Geldsorgen des Dreiverbands.
Berlin, 26. April. Aus Brüssel meldet die „Kreuzpeilung": Die neuesten Kreditoperationen der Verbündeten'beweisen ihre steigende Geldnot. Die belgische Regierung in Havre ist fortdauernd gezwungen. in Paris und London um Vorschüsse zu betteln, denn sie hat eine Staatsschuld von 6 Millionen zu verzinsen und keinen Groschen Einkommen. Jetzt braucht sie neue KV Millionen, sonst kann sie den Maikupon nicht einlösen. Ob sie sie erhalten wird, ist noch sehr fraglich. Denn Rußland, das nach dem Pariser Finanzabkommen ein Drittel beisteuern sollte, hat selbst nichts. Die Herren Ribot und Lloyd George werden daher die 60 Millionen für Belgien ganz allein zu zahl enhaben. Aber auch sie haben ihre Finanzsorgen. So ist es ihnen eben erst mit Mühe gelungen. von der Newyork Morgan-Gruppe einen Kredit von zusammen 8VV Millionen Mark zu erlangen, womit die in Amerika gemachten Kriegsbestellungen bezahlt werden sollen. Ob die Schatzwechselbegebung Lloyd Georges die gefürchtete zweite englische Kriegsanleihe verhüten wird, bleibt abzuwarten. Sein französischer Kollege Ribot macht es einfacher. Er läßt durch die Bank von Frankreich Banknoten drucken und leiht sich jede Woche 100 Millionen Banknoten aus, woraus deutlich hervorgeht, daß er seine oielgerühmten Bongs de la defense nationale bei den heimischen Sparern nicht anzubringen vermag. Im Mai wird der Notenumlauf der Banque de France den höchsten Betrag von 12 Milliarden erreichen. Dann wird der Druck der 13. Milliarde bewilligt werden müssen. Sonst ist Herr Ribot am Ende seines Lateins.
Die Neutralen und der Krieg.
Italien.
Köln, 26. April. Der Züricher Korrespondent der „Köln. Zeitung" erfährt aus Mailand, daß gestern der König Viktor Emanuel eine Unterredung mit dem italienischen Kriegsminister hatte, der des Nachmittags eine Unterredung zwischen Bülow und Sonnino folgte. Die „Tribuna", das „Giornale d'Jtalia" die „Perseveranza" und der „Sera" äußern die Ansicht, die italienische Kammer werde über den 12. Mai hinaus vertagt werden, weil bis dahin die Verhandlungen Italiens mit den Aentralmiichten voraussichtlich noch nicht abgeschlossen seien und die Regierung Gelegenheit haben müsse, sie in aller Ruhe weiterzuführen.
Mailand, 26. April. Auf den 1. und 2. Mai sind in ganz Italien Massendemonstrationen der Sozialisten gegen den Krieg geplant. In einem schwungvollen Aufruf wendet sich der Parteivorstand an die Ortsvereine, den gesamten Aufmarsch proklamierend zum Protest gegen jede kriegerische Politik. Vorige Woche ist es übrigens anläßlich der Einberufung der Jahresklasse 1891 zu Kundgebungen gekommen. In Empoli bei Florenz versammelten sch an 5000 Personen. Die Polizei war machtlos, und erst den aus Florenz herbeigerufenen Kavallerietruppen gelang es, die Menge zu zerstreuen. An anderen Orten wurden die Einberufungserlasse mit den Rufen „Nieder mit dem Krieg!" begrüßt.
Mailand. 26. April. Nach der Turiner „Gazetta del Popolo" hat die Turiner Arbeitskammer beschlossen, im Falle der Beteiligung Italiens am Kriege den Generalstreik zu erklären. Nach dem Blatte hat der Zentralvorstand der italienischen Gewerkschaften beschlossen, über die Frage des Generalstreiks im Kriegsfälle ein Referendum unter allen Arbeitskammern und Fachgenossenschaften zu veranstalten. Der Zentralvorstand der sozialdemokratischen Partei Italiens ist nach dem „Lokalanzeiger" für morgen zu einer Sitzung nach Mailand einberufen, um über dieselbe Frage zu entscheiden.
Berlin, 26. April. Aus Mailand wird dem „Berl. Tagebl." gemeldet: Der Studentenstreik, der in einer größeren Anzahl von Städten ausgebrochen ist, hat nun auch die Universitäten und Polytechniken in Genua, Florenz, Padua und Neapel ergriffen. Auch in Turin dauert der Studentenstreik fort. Trotz des in ganz Italien veröffentlichten ernsten Apells des Unterrichtsministeriums, worin zur Ruhe und zur sofortigen Rückkehr zum Studium aufqefordert wird, finden täglich Protestumzüqe statt. Bon den zahlreichen in Turin verhafteten Personen wurde ein Student zu 26 Tagen Gefängnis und einer Geldstrafe verurteilt.
Die Schweiz und Italien.
Basel, 26 April. Zu den gestrigen Beratungen des schweizerischen Bundesrats veröffentlicht der Berner „Bund" die nachfolgende Note: Wie wir vernehmen, hat der Buvdrsrat am Samstag und Sonntag in zwei außerordentlichen Sitzungen, denen ein General und ein Eeneralstabschef beiwohnte, sich mit der Lage befaßt, die durch die italienisch
österreichische Spannung hervorgerufen worden ist. Die im Bundeshause eingelaufenen Nachrichten waren aber nicht derart, daß neue militärische Maßnahmen an unserer Südgrenze getroffen werden müßten. Es ist also von einer Beschlußfassung nach dieser Seite hin abgesehen worden. Daraus ergibt sich, daß zu einer Beunruhigung gegenwärtig keine Veranlassung vorliegt.
Bulgarien und Serbien.
Köln» 26. April. Nach einem Sofiaer Telegramm der „Köln. Zeitung" ist, wie der „Deutschen Tageszeitung" mitgeteilt wird, der serbische Ministerpräsident Pasitsch jedem Zugeständnisse an Bulgarien abgeneigt. Jedenfalls ist zwischen den Dreiverbandsmächten und Serbien kein Einverständnis erzielt worden über die Erfüllung der vom Dreiverbände Bulgarien auf Kosten Serbiens gemachten Versprechungen.
Mailand, 26. April. „Unione" meldet aus Sofia: Der bulgarische Kriegsminister hat die sämtlichen Befehlshaber der Armee zur Besprechung militärisch strategischer-Angelegenheiten für den 28. April nach Sofia berufen. Auch der Chef des Generalstabs ist nach Sofia zurückgekehrt.
Das internationale See-„Recht".
(W.T.V.) Christiania. 26. April. Eine angesehene norwegische nationalökonomische Wochenschrift veröffentlicht einen Aufsatz über den Einfluß des gegenwärtigen Krieges auf das internationale Handelsrecht und die Handelsmoral. lieber Norwegens wirtschaftliche und politische Stellung zu England wird in dem Aufsatz gesagt, zur See sei im gegenwärtigen Kriege das Faustrecht in weitester Ausdehnung wieder eingeführt. England habe sich zur Meerpolizei aufgeworfen. Die neutralen Schiffe müßten sich darein finden, in englische Häfen eingebracht und durchsucht zu werden. Der Begriff Neutralität existiere nicht länger, da die Neutralen von den Krieg- führenden handelspolitisch gezwungen würden, Partei zu nehmen. Es sei klar für alle, daß Norwegen in hohem Grade von England abhängig sei, daß dieses in allem wesentlichen seine Bedingungen vorschreiben könne. Augenblicklich sei der britische Gesandte in Norwegen sicher ebenso mächtig, wie des Landes Ministerpräsident selbst.
Englische Bölkerrechtsauffafsung.
(W.T.B.) Frankfurt a. M.. 26. April. Die Frkf. Zeitung" meldet aus Konstantinopel: Die Engländer stehen im Begriff, außer den bisher besetzten Inseln Lemnos, Jmbros und Tenedos auch Mytilene und Chios zu besetzen. Sämtliche für Truppenlandungen nötigen Vorbereitungen wurden auf den letztgenannten beiden Inseln getroffen. In Begleitung des englischen Generalkonsuls in Smyrna besichtigte Oberst Dawley eingehend Mytilene und Chios. Dabei behandelte Dawley die griechischen Behörden vollkommen als Luft. Die gleiche Tattiik befolgten die Engländer schon auf Tenedos. Der griechische Gendar meriehauptmann, der um Aufklärung über die Landung der englischen Kontingente auf griechischem Territorium ersuchte, wurde aus der von den englischen Truppen besetzten Zone weggeführt mit dem höflichen aber bestimmten Ersuchen, sich künftig um seine, aber nicht um englische Angelegenheiten zu kümmern.
Rußland, Persien und Afghanistan.
Stockholm, 26. April. Die Petersburg. „Wrem- ja" schreibt am 24./11. April zensiert: „Die persische Regierung hat die russische Forderung nach Entlassung der eine deutsche Propaganda (!) in Persien betreibenden schwedischen Gendarmerieoffiziere abgelehnt. Auch die afghanische Regierung erklärt sich außerstande, ihre bei Khaibar gegen die Engländer im Felde stehenden Freiwilligenkorps zurückzurufen. In Petersburger Regierungskreisen wird mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Persien und Afghanistan in kürzester Frist gerechnet."
Kopenhagen, 26. April. Wie die Petersburger „Wremja" meldet, wurden auch die russischen Berufskonsuln in Mittel- und Südpersien durch kaiserliches Dekret abberufen.
Rußlands Forderungen an China.
Kopenhagen, 26. April. Nach diplomatischen Informationen des Petersburger „Invalid" überreichte der russische Gesandte in Peking der chinesischen Regierung sieben Forderungen, deren wichtigste das Verlangen Rußlands ist, in der Nordmand- schurei beliebig Land für russische Ansiedler zu erwerben.
Der energische Herr Wilson.
(W.T.V.) Berlin, 26. April. Aus Newyork wird der „Deutschen Tageszeitung" gemeldet: In der Rede auf dem Bankett der „Associated Preß" erklärte Präsident Wilson u. a. noch folgendes: Es ist nicht zwei
felhaft, daß die kommende Zeit den Vereinigten Staaten eine schwere Prüfung auferlegen werde. Wir werden die Vermittler für die Welt werden, und wir werden eines Tages dazu berufen sein, eine entscheidende (!) Rolle in der Regelung dieses blutigen Konfliktes zu spielen. Weiterhin griff Präsident Wilson verschiedene Persönlichkeiten an. deren einziges Vergnügen darin bestehe, die Vereinigten Staaten zu verleumden, gerade, als ob diese Personen es darauf ankommen lassen wollten, um jeden Preis die amerikanische Nation in Erregung zu versetzen. Wilson erklärte: „Unsere Neutralität leitet sich nicht aus einem schwächlichen Gefühl der Furcht her, oder aus Scheu vor der Verantwortung. Wenn irgend einer durchaus Streit haben will, so mag er sagen: Hier stehe ich!"
Wirtschaftliche Kriegsmaßnahmen.
Die Zuschläge zu den Kartoffelhöchstpreisen.
Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" schreibt über die Geltung der Zuschläge zu den Kartoffel- Höchstpreisen: Nach Mitteilungen, die in die Presse gelangt sind, scheint bei vielen Landwirten die Auffassung zu bestehen, als ob sie besondere Zuschläge zu den Kartoffelhöchstpreisen, die ihnen als Entschädigung für Aufbewahrung, geeignete Behandlung, Schwund und Risiko durch die Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 15. April 1915 lediglich für den Fall des Verkaufs an das Reich, einen Bundesstaat oder Elsaß-Lothringen, oder die Kreise oder Gemeinden zugestanden sind, nunmehr unbedenklich auch beim Verkauf an Händler oder andere Privatleute fordern könnten. Wir machen darauf aufmerksam, daß diese Auffassung nicht zutrifft.
Beim Verkauf an Privatpersonen, also namentlich auch an Händler, dürfen Landwirte nach wie vor keine höheren Preise fordern als in der Bundes- ratsverordnung vom 15. Februar 1915 die Höchstpreise für Kartoffeln festgeftellt sind. Die in dieser Verordnung festgesetzten Höchstpreise betragen, wie wohl noch allgemein bekannt sein dürfte, beim Verkauf durch den Produzenten, d. h. den Landwirt, je nach den Landesteilen und Kartoffelsorten 4,25 MI. bis 4.8V Mk. für den Zentner. Ein Landwirt, der an Händler und andere Private Kartoffeln zu höheren als den in dieser Verordnung festgesetzten Preisen verkauft, setzt sich der Gefahr empfindlicher Bestrafung aus. Es sei ferner darauf hingewiesen, daß die früher verabredeten, unter Vereinbarung niedrigerer Preise abgeschloffenen Kartoffellieferungsverträge nicht einseitig ausgehoben werden können, vielmehr erfüllt werden müssen.
Die neue Verordnung des Bundesrats über die Regelung des Verkehrs mit Kartoffeln vom 12. April 1915 hat daran nichts geändert. Sie gibt nur der Reichsstelle für die Kartoffelversorgung das Recht, in die am 12. April laufenden Verträge einzutreten.
Futtermittelbeschaffung und Rindviehbestand.
Das W.T.B. meldet: Den laut gewordenen Klagen über mangelnde oder unerschwinglich teure Futtermittel kann zumeist abgeholfen werden, wenn von den Viehhaltern der richtige Weg eingeschlagen wird. Es hat keinen Zweck, die Bezugsvereinigung der deutschen Landwirte in Berlin um Lieferung zu bestürmen, da diese nur an Kommunalverbände und die vom Reichskanzler bestimmten Stellen liefern darf. Die Viehhalter sollten sich daher nur direkt an ihren Kommunalverband wenden und dafür sorgen, daß dieser den für ihr ganzes Gebiet erforderlichen Bedarf von der Bezugsvereinigung anfordert. Melaffe- futter kann in großen Mengen sofort geliefert werden. Der von der Regierung dafür festgesetzte Preis ist etwa halb so hoch wie der Preis für Äuslands- ware. Auch unvergällter Zucker ist reichlich vorhanden. Die Verteilung der nicht zuckerhaltigen Futtermittel wird in großem Umfange beschleunigt. — Wie wir von amtlicher Seite erfahren, entbehrt das neuerdings verbreitete Gerücht, daß Anordnungen zu einer beschleunigten Verminderung der Rindviehbestände geplant seien, jeder tatsächlichen Unterlage. Vielmehr werden die Bestrebungen der heimischen Viehzucht, die Rindviehbestände durchzuhalten und namentlich auch für die Aufzucht eines Nachwuchses zu sorgen, von der Staatsregierung und den landwirtschaftlichen Körperschaften nach Kräften gefördert.
Aus Stadt und Land.
Tal«, den 27. April 1915.
Stadtpfarramtsverwesung.
Wie wir vernehmen, ist zum Stadtpfarrver- weser für Calw der bisherige Pfarrverweser Planck in Beuren, Bez. Nürtingen bestellt worden. Er wird am 28 April hier eintreten.