immer man an ihr aussetzen zu müssen glaubt, so darf doch nicht übersehen oder bestritten werden, daß es mir möglich wurde, ohne neues Blutvergießen in vielen

Fällen nicht nur für Deutschland befriedigende Lösungen zu finden, sondern daß ich durch die Art des Verfahrens die Staatsmänner anderer Völker von der für Sie oft unmög­lichen Verpflichtung enthob, diese Revision vor ihren eigenen Völkern verantworten zu müssen; denn immerhin eines werden Eure Exzellenz mir zugeben müssen: Die Revision mußte kommen. Das Versailler Diktat war untragbar. Kein Franzose von Ehre, auch Sie nicht, Herr Daladier, hätte in einer ähnlichen Lage anders gehandelt als ich. Ich habe nun in diesem Sinne auch versucht, die allerunver- nünstigstc Maßnahme des Versailler Diktates aus der Welt zu schaffen.

Ich habe der polnischen Regierung ein Angebot gemacht, über das das deutsche Volk erschrocken ist. Kein anderer als ich konnte es überhaupt wagen, mit einem solchen Angebot vor die Oeffentlichkeit zu treten. Es konnte daher auch nur einmalig sein. Ich bin nun zutiefst überzeugt, daß, wenn besonders von England aus damals statt in der Presse gegen Deutschland eine wilde Kampagne losznlassen, Gerüchte von einer deutschen Mobilmachung zu lanzieren, Polen irgend­wie zngeredet worden wäre, vernünftig zu sein, Europa heute und auf 25 Jahre den Zustand des tiefsten Friedens genießen könnte. So aber wurde erst durch die Lüge von der deutschen Aggression die polnische öffentliche Meinung aufgeregt, der polnischen Regierung die eigenen notwen­digen klaren Entschlüsse erschwert und vor allem durch die dann folgende Abgabe des Garantieversprechens der Weg für die Grenze realer Möglichkeiten getrübt. Die polnische Regierung lehnte die Vorschläge ab. Die polnische öffent- lrche Meinung begann in der sicheren Ueberzeugung, daß ja nun England und Frankrich für Polen kämpfen wür­den, Forderungen zu erheben» die man vielleicht als lächer­liche Verrücktheit bezeichnen könnte, wenn sie nicht so un­endlich gefährlich wären. Damals setzte ein unerträglicher Terror, eine physische und wirtschaftliche Drangsalierung der immerhin über anderthalb Millionen zählenden Deut­schen in den vom Reich abgetretenen Gebieten ein. Ich will hier nicht über die vorgelommenen Scheußlichkeiten sprechen. Allein auch Danzig wurde mit fortgesetzten llehergriffen polnischer Behörden steigend zum Bewußtsein gebracht daß es scheinbar rettungslos der Willkür einer dem nationalen Charakter der Stadt und der Bevölkerung fremden Gewalt »usgeliefert ist.

Darf ich mir nun die Frage erlauben, Herr Daladier, wie würden Sie als Franzose handeln, wenn durch irgend einen unglücklichen Ausgang eines tapferen Kampfes eine Ihrer Provinzen durch einen von einer fremden Macht be­setzten Korridor abgetrennt wurde, eine große Stadt sagen wir Marseille verhindert würde, sich zu Frankreich zu bekennen, und die in diesem Gebiete lebenden Franzosen nun verfolgt, geschlagen, mißhandlt, ja bestialisch ermordet würden? Sie sind Franzose, Herr Daladier, und ich weiß daher, wie Sie handeln würden. Ich bin Deutscher, Herr Daladier, zweifeln Sie nicht an meinem Ehrgefühl und an meinem Pflichtbewußtsein, genau so zu handeln. Wenn Sie nun dieses Unglück hätten, das wir besitzen, würden Sie dann, Herr Daladier, verstehen, wenn Deutschland ohne jede Veranlassung dafür eintreten wollte, daß der Korridor durch Frankreich bleibt, daß die geraubten Gebiete nicht zu­rückkehren dürfen, daß die Rückkehr Marseilles nach «Frank­reich verboten wird? Ich kann mix jedenfalls nicht vor­stellen, Herr Daladier, daß Deutschland aus diesem Grunde gegen Sie schimpfen würde. Denn ich und wir alle habe» auf Elsaß-Lothringen verzichtet, um ein weiteres Blutver­gießen zu vermeiden. Umso weniger würden wir Blut ver- gießen, um ein Unrecht aufrecht zu erhalten, was für Sie ur tragbar sein müßte, wie es für uns bedeutungslos wäre. Alles, was Sie in Ihrem Brief, Herr Daladier, schreiben, empfinde ich genau so wie Sie. Vielleicht können gerade wir uns als alte Frontsoldaten auf manchen Gebieten am leich­testen verstehen, allein ich bitte Sie, verstehen Sie auch dies: Daß es für eine Nation von Ehre unmöglich ist, auch auf zwei Millionen Menschen zu verzichten und sie an ihren eigenen Grenzen mißhandelt zu sehen. Ich habe daher eine klare Forderung auf ge stellt: DanzigundderKorridormiisfenanDeutsch- land zurück. Die mazedonischen Zustände an unserer Ostgrenze müssen beseitigt werden. Ich sehe keinen Weg, Polen, das sich ja nun im Schutze seiner Garantien unangreifbar fühlt, hier zu einer friedlichen Lösung bewegen zu können.