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Samstag, den 27. Februar 1815.

Nr. 48. (Zweites Blatt.)

Aus Stadt und Land

Calw, den 27. Februar 1915.

Eredilbank für Landwirtschaft und Gewerbe.

Am Matthiwsfeiertag, dem 24. Febr., hielt die Credit- bank für Landwirtschaft und (bewerbe E. G. m. b. H., ihre 46. Generalversammlung im Waldhornsaale hier ab. Unter Hinweisung auf die heutige ernste Kriegszeit eröffnete der Vorsitzende Komerzienrat Wagner die Versammlung und erstattete den allgemeinen Geschäftsbericht, wobei er etwa folgendes ausführte:Im abgelaufenen Jahre war der Ge­schäftsgang und das Erwerbsleben obgleich im Zeichen des Krieges stehend im allgemeinen günstig. Die Land­wirtschaft durfte sich einer guten Mittelernte erfreuen, den besten Ertrag hat der Haber gebracht. Durch die reichen Futtererträge konnte sich der ohnehin große Viehstand noch weiter entwickeln. Das überaus günstige Erntewetter, das die gute Einbringung der Früchte ermöglichte, war bei dem durch den Krieg eingetretenen Mangel an Arbeitskräften und Arbeitspferden doppelt hoch anzuschlagen. Die Vieh­zucht war rentabel, auch wurden für sämtliche landwirtschaft­lichen Produkte angemessene Preise erzielt.

In Gewerbe, Handel und Industrie hat die günstige Konjunktur, welche schon in den Vorjahren bestand, bis zum Kriegsausbruch angehalten. Don da ab trat durch die Un­sicherheit eine Stockung ein. Diese dauerte aber glücklicher Weise nur kurze Zeit, denn Handel und Industrie verstanden es bald, sich der neuen Lage anzupassen. Soweit die einzelnen Unternehmer sich für Heeresartikel interessierten, hatten sie bald große Aufträge und erzielten bei der Ausführung be­friedigenden Gewinn. Das Baugewerbe, MLbelfabrikatio», Luxusgewerbe u.s.w. haben unter dem Krieg sehr zu leiden, einzelne Betriebe arbeiten nur noch mit wenigen Arbeits­kräften, andere sind ganz still gelegt.

Wie fast alle Genossenschaftsbanken des Landes, so haben auch wir vor Ausbruch des Krieges und unmittelbar nachher die unliebsame Erfahrung machen müssen, daß ängst­liche Gemüter ihre Guthaben bei der Bank abhoben, wodurch viel Geld längere Zeit dem wirtschaftlichen Verkehr entzogen worden ist. Krediteinschränkungen haben wir nicht vorge­nommen, ja wir haben sogar neue Kredite gewährt, dabei > allerdings entsprechende Sicherheiten verlangt. Auf ausmar­schierte Schuldner nehmen wir weitgehende Rücksicht. Wenn der deutsche Zahlungsverkehr über die Kriegszeit in der Hauptsache in geordneten Schranken geblieben ist, so ist dies nicht zum wenigsten dem Umstande zu verdanken, daß die Regierung ein sog. Moratorium (gesetzt. Zahlungsaufschub) nicht eingeführt hat. Nachdem im Laufe des Spätjahrs der Bank wieder reichlich Mittel zugeflossen sind, so befindet sich die Liquidität derselben jetzt in bester Verfassung, weil die sog. greifbaren Mittel sich wesentlich vermehrt haben. Das Schlußergebnis des genossenschaftlichen Betriebs mit einem Reingewinn von 35 870 -4t 19 ^ gegenüber 29 682 -4t im Vorjahr darf als sehr günstig bezeichnet werden. Die Ge­samtsumme der Bilanz alle Conti zusammengerechnet ergibt gegenüber dem Vorjahr einen Mehrbetrag von 38 000 -4t, was angesichts des Kriegs noch ein schönes Zeichen gedeihlicher Entwicklung ist. Die Verwendung des Reinge­winns ist nach den Anträgen von Vorstand und Aufsichts- rat in folgender Weise vorgesehen: dem Reservefonds sollen 3600 -4t, dem Spezialreservefonds 4500 -4t zugewiesen wer­den, alle Reservemittel würden dann zusammen 106 536 -4t betragen und damit ca. 29 A der Mitgliedereinlagen decken. Da immerhin mit der Möglichkeit gerechnet werden muß, daß nach dem Kriege Verluste an Forderungen eintreten können, so ist der Spezialreservefonds besonders reichlich be­dacht worden, um mit diesen Mitteln etwaige Ausfälle decken zu können. Zu Abschreibungen sollen verwendet wer­den: am Hauskonto 1410 -4t 50 -Z, Mobiliarkonto 742 ^t 04 -H. Als Dividende sollen zur Verteilung kommen 5)H A mit 19 956 -4t 97 ^, der Rest mit 5660 -4t 68 ^ soll auf neue Rechnung vorgetragen werden. Die Vertreter der Bank hoffen zuversichtlich, ihre Aufgaben auch in nächster Zukunft bei noch längerer Kriegsdauer ohne ernstliche wirtschaftliche Sorgen erfüllen zu können.

Nach der hierauf von dem Vorsitzenden des Aufsichts­rats Oberamtspfleger Fechter in Kürze abgegebenen Aeußerung über seine Tätigkeit im abgelaufenen Jahre wurde die Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung genehmigt, die Anträge von Vorstand und Aufsichtsrat hinsichtlich der Verwendung des Reingewinns von der Generalversammlung einstimmig angenommen, auch dem Vorstand Entlastung er­teilt. Bei der vorgenommenen Ergänzungswahl des Auf­fichtsrats wurden die bisherigen Mitglieder wiedergewählt, an Stelle des Kaufmanns Tr. Schiler, welcher eine Wie­derwahl abgelehnt hat, rückte durch die erhaltene Stimmen­mehrheit der seitherige Ersatzmann W. Schwämmle,

Elasermeister» zum ordentlichen Aufsichtsratsmitglied vor, während für diesen Fr. Pfrommer. Bäckermeister, zum neuen Ersatzmann durch Wahl bestimmt wurde. Vgl. auch den Rechenschaftsbericht im Inseratenteil ds. Bl.

Paketoerkehr nach dem Felde.

Nach einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Berkehrsanstalten, betreffend Privatpaket- und Pri- oatgüterverkehr für die Feldtruppen werden die Mi­litär-Paketdepots vom 22. Febr. ds. Js. an bis auf weiteres dauernd zur Beförderung von Privatpäk- kereien und Privatfrachtstücken für die Feldtruppen geöffnet. Das K. Kriegsministerium hat hierüber Vorschriften erlassen, denen zu entnehmen ist: Vom 22. Febr. ds. Js. ab werden die Privatpakete und Privatfrachtstücke an Angehörige der im Felde stehen­den Truppen des Landheeres nur noch auf dem Weg über die Militär-Paketdepots angenommen und be­fördert. Alle sonstigen Beförderungsarten, insbeson­dere auch die durch den Ersatztruppenteil, werden aufgehoben. Pakete bis zum Gewicht von 1v Kilogr. werden bei allen deutschen Postanstalten im Inland angenommen. Größere Güter im Gewicht von über 1V Kilogr. bis 5V Kilogr. siiÄ> bei den Eisenbahn- Eilgut- und Güterabfertigungen aufzuliefern. Für die Angehörigen der ihrem Geschäftsbereich zuge­wiesenen Truppenteile nehmen auch die Militär- Paketdepots selbst Versandtstücke bis zum Gewicht von 50 Kilogr. gebührenfrei an. Die Heeresver­waltung hat hiernach fast alle bisher bestehenden Einschränkungen im Paket- und Güterverkehr nach der Front aufgehoben. Selbst die Gewichtsgrenze ist so hoch heraufgesetzt, daß jedem Bedürfnis genügt sein muß. Es wird dafür andererseits erwartet, daß diese Vergünstigung nicht mißbraucht und eine Ver­sendung schwerer Güter, die keinem wirklich dringen­den Bedürfnis zu dienen geeignet sind, unterbleiben muß. Jedes Uebermaß verursacht nur Stockungen und Verzögerungen, da die an die Front führenden, meist nur beschränkt leistungsfähigen Eisenbahnen in erster Linie den militärischen Aufgaben zu dienen haben. Im übrigen muß erwartet werden, daß im Interesse der Volksernährung im Inland besonders die Zusendung von Nahrungs- und Genußmitteln in den gebotenen Grenzen beibt. Für die Truppen auf dem Lstichen Kriegsschauplatz können vorläufig Privatpakete und Privatfrachtgüter nicht angenom­men werden.

Zur Frühjahrssaalbestellung.

Um bei dem derzeitigen Mangel an landwirt­schaftlichen Arbeitskräften die geordnete Frühjahrs­bestellung der Felder, Gürten und Weinberge mög­lichst zu fördern, haben, wir derStaatsanzeiger" hört, der Evangelische und der katholische Oberschul­rat mit Genehmigung des Ministeriums des Kirchen- und Schulwesens angeordnet, daß zu diesem Zweck den Schülern und Schülerinnen der vier oberen Jahrgänge der Volksschulen in weitgehendem Um­fang Befreiung vom Schulbesuch gewährt und daß erforderlichenfalls für die genannten Schuljahre in den Monaten März und April außerordentliche Fe­rien je nach den örtlichen landwirtschaftlichen Be­dürfnissen angesetzt werden. Dementsprechend hat auch die Ministerialabteilung für die höheren Schulen die örtlichen Schulbehörden ermächtigt, diejenigen älteren Schüler und Schülerinnen der höheren Schu­len, deren Beihilfe bei den landwirtschaftlichen Früh­jahrsarbeiten erwünscht erscheint, vom Unterricht zu befreien. Auch in den Lehrerbildungsanstalten wird nach besonderer Anordnung bei Ansetzung der rund vier Wochen dauernden Frühjahrsferien auf die Feldbestellungsarbeiten Rücksicht genommen werden.

Warnung vor einem Schwindler.

Seit einiger Zeit treibt in der weiteren Um­gebung von Stuttgart ein Schwindler sein Unwesen, der es hauptsächlich auf die ländliche Bevölkerung abgesehen hat. Meist hat er sich als angeblicher Be­

kannter von Bekannten bei den Leuten eingeführt und erzählt, daß er im Begriff sei. mehrere Pferde einzukaufen. Im Laufe des Gesprächs hat er dann unter dem Vorwand, es fehlen ihm eben noch 5 Mk. oder 10 Mk., die Leute angegangen, ihm diesen Be­trag zu leihen, und ist mit dem Gelde verschwunden. Vor diesem Mann wird gewarnt und gebeten, durch die Ortspolizeibehörde oder den Landjäger seine Ver­haftung herbeizuführen. Er ist 61 Jahre alt, groß und stark gebaut, hat starke Glatze, ist schwerhörig.

Stuttgart, 25. Febr. Schlachtoiehmarkt. Zugetrieben: Großvieh l62. unverkauft 12, Kälber 673. Schweine 919, unverkauft 235. Bullen 1. Qual. 88 bis 90 »4L, Bulle» 2. Qual. 85 bis 87 »4L, Stiere 1. Qual. 100 bis 104 »4L. Iungrinder 2. Qual. 96 bis 99 »4L, Fungrinder 3. Qual. 93 bis 95 »4L, Kälver 1. Qual. 110 bis 115 »4L, Kühe 2. Qual. 102 bis 106 »4L. Kühe 3. Qual. 90 bis 100 »4L. Schweine 1. Qual. 98 bis 102 »4L, Schweine 2. Qual. 94 bis 97 »4L Schweine 3. Qual. 89 bis 93 »4L Verlauf des Marktes mäßig belebt.

Die Neutralen und der Krieg.

Rumäniens Interessen.

(W T.B.) Bukarest, 25. Febr. Der Rektor der Universität Jassy, Sters, der bekannte liberale Po­litiker, schreibt in einer Veröffentlichung überRu­mänien und der europäische Krieg": Wenn zur Ver­teidigung ihrer Interessen im Kampfe gegen Deutsch land sich Frankreich und England an die Seite Rust lands gestellt haben, wird vor der Weltgeschichte ihre Rolle die Böotiens und Thessaliens sein, als diese sich mit dem Reiche des Xerxes verbanden. Es ist vom europäischen Standpunkt gleichgültig, ob England allein die Oberherrschaft über das Meer hat, oder sie mit Deutschland teilt, ebenso, ob Elsaß-Lothringen zu Frankreich oder Deutschland gehört. Nicht gleich­gültig ist dagegen, ob für Jahrzehnte Europa unter Kosakenherrfchaft gerät. In Rumänien gibt es ängst­liche Gemüter, die zum Verzicht auf Bessarabi'en be­reit wären. Vor allem anderen aber mutz Rumänien seine Pflicht gegen sich selbst erfüllen. Schwerwie gende Gründe wirtschaftlicher und finanzieller Art, nicht nur politische, machen den Kampf an der Seite der Zentralmächte einzig und allein für Rumänien möglich. Wenn mit den großen Interessen der Welt­geschichte unser nationales Interesse solidarisch ist, würde es Selbstmord bedeuten, diese Erwägungen zu mißachten.

Bulgarien zu einem griechisch-lürk. Konflikt.

Frankfurt, 25. Febr. LautFranks. Zeitung" istPetit Parisien" in der Lage zu versichern: Mitte letzter Woche, als die Spannung zwischen der Türkei und Griechenland sich verschärft und der griechische Gesandte in Konstantinopel seinen Posten verlassen hatte, habe der türkische Gesandte in Sofia die bul­garische Regierung gefragt, ob Bulgarien im Falle eines griechisch-türkischen Krieges, den Durchmarsch der Türken durch Bulgarien nach Griechenland gestat­ten würde. Radoslawow habe geantwortet, daß der Durchmarsch weder den Türken noch den Griechen ge­stattet werde. Bulgarien wolle eine vollkommene Neutralität bewahren.

England und Portugal.

Berlin, 25. Febr. Aus Wien meldet dieNa- tionalzeitnng": Aus Lissabon wird demNeuen Wiener Tagbl." folgendes mitgeteilt: Es ist nun­mehr festgestellt, daß England mit Hilfe seiner alten Freunde eine monarchistische Revolution vorbereitet hatte. Das englische Kriegsschiff, das mit Monarch­isten und Mitgliedern der verbannten Königsfami­lie, weiter mit Munition, Waffen und Truppen an Bord zwei Wochen hindurch entlang der cantabrischen Küste Spaniens kreuzte, ist unverrichteter Dinge wieder an die Gestade Englands ,-urückgekehrt. Der Staatsstreich Englands, der die Einsetzung einer mo»

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