britischem Boden. War ihre Lage nicht im wesentlichen dieselbe wie beim Aufenthalt innerhalb der Mauern einer befestigten Stadt? Wenn amerikanische Bürger innerhalb einer belagerten Stadt verbleiben und der Feind greift an, was sollte dann unsere Reigerung tun, wenn unseren Staatsangehörigen ein Leid geschieht?" — Uebrigens ist noch sine'Anzahl anderer jetziger oder früherer Mitglieder des Kongresses von den Zeitungen um ihre Meinung befragt worden. Eine Auslese solcher Stimmen veröffentlicht die „Newyork Times". Diesem heftig, teilweise maßlos deutschfeindlichen Blatte wird es schwerlich gefallen, daß die Mehrzahl der befragten Parlamentarier sich mit bemerkenswerter Ruhe zur „Lusitania"-Frage äußert, sofern sie sich nicht jedes Urteils enthalten. Nur eine Minderheit der Befragten schlägt einen scharfen Ton an. ein einziger versteigt sich bis zur Forderung der Mobilmachung. Dagegen erklärt kurz und bündig Senator Borgh aus Idaho: „Zn Mexiko ist unseren Mitbürgern Schlimmeres geschehen!"
(WTB.) Newyork, 1. Juni. Die „Newyork Preß" und andere amerikanische Zeitungen von Bedeutung bemerken zu der Lusitanianote des Präsidenten Wilson: Die Befolgung der Note würde Deutschland des Hauptwerkes seiner gegenwärtigen Flottenmacht berauben. Die deutsche Flotte ist eingeschlossen und nutzlos. Die Angriffe mit Unterseebooten sind die einzige Form, mit der die deutsche Marine Erfolge erzielt hat. Der Anspruch Amerikas, daß die Unterseeboote aufhören sollten, für die Art des Dienstes gebraucht zu werden, den sie allein ausführen können, beraubt Deutschland, wenn es solche Bedingungen annehmen sollte, der letzten Spur von Macht und Ansehen zur See. Er bedeutet das Anfinnen an Deutschland, den Seekrieg überhaupt einzustellen. Deshalb wird Deutschland niemals unfern Wünschen in der Unterseebootsfrage entgegenkom- men. noch würden wir in gleicher Lage einem solchen Ansinnen entsprechen.
Ein weiteres Beweismittel zum „Lusitania"-Fall.
(WTB.) Köln. 2. Juni. Wie der „Köln. Ztq." aus Stockholm gemeldet wird, teilte ein aus Amerika kommender Schwede im Zusammenhang mit der „Lusitania"-Katastvophe dem „Svenska Dagbladet" mit: Sämtliche Fahrgäste der „Lufitania" wurden rechtzeitig benachrichtigt, daß der Dampfer nicht nur Munition, sondern auch Kriegsvolk mitführe. Als den Beamten des Schiffes mitgeteilt wurde, daß alle Fahrgäste wieder nn Land gehen wollten, ließ der Kapitän bekannt machen, daß er den Preis für die Ueberfahrt um 10 Dollar für die Person herabsetze. Diesem lockenden Angebot folgten fast alle Fahrgäste.
Amerikanische Intervention in Mexiko.
(WTB.) Paris, 1. Juni. „Petit Parisien" meldet aus Newyork: Nach gewissen Nachrichten ist Mexiko gewillt, eine amerikanische Intervention anzunehmen. die den Unruhen im Znnern ein Ende bereiten soll.
(WTB.) Washington, 1. Juni. Reuter meldet: In einem Aufruf des Roten Kreuzes für Mexiko wird erklärt, die Republik sei vom Hunger heimgesucht. Die Bevölkerung der Stadt Mexiko schwebe in Gefahr zu verhungern. In Aoapulco sei ein Hungeraufstand ausgebrochen und Weiber und Kinder seien im Gedränge bei der Verteilung von Lebensmitteln tot getreten worden. Man glaubt, daß Wilson im Begriff steht, an die mexikanischen Parteiführer eine Note zu richten, die faktisch einem Ultimatum gleichkommt.
Die Balkanstaalen.
Haag, 1 . Juni. Die „Times" melden aus Bukarest, wie der „Lokalanzeiger" berichtet, daß der bulgarische Ministerpräsident R'adoslawow nach einer längeren Konferenz mit dem rumänischen Ministerpräsident nach Sofia zurückkehrte. Die Verbesserung der rumänisch-bulgarischen Beziehungen dürfte das Zustandekommen einer Entente zur Folge haben, die vermutlich durch Gebietsabtretungen seitens Rumäniens besiegelt werden wird. Das Zusammengehen Rumäniens und Bulgariens dürfte den Kern eines neuen Balkanbundes bilden. Beide Länder würden demnach eine bedeutende Rolle bei den bevorstehenden Ereignissen im südöstlichen Europa spielen.
Stockholm. 1 . Juni. Die Petersburger „Rjetsch" schreibt nach dem „Lokalanzeiger" über die Lage auf dem Balkan: Rumänien steht zu sehr unter dem Eindruck der galizischen Ereignisse, daß es Italiens Auftreten nicht genug würdigt. Es benutzt den Augenblick, um den Preis hoch zu schrauben und verlangt Siebenbürgen auch däs Banat, wo Serben, Bukowina, wo Riuthenen wohnen. Bratianu will dadurch das rumänische Eingreifen unmöglich machen und die Neutralität wahren. Die Regie
rung verbreitet Mitteilungen mit den österreichischen Siegesmeldungen. Die russische Diplomatie will infolgedessen Bulgarien gegen Rumänien ausspielen.
Italienische Truppen über der Schweizer-Grenze.
Innsbruck, 1. Juni. Eine Abteilung »lpini überschritt, wie der „Deutschen Tageszeitung" be. richtet wird, die Schweizer Grenze. Sie mußten sich ergeben und wurden von den Schweizern entwaffnet.
Vermischte Nachrichten.
Die Kriegsbegeisterung in Tirol.
(WTB.) Wien, 1. Juni. Die Blätter melden aus Innsbruck, daß in ganz Tirol und Vorarlberg die Ernennung des Generalobersten Erzherzogs Eugen zum Oberkomandierenden der österreichisch- ungarischen Streitkräfte gegen Italien, sowie die Betrauung des früheren Innsbrucker Korpskommandanten Dank! mit dem Kommando in Tirol ungeheure Begeisterung hervorgerufen habe. In Tirol und Vorarlberg haben sich seit dem Pfingstsonntag über 12 OVO Kriegsfreiwillige gemeldet, wovon etwa 1500 im Alter von 65 bis 7V Jahren stehen.
Ehrung der „Emden"-Mannschaft in Konstantinopel.
j (WTB.) Konstantinopel, 1. Juni. Das gestrige ! Gartenfest der Stadtverwaltung zu Ehren der Besatzung der „Emden" im Stadtpark an der Spitze des , Serails, dessen Alleen reich mit deutschen, österreichischen, ungarischen und türkischen Fahnen geschmückt ! waren, verlief glänzend. Anwesend waren der > Kriegsminister, der Minister des Innern, der Justiz- - minister, der 1. Flügeladjuta-nt des Sultans in Ver- ' tretung des Herrschers, der deutsche und der österreichisch-ungarische Botschafter mit den Herren der beiden Botschaften, Senatoren, Deputierte, Würdenträger und türkische und deutsche Offiziere, darunter General von Bronsart, Admiral Souchon, sowie auch zahlreiche Herren und Damen beider Kolonien. Bei seiner Ankunft wurden Kapitänleutnant v. Mücke, der vom Stadtpräfekten begleitet war, sowie die Offiziere und Mannschaften der „Emden" stürmisch begrüßt.
Felddienst-Uebungen für Rekonvaleszenten.
In den Lazaretten, namentlich in solchen für innerlich Kranke, ist beobachtet worden, daß es trotz normalen Heilungsverlaufes nicht immer gelingt, die Felddienstfähigkeit zu erreichen, und daß also Entlastungen der Verletzten als „garnisondienstfähig" oder aber Erholungsurlaube notwendig werden. Die Ursache liegt zum Teil auf psychologischem Gebiet. In dem Bestreben nach Abhilfe hat nun Prof. Dr. v. Tabora in dem von ihm geleiteten Lazarett eine militärisch geleitete und ärztlich überwachte Uebungsabteilung eingerichet, die sich, wie er in der „Münchner Medizinischen Wochenschrift" berichtet, vorzüglich bewährt hat. Diese Abteilung gliedert sich in vier Unterabteilungen. Die erste macht lediglich Freiübungen, die zweite übt Formationen des Exerzier-Reglements für Infanteristen, bei der dritten kommen noch Bewegungsspiele hinzu. Der vierte Zug macht überdies Uebungsmärsche, verbunden mit einfachen Uebungen im Felddienst. Der Zeitpunkt des Eintritts in die Uebungsabteilung sowie das Aufrücken in die nächsthöhere Gruppe wird durch den Arzt bestimmt. Die einzelnen Züge werden von Unteroffizieren oder älteren Mannschaften der gleichen Rekonvaleszenten- Kategorie geführt, die alle Uebungen mitmachen. Dadurch wird die Gewähr dafür geboten, daß eine Ueber- anstrengung der Leute nicht eintritt. Jeder Mann, der bei den Uebungen irgendwelche Beschwerden äußert, wird unverzüglich untersucht und je nach dem Befunde entweder zeitlich befreit oder in die ickichstniedrige Gruppe zurückversetzt. Ueberdies findet sofort nach dem Exerzieren eine Temperaturmestung statt. Durch die Einrichtung solcher Uebungen wurde erreicht, daß in den letzten drei Monaten kein einziger Mann als „garnisondienstfähig" entlasten werden mußte. Unter den in den letzten Monaten Entlassenen ist nicht einer gewesen, der sich nicht aus eigenem Antrieb wieder ins Feld gemeldet hätte. Der Erfolg war derartig, daß Prof. Tabora meint, die Methode würde auch in Friedenszeiten für manchen Patienten sehr anwendbar sein. Die frischen Gesichter, denen man die Freude an der körperlichen Betätigung ansah, der gesteigerte Appetit, das wiedergewonnene Selbstvertrauen unterschieden diese Rekonvaleszenten auffällig von jenen der ersten Kriegswochen.
Caruso über Deutschland.
Die „Tägliche Rundschau" veröffentlicht einen Brief Carusos, der an einen Münchener Rechtsanwalt gerichtet ist und in diesen Tagen besonderes Interesse finden wird. Er lautet: „Auch mir ist der Protest gegen die angebliche deutsche Barbarei in Belgien zur Unterschrift vorgelegt worden. Aber weder ich noch Ermete Novelli, weder Zaeconi noch Signora Düse, weder Mascagni noch Leoncavallo haben den Protest
unterschrieben. Ebenso ablehnend hat sich Puccini ver-
> halten. Man hat allerdings Leoncavallos Namen, ohne ihn zu fragen, auf die Protestliste gesetzt, Leoncavallo hat dagegen ganz energisch Einspruch erhoben. Es gehört zurzeit viel persönlicher Mut dazu, gegen den
> Strom zu schwimmen, nachdem einer ganzen Reihe von hervorragenden anderen Künstlern die Unterschriften unter Androhung von Gewalttätigkeiten direkt erpreßt wurden. Wir italienischen Künstler haben Deutschland in künstlerischer und materieller Hinsicht unendlich viel zu verdanken. Ich bin stolz auf den Titel eines königl. preußischen Kammersängers. In Deutschland erzielte ich meine größten Erfolge und ehrlichste Anerkennung. Von Signora Düse weiß ich, daß sie den größten Teil ihres beträchtlichen Vermögens (das vollständig in die Taschen ihres früheren Freundes d'Annunzio geflossen ist) in Deutschland erwarb. Wir italienischen Bühnenkünstler stehen der Stimmungsmache fern, wir sind international, da, wo wir Freunde haben, ist unsere Heimat. Ich glaube nicht, daß sich d'Annunzio nur aus brennender Vaterlandsliebe allein an die Spitze der Kriegshetzer gestellt hat. Es sind wohl andere Gründe stich- ! haltig gewesen. Er brauchte Reklame, sehr viel Reklame.
d'Annunzio wird in Frankreich mehr gelesen als in Italien. Auch mehr gekauft, denn die Italiener kaufen nicht gern Bücher. Aber Frankreich kauft Bücher, viel Bücher, und er repräsentiert auch weit eher den Pariser Geschmack als die italienische Dichtung. Ich bezweifle, daß sich Carduci zu solchen Zwecken hergegeben hätte, l Aber d'Annunzio? Er gehört zu der wenig beneidens- : werten Gattung von Menschen, die nichts mehr zu ver- . lieren haben. Ein literarischer Condottiere! Ich meine,
. er wäre weniger Deutschenfresser, wenn er weniger ! Gläubiger hätte. Ich bedaure die Deutschenhetze in meinem Vaterlande aufs tiefste. Ohne so viel Weltunkenntnis wäre das allerdings nicht möglich, denn wer Deutschland und die Deutschen kennt, findet keinen Grund zum Haß. Ich hoffe noch immer, daß sich das italienische Volk auf sich selbst besinnen wird. Aber wir leben in einer Zeit der kräftigsten Lungenflügel — wer am meisten schreien kann, der wird am besten gehört. Und wo die natürliche Lungenkraft nicht ausreicht, benützt man Schallträger, die kann man für Geld jederzeit haben. An Eoldangeboten für diese Zwecke mangelt es nicht."
Der überlistete Desinfeklionsapparat.
Aus Nürnberg wird der „Franks. Zeitung".folgende wahre Begebenheit berichtet: Im hiesigen Gefangenenlager, wo sehr viele Rüsten untergebracht sind, befindet sich auch ein Desinfektionsapparat, eine mächtige Maschine, die äußerlich einer Lokomotive ähnelt. Anfänglich haben die Rüsten nur widerwillig ihre Wäschestücke zur Desinfektton abgegeben. In wollene Decken eingebunden werden diese Bündel in den Apparat geschoben und kommen auf der anderen Seite entkeimt wieder heraus. In der letzten Zeit war nun ein ganz besonderer Andrang der Rüsten zur Desinfektionsanstalt zu bemerken, so daß man annehmen mußte, daß die deutsche Erziehung zur Reinlichkeit bei den schmutzgewohnten Söhnen des Ostens schon gehörige Fortschritte gemacht hatte. Ein deutscher Wachmann des Lagers sprach sich infolgedessen auch einem gebildeten Rüsten gegenüber in diesem Sinne aus. Mit einem ironischen Lächeln auf den Lippen antwortete dieser, daß er die Wandlung schon bemerkt habe, aber mit einem zunehmenden Drang zur Reinlichkeit seiner Landsleute habe dies leider nichts zu tun. Die Bündel enthielten wohl auch Wäschestücke, in der Hauptsache aber Kartoffeln, die sich die Rüsten Gott weiß wo zusammengesucht hatten. Im Desinfektionsapparat wurden nun die Kartoffeln in den Bündeln einer starken Hitze ausgesetzt und so kamen sie fein gedörrt wieder in die Hände ihrer Besitzer, die sie dann mit Behagen verzehrten.
Aus Stadl und Land.
Calw» den 2. Juni 1915.
Das Eiserne Kreuz.
Das Eiserne Kreuz 2. Klaffe haben erhalten: der Gefreite d. Ldw. im Jnf.-Regt. 126, Michael Fenchel. Wagner in Altburg; Friedrich Döttling, Sohn des früheren Gemeinderats Döttling, Otto Franke und Robert Mürle, alle 3 find von Unter» reichenbach.
Kriegsauszeichnung.
Die Silberne Verdienstmedaille erhielten: Otto Franke von Unterreichenbach und Gefreiter Fr. Rentschler von Beinberg, im Jnf.-Regt. 125.
Verlustliste für den Oberamtsbezirk Calw.
Aus der amtlichen württembergischen Verlustliste 193.
3. Reserve-Pionier-Kompagnie.
Pion. Wilhelm Kömpf, Calw, l. verw. — Pion. Gottlob Reichardt, Deckenpfronn, verm.
Aus der amtlichen preußischen Verlustliste 218.
Grenadier-Regiment Kaiser Wilhelm I. Nr. 110.
Gren. Reinhard Gaitzsch, Unterreichenbach, gef'
Ein Erdbeben.
* Heute morgen nach Uhr wurden 2 starke Erdstöße wahrgenommen, die sich innerhalb einiger Sekunden folgten. Die Stöße waren so intensiv, daß die Mehrzahl der Einwohnerschaft daran aufwachte. Wie die Erdbebenwarte in Hohenheim mitteilt,