Nr. 56. Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw. 90. Jahrgang.

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Dienstag, den 8. März 191S

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Italien.

Die Augen der ganzen Welt schauen im jetzigen Augenblick auf die italienische Regierung, die allen Anzeichen nach vor dem nutzen Entschlich steht, die italienische Macht in die Wagschale des Weltkrieges zu legen. Von Italiens Stellungnahme hängen die Entschlüsse der Balkanstaaten, besonders Rumäniens und Bulgariens, ja vielleicht auch noch Griechenlands ab, denn solange Italien sich nicht entschieden hat, wäre es für diese kleineren Staaten immerhin ein Risiko, sich für die eine oder andere Seite einzusetzen. Was wird Italien tun?

Um die Haltung der italienischen Regierung und des italienischen Volkes zu verstehn, wird man gut tun, etwas in seiner Geschichte nachzuschauen. Ita­lien in seiner jetzigen politischen Gestalt hat eine merkwürdig ähnliche innere geschichtliche Entwicklung wie das deutsche Reich. Auch das italienische Volk litt bis znr Mitte des vorigen Jahrhunderts an in­nerer Zerrissenheit, und war dadurch stets der Will­kür seiner Nachbarn preisgegeden. Die von Frank­reich über ganz Westeuropa sich verbreitende demo­kratische Revolutionsbervegung war auch über Ita­lien gekommen, ohne aber die zentralistischen Ziele zu erreichen, die damit verbunden waren. Es fehlte auch in Italien die einheitliche Führung, bis der Ministerpräsident eines der kleinsten italienischen Herzogtümer, der Graf Lavour von Savoyen-Pie­mont die Idee der Einigung Italiens apfnahm. Lavour, einer der grössten Staatsmänner Italiens, wird nicht mit Unrecht sehr viel mit Bismarck verglichen. Auch er war genial und grosszügig in der Staatskunst, auch er vertrat den monarchistischen, aristokratischen Gedanken gegenüber den republika­nischen Ideen jener Tage. Die Parallele zur Ent­wicklung des neuen deutschen Reiches geht auch bei der Betrachtung der äusseren Politik Italiens wei­ter. Auch hier der Krieg als Abschluss für die innere Einigung. Die im Besitze Oesterreichs befindlichen italienischen Provinzen sollten befreit werden. Der mit französischer Hilfe geführte Krieg gegen Oester­reich im Jahre 1859 brachte den Italienern ja die Lombardei wieder zurück. Napoleon aber bean­spruchte Savoyen uird Nizza, das seither bekanntlich französischer Besitz ist. Trotz dieses Verlustes an Frankreich und trotz der feindlichen Haltung Napo­leons in der Frage des Kirchenstaates, die erst 1870 gelöst wurde, gelten nun seitdem Napoleon und mit ihm Frankreich beim italienischen Volk als die Mit­gründer der italienischen Einheit. Die an Frank­reich verloren gegangenen Gebiete haben die Ita­liener eigentümlicher Weise so ziemlich verschmerzt. Oesterreich-Ungarn aber, das immer noch italienische Sprachgebiete besetzt hält, wird bis auf den heutigen Tag noch vielfach als Erbfeind Italiens betrachtet.

Es war einer der genialsten Schachzüge Bis­marcks, daß er trotz dieser natürlichen Gegnerschaft Italiens den Dreibund zusammenbrachte, der, was das Verhältnis dieser beiden vorgenannten Staaten anbelangt, eigentlich mehr den Charakter eines dauernden Waffenstillstandsvertrages gehabt hat, b-i welchem Italien Gelegenheit hatte, unter star­ker Rückendeckung sich auf kolonialem Gebiet auszu­dehnen, und seine Mittelmeermacht zu entfalten. Das Jahrzehnte lange Festhalten Italiens am Drei­bund hat auch seinen Grund in einer Verärgerung gegenüber Frankreich, das die Italiener an der Be­setzung von Tunis verhinderte, und gegenüber Eng­land. das ihnen das zum grössten Teil italienisch be-

> völkerte Malta vorenthielt. Im Schutze der Drei- bundspolitil aber konnte sich das italienische Volk ganz gehörig entwickeln.

Es schien auch, als ob sich in den letzten Jahren ein Stimmungsumschwung in Italien zu Gunsten Oesterreich-Ungarns augebahnt hätte. Dass man aber nicht zu der wünschenswerten tatsächlichen Annäherung bis zum Ausbruch des europäischen Krieges kam, das dürfte einerseits der nach unserem Urteil vielleicht nicht immer richtigen österreichischen Politik in den italienischen Provinzen zuzuschrei­ben sein, andererseits aber hauptsächlich auch den in­folge des Ausbruchs des Balkankriegs auf dem Bal­kan auftretenden neuen Interessengegensätzen zwi­schen den beiden Staaten. Durch Vermittlung Deutschlands wurden dann auch diese Gegensätze bis zu einem gewissen Grade überbrüüt, aber die Erund- stimmung war besonders bei der italienischen öffent­lichen Meinung eben doch nicht österreichsreundlich zu beeinflussen. Dass daun irr der allerletzten Zeit noch eine skrupellose englisch-französische Propaganda sich bemerkbar machte, die auf die Loslösung Ita­liens vom Dreibund hinzielle. darauf ist ja schon öfters hingewiesen worden.

In diesem Stadium der italienisch-österreich-un- garischen Beziehungen war es zum europäischen Krieg gekommen, und es unterliegt keinem Zweifel, dass die Dreiverbandsdiplomatie über die Haltung Italiens nur zu gut orientiert war. denn sonst hätte der Dreiverband wohl trotz aller militärischen und diplomatischen Vorbereitungen den letzten Schritt wohl doch noch nicht gewagt. Italien blieb also neutral, ob auf Grund tatsächlicher Berechtig­ung laut Bündnisvertrags oder aber auf der Grund­lage eigener Auslegung, das wissen wir bis jetzt noch nicht. Unserer Auffassung nach wäre der Krieg wohl bald beendet gewesen, wenn Italien gleich von An­fang an sich auf die Seite seiner Verbündeten gestellt hätte. Wir wollen aber auch die Gründe nicht ver­kennen, welche die italienische Regierung zu ihrer Stellungnahme bewegt haben können. Inzwischen hat nun im Verlauf des Krieges die militärische und politische Situation eine Gestalt angenommen, die den Zeitpunkt des Eingreifens Italiens, wenn es sich bei der Neuorientierung der europäischen Ge- samtverhältnisse nicht ganz ausschalten lassen will, in greifbare Nähe gerückt hat. Nachdem der Drei­verband sich auf den Hauptkriegsschauplätzen wenig Lorbeeren geholt hat, hat er sich jetzt zu einer Aktion angeschickt, die eigentlich mehr politischen Charakter trägt, wir meinen natürlich die Forcierung der Dar­danellen. Konstantinopel und damit die Dardanel- lenstratze soll nach den Plänen des Dreiverbands russisch werden. Ob es namentlich England mit die­ser Absicht Ernst ist, wollen wir einstweilen dahin­gestellt sein lassen, auf jeden Fall aber verfolgt der Dreiverband damit das Ziel. Italien und die beiden Balkanstaaten Rumänien und Bulgarien durch seine Aktion zu beängstigen und sie unter Androhung der Ausschaltung bei der Erledigung der Dardanellen­frage womöglich zu einer Mithilfe zu bestimmen. Dass diese 3 Staaten an dem Dardanellenproblem auf Grund ihrer geographischen Lage das höchste Interesse haben, braucht hier nicht erst nochmals er­örtert zu werden, dass aber ihre Interessen mit den Plänen des Dreiverbands konform gehen, das dürfte an den dortigen verantwortlichen Stellen füglich be­zweifelt werden. So kann denn wohl in der nächsten Zeit auch dort der Stein ins Rollen geraten; dass das

aber nach der Richtung geschieht, die ihm unsere Feinde geben möchten, ist nach Beurteilung der bis­herigen Haltung der führenden Staatsmänner dieser Staaten nicht anzunehmen. Gelingt es, was wir hoffen möchten, daß sich Italien und Oesterreich- Ungarn bezüglich der oben erörterten Interessen­gegensätze einigen, so hat die italienische Regierung sicherlich in kürzester Zeit ihr Volk hinter sich, wenn sie darauf ausgeht, auch anderweitig die wohl begrün­deten Interessen Italiens, wenn nötig, mit Waffen­gewalt sicher zu stellen. Rumänien und Bulgarien würden dann aber ihrerseits nicht mehr länger zö­gern. die für ihre günstige Fortentwicklung einzig mögliche Stellungnahme auch militärisch zu bekräf­tigen. O. 8.

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Verhandlungen zwischen Oesterreich und Italien.

Frankfurt a. M., 8. März. DieFranks. Ztg." mldet aus Mailand: Die TürmerStampa" will wissen, dass auf dem Montecitorio nach Bekannt- rverden des Besuchs Salandras bei Eiolitti alle krie­gerischen Gerüchte verstummt seien. Die Meinung herrscht vor, die Consulta werde die Verhandlungen mit Oesterreich beginnen. ^

Mailand, 8. März. Ueber die Zusammenkunft des Ministerpräsidenten Salandra mit Giolitti. die im Hause des letzteren stattfand, berichtet dieStam- pa" Einzelheiten, die wir demTag" entnehmen. Darnach wird das wichtige Ereignis innerhalb par­lamentarischer Kreise in dem Sinne ausgelegt, dass die Haltung der italienischen Regierung entschieden auf eine aufrichtige Verständigung mit Deutschland, auch in Bezug auf die Verwirklichung von Italiens nationalen Bestrebungen gegenüber Oesterreich ge richtet sei.

Eine bedeutsame Kundgebung Salandras,

fW.T.D.) Berlin. 9. Marz. DemBerl. Tage­blatt" wird aus Rom gemeldet: Zur Feier der Grundsteinlegung des Molo fand in Gaeta ein Ban­kett statt, dem Ministerpräsident Salandra bei­wohnte. Als der Briaadekommandeur General Mor- ra einen Trinkspruch ausbrachte und ausrief:Das Heer ist bereit zu marschieren im Namen des Königs und des Vaerlandes!" eilte Salandra auf den 'Ge­neral zu, umarmte und küsste ihn. Salandra hielt dann seinerseits eine Ansprache, in der er sagte:Ich sage Euch mit gepresstem Herzen, wir werden alle un­sere Pflicht tun, wie General Morra gemeint hat, mit Gottes Hilfe unter dem Befehl des Königs und für den Ruhm des Vaterlandes." Bei der Abreise Salandras erscholl aus der Volksmenge ein verein­zelter Ruf:Es lebe die Neutralität!"Nicht doch", erwiderte Salandra, während sich der Zug in Bewegung setzte,rufen Sie vielmehr mit mir: Es lebe Italien!" Begeisterter Beifall derMenge folgte dieser Aufforderung.

Da« verstimmte Frankreich.

BerNn, 9. Marz. Wie demBerliner Tage­blatt" aus Rom gemeldet wird, führt nach Pariser Depeschen die Pariser Presse eine sehr scharfe Sprache gegen Griechenland. DieLiberia" und andere Pariser Blätter erwarten, dass Italien sofort an Griechenlands Stelle tritt und sich an der Orient» aktion beteiligt.