Nr. 141.

Amt-- und Anzeigeblatt für dm Oberamtsdezirk Calw.

90. Jahrgang.

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Montag, de» 2 t. Juni ISIS.

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M Lemberg im Norden and Westen

Hinter den Kulissen

Allgemeiner Mzng der Wen.

Lemberg steht vor der Wiedereinnahme, die Russen befinden sich in ganz Galizien auf dem Rück­zug. In Nordwestrutzland gewinnen unsere Truppen unter dem persönlichen Kommando Hindenburgs langsam aber stetig Raum und in Polen halten die verbündeten Streitkräfte den ehernen Gürtel um Warschau fest und die Russen haben auch noch nicht versucht, hier irgendwo sich Luft zu. schaffen. Es geht zu Ende mit der russischen Widerstandskraft, das sa­gen uns nicht nur unsere eigenen Berichte und die­jenigen neutraler Beobachter, das sagen uns auch die russischen amtlichen und halbamtlichen Mel­dungen. die, je mehr sie den wahren Tatbestand ver­schleiern wollen, umso offenkundiger die Schwäche des russischen Heeres enthüllen. Seit beinahe 2 Monaten bemüht sich der offiziöse russische Presseapparat, die großartigen Erfolge der Verbündeten umzudeuten, jeder Rückzug wird mit neuenstrategischen" Maß­nahmen begründet,' und wenn das ganze russische Heer demnächst überhaupt nur noch auf russischem Boden stehen wird, wird man der Welt verkünden, daß dieseMaßnahmen" ebenfalls aus strategischen Rücksichten erfolgt sind. Natürlich! Aber es liegt nicht im deutschen Charakter, den geschlagenen Feind zu verspotten. Die Russen waren ein tapferer und zäher Feind, der nicht sogleich zu entmutigen war, und wir können es verstehen, wenn die russische Presse darüber erbittert ist, daß man im Lager der Westmächte so geringschätzig über die russische Hilfe urteilt, denn in Wirklichkeit haben eben doch sie den stärksten An­sturm der Zentralmächte auszuhalten gehabt, und sie haben kein Mittel unversucht gelassen, die zeit­weise sehr schlechte militärische Lage im Westen durch groß angelegte Vorstöße im Osten zu retten. Daß die Russen zuletzt sich ein reales Ziel für ihre Zwecke gesteckt hatten, nämlich die Besetzung von Galizien, das für sie die Bedeutung einer Vorhutstellung gegen den Balkan gehabt hat, und daß sie sich um der schö­nen Augen der Verbündeten willen nicht immer wieder gegen die deutsche Grenze geworfen haben, das hätte man in Paris und London doch füglich ver­stehen sollen. Andererseits wird man auch zugeben müssen, daß sich die Franzosen und Engländer die redlichste Mühe gegeben haben, dasSiegesziel" zu erreichen, und gerade die letzten Wochen zeigen uns, welche riesigen Anstrengungen Franzosen und Eng­länder machen, in dem Bestreben, doch noch die rus­sische Katastrophe durch einen Erfolg im Westen zu paralysieren. Es dürfte ihnen wohl kaum gelingen. Und die Italiener haben so sehr mit demungün­stigen" Wetter und den österreichischen Befestigungen zu schaffen, daß sie selbst nach der Anschauung ihrer nunmehrigen Verbündeten nicht als entscheidender Faktor in diesem Ringen um den endgültigen Erfolg in Betracht kommen.

Diesen für die Alliierten nicht gerade rosigen Aussichten sind zweifellos die interessanten Erörte­rungen zuzuschveiben, die seit einiger Zeit sowohl in London als auch in Paris und Petersburg stattfin­den. Für den Außenstehenden ist es natürlich schwer, sich ein Urteil darüber zu bilden, inwieweit die in den dortigen ausschlaggebenden Kreisen zweifellos zu Tage getretenen Meinungsverschiedenheiten etwa nur der Ausdruck einer durch die andauernden mili­tärischen Mißerfolge entstandenen, gedrückten Stim­mung ist, die sich in Anklagen gegen die Regierungs­kreise äußert, oder ob die bekannt gewordenen De­batten etwa schon der Auftakt sein sollen zu der auf­

dämmernden Erkenntnis, daß die so wundervoll aus­geheckten Anschläge des Dreiverbands, die deutsche Weltkonkurrenz durch Gewalt zu vernichten, keine Aussicht auf Erfolg mehr versprechen. In dem Grade, in dem die militärischen Operationen im Osten ein Eingreifen der tüchtigsten Balkanstaaten zu Gunsten des Vierverbands immer weniger wahrscheinlich machten, da man also anfangen mußte, mit den be­stehenden Tatsachen zu rechnen, daß jetzt keinerlei Restposten mehr in die Wagschale der militärischen Entscheidung zu werfen war, da wendete mau sich in den Zentren des Dreiverbands mit ebenso gro­ßer Heftigkeit wie vorher auswärtigen Dingen den eigenen Angelegenheiten zu, und eigentümlicherweise hat man recht viel zu besprechen und zu tadeln ge­habt. Wir lassen uns nicht einreden, daß diese Aus­einandersetzungen etwa nurinternen" Eharakter getragen hätten, fraglos sind sie zum großen Teil als Rückwirkung der äußeren Lage aufzufassen.

In England, wo sich die öffentliche Meinung von der Militärdiktatur nicht völlig unterkriegen läßt, haben sich schon seit längerer Zeit Anzeichen bemerk­bar gemacht, die auf Unzufriedenheit innerhalb der Kreise schließen lassen, auf die die Regierung Rück­sicht zu nehmen hat. Die Debatten über die Muni- tions- und Rekrutierungsfragen waren letzten Endes doch weiter nichts als eine vereckte Anklage, Laß das Ministerium den Krieg mit Deutschland zu leicht genommen habe, und so bedeutet die Umbildung des liberalen Ministeriums Asquith in ein Koalitions­ministerium, in dem die Konservativen sehr stark ver­treten sind, und das selbst die größten inneren Feinde aufnehmen mußte, das Eingeständnis eines völligen Fiaskos des Kriegskabinetts vor der öffentlichen Meinung. Grey, der Kriegsanstifter, mutzte gehen, und es ist bezeichnend, daß ein englischer Gelehrter der Professor der Theologie an der Universität Ox­ford, Conybeare, es wagen durfte, diesen Minister in einem offenen Brief an einen amerikanischen Freund alsunheilvollen Lügner" hinzustellen, der hinter dem Rücken des englischen Volkes dessen Flotte, die einzige starke Waffe Englands, bedingungslos an Frankreich verpfändet habe. Conybeare spricht sich weiter sehr offenherzig dahin aus, daß die Bereit­willigkeit Deutschlands zur Erhaltung des Friedens durch Greys Jntriguen dem englischen Kabinett unterschlagen wurde, denn Grey habe geymßt, wenn es Lichnowskys Vorschläge an das Kabinett berichtet hätte, dieses sie sofort angenommen hätte. Dann aber hätte er seine geheimen Verpflichtungen Frankreich und Rußland gegenüber nicht einhalten können. Weiter wird in dem Brief auch zugestanden, daß Ruß­land Serbien nur als Hebel benützt habe zur Ab­bröckelung Oesterreich-Ungarns. Der christliche Herr schließt mit der sehr energischen Aufforderung,, daß Grey und Asquith für die Hinterlist, mit der sie das englische Volk in den Krieg getrieben haben, am Galgen baumeln müssen. Diese Kundgebung, die wir ja als tertius gaudens mit Befriedigung ad no- tam nehmen können, ist sicherlich auch ein bemerkens­wertes Zeichen der Stimmung des englischen Vol­kes. aber solche akademischen Auslassungen dürfen uns nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, daß eben diejenigen Kreise, die für die Richtung der auswär­tigen Politik in England maßgebend sind und weiter maßgebend sein werden, mit dem Vernichtungskrieg gegen Deutschland in ihrem innersten Herzen einver­standen waren, nur hätte die Sache eben nicht soviel kosten dürfen, und dann England hätte eben der obsiegende Teil sein sollen. Dann häite sich dieEnt­

rüstung" gegen die Regierung recht schnell gelegt, wäre womöglich nicht einmal zu Tage getreten. Typische Beispiele für die englische Bolksmoral bie­ten ja die sämtlichen Eroberungskriege, und nicht zuletzt der sehr moralische Feldzug gegen die Buren.

Nicht anders steht es auch bezüglich der Stim­mung in den andern feindlichen Lagern. Man Hai in Paris und Petersburg den Verlauf der militäri­schen Operationen nicht mehr länger verschweigen können, und das Ergebnis des dadurch hervorgerufe- nen Eindrucks ist der düstere Schlagschatten, den die inneren Auseinandersetzungen nun werfen. Rußland steht vor dem Zurllckfluten seiner Armeen ins In­nere, es hat ungeheure Verluste zu verzeichnen, de­nen keinerlei Aequivalent weder an militärischem noch an moralischem Wertzuwachs entgegensteht, und nun machen sich jene Elemente bemerkbar, die aus der äußeren Ohnmacht des Zarismus Kapital zu schlagen versuchen. Auch hier ist der Erfolg eine Ministerkrise; der Minister des Innern ist gegangen, Ssassanow soll folgen. Auch in Frankreich kriselt es nun. Was wir über die Drückebergerinterpellation gehört haben, wonach der Negierung eine starke Günstlingswirtschaft vorgeworfen wird, und die in der Aufforderung gipfelte, die Regierung solle demis­sionieren, ist sicherlich nur der geringste Teil dessen, was in der französischen Kammer debattiert wurde. Die französische Regierung hat sich durch ihre seit Jahren betriebene Kriegspolitik völlig den reaktio­nären Parteien ausgeliefert, jetzt, da Gefahr im Verzüge ist, sind die Radikalen und Sozialisten auf einmal auf dem Plan, um die Volksmeinunq für sich zu gewinnen, und um der Rechten und den Kle­rikalen den Wind aus den Segeln zu nehmen, der dahin treibt, so oder so die Republik abzulösen.

Alle diese für uns ganz erquicklichen Ausein­andersetzungen in den feindlichen Lagern müssen aber unbedingt auf ihre wahre Bedeutung zurückgefllhrt werden. Gewiß, sie dürfen als Vorspiel für das kom­mende Drama angesehen werden, aber wir dürfen uns keinem Zweifel hingeben, daß die Entwicklung dieser Anfänge nur in dem Grade fortschreiten wird, als die Waffenerfolge unserer Heere sie begünstigen. Deshalb heißt es für uns heute mehr denn je:

Durchhalten'. 0. 8.

Die Lage auf den Kriegsschauplätzen.

Die deutschen amtlichen Meldungen.

(WTB.) Großes Hauptquartier, 19. Juni. (Amtlich.) Westlicher Kriegsschauplatz. Die Fortsetzung der Angriffe auf unserer Front nörd­lich von Arras brachte dem Feind weitere Mißer­folge. Nördlich des Kanals von La Basste wurde ein englischer Borstoß mühelos abgewiesen. Mehrere französische Angriffe an der Lorettohöhe beiderseits Neuville und nordöstlich von Arras brachen zusam­men. Wir säuberten einige früher verlorenen Gra­benstücke vom Feind. In den Argonnen wurden ört­liche Vorstöße des Gegners im Bajonettlamps abge­wiesen. Die Kämpfe bei Vauquois haben zu keinem Ergebnis geführt. Nordöstlich von Luneville wurde der von den Franzosen befestigte und besetzte Ort Embremenil überfallen und genommen. Nach Zer­störung der französischen Verteidigungsanlagen gingen unsere Truppen unter Mitnahnre von etwa 5V gefangenen französischen Jägern in ihre alten Stellungen zurück. In den Vogesen wird noch an einzelnen Stellen des Fechttals gekämpft. Am Hil, senfirst nahmen wir über 200 Franzosen gefangen.