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Nummer 291
Altensteig, Mittwoch, de« IS. Dezember 1937
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Arbeitskonflikt in einem Pariser Warenhaus mitten im Weihnachtsverkehr
Paris, 14. Dez. Ministerpräsident Chautemps laßt heute amtlich Mitteilen, dag die durch Notverordnung vom 25. August angeordnete große Wirtschaftsenquete über die Konjunktur in Frankreich nunmehr abgeschlossen sei. Für 3 V verschiedene Wirtschaftszweige seien eingehende Berichte ausgearbeitet worden. Die Studienkommission, der neben zahlreichen Sachverständigen und Beamten auch der Vertreter des Arbeitgeberverbandes, der frühere Unterstaatssekretär Gignoux, und der Generalsekretär des Eewerkschaftsringes der CGT, Jouhaux, angehörten, sei überall zu einstimmigen Beschlüssen gekommen. Sie habe auch schon eine Reihe von Gesetzentwürfen und Verordnungen vorbereitet, die im Anschluß an die Enquete zu erlassen seien. Es handle sich dabei um die Verbesserung der technischen Ausrüstung der Fabriken, um die Erleichterung des Kredits, um die Rationalisierung der Arbeitsvermittlung.
Endlich nach all den vielen oratorischen Vorsichtsmaßnahmen wird dann schließlich in der amtlichen Mitteilung auch das große Eingeständnis gemacht: im Interesse der Steigerung der nationalen Reichtiimer und der Erhöhung der Produktion für die nationale Rüstung sei es gleichzeitig auch notwendig, die 4ü-St«ndenwoche abzuiindern.
Dabei teilt der Ministerpräsident Chautemps mit, daß die Regierung am Samstag dieser Woche einen Kabinettsrat ab
halte, um die Enquete-Berichte eingehend zu prüfen. Ob allerdings die vorgeschlagenen großen Reformen ohne weiteres durchgeführt werden können, mag bezweifelt werden. Schon jetzt ist wieder ein sozialer Konflikt in Paris im Warenhausgewerbe ausgebrochen. Vis zum Ende der Weltausstellung und dann verlängert bis zum Jahresschluß bestand im Warenhausgewerbe die 40-Slundenwoche, aber nicht in der Form der nur fünftägigen Arbeitszeit. Heute sollte für die Zukunft ein neuer Tarifvertrag aufgestellt werden. Bei den Verhandlungen kam es gleich zu Streikdrohungen wegen Lohndifferenzen, wegen der Arbeitszeit und einer Reihe anderer Fragen. Die streitenden Parteien wurden heute nachmittag vom Arbeitsminister vorgeladen. Aber auch Liese Verhandlungen sind ohne Erfolg geblieben. So kam es denn heute abend zu den erste« Streikzwischensällen. Im Warenhaus Beaumarchais beispielsweise mußten mitten im Weihnachtsverkehr die eisernen Rolläden herabgelassen werden, um Demonstrationen und Zwischenfälle im Warenhaus selbst zu verhindern. Riesige Abteilungen des Ueberfallkommandos sind mit Automobilen an Ort und Stelle geschickt worden. Vorläufig sind noch Verhandlungen im Gange, ob das Warenhaus offen bleiben oder geschlossen werden soll und ob die eingeschlossenen Kunden gleich oder erst später freigelassen werden können.
Nie wieder nach Gens!
Artikel 18» seine Gefahren und sein Zusammenbruch
Wenn das deutsche Volk sich rückdenkend die Nöte des Weltkrieges und der Nachkriegszeit vergegenwärtigt, so kann es auch heute noch, trotzdem diese Nöte überwunden find und weit hinter uns liegen, an eines nur mit der größten Bitternis zurückdenken, an die Tatsache nämlich, daß auch nach dem Waffenstillstand die über Deutschland verhängte Blockade nicht sofort aufgehoben wurde, sondern daß weiter deutsche Frauen und Kinder dem Tode des Verhungerns ausgeliefert wurden. Die Schmach dieser beispiellosen Grausamkeit hat das deutsche Volk niemals vergessen.
Wenn nun in den letzten Tagen die „Neuyork Times" in einem wüsten Hetzartikel die Forderung erhob, daß sich die großen Demokratien zusammenschließen sollten, um die Mächte des Angriffs, ließ Deutschland, Italien und Japan, mit allen wirtschaftlichen Mitteln lahmzulegen, d. h., sie auszuhungern, dann darf sich die Welt nicht wundern, wenn Deutschland daraus die Ueberzeugung gewinnt, daß der Geist der Blockade auch heute noch lebt. Dem ist tatsächlich so. Das Beispiel der „Neuyork Times" beweist es. Wie aber ist das möglich, jetzt rund 20 Jahre nach dem Kriege? Nun, nur deshalb, weil man durch 20 Jahre hindurch alles getan hat, um diesen Geist sorgsam zu konservieren, und zwar gerade in dem „internationalen Instrument", das den Frieden sichern sollte, in dem sogenannten „Völkerbund" Es ist der berüchtigte Artikel 16 der Genfer Satzungen, in dem der Geist der Blockade wie in einer Konservendose aufgehoben wurde, damit den dunklen Mächten hinter Genf für alle Ewigkeit die Möglichkeit gegeben wäre, über widerspenstige Völker die Geißel des Hungers zu schwingen, wie einst in Deutschland.
Es lohnt sich schon, seinen Wortlaut noch einmal in Erinnerung zu bringen. Mit folgenden Sätzen beginnt er: „Sollte ein Mitglied der Liga zum Mittel des Krieges greifen unter Nichtachtung seiner Gelöbnisse unter Artikel 12 kobligatorische Schiedsgerichtsbarkeit...) oder Artikel 15 (letzte Entscheidung durch einstimmigen Ratsbeschluß), so ist es ipso facto so zu behandeln, als habe es einen Kriegsakt gegen alle übrigen Mitglieder der Liga begangen, die sich verpflichten, über den Satzungsbrecher unverzüglich die Unterbindung aller Handels- und Kreditbeziehungen zu verhängen, sowie ein Verbot jeglichen Verkehrs zwischen den eigenen Staatsangehörigen und denen des Satzungsbrechers, wie auch die Verhinderung allen finanziellen, kommerziellen und persönlichen Verkehrs zwischen Staatsangehörigen des Satzungsbrechers und denen irgendeines dritten Staates, sei dieser Mitglied der Liga oder nicht" Hört man darin nicht die Peitsche knallen trotz der „friedlichen" Begründung?
Die Gefahren dieses Sanktionsparagraphen sind aber den Völkern allmählich klar geworden, obwohl dem Worte nach überhaupt nur gegen zwei Staaten „Sanktionen" verhängt worden sind, gegen Deutschland und gegen Italien. Die Sanktionen gegen Deutschland bestanden in der Ruhrbesetzung. Sie waren nicht eigentlich Völkerbundssanktionen, denn Genf hat darüber keinen Beschluß gefaßt. Sie wurden vielmehr von Frankreich aus eigener Verantwortung gegen Deutschland in Kraft gesetzt wegen angeblicher Nichterfüllung der Reparationsverpflichtungen. Aber weder Genf noch irgendein anderer Staat haben gegen dieses un- satzungsgemätze Vorgehen Frankreichs, das ein Angriff mitten im Frieden war, protestiert. Es ging ja gegen Deutschland, und darum sah man dem rechtswidrigen Angriff Frankreichs ruhig zu. Schon dabei zeigte sich deutlich, daß die Institution in Genf niemals allen Völkern gerecht werden konnte, sondern daß sie nichts anderes war als ein Instrument zur Aufrechterhaltung des Gewaltfriedens von Versailles, der die Welt in Sieger und Besiegte teilte, kurz die Fortsetzung der Entente aus dem Weltkriege.
Wohl gelang es, diese Tatsache der Welt durch fast zwei Jahrzehnte hindurch zu verschleiern, aber dieser Schleier zerriß, als die Beherrscher der Genfer Entente eines schönen Tages dazu übergingen, sich des Volksbundes zur Durchführung ihrer Machtpolitik zu bedienen und dabei einmal die Probe aufs Exempel wagten: dir Sanktionen gegen Italien. Was England machtpolitisch nicht durchzusetzen vermochte, wollte es durch wirtschaftliche Erdrosselung des Gegners mit Hilfe des Artikels 16 der Genfer Satzung erreichen. Der Versuch schlug fehl, Italien, das wirtschaftlich gut vorbereitet war, und militärisch eine für unmöglich gehaltene Leistung vollbrachte, gewann den Krieg und eroberte Abessinien. Die Völkerbundsstaaten aber, die die Sanktionen auf englischen Befehl mitgemacht hatten, stellten fest, daß dieses Mittel ein zweischneidiges Schwert war. England selbst hatte im ersten Vierteljahr 1936 gegenüber der gleichen Zeit des Vorjahres einen Verlust von 96,5 v. H. seiner Ausfuhr nach Italien zu verzeichnen. Jugoslawien verlor 89.7 v. H., Spanien 83,3 v. H., Holland und Frank- '"'ch je 69 v. H. Das waren schwere Verluste, die stutzig machen mußten. Und in der Tat haben sich die Völker von da an ernsthaft Gedanken gemacht über die Wirkung des
Maaktngs Fall eine neue Aem
Tokio» 14. Dez. (Ostafiendienft des DRV.) „Der Fall Nankings leitet eine neue Aera in Ostasten ein und ist von weittragender politischer und militärischer Bedeutung für Japan und die Nachbarstaaten", so fassen die zuständigen Kreise Tokios ihr Urteil über die Bedeutung dieses Ereignisses zusammen. Das Hauptquartier betont in einer längeren Erklärung, daß die Feindseligkeiten so lange weitergehen würden, als Tschiang- kaischek den Widerstand nicht aufgeben werde. Die japanische Armee würde den militärischen Druck auf die japanfeindliche chinesische Regierung und ihre Truppen verstärkt fortsetzen. Außenpolitisch müßten internationale Aktionen aufmerksam beobachtet werden. Das japanische Volk würde nunmehr seine Kräfte verdoppeln, um feindliche Operationen endgültig unmöglich zu machen.
Ministerpräsident Fürst Konoye gab zum Fall von Nanking eine Erklärung ab, in der er sagte, Japan sei stets auf Lokalisierung und Milderung der Feindseligkeiten bedacht gewesen. Tschiangkaischek habe dagegen mehrfach ernste Warnungen Japans ausgeschlagen und durch seine antijapanische Politik in Verbindung mit dem militärischen Vorgehen Japan zu militärischen Aktionen in großem Maßstabe gezwungen. Durch
«sanrrronsparagrapyen. sie erkannten plötzlich, daß dieser Paragraph sie eines Tages in einen Krieg verwickeln konnte, der sie auch nicht das geringste anging, ja, der geradezu ihren eigenen wirtschaftlichen und politischen Interessen zuwider sein konnte. Die ersten Folgerungen daraus hat Belgien gezogen, indem es sich aus Verträgen löste, die ihm die kollektive Friedenssicherung auferlegte. Die südosteuropäischen Staaten haben zwar noch keinen formalen Schritt in dieser Richtung getan, aber sie haben ihre Politik bewußt in andere Richtung gelenkt, wie sich gerade jetzt wieder bei der Reise des französischen Außenministers Delbos gezeigt hat. Aeußerst interessant sind in diesem Zusammenhang auch die Debatten über die Neutralität in der Schweiz. Auch hier beginnt man mehr und mehr zu erkennen, daß die alte Vorkriegsneutralität der Schweiz zehnmal wertvoller war als die kollektive Friedensversicherung durch den Genfer Bund, weil es für einen Staat, der wirtschaftliche Sanktionen mitmacht, schwer sein muß, sich aus kriegerischen Verwicklungen herauszuhalten, wenn aus den wirtschaftlichen militärische Sanktionen werden sollten.
So haben die Sanktionen gegen Italien das wertvolle Ergebnis gehabt, daß der Schleier über dem wahren Charakter des „Völkerbundes" zerrissen wurde. Es gibt keinen „Völkerbund" mehr, es gibt nur noch eine Genfer Entente zur Erhaltung des Sieges von 1918, das heißt zur Verewigung des Krieges. Der nunmehr erfolgte formelle Austritt Italiens und die deutsche Erklärung, daß Deutschland nie wieder nach Genf zurückgehen werde, bilden einen weiteren Schritt auf diesem Wege der Erkennntnis. Mag man ihn auch heute bei den Siegerstaaten bagatellisieren, alle anderen Staaten, denen es wirklich ernst ist um die Sicherung eines echten Friedens für Europa, werden in Kürze begreifen, wie wichtig diese Beschlüsse sind. Sie werden erkennen, daß damit das Ende für Genf gekommen ist. Die Zukunft gehört nicht der kollektiven Sicherheit, sondern der ehrlichen und aufrichtigen zweiseitigen Verständigung starker und selbstbewußter Völker. P D.
den Fall von Nanking sei die chinesische Zentralregierung zu einer bloßen Lokalregierung herabgesunken. Japan müsse jetzt seine China-Politik neu orientieren. Die militärischen Operationen würden bis zur völligen Zerschlagung aller antijapanischen Bewegungen in China durch- geführt.
Chinesische Berichte zum Fall Nanking
Schanghai, 14. Dez. (Ostafiendieust des DNB.) Große Brände innerhalb Nankings kündeten in der letzten Nacht die Räumung durch die chinesischen Truppen an. Chinesische Berichte sprechen von der Zurücknahme der Truppen auf BrfeP Tschiangkaischeks. Innerhalb der Stadt flackerte häufig Maschinengewehrfeuer auf. Die Japaner suchen sorgfältig alle Häuser ab, um zurückgebliebene chinesische Schützen auszuheben.
.Vorläufige Regierung -er Republik China"
Bildnng in Peking vollzogen
Tokio, 14. Dez. (Ostafiendienft des DNB.) Nach einer Meldung der Agentur Domei aus Peking ist dort, wie angekündigt, am Dienstag vormittag die „vorläufige Regierung derRepublikChina"gebildetworden.
Die Bildung der neuen Regierung wurde in feierlicher Form in der Tschujentang-Halle in der „verbotenen Stadt" vollzogen, über der die fünffarbige ursprüngliche Flagge der chinesischen Republik wehte, die von der Nanking-Regierung durch die Kuomintang-Flagge ersetzt worden war. Nach dem feierlichen Staatsakt nahmen die Ausschüsse für Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung sofort ihre Arbeiten auf. Der Vorsitzende des Eesetzgebungsausschusses, Tangerho, erklärte chinesischen und japanischen Pressevertretern, daß die vorläufige Regierung zunächst für Ruhe und Ordnung im Lande sorgen und dann umfangreiche Maßnahmen zur Herstellung einer vollen Verständigung zwischen dem chinesischen und dem japanischen Volk ergreifen solle. Der Sprecher des japanischen Hauptquartiers in Tientsin beglückwünschte die vorläufige Regierung und sprach die Hoffnung aus, daß die neue Verwaltung, die rechtmäßig die Traditionen Chinas übernehme, eine gesunde Weiterentwicklung zeigen werde.
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Sie Zwischenfälle in Fermst
Beschießung des britischen Dampfers „Wangpu" — Die Dienststelle der deutsche« Botschaft befand sich an Bord
Haukau, 14. Dez. (Ostafiendienft des DNB.) Der britische Dampfer „Wangpu" mitderDienststellederdeutschen Botschaft und dem britischen Militärattache sowie Flüchtlingen an Bord wurde am Samstag nachmittag an seinem Ankerplatz bei Hfiakuan von japanischer Artillerie beschossen und nach Verlassen des Ankerplatzes stromauffahrend über eine Stunde lang mit Feuer verfolgt. Personen wurden dabei glücklicherweise nicht verletzt.
Am Sonntag vormittag wurde der gleiche Dampfer, der sich in Begleitung eines englischen Kanonenbootes befand, zweimal, und zwar auch im Sturzfluge, durchjapanischeVomben- flugzeuge angegriffen, jedoch nicht getroffen. Die an Bord befindlichen drei Mitglieder der deutschen Botschaft sind