Nr. 89.

Amts- und Anzeigeblatt für den OberamLsbezirk Calw.

90. Jahrgang.

0»!tz«tnua-rweis«: «mal wSchentlich. «lnzeigenprei«: 3m vberaml«. lV»v» kalw für die etnspaltiae Lorgir,k>Ie 10 Pf»., außerhalb derselben 12 Psg-, lAÄ!«m»« LS Piz. Gchluß für Jnseratannahme 10 Uhr vormittag«. Leleson S.

Montag, den 19. April 1915.

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Die Lage auf den Kriegsschauplätzen.

* Die Erfolge unserer Feinde sind nach einer Seite hin unbestritten. Sie erfinden stets die besten Offensiv-Pläne. Seit Ende vorigen Jahres erhalten wir von Zeit zu Zeit geheimnisvolle Andeutungen, die auf große Aktionen entweder im Osten oder We­sten anspielen, und denen prompt auf dem Fuße auch dieOffensiven" folgen. Das Ergebnis der Anläufe zur endgültigen Niederwerfung Deutschlands läßt sich bisher in folgenden entscheidenden Schlägen zu­sammenfassen: Die Winterschlachten in Masuren und der Champagne, die englische Niederlage bei Nieuve Chapelle und St Eloi. Zur Zeit ist man bekanntlich wieder an einer Genevaloffensive, die im Westen den letzten Nachrichten zufolge nicht nur die Gebiete zwi­schen Maas und Mosel berührt, (auf welchem Kampf­gelände die Franzosen bis jetzt ähnlich schwere Ver­luste erlitten haben wie in der Champagne,) sondern sich dort auch auf dem linken und rechten Flügel be­merkbar zu machen beginnt. Ein greifbarer Erfolg bei unfern Feinden dürfte nach dem jetzigen Stand der Dinge auf der ganzen Linie nicht herauskommen, so­wenig wie bei der gleichzeitigen russ. Offensive in den Karpathen, die inbezug auf Heftigkeit und Aufwand von Menschenmaterial wohl einen der denkwürdig­sten Abschnitte dieses Krieges darstellt. Nachdem die Russen wochenlang vergeblich gegen die Stellungen der Verbündeten auf der ganzen langen Karpathen­front Sturm gelaufen sind, haben sie nun ihre Be­mühungen infolge Erschöpfung aufgeben müssen. Die letzte Woche brachte die Wiedereroberung strategisch wichtiger Punkte durch die Truppen der Zentral­mächte. Daß man nun auch im feindlichen Lager die Aussichtslosigkeit der Karpathenoffensive eingesteht, ersieht man an den seitens der russischen Heereslei­tung kundgegebenen Absichten einerUmgruppie­rung" oderRiickwärtskonzentrierung", was wohl auch infolge des Vordringens der Oesterreicher in der Bukowina, an einzelnen Stellen sogar über die russi­sche Grenze hinaus, sich als notwendig erwies. In welcher Weise sich diese Umgruppierung geltend ma­chen soll, ob etwa wieder die Bukowina oder Ost­galizien als Hauptkriegsschauplatz gegen Oesterreich- Ungarn gewählt werden, können wir ruhig der Ini­tiative des ohrfeigenbeflissenen Herrn Generalissi­mus überlassen, der sich dann wieder darüber schlüssig werden mag, welchem seiner Heerführer die nächste Auszeichnung" zu verabfolgen ist. Während also im jetzigen Augenblick zwei gleichzeitig angesetzte Offensiven auf beiden Fronten daran sind, ebenso kläglich zu enden wie ihre berühmten Vorgänger­innen, werden soeben wieder allerneueste militärische Absichten des Dreiverbands angekündigt. Wir glau­ben nicht mehr an diese Generaloffensiven, wir halten sie nur noch für einen Bluff, der das arg zu Schaden gekommene militärische Prestige des Dreiverbands noch einigermaßen zur Wirkung für die Neutralen etwas aüffrischen soll. Man hat eingesehen, selbst die bisher aufgebotene kolossale Uebermacht hat Deutschland nicht niederzuwerfen vermocht,' man braucht weitere Hilfe.

Neben der Verbreitung dieser Bluffnachrichten gehen die diplomatischen Aktionen des Dreiverbands einher, und namentlich werden Italien und die Bal­kanstaaten in einer Weise belästigt, ein anderer Aus­druck ist für diese Art von diplomatischem Verkehr nicht möglich, die jeder Tradition und allem Anstand Hohn spricht.

Zu dem unverschämten diplomatischen Druck auf die Neutralen gesellt sich eine Rücksichtslosigkeit son­dergleichen gegenüber allen neutralen Interessen

und Rechten. Nicht nur, daß man die Post neutraler Staaten untersucht, und sich überhaupt nicht um die völkerrechtlichen Grundsätze gegenüber neutralem Gut kümmert, man besetzt einfach neutrale Inseln, beschießt feindliche Schiffe in neutralen Häfen, und demonstriert in Hundert solchen Beispielen den neu­tralen Staaten den Grundsatz: Macht geht vor Recht. Auf der andern Seite aber ist man in den Krieg ge­zogen, um die Welt von deutschenMilitarismus" zu befreien. Wenn die Neutralen angesichts dieses völkerbeglückenden Verhaltens besonders Englands und Rußlands nicht dafür zu haben sind, sich selbst den Mördern ihrer politischen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit auszuliefern, so wird man das ver­stehen können.

Eine recht interessante Meldung kommt aus Mexiko. Die Japaner haben an der mexikanischen Küste 4000 Mann zumSchutze" eines aufgelaufenen Kreuzers gelandet. Mit dieser Landung haben die Japaner den Vereinigten Staaten eine moralische Ohrfeige versetzt, wie sie Amerika in diesem Kriege noch nicht erhalten hat.Amerika den Amerikanern", heißt das Prinzik der Monroedoktrin. Bon einem andern Staat in der Größe Amerikas wäre die Land­ung der Japaner als Kriegsfall angesehen worden. Die amerikanische Presse aber ruft England zum Schutz an. Nun die Japaner werden für die Zukunft wissen, was sie von den Vereinigten Staaten zu be­fürchten haben.

Die deutschen amtlichen Meldungen.

W.T.B. Großes Hauptquartier, 17 April. Amt­lich. Westlicher Kriegsschauplatz. Gestern brachten auch die Engländer östlich Ypern Granaten und Bomben mit erstickend wirkender Gasentwicklung zur Verwendung. Am Südhang der Lorettohöhe nordwestlich von Arros ging uns ein kleiner Stütz­punkt von 60 m Breite und 50 m Tiefe verloren. In der Champagne nordwestlich von Perthes wurde nach umfangreicher Sprengung eine französische Be­festigungsgruppe im Sturm genommen. Ein heute früh angesetzter feindlicher Gegenangriff mißglückte. Zwischen Maas und Mosel fanden heftige Artillerie­kämpfe statt. Bei Flirey griffen die Franzosen mehrfach an. Mit schweren Verlusten wurden sie in ihre Stellungen zurückgeworfen. Bei einem Erkundigungsvorstoß nahmen unsere Truppen die feindliche Stellung nordwestlich von llidais (Vogesen) die, da für uns ungünstig gelegen, unter Mitnahme einer Anzahl gefar-gen genommener Alpenjäger, morgens n ieder geräumt wurde.

Ein französisches Luftschiff erschien heute nacht über Straßburg und warf mehrere Bomben ab. Der Sachschaden, der hauptsächlich Fensterscheiben betrifft, ist unbedeutend. Einige Zivilpersonen sind leider verletzt. Einer unserer Flieger, der vorgestern Calais mit Bomben belegte, bewarf gestern Green­wich bei London.

Oestlicher Kriegsschauplatz. Die Lage blieb auch gestern unverändert.

(W.T.B.) Großes Hauptquartier. 18. April. (Amtlich.) Westlicher Kriegsschauplatz. Nach Vor­nahme von Sprengungen drangen die Engländer ge­stern abend südwestlich von Ypern in unsere Höhen­stellung bis nördlich des Kanals ein. wurden aber im Gegenangriff sofort wieder zurückgeworsen. Nur in drei von den Engländern besetzten Sprengtrichtern wird noch gekämpft. In der Champagne sprengten die Franzosen neben der von uns eroberten Stellung einen Graben ohne Vorteile zu erringen. Zwischen Maas und Mosel fanden nur Artilleriekiimpse statt.

In den Vogesen bemächtigten wir uns südwestlich von Stoßweier am Sattel einer vorgeschobenen fran­zösischen Stellung. Südwestlich von Maizeray wur­den unsere Vorposten vor überlegenem Feind aus ihre Unterstützungen zurückgenommen.

Oestlicher Kriegsschauplatz. Die Lage blieb auch gestern unverändert.

Oberste Heeresleitung.

Die österreichisch-ungarischen Tagesberichte.

(W.T.B.) Wien, 17. April. Amtliche Mittei­lung vom 17. April mittags: Zn Russisch-Polen und Westgalizien hat sich nichts ereignet. An der Karpa­thenfront ist die Lage unverändert. Im Waldgebirge, wo die Russen stellenweise ihre heftigen Angriffe wiederholten, wurde 1290 Mann gefangen. Bei die­sen Angriffen und bei mehreren während der Nacht versuchten Vorstößen erlitt der Feind wieder schwere Verluste. Zn Südostgalizien und in der Bukowina Geschützkampf.

(W.T.B.) Wien. 18. April. Amtliche Mittei- l.ung vom 18. April mittags: Die allgemeine Lage »ft unverändert. In den Waldkarpathen wurden bei Nagypolany. Zellö und Telepezc russische Angriffe blutig abgewiesen und hiebei 7 Offiziere und 1425 Mann gefangen. An allen übrigen Fronten nur Ge­schützkampf. Am südlichen Kriegsschauplatz keine Er­eignisse. Serbisches Artilleriefeiler aus der Gegend von Belgrad wurde, wie schon öfters, erfolgreich er­widert.

Eine neueGeneraloffensive".

Zürich. 18. April. Nach demGiornale d'Jtalia" soll sich, wie derB. Z. a. M." berichtet wird, wahr­scheinlich schon in nächster Zeit eine neue militärische Operation des Dreiverbands gegen Oesterreich vor­bereiten. Die Verbündeten sind nämlich zu der Ein­sicht gelangt, daß sie so leicht nicht Italien für sich zu gewinnen vermögen, wie sie anfänglich geglaubt haben. Andererseits wäre es auch mit ganz erheb­lichen Verstärkungen nicht leicht, die deutschen Ver­teidigungsstellungen in Flandern zu durchbrechen, und das einzige Mittel, um eine Entscheidung herbei­zuführen, bestehe darin, die beiden Zentralmiichte oon einer neuen Seite anzugreifen. Die Verbün­deten würden sich dabei auch in Flandern auf die reine Defensive beschränken, dafür aber englische und französische Truppen durch Montenegro und Ser­bien an die österreichische Grenze werfen, um von dort aus eine neue Offensive zu entfalten und zu­gleich den russischen Streitkräften die Hand zu bieten. Gleichzeitig würde auch zur See ein neuer Angriff eingeleitet werden.

Nom, 17. April. Ein Londoner Brief desGi­ornale d'Jtalia" bezeichnet, wie demV. T." ge­meldet wird, die Offensive im Westen zwar als be­vorstehend, verspricht aber davon nicht viel Erfolg, wie denn schon die letzten Kämpfe bei Nieuve Cha­pelle den Engländern 15 000 Mann kosteten. Aller­dings werde mit der Offensive auch die Flottenaktion auf die belgische Küste, sowie vielleicht dieLandung englischer Truppen zwischen Ostende und Zeebrügge Hand in Hand gehen. Trotzdem beurteilen die ernsten Militärkritiker die mutmaßlichen Ergebnisse eines noch so energischen Vorstoßes skeptisch, wenn ein sol­cher Vorstoß nur auf einen Kampf gegen die Schützen­gräben beschränkt bleibe. Die Engländer setzen da­gegen große Hoffnungen auf die Aenderung der all­gemeinen Lage infolge eines neuen Offensivfaktors, über welchen am besten das größte Stillschweigen