Rationales Nachrichten- und Anzeigenblatt für die ObermntsbezirLe Nagold. Calw, Freudenstadt und Neuenbürg
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Rümmer 181
Altensteig, Donnerstag, den 8. Juli 1938
3 8. Jahrgang
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Num Md Eden über die Ursache de- Versagens des Völkerbundes
Schwerer Wall des Musikzuges der ee.-Leibitmdarte
Magdeburg, 1. Juli. Der im ganzen Reich durch seine Konzerte beliebte MUsikzug der SS.-Leibstaudarte wurde am Mittwochnachmittag von einem schweren Unfall betroffen.
Der Musikzug befand sich in zwei Autobuffen auf der Heimkehr von einer Konzertreise im Westen des Reiches. Zwischen Burg und Genthin durchfuhren die Wagen in langsamem Tempo eine stark ansteigende Strecke. Aus der entgegengesetzten Richtung kam von Genthin her ein Lastwagen mit Anhänger, der auf der durch einen nieder- gegangenen Wolkenbruch schlüpfrig gewordenen Asphaltdecke ins Schleudern geriet. Der Faihrer konnte den schweren Wagen nicht mehr zum Halten bringen und fuhr gegen einen Baum.
Hierbei glitt der Anhänger so unglücklich über die Straße, daß er mit voller Wucht die Seitemvand des zweiten Autobusses der SS.-Leibstandarte in ihrer ganzen Länge aufriß. Zwei Männer des Musikzuges waren sofort tot, zwei Mann verstarben kurz nach ihrer Cinlieferung im Bürgerkreiskrankenhaus. Außerdem befinden sich im Krankenhaus zur Zeit noch sechs Schwerverletzte und eine Anzahl von Leichtverletzten.
Der erste Autobus, der die Höhe bereits überwunden hatte, bemerkte von dem Unfall nichts, und erst in Berlin erfuhren die Männer von dem furchtbaren Unglück, das ihre Kameraden betroffen hat. Als die Meldung von dem Unfall in Lichterselde bekannt wurde, eilte Obergruppenführer Sepp Dietrich sofort zur Unfallstelle uUd zu den verletzten Kameraden.
Mit der Leibstandarte trauert die gesamte Bewegung um die Toten, die auf so tragische Weise ums Leben kamen.
Weimar im FeMmmk
Bor der Zehnjahresfeier des ersten Reichsparteitages
Weimar, 2. Juli. Die um diese Jahreszeit sonst nur vom Fremdenverkehr belebte Gauhauptstadt Weimar hat in wenigen Tagen ihr Aussehen völlig verändert. Ein geschäftiges Kommen und Gehen, ein bis zur äußersten Grenze vermehrter Kraftwagenverkehr erfüllt die im Schmuck der Fahnen und Blumengewinde prangenden Stadt. Nur wenige Stunden noch, dann wird jeglicher Fährverkehr ruhen, werden die einziehenden Kolonnen der Formationen das StraßeUbild beherrschen. Die Stäbe und Vorkommandos sind bereits eingetröffen. Die frohe Erwartung der Bevölkerung wird bald erfüllt werden. Ein einzigartiges Erlebnis wird die Hnnderttausende drei Tage lang in Atem halten.
Wer Weimar so sieht, wie es sich in diesen Tagen dar- bietel, mit den prächtig geschmückten Häuserfronten, die den Hintergrund, für die Aufmärsche abgeben werden, ist entzückt von der Lebensfreude, die von dieser Stadt ausgehl. Dabei wirkt das alles so selbstverständlich, und gerade in der weisen Beschränkung der Mittel und durch einen auserlesenen Geischmack so erhebend. Einen Glanzpunkt bildet der Marktplatz mit dem Rathaus, wo bei der Erinnerungsfeier Gauleiter Streicher sprechen wird, wie er es 1926 in der damaligen großen Kundgebung tat. Der Weg über den Fürstenplatz, vorbei an den mit roten Fensterteppichen und frischem Tannengrün geschmückten -Fürstenhaus hin zum Schloß, bietet wundervolle Bilder. Wohin das Auge blickt, überall der gleiche Eindruck, der in der Erkenntnis gipfelt, Weimar ist gerüstet und bereit, der Zehnjahreöfeier des ersten Reichsparteitages einen würdigen Rahmen zu geben.
ArSeilsdienstpflicht der weiblichen Jugend
und Hilfe der Landwirtschaft
Berlin, 1. Juli. Amtlich wird mitgeteilt: Die Aufgaben der Landwirtschaft fordern den Einsatz aller verfügbaren Arbeitskräfte. Staat und Partei find bemüht, in verschiedensten Formen auch die deutschen Mädchen zur Hilfe in der Landwirtschaft heran- zuziehen. Wenn die gesetzlich bereits festgelegte Arbeitsdienst- Pflicht für die weibliche Jugend eingefnhrt ist, dann wird hier eine Hilfsquelle erschlaffen fein:
Der Reichsminister des Innern und der Reichsarbeitsführer haben sich auch damit einverstanden erklärt, daß diejenigen Mädchen über 17 Jahre nicht mehr zur Ableistung der künftigen Arbeitsdienstpflicht der weiblichen Jugend herangezogen werden, die nachweislich vor dem 1. Oktober 1937 freiwillig wenigstens »eun Monate Landarbeit geleistet haben. Dabei ist es gleichgültig, ob diese Arbeit a) im freien landwirtschaftlichen Arbeitsverhältnis oder d) in der Landhilfe oder c) in einem VdM.- llmschulungslager verrichtet worden ist.
Als Nachweis gilt außer dem Landhelferbrief eine Bescheinigung des für die landwirtschaftliche Arbeitsstelle zuständigen Gemeindevorstehers.
Gens, 1. Juli. Die Vormittagssitzung der Völkerbundsver- i jammlung begann mit der Warnung des Vorsitzenden van Zee- land, keine Ruhestörungen mehr zu unternehmen, andernfalls strengere Maßnahmen ergriffen werden müßten Darauf hielt der Vertreter Columbiens, Dr. Turbay, das Wort. Er erklärte, da sich gezeigt habe, daß der Völkerbund nicht funktioniere, müsse man wenigstens die Grundsätze retten.
Der französische Ministerpräsident Leon Vlum
sagte u. a.: Ich habe gehört und gelesen, daß seit einigen Wochen der Einfluß Frankreichs m Europa und seine Fähigkeit, die internationale Politik zu beeinflussen, im Abnehmen begriffen sei; Frankreich sei unfähig, den Verletzungen des internationalen Gesetzes wirksam entgegenzutreten oder hinsichtlich der Erfüllung internationaler Verträge nützliche Hilfe zu leisten. Frankreich sei eine Macht zweiten Ranges geworden und nach außen durch seine inneren Schwierigkeiten gehemmt. Es gibt unter den Mächten, die die internationale Gemeinschaft bilden, keine Rangordnung und wir glauben auch nicht, daß es jemals eine solche geben werde Die Entwertung des Faktors Frankreich in der europäischen Politik wird mit zwei Tatsachen begründet: mit den Arbeiterunruhen in Frankreich und der durch die Wiederbesetzung des Rheinlandes hervorgerufenen Krise.
„Gewiß hat Europa erwartet, daß die militärische Besetzung der Rheinlandzone ebenfalls eine militärische Antwort Hervorrufen werde. Frankreich hat sie nicht gegeben. Es hat dir Lösung einer so gefährlichen Krise nur im internationalen Verfahren gesucht. Anstatt zu mobilisieren, hat es die Earantiemächte des Locarno-Vertrages angerufen." Hinsichtlich der Arbeiterunruhen in Frankreich erklärte Leon Blum, Frankreich sei in einem großen Umbruch begriffen, der sich ohne Gewalt vollziehe.
Zur augenblicklichen Krise erklärte Leon Blum, die Ursachen für das Versagen des Völkerbundes liegen nicht im Pakt, sondern in seiner verspäteten unbestimmten und zweideutigen Anwendung. Die Paktverpflichtungen müssen deshalb verstärkt werden. Die französische Abordnung könne keiner der Re- vistonsformeln zustimmen, die die Rolle des Völkerbundes aus eine akademische Beratung zurücksühren würde. Frankreich werde mit ganzer Kraft dazu beitragen, dem Völkerbund neues Leben zu geben.
Die französischen Reformvorschläge beschränkten den Beistand auf die dem angegriffenen Staat am nächsten stehenden Lander, aber auch so bleibe das Risiko eines Krieges bestehen und muffe mutig getragen werden. Aber um ihm zu begegnen, könne man nur an Abrüstung denken, obwohl dieser Gedanke heute beinahe als eine lächerliche Utopie erscheine. Aber ohne Abrüstung könnten die internationalen Schiedssprüche keine Wirkung haben und die friedlichen Sanktionen nichts nützen. Kollektive Sicherheit und Abrüstung bedingte» sich gegenseitig. In diesem Sinne werde Frankreich seinen Einfluß geltend machen und vor keiner Initiative zurückfchrecken.
In diesem Geiste wolle es auch die der Versammlung vorliegenden Konflikte prüfen. Zwei internationale Rechtsverletzungen lägen vor: die Verletzung des Paktes und die eines Vertrages. Beide hätten zu einer tatsächlich ernsten Lage geführt. Die Rheinland-Angelegenheit werde nicht durch Zeitverstreichen geregelt und die Abessinien-Angelegenheit könnc wohl in Afrika bereinigt werden, aber in Genf sei dies nickt geschehen. Frankreich wolle den Friedensstörern keine Absolution erteilen, die einer Ermutigung gleichkäme, aber der Völkerbund muffe an die Länder, die diese Rechtsbrüche begangen hätten, die wesentliche Frage stellen, ob sie entschlossen seien, eine bessere Zukunft vorznbereiten und an dem Werk des entwaffneten Friedens im Rahmen des neuerftandenen Völkerbundes mitzuarbeiten. Sie müßten gefragt werden, welche Absichten sie hegten und welche Garantien sie Vorschlägen wollen. Die der Versammlung unterbreitete italienische Denkschrift stelle einen wertvollen Beitrag in diesem Sinne dar. Es sei zu wünschen, dag die deutsche Antwort auf den englischen Fragebogen ihrerseits den Ausgangspunkt für einen politischen Wiederaufbau Europas bilden könne. Friedensangebote und Abrüstungsvorschläge seien von überall her gekommen, aber sie müßten erst ans ihre Aufrichtigkeit geprüft werden. Keine Macht könne ihre Mitarbeit verweigern, wenn sie sich einem gemeinsamen Willen und einer gemeinsamen Anstrengung gegenüber sähe.
Nach dem französischen Ministerpräsidenten hielt noch der Vertreter Panamas eine grundsätzliche und programmatische Rede über die Völkerbundsidee. die ihren Ursprung in Panama habe, wo sie vor genau 100 Jahren vom Präsidenten Bolvar verkündet worden sei. Diese Idee könne nicht unterge-
i hen. Im italienisch-abessimichen Streit habe der Völkerbund ver- ' sagt. Die augenblickliche Struktur des Völkerbundes verhindert eine befriedigende Lösung der gegenwärtigen Lage. Der Vertreter Panamas befürwortete dann den Zusammentritt einei neuen internationalen Konferenz aller Völker der Welt, uw eine Verjüngung oder eine völlige Neugeburt des Völkerbundes herbeizuführen. — Die Sitzung wird um 16 Uhr fortgesetzt
Südafrika für Aufrechterhaltung der Sanktionen
Die Nachmittagssitzung der Völkerbnndsversammlung began« mit einer Prokla matton der Völkerbundstreu, der Südafrikanischen Union. Ihr Vertreter te Watei forderte den Völkerbund auf, in 11. Stunde die Kollektivaktic» gegen Italien, die im Oktober 1935 von 50 Nationen in seltene! Einmütigkeit beschlossen worden iei, fortzusetzen. Der Völkerbunl sei im Begriff, in Stücke zu zerfallen, da die Großmächte offer ihre Schwäche erklärten. Die Autorität des Völkerbundes näher, sich dadurch dem Nullpunkt. Der Verzicht auf eine entschlossen, Kollektivaktion unter Verletzung von feierlich übernommene, Verpflichtungen sei ein Verrat am Weltfrieden und am Völkerbund. Die Rede klang aus mit der verhaltenen Drohung, das die Mitarbeit der Südafrikanischen Union in Frage aestell, werde, wenn der Völkerbund seinen Verpflichtungen nicht Nachkomme.
Eden vor der Völkerbnndsversammlung
Nach dem Vertreter Kanadas. Massel, der die Auf, Hebung der Sanktionen befürwortete, da sie ge, genstandslos geworden seien, sprach der englische Außenministe, Eden. Er führte aus. Wir haben gestern einen Aufruf de s Kaisers von Abeslinien gehört, der mit einer Wurde vorgetragen wurde, die die Sympathie eines jeden von uns erweckt hat. Was die Anwendung der Sanktionen im italienisch- abeffinischen Konflikt betrifft so sind wir uns alle bewußt, daß diese Maßnahmen nicht den Zweck erfüllt haben, dem fie dienen sollten. Nicht die Maßnahmen an sich find wirkungslos geblieben, sondern die Voraussetzungen, unter denen man erwartete, daß sie eine Wirkung ausüben würden sind ausaeblieben.
Wenn die britische Regierung Grund zu der Annahme hätte, daß die Beibehaltung der bestehenden Sanktionen oder sogar deren Verstärkung durch andere wirtschaftliche Maßnahmen die Lage in Abessinien wiederherstellen könnte, dann wäre fie für ihren Teil bereit, eine solche Politik zu befürworten und wenn andere Vundesmitglieder einverstanden sein sollten, sich an ihrer Anwendung zu beteiligen. Auf Grund der Tatsachen ist es der britische» Regierung aber unmöglich dies anzunehmen. Nach unserer Meinung könnte nur eine militärische Aktion heute ein solches Ergebnis erzielen. Ich kann nicht glauben, daß in der heutigen Weltlage eine ,olche militärische Aktion für möglich gehalten werden könnte. In dieser Lage befinden wir uns heute. Die Tatsachen müssen anerkannt werden. In deren Licht kann ich nur mit Bedauern wiederholen, daß unter den bestehenden Umständen die Fortführung der Sanktionen keinen nützlichen Zweck verfolgen kann. Gleichzeitig ist die britische Regierung der Meinung, daß die Versammlung in keiner Weise die italienische Eroberung Abessiniens anerkennen sollte.
Außerdem kann die harte Wirklichkeit, wenn sie auch unsere Ansicht... zu der Fortführung der ergriffenen Maßnahmen bestimmen muß, kerne Abänderung der Meinung über die italienische Aktion, die 50 Völkerbundsmitglieder im vorigen Herbst ausgesprochen haben, in sich schließen.
Die britische Regierung erklärt, daß sie bereit ist, die aus der Bölkerbundssatzung erwachsenen Verpflichtungen aufrechtzuerhalten, wenn eine Lage entstehen sollte, die diese Verpflichtungen bei der Durchführung der Aktion unter Artikel 16 in Krasl gesetzt hätte. Diese Erklärung soll gewisse Besorgnisse zerstreuen die hinchsichtlich der Uebergangsperiode bestehen könnten, «nd es ist beabsichtigt, daß sie nach Ansicht der britischen Regierung nur so lange in Kraft bleiben soll, wie sie den Umständen ange- paßt sein wird.
Eden ging darauf zu Betrachtungen über die Zukunftdes Völkerbundes über. Wenn in diesem Fall der Sieg des Rechts über die Gewalt nicht erreicht worden sei, so dürfe man ein solches Ziel für die Zukunft nicht aufgeben. Mit Bezug aus Leon Blums heutige Ausführungen erklärte Eden, daß seine Regierung in oer Erfüllung der alles überragenden Verpflichtung, die Autorität des Völkerbundes wieder herzustellen, aktir Mitarbeiten werde. Die Erfahrungen der letzten Monate müßten dabei verwertet werden. Das ideale System der kollektive» Sicherheit sei so geartet, daß in thm alle Völker bereit wären, militärisch gegen jeden Angreifer vorzugehen. Wenn diese- Ideal augenblicklich nicht erreicht werden könne, und er sei mii