Evakuierung Lembergs. Der Inhalt des Museums ist von den Russen gestohlen, in 41 Kisten verpackt und von Lemberg nach Kiew gebracht worden. Russische Zeitungen vom 2. Juni geben bekannt, daß das vom kaiserlich russischen Theater für den Anfang Juni geplante Gastspiel in Przemysl nicht stattfinden wird. (Zehr erklärlich.)
Gegen die allgemeine Wehrpflicht in England.
(WTB.) London, 8. Juni. Die Unabhängige Arbeiterpartei veröfentlicht ein Manifest an die organisierten Arbeiter Großbritanniens gegen die Gefahr der allgemeinen Wehrpflicht, in dem es heißt: Die skrupellose Erhöhung der Lebensmittelpreise, die unmäßigen Gewinne der Finanzleute und der Lieferanten, die Brandmarkung der Arbeiter als egoistische und unpatriotische Trunkenbolde, sowie die Forderung, daß die Beschränkung der Gewerkschaften und die Fabrikgesetze beiseite gesetzt werden sollen, lassen die Stimmung und Absicht erkennen, die hinter dem Versuche steht, die Arbeiterklassen unter staatlichem Zwang zu militarisieren. Es ist bedauerlicherweise wahr, daß seit dem Kriegsausbruch das Prinzip der Anwerbung von Freiwilligen durch den kapitalistischen Druck ernstlich gefährdet wurde. Die Arbeiter wurden entlassen oder eingeschüchtert, um sie zum Eintritt in die Armee zu zwingen. Anwerben oder verhungern ist nur eine Variante der Klassenunterdrückung. Das Manifest fordert alle Arbeiterorganisationen auf, Resolutionen gegen die Wehrpflicht anzunehmen und Abschriften davon dem Premierminister, dem Kriegssekretär, dem Minister Menderson und den Parlamentsmitgliedern zuzusenden.
Hinter der französischen Front.
(WTB.) Paris, 8. Juni. Im „Echo de Paris" erklärt General Cherfiels, daß der Alkoholgenuß hinter der Front erschreckenden Umfang angenommen habe. In den Garnisonstädten verzeichnen die Kaffees und Schankwirtschaften ungeahnte Einnahmen. Ausschweifung und Unsittlichkeit halten mit Trunksucht gleichen Schritt. An der Front selbst ist diesem Mißstande zwar Einhalt geboten, aber die Regierung und besonders der Kriegsminister müßten die allerschärfsten Maßnahmen ergreifen, um hinter der Front diesem Uebelstand, der die besten Kräfte der Nation aufzehre, schleunigst abzuhelfen.
Luxemburgische Freiwillige in Frankreich
EKG. Luxemburg, 8. Juni. Der „Luxemburger Zeitung" zufolge sind als Freiwillige in die französische Armee 8878 Luxemburger eingetreten. Ihre Ausbildung erhielten sie in Bayonne. Sie wurden bei ihrer Fahrt zur Front überall in Frankreich stürmisch begrüßt.
Italienische Kriegshysterie.
Lugano, 8. Juni. Der „Messagero" meldet, wie wir dem B „T." entnehmen: Gestern fand in Rom eine ungeheure Kriegskundgebung statt. Eine auf 200 000 Personen geschätzte Menge mit zahllosen Fahnen und Musikkorps wälzte sich durch den Korso zum Quirinal. Als der Zug vor der früheren österreichischen Botschaft vorbeikam, von dessen Balkon eine italienische Fahne wehte, erschollen endlose Pfiffe und Pereatrufe. Dagegen wurden dem „Eiornale d'Jtalia" große Huldigungen dargebracht, worauf ein Redakteur eine schwarzgelbe Fahne aus dem Fenster streckte und anzündete. Dies erweckte grenzenlosen Jubel, dann warf der Redakteur eine österreichische Soldatenkappe auf die Straße, welche die Menge unter johlendem Geschrei mit den Füßen zertrampelte. Auch viele französische, englische, russische und serbische Fahnen sah man im Zuge zum Quirinal. Der Platz wimmelte bereits von einer unübersehbaren Menschenmenge. Die Königin und die Königinmutter, sowie die Prinzen mußten immer wieder auf dem Balkon erschienen, um für die begeisterten Huldigungen des Volkes zu danken. Schließlich ließ die Königin Elena zwei Vertreter des Heeres und der Flotte, einen Artilleristen und einen Matrosen, neben sich treten, ergriff eine italienische Tricolore, schwenkte sie und küßte sie dann mit Inbrunst. Das entfesselte bei der Masse ein solches Delirium, daß die königliche Familie gar nicht mehr den Balkon verlassen durfte. Die Menge, unter der zahllose Priester in grün-weiß-roter Kokarde sich befanden, veranstalteten noch Kundgebungen vor den Botschaften Englands. Rußlands, der serbischen Gesandtschaft und dem Hause Salandras. Am Abend war ganz Rom glänzend beleuchtet.
Vermischte Nachrichten.
Die Bolksernährung gesichert.
(WTB.) Berlin, 8. Juni. Die verstärkte Budgetkommission des Abgeordnetenhauses trat heute in
die Beratung des Antrages Brütt betr. die Volksernährung und die neuen Verordnungen des Bundesrats und der Landeszentralbehörden auf diesem Gebiete ein. Der Vizepräsident des Staatsministeriums erklärte, daß die Ernährungsfrage als gelöst anzusehen sei, daß wir sogar noch mit erheblichen Reserven in das kommende Erntejahr hinübergehen könnten. Die letzten Erhebungen über unsere Mehlvorräte ergaben, daß ein Ueberschuß von 6 965 929 Doppelzentnern vorhanden ist; ein gleich günstiges Bild ergab die Kartoffelstatistik vom 15. Mai 1915. Nach der Statistik vom 15. Mai habe sich herausgestellt, daß die auf den Kopf der Bevölkerung entfallende Menge den normalen Friedensverbrauch erreichen würde. Den künftigen Wirtschaftsplan müsse man auf den geschaffenen und bestehenden Einrichtungen aufbauen und so gestalten, als ständen wir vor einem weiteren vollen Kriegsjahr. Festzuhalten sei grundsätzlich an dem Prinzip der Höchstpreise und an der Beschlagnahme, insbesondere bei Brotgetreide und Hafer. Für Gerste sei zu erwägen, ob ein Handelsmonopol für eine der bestehenden Kriegsgesellschaf- ten zu schaffen sei. Für Kartoffeln seien vorläufig besondere Maßregeln nicht ins Auge zu fassen; man müsse die Entwicklung abwarten. Eine Beschlagnahme komme nicht in Frage. Hinsichtlich von Zucker, Düngemittel und Branntwein könne man im wesentlichen an der bisherigen Regelung festholten. Was die Frage der Futtermittel anlange, so sei auf Grund der bisher gepflogenen Erwägungen zu erwarten, daß auch diese Frage eine befriedigende Lösung finden werde.
Eine neue Telegraphenlinie nach der Türkei.
Berlin, 8. Jnni. Aus Zürich meldet die „Vossi- sche Zeitung": Ein Privattelegramm des „St. Galler Tagblatts" meldet aus Sofia, daß die neue Telegraphenlinie Konstantinopel—Wien—Berlin durch bulgarisches Gebiet hergestellt worden ist.
Ein Prophet italienischer Treulosigkeit.
Das „Berl. Tagebl." erinnert daran, daß während des Tripolisfeldzugs am 14. Oktober 1911 in seinen Spalten ein Artikel erschien, in dem ausgeführt war: „Was nützt uns überhaupt Italien? Uns sind keine Fälle bekannt, wo wir auch nur des diplomatischen Beistandes dieser Macht uns erfreut hätten. Wir haben es vielmehr öfter direkt in den Reihen unserer Widersacher sehen müssen. Wir wissen genau, daß es uns nie in den Stunden der Gefahr militärisch helfen würde, im Gegenteil müssen wir argwöhnen, daß dieses Land jederzeit bereit ist, unserem österreich. Alliierten in den Rücken zu fallen. Und da lassen wir ein Scheinbiindnis bestehen, das nur den Italienern Vorteile bringt, uns aber lediglich Pflichten auferlegt. Wir würden ohne die nur uns beschwerende Fessel des Bündnisses oft in der Lage sein, Italien Gefälligkeiten erweisen und versagen zu können. Unsere Wertschätzung in Italien würde steigen und damit Deutschland schließlich in ein besseres Verhältnis als jetzt zu dem schönen Lande kommen. Denn auch pfit diesem wollen wir in Frieden und Freundschaft leben, unsere Handelsbeziehungen mit ihm mehren und Kulturwerte miteinander tauschen. Aber politisch uns ins Schlepptau von Italien nehmen zu lassen und unsere Aktion uns von einem lediglich papierenen oder Gut-Wetter-Alliierten vorschreiben zu lassen, dafür danken wir verbindlichst. Daher fort mit dem längst überlebten Dreibund, in der bosnischen Krise haben Deutschland und Oesterreich gezeigt, daß sie allein jeder beliebigen europäischen Konstellation die Spitze bieten können. Notabene, auch damals befand sich Italien in den Reihen der Gegner. Wenn vielleicht auch das Wiener Kabinett Spezialarvangements mit Italien für nützlich erachten sollte, Arrangements, die nur von zweifelhaftem Wert sein könnten, so ist jedenfalls Deutschland ohne den italienischen Scheinverbündeten stärker wie mit ihm. Für die Zukunft und im Hinblick auf ferne Eventualitäten ist zweifelsohne die politische Freundschaft der Türken uns wichtiger, wie die ihrer jetzigen Widersacher. Das deutsche Volk in seinem Gefühl für Recht und Anstand hat seine Wahl getroffen, hoffen wir. daß auch unsere Regierung einsieht, wie unser eigener Vorteil im italienisch-türkischen Konflikt Hand in Hand mit den Sympathien der Nation geht." Wegen dieses Artikels mußte damals der römische Korrespondent des Blattes, Dr. Hans Barth, vorübergehend Rom verlassen. Jetzt nennt das „Berl. Tagebl." den wirklichen Verfasser. Es war Graf Monts, der vormalige deutsche Botschafter in Rom.
Der jüngste Tiroler Standschütze,
der bereits im Felde steht, ist nach dev „Meraner Zeitung" der 15jährige Meraner Realschüler und Sohn des jetzigen Sandwirts von Passeier, des Nachfol
gers im ehemaligen Besitztum Andreas Hofers. In einem Brief an einen Schulkameraden schreibt der junge Tiroler Vaterlandsverteidiger: „In einigen Stunden geht es gegen dieses welsche Gesindel an die Front. Wir werden uns wehren bis auf den letzten Mann. Solange noch ein einziger von uns lebt, werdet Ihr in Meran niemanden von dieser hinterlistigen Gesellschaft sehen. Wir Haben eine Begeisterung, wie sie vor hundert Jahren unsere Ahnen unter Andreas Hofer gehabt haben. Die Signori werden mit uns schlimme Erfahrungen machen."
Die ungarische 2. Kriegsanleihe.
Budapest, 8. Juni. Das Ergebnis der gestern abgeschlossenen Subskription der zweiten Kriegsau« leihe wird nach vorläufiger Schätzung auf über eine Milliarde veranschlagt. Die genaue Endziffer wird nach Revision der einzelnen Listen demnächst bekannt- gegeben werden.
Das deutsche Borbild für die Feinde.
(WTB.) Paris, 8. Juni. Der „Temps" schreibt: Der zur Ausdehnung der französisch-russischen Handelsbeziehungen eingesetzte Ausschuß erörterte in seiner letzten Sitzung die Frage der Errichtung einer Zentralbank für die Ausfuhr und die Frage der Einführung langfristiger Kredite in den französischen Handelskreisen nach dem Muster der deutschen Handelsgebräuche. Der Ausschuß verhandelte in dieser Angelegenheit mit den Vertretern der französischen Großbanken, die mit den Direktionen der Banken Rücksprache nehmen und das Ergebnis der Unterhandlungen dem Ausschuß Mitteilen werden. Der Ausschuß betonte nochmals die Notwendigkeit, die deutschen Handelsgebräuche und Kreditverhältnisse zum Muster zu nehmen.
Aus Stadl und Land.
Lal», den 9. Juni 1915.
Das Eiserne Kreuz.
Das Eiserne Kreuz 2. Klaffe erhielten: Sergeant venzinger. Besitzer des Monopolhotels in Bad Liebenzell; Wilhelm Haller, Mechaniker, geborener Calwer, beim Jnf.-Regt. 126. Letzterer erhielt noch die württbg. Verdienstmedaille und wurde zum Gefreiten befördert.
Kriegsauszeichnung.
Die silberne Verdienstmedaille hat erhalten Gottlob Rentschler, Gefreiter im Reserve-Feld- Artillerie-Regiment Nr. 54, Sohn des Schuhmachermeisters in Neubulach; Fahrer Christian Burkhardt, Sohn des Iohs. Michael Burkhardt von Würzbach; Pionier Wilhelm Dongus, Sohn des Eemeinde- pflegers von Deckenpfronn.
Aus den Kirchenbüchern.
Vom 26. April bis 2S. Mai.
1. Getauft wurden: 26. April (geb. 17. April) Ernst Friedrich Albert, Kind des Gottlieb Keck, Fuhrhalters hier, im Feld. 29. April (geb. 26. März) Gertrud Marie, Kind des Joseph Stoßbcrger, Sattlers hier, im Feld. 9. Mai (geb. 19. April) Wilhelm Karl, Kind des Christian Hägele, Handelsgärtners hier. 9. Mai (geb. 24. April) Christian Hermann, Kind des Wilhelm Klein, Gipsers hier, im Feld. 13. Mai (geb. 13. April) Wilhelm, Kind des Friedrich Schatz, Schaffners hier. 16. Mai (geb. 23. April) Margarete Friedrike, Kind des Heinrich Geh ring, Kochs hier, im Feld. 16. Mai (geb. 19. April) Gerhard Karl, Kind des Karl Steudle, Kaufmanns hier, im Feld. 23. Mai (geb. 4. Mai) Friedrich Karl, Kind des Franz Schwendenmann, Reguleurs hier. 23. Mai (geb. 24. April) Otto Richard, Kind des Albert Wochele, Lederhändlers hier, eingerückt. Zus. 9.
2. Getraut wurden: 28. April Hermann Fuchs, Kaufmann in Düren, Pionier, Sohn des Photographen Karl Fuchs hier und Elisabeth Hoffmann, Tochter des Geheimen Oberbaurat Hermann Hoffmann in Oldenburg. 9. Mai Hermann Le chler Friseurgehilfe in Stuttgart und Anna Aichele, Tochter des, t Markus Aichele, Schuhmachers hier. Zus. 2. — Am 6. April wurden in Ludwigsburg getraut Hans Jrion, Apotheker dort, Sohn des t Oberamtsarzts Dr. Wilhelm Jrion in Nagold und Hildegard Ru pp, Tochter des Gymnasialprofessors Wilhelm Rupp in Ludwigsburg.
3. Kirchlich beerdigt wurden: 28. April Julius Alfred Vogel, Kaufmann hier, 71?/« I. 11. Mai Emil Dierks, Kaufmann in Hamburg, Landwehrmann, bei Combres verwundet, 31 I. 13. Mai Wilhelmine Schuster, Witwe des Joh. Gottlieb Schuster, Schuhmachers hier, 84-j« I. Zus. 3. — Still beerdigt wurde am 22. Mai Ernst Friedrich Albert, Kind des Fuhrhalters Keck hier, 1 Monat.
Abgekürztes Strafverfahren.
Der Bundesrat hat in seiner letzten Sitzung einen Entwurf, betr. Zulassung von Strafbefehlen für Zuwiderhandlungen gegen wirtschaftliche Maßnahmen des Bundesrats angenommen. Wie wir erfahren, handelt es sich dabei um eine Vereinfachung des Verfahrens für derartige Uebertretungen, die in letzter Zeit sich gemehrt und die Gerichte häufig in Anspruch genommen haben. In Zukunft soll der Amtsrichter ohne weiteres ermächtigt sein, auf Grund eines Strafantrags des Staatsanwalts Strafbefehle auf Zahlung von Geldstrafen für solche Zuwiderhandlungen (gegen Höchstpreise usw.) zu er-