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Nr. 100. (Erstes Blatt.) und iuzeil,eblM für den Oberamtsbezirk Calw.

90. Jahrgang.

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Samstag, den 1. Mai 1815.

Bezugspreis: In der Stadl mit Trägerlohn Mk. 1.25 vierteljährlich, P bezugSpreiS für den OrlS- und NachbarortSverkebr Mk. 1.M, im Fernverk Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg.. in Bayern und Reich 42 b

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Die Lage auf den Kriegsschauplätzen.

^ Das lange Ausbleiben von Nachrichten über die Lage auf dem östlichen Kriegsschauplatz halten manche dahin gedeutet, das; auf beiden Seiten alle verfügbaren Kräfte für die Entscheidung in den Kar- patten eingesetzt worden seien, andere aber vermute­ten nach bekannten Vorgängen wieder einen grossen Plan Hindenburgs. Die letzteren dürften nach den neuesten Meldungen unserer Heeresleitung sich mit ihrem instinktiven Gefühl der Wahrheit am meisten genähert haben. Unsere Truppen sind auf eine Tiefe von mehr als 1VV Kilometer in Nordwestrußland vorgerückt, ohne auf starken Widerstand zu stützen. Dabei wurde die strategisch wichtige Eisenbahnlinie DünaburgLibau in breiter Front vernichtet. Da­mit ist die wichtigste Verbindung zwischen dem ein­zigen im Winter eisfreien Ostseehafen Rußlands und dem Verkehrsknotenpunkt Dünaburq abqeschnit- ten. Der Güterverkehr von Libau kann jetzt also nur noch über Riga geleitet werden, was große schwer­wiegende Verkehrsstörungen zur Folge haben dürfte. Ohne Zweifel sind diese großzügigen Operationen von langer Hand von unserer Heeresleitung im Osten vorbereitet worden. Welche strategische Bedeutung ihnen im Zusammenhang mit der Situation im Osten überhaupt zugeschrieben werden darf, darüber wird man sich jetzt noch nicht auslassen können.

Das Land, das unsere Truppen besetzt haben, ist nach derFranks. Zeitung" eine mit Seen besetzte fruchtbare Gegend, ein Teil des alten litauischen Her­zogtums Samogitien (deutsch Schmudien oder Scha- maiten). Es ist fast ganz von Litauern bewohnt, nur in den Städten sind größere jüdische Gemeinden an­sässig. Samogitien gehörte einmal auf kurze Zeit den Deutschen, als 1380 der Deutschritterorden es er­oberte, aber schon 1411 wurde es an Polen abA- treten. Bei der dritten Teilung Polens kam 1795 der links vom Njemen gelegene Teil des Landes, also nicht die Gegend, in der jetzt die deutschen Truppen Vorgehen, an Preußen, das ihn aber 1807 an Ruß­land abtreten mußte. Die Litauer sind wohl von allen europäischen Völkern dasjenige, das am spä­testen das Christentum angenommen hat; noch tief ins 16. Jahrhundert hinein dauerten hier die heid­nischen Opferfeste fort.

Auch vom westlichen Kriegsschauplatz haben wir gestern sehr erfreuliche Nachrichten erhalten. Die westlich des Pserkanals von unfern Truppen genom­menen Stützpunkte konnten trotz der sicherlich hart­näckigen Anstrengungen des Feindes gehalten und noch weiter ausgebaut werden. Wieweit der deutsche Vorstoß am Kanal fortgeschritten ist und wie sicher unsere Positionen dort gehalten werden, das zeigt in lakonischer Kürze die Meldung des Tagesberichts, daß die Festung Dünkirchen unter Artilleriefeuer ge­nommen werden konnte. Immerhin aber müssen die deutschen Geschütze, falls es sich nicht um eine Be­schießung von der Seeseite handeln sollte, und das wäre wohl doch selbst bei demmilitärischen" Stil des Eeneralstabs gesagt worden eine ganz über­raschend große Tragweite besitzen, denn die deutschen Stellungen dürften doch sicherlich noch etwa 3V Kilo­meter von Dünkirchen entfernt sein. Ob sich auch hier wieder Ueberraschungen für unsere Feinde anqemel- det haben?!

In der Champagne und den Argonnen hat sich unsere Lage ebenfalls recht günstig gestaltet. Welches Ergebnis die französische Offensive zwischen Maas und Mosel bisher erzielt hat, geht schon aus der Nach­richt unserer Heeresleitung hervor, daß die Fran­zosen in der Zeit vom 24. bis 28. April nur allein

auf den Maashöhen nicht weniger als 43 Offiziere

und 4000 Mann an Gefangenen verloren haben.

*

Die deutsche amtliche Meldung.

(W.T.B) Großes Hauptquartier, 30. April. (Amtlich.) An der Küste herrschte rege feindliche Fliegertätigleit Fliegerbomben richteten in Ostende nur erheblichen Schaden an Häusern an. Die Festung Dünkirchen wurde gestern von uns unter Artilleric- feuer genommen. In Flandern verlief der Tag ohne besondere Ereignisse. Nachts griff der Feind zwischen Steenstraate und Het Sas an. Das Gefecht dauert noch an. Die Brückenköpfe auf dem west lichen Kanalufer bei den Orten Steenstraate und Het Sas find von uns aufgebaut und fest in unserer Hand. Seitlich des Kanals, nördlich von Ppern, versuchten Znaven und Turkos nnsern rechten Flügel anzugreisen. Der Angriff brach in unserm Feuer zusammen.

In der Champagne, nördlich von Le Mesnil, konnten die Franzofen nichts von der ihnen vor­gestern entriffenen Stellung wieder gewinnen. Die 1000 m breite und 300 m tiefe Befestigungsgruppe ist von uns in ihrem vollen Umfang umgebaut und wird gehalten.

In den Argonnen erstürmten unsere Truppen nördlich von Le Tour de Paris einen feindlichen Schützengraben, nahmen einen Offizier und 30 Mann gefangen, und hielten das eroberte Gelände gegen mehrfache feindliche Gegenangriffe. In Cornay am Ostrand der Argonnen stürzte ein feindliches Flug­zeug ab. Die Insassen waren tot.

Zwischen Maas und Mosel griffen die Franzosen gestern die von uns eroberten Stellungen an den Maashöhen erfolglos an. Auch nördlich von Flirey scheiterte ein feindlicher Angriff unter starken Ver­lusten. Bei den Kämpfen auf den Maashöhen vom 24. bis 28. April haben die Franzosen allein an Ge­fangenen 43 Offiziere, darunter 3 Regimentskom­mandeure und rund 4000 Mann verloren.

Die Küstenbefestigung Harwich an der englischen Ostküste wurde heute nacht mit Bomben belegt.

Oestlicher Kriegsschauplatz. Die Vortruppen un­serer im nordwestlichen Rußland operierenden Streit­kräfte haben gestern in breiter Front die Eisenbahn­linie Dünaburg Libau vernichtet. Ernstlichen Wider­stand versuchten die in jener Gegend vorgehenden russischen Truppen, unter denen sich auch die Neste der Teilnehmer am Raubzug gegen Memel befinden, bisher nirgends zu leisten. Gegenwärtig sind Gefechte bei Szawle im Gange. Bei Kalwarija scheiterten zwei russische Angriffe unter starken Verlusten. 5 Offi­ziere und 500 Russen fielen unverwundet in unsere Hand. Auch weiter südlich zwischen Kalwaija und Augustom mißglückten russische Vorstöße.

Oberste Heeresleitung.

Der österreichisch-ungarische Tagesbericht.

(W.T.B.) Wien, 30. April. Amtliche Mittei­lung vom 30. April mittags: In der allgemeinen Situation hat sich nichts geändert. Während des Tages Geschützkampf und Geplänkel. Neuerliche hef­tige russische Nachtangriffe im Orawatal und Opor- tale wurden, wie stets früher, unter großen Verlusten des Feindes abgewiesen.

Die schweren Verluste der Verbündeten vor den Dardanellen.

(W.T.B.) Konstantinopel, 30. April. Das Hauptquartier hat gestern abend folgendes mitge­

teilt: Der Feind, der in der Umgebung von Kum Kalo gelandet war, ist trotz aller seiner Bemühungen, sich unter dem Schutze des Feuers seiner Schiffe am Lande zu behaupten, vollständig verjagt worden. Kein Feind steht mehr auf dem asiatischen Ufer der Meerenge. Die feindlichen Streitkräfte auf der Spitze von Kaba Tepe behaupten sich hartnäckig dort. Unter dem Schutze des Feuers der feindlichen Schiffe. Von den anderen Teilen der Gallipolihalbinsel ist der Feind vertrieben worden. Das Feuer unserer Bat­terien hat am 23. April den französischen Panzer­kreuzerJeanne d Are" beschädigt, sodaß er sich bren­nend nach Tenedos zurückziehen mußte. Ein eng­lischer Torpedobootszerstörer sank infolge eines Bran­des, der durch unsere Granaten verusacht war, am 28. Apil an der Einfahrt der Dardanellen. Ein An­griff von 16 Panzerschiffen und vielen Torpedoboots­zerstörern gegen unsere vorgeschobenen Batterien in der Meerenge am 27. April hatte folgendes Ergeb­nis: Tausende von gegen unsere Batterien und Jn- fanteriestellungen abgeschossenen Granaten haben bis zum Abend nur einige Soldaten leicht verwundet. Dagegen wurden zwei Transportdampfer vor Sed- dul Vahr wiederholt von unseren Granaten getroffen, sodaß der eine von ihnen sofort auf den Strand lief. Wir haben eine Reihe von Booten und Segelschiffen, die mit Soldaten besetzt waren und sich mit ihren Schleppdampfern bei den Transportschiffen befanden, zum Sinken gebracht. Die englischen Linienschiffe Triumph" undMajestic" wurden beschädigt und zogen sich aus der Schlachtlinie zurück. In den letzten beiden Tagen hat die feindliche Flotte nichts mehr gegen die Meerenge unternommen. Auf den anderen Kriegsschauplätzen nichts von Bedeutung.

(W.T.B.) Konstantinopel, 30. April. WieTas- sir-i-Efkiar" aus den Dardanellen erfährt, ist das englische SchlachtschiffVengeance" von Geschaffen der türkischen Batterien beschädigt worden.

Mailand, 30. April. Unione meldet aus Athen: Die wenigen hier ankommenden Meldungen von den Dardanellen bestätigen, daß die Verbündeten aber­mals auf der ganzen Linie geschlagen sind. Diö tür­kischen Jnnenforts der Dardanellen haben wieder je­den Annäherungsversuch der verbündeten Flotten unmöglich gemacht. Die angreifenden Schiffe erhiel­ten von den türkischen Batterien schwere Treffer. Auf Tenedos wurden am Montag, zwei, am Diens­tag drei Kriegsschiffe in havariertem Zustand einge­schleppt. Aus Enos wird berichtet, daß von den fünf Landungskorps auf Gallipoli nur zwei noch als vor­handen festzustellen sind, das Schicksal der übrigen drei Korps sei unbekannt.

Genf, 30. April. Die Angaben über die Zahl der gegen die Dardanellenufer aufaebotenen franzö­sischen und englischen Truppen schwankt zwischen 100 000 und 150 000. Das von General d'Amade gegen Kum-Kaleh gesandte Kontingent bedarf, nach einer Meldung an denLokalanzeiger", zum Ersatz der ins ottomanische Lager übergegangenen islami­tischen Abteilungen und empfindlicher Truppen­transportverluste zwischen Alexandrien und den Dar­danellen großer Nachschübe. Die Verständigung zwi­schen dem englischen Generalstab am europäischen Ufer und den französischen Offizieren, die am jenseitigen Ufer noch kein Hauptquartier aufschlagen konnten, ist sehr schlecht.

Mailand, 30. April. Nach einerSsra"-Mel- dung aus Athen sind vor Tenedos neun neue Trans­portdampfer mit englisch-französischen Truppen ein­getroffen zur Ergänzung de« Landungsheeres au; Gallipoli.