Iktünmles Nachrichten- «ud Au-eigeu-latt für die OberamtsbezirLe Nagold, Calw, Freudenstadt und Neuenbürg
Gegründet 187/
1877
Tannen
Aus öen
D^„,Pr.: Monatl. d. Post 1.20 einschl. 18 iZ Beförd.-Geb., zuz. 36^ Zustellungsgeb.; d. Ag. > Anzeigenpreis: Die einspaltige Millimeterzeile oder deren Raum S Pfennig, Text» F 1.40 einschl. 20 L Austrägergeb.; Einzeln. 1ü Bei Nichterscheinen der Zeit. ins. höh. Gewalt I Millimeterzeile 15 Pfennig. Bei Wiederholung oder Mengenabschluß Nachlaß nach Preisliste. H Le trieiistör. besteht k ein A nspruch auf Lieferung. Drahtanschrift: Tannenblatt. / Fernruf 321. > Erfüllungsort Aliensteich Gerichtsstand Nagold.
-lummer 15V ^ Altensteig, Mittwoch» den 1. Zuli 1S3K ^ 5 8. Jahrs«,G
S« Nkgus vm der WNerbundsversimmIung
Scharfe llallenlsche Proteste — van Seeland zum nenen Präsidenten gewählt
Rtliregelong der MbMzelt tn Bäckereien
Berlin, 30. Juni. Die Reichsregierung hat am 29. Juni 1930 ein Gesetz über die Arbeitszeit in Bäckereien und Kon -
- ditoreien beschlossen, durch das die Arbeitszeit in diesen Betrieben neu geregelt wird Unter grundsätzlicher Aufrechterhaltung des Nachtbackvsrbotes wird der zulässige Arbeitsbeginn in Bäckereien und Konditoreien, der wie bisher frühestens um 4.30 Uhr morgens lag, um eine halbe Stunde, also auf 4 Uhr, vorverlegt. Der Verkaufsbeginn für Bäcker- und Konditorwaren bleibt auf frühestens 6.30 Uhr morgens festgesetzt. Dadurch wird unter Zurückstellung erheblicher sozialpolitischer Bedenken ein iür die Herstellung einwandfreier Backwaren ausreichender Zeitraum zwischen Arbeits- und Verlaufsbeginn sichergestellt und der bisherige Anlaß für zahlreiche Ilebertretungen des Nachtbackverbotes beseitigt. Bei dieser Ec-
- legenheit konnte gleichzeitig die bisher geltende, mehrfach ge- l änderte und unübersichtlich gewordene Sonderregelung der Arbeitszeit für Bäckereien neu gefaßt werden. Ferner wurden eilige kleine Abänderungen vorgenommen.
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Oberster Gerichtshof ber Mehrmacht
Berlin, 30. Juni. Die Reichsregierung hat laut Reichs- fesetzblattt ein Gesetz beschlossen, durch das auf der Grundlage der Militärstrafgerichtsordnung vom l. Dezember 1989 in ober st er Gerichtshof der Wehrmacht wieder ein- lerickrtet wird.
Der Reichskriegsminister hat die zur Ueberleitung und Durchführung dieses Gesetzes erforderlichen Vorschriften zu erlaffen Er wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Reichsministei der Justiz die geltende Militärstrafgerichtsordnung und andere Ersetze, die mit der Wiedereinführung der Militärgerichtsbarkeit Zusammenhängen, besonders die Vorschriften über die Zuständigkeit des Reichsgerichts und des Volksgerichtshofes in Strafsachen der Wehrmacht, zu ändern, dabei auch einzelne Vorschriften zeit- ' gemäß fortzubilden, Vorschriften zur Ueberleitung laufender Strafsachen aus den obersten Gerichtshof der Wehrmacht zu erlassen usw.
BmiislhaftSMkerkorvS sär die SrbenSburgen
! Berlin, 30. Juni. Der Reichsorganisationsleiter der NSDAP.,
! Dr. Robert Ley, nahm am Dienstag die Ausmusterung des Ve- reitschaftsführerkorps für die drei Ordensburgen der NSDAP, vor, das sich aus je einem Burgkommandanten, vier Bereit- Ichastsführern, zehn Hundertschaftsführern und zwanzig Abtei- ! lungsführern zusammensetzt. Zu den Burgkommandanten hat Dr. Ley bereits die Hauptamtsleiter Gohdes (Crössinsee),
- Manderbach (Vogelfang) und Bauer (Sonthofen) be- ^ stimmt. Zur Ausmusterung für die übrigen 102 Führerstellungen
auf den drei Burgen waren 358 Parteigenoffen aus dem ganzen Reich mit den 32 Eaupersonalamtsleitern, die die Vorauslese getroffen hatten, angetreten.
Vor Beginn der eigentlichen Ausmusterung sprach Dr. Ley über die Grundsätze der Ordenserziehuna durch die Burgen der
- NSDAP. Er betonte, daß die weltanschauliche Linie der Erziehung auf den Ordensburgen durch solche Parteigenoffen gewährleistet sein müsse, die schon für die Bewegung an führender Ctelle ihre Zuverlässigkeit bewiesen hätten. Diese 35 Mann bil-
! beten auf jeder Burg das Bereitschaftsführerkorps, das die 1000 Männer der Ordensburg geistig und weltanschaulich zu betreuen und sportlich zu ertüchtigen habe. Nach drei bezw. sechs Jahren würden die Bereitschaftsführer durch Männer aus der Belegschaft heraus ausgewechselt und hiervon wieder in den Frontdienst der Partei zurück. Bis zum 1. Mai nächsten Jahres werde °»f diese Weise ein Führerstamm auf den Ordensburgen heran- gebildet, der nach einer eingehenden Ausbildung auf der Burg Vogelsang dann auf allen drei Ordensburgen verteilt werde. Die meisten der Erwählten waren etwa 30 bis 35 Jahre alt und bekleideten in der Bewegung die Aemter eines Kreisleiters, mittleren SA.-Führers und Schulung?!
Reue LimdMiirgs»l>ftS>AliMiW
Berlin, 30. Juni. Zur Beschleunigung des Verfahrens für die llebernahme von Reichsbürgschaften für den Kleinwohnungsbau hatte der Reicks- und preußische Arbcitsminister im Frühjahr 1935 vier Landesbürgschafts-Ausschüsse für den Eebietsbereich der Länder Bayern. Sachsen, Württemberg und Badenerrichtet. Da die Arbeit dieser Ausschüsse sehr erfolgreich gewesen ist. werden nunmehr zwei weitere Landesbürgschafts-Ausschüsse in Norddeutschland gebildet. Für die Entscheidung über Anträge, die aus dem Gebiete des Regierungsbezirks Sigmaringen stammen, ist künftig der Landesbürgschafts-Ausschutz in Stuttgart zuständig. Die Entscheidungsbefugnisse der Landesbürgschafts- Ausschüsse sind gleichzeitig dahin erweitert worden, daß künftig Bürgschaften für Bauvorhaben bis zu vier Wohnungen oder bis zu zehn Einfamilienhäusern (bisher vier) übernommen werden dürfen.
Gens» 30. Juni. Der 2. Tagungsabschnitt der 16. Völkerbundsoersammlung wurde Dienstag nachmittag unter dem Vorsitz des englischen Außenminister Eden in seiner Eigenschaft als Rats- präsident und Vizepräsident der Versammlung eröffnet. Die Sitzung begann mit der Verlesung des Schreibens, in dem der bisherige Präsident, der teschechoslowakische Staatspräsident Dr. Venesch, sein Amt niederlegte.
Während der Verlesung betrat der Negus Haile Sela s s i e, an der Spitze einer zahlreichen schwarz gekleideten Abordnung, den Saal.
Eden sprach Dr. Benesch den Dank der Versammlung für seine Tätigkeit aus. Die Versammlung beschloß, ein Telegramm in diesem Sinne an den ihren ehemaligen Präsidenten zu richten.
Hierauf wurde der Bericht des Ausschußes zur Prüfung der Vollmachten der Delegierten angenommen, aus dem heroorging, daß Paraguay, El Salvador und Euatemalakeins Abordnung entsandt haben. Hinsichtlich der Delegierteneigenschaft des Negus hatte sich der Ausschuß jeder Stellungnahme enthalten, da eine solche seine Zuständigkeit überschritten haben würde.
Die Versammlung wählte darauf den belgischen Ministerpräsidenten van Zeeland zum neuen Präsidenten
Präsident van Zeeland verlas nach seiner Ansprache di-. Denkschrift der italienische» Regierung, sie legt nach einem Rückblick auf die am 18. April 1936 vom Bölkerbundsrat als endgültig gescheitert erklärten Friedensbemühungen und «ach einer Schilderung des in Abessinien angetroffenen Zustandes der Barbarei und der freiwilligen Unterwerfung der Bevölkerung unk ihrer Stammeshäuptlings dis großen Linien des von der italienischen Regierung unternommenen Aufbauwerkes in Abessinien dar. Dieses Werk betrachtet die italienische Negierung al- eine heilige Kulturmiffion, die sie gemäß den Grundsätzen de- Völkerbundspaktes und anderer internationaler Verträge, die die Aufgaben der Kulturnationen festgesetzt haben, auszuüber gedenke. Es werde der italienischen Regierung zur Ehre gereichen, den Völkerbund von den Fortschritten ihrer Zivilisationstätigkeit, deren schwere Verantwortung sie auf sich genommer habe, zu unterrichten.
Zum Schluß weist die italienische Regierung auf die Notwendigkeit einer geeigneten Völkerbundsreform bin, ar deren Verwirklichung sie mitzuarbeiten bereit sei. Sie habe keine vorgefaßte Meinung über die Form, die die internationalen Verträge zu diesem Zweck anzunehmen hätten. Sie sei sich der Rolle und der Verantwortung bewußt, die ihr bei der Lösung dieser Probleme, von der die Zukunft der Völker abhänge, zukomme. Jedoch könne die italienische Regierung nicht umhin, auf die anormale Lage hinzuweisen, in die Italien versetzt worden sei, ebenso wie auf die Notwendigkeit, unverzüglich die Hindernisse zu beseitigen, die die Verwirklichung des Werkes dei internationalen Zusammenarbeit, an dem Italien aufrichtig int Sinne der Aufrechterhaltung des Friedens mitzuarbeitsn wünsche, behindert haben und noch behindern.
Rach Verlesung der italienischen Denkschrift sprach der argentinische Vertreter Rurz Euinazu, um den Antrag seiner Regierung auf Einberufung der Versammlung nock einmal zu begründen. Dieses Vorgehen sei der Auffassung vo-i der Gleichheit aller Staaten entsprungen, die ein Gemeingut aller amerikanischen Republiken darstelle. Der Grundsatz der Achtung der gebietsmäßigen Unversehrtheil der Staaten sei seit 1926 von allen amerikanischen Kongreßen verfochten worden. Wenn der Völkerbund seinen universellen Charakter bewahren wolle, müsse er sich unbeschadet dei jeweiligen besonderen Umstände auch zu diesen Grundsätzen bekennen. Wenn sich hingegen die Art, wie der Pakt angewendel werde, nicht mit diesen amerikanischen Grundsätzen vereinbarer lasse, so müsse sich die argentinische Regierung überlegen, ob si, weiterhin mit dem Völkerbund zusammenarbeiten könne.
Nach dieser argentinischen Erklärung, die als Antrag aus Nichtanerkennung der Annexion Abessiniens angekündigt worden war, bestieg
der Negus
unter- dem Licht der Scheinwerfer die Tribüne, um eine Erklärung in amharischer Sprache abzugeben.
Bei dem ersten Wort ertönte ein alles übertöncndes Gepfeife aus den Reihen der italienischen Jour- »allsten. Sie wurden innerhalb weniger Minuten von einem starken Polizeiaufgebot abgeführt, während die weiten Delegierten klatschten
Ser Regus spricht
Die fast einstündige Rede des Negus, die mit ihren Uebeksetzungen ins Französische und Englische zum größten Teil -die Dienstagfitzung der Völkerbundssitzung ausfüllte, wurde in amharischer Sprache gehalten, denn, so sagt« Halle Selassie,
wenn ich amharisch spreche, kann ich meine Gedanken klarer zum Ausdruck bringen.
Haile Selassie wurde übrigens vom Präsidenten der Versammlung folgendermaßen das Wort erteilt: „Der nächste Redner ist Seine Majestät, der Negus Haile Selassie. Ich erteile dem Hauptdelegierten von Abessinien das Wort."
Der Negus erklärte einleitend, daß er, Haile Selassie, Kaiser von Abessinien, heute hier stehe, um die seinem Voll geschuldete Gerechtigkeit und den Beistand zu fordern, der ihm vor acht Monaten von 5V Nationen versprochen worden sei. Noch nie habe ein Staatsoberhaupt vor der Völlerbundsversammlung das Wort genommen. Aber noch nie sei auch ein Voll das Opfer einer solchen Ungerechtigkeit gewesen wie das abessinische, dem nun die Auslieferung an seinen Angreifer droht. Um ein Voll zu verteidigen, das um seine jahrlausende lange Unabhängigkeit kämpfe, sei er nach Genf gekommen, nachdem er selbst an der Spitze seiner Armee kämpfte. Der Negus schilderte hierauf die Schrecken des Gaskrieges, unter dem sein Land zu leiden gehabt habe und ging auf die Vorgeschichte des Krieges und die Art seiner Behandlung durch den Völkerbund ausführlich ein.
Er gab seiner Erbitterung darüber Ausdruck, daß er in seinem Vertrauen auf die wirksame Hilfe des Völkerbundes, das ihn veranlaßt habe, vorteilhafte Angebote der italienischen Regierung abzulehnen, enttäuscht worden sei. Die abessinische Regierung habe nie erwartet» daß andere Völker, deren eigene Interessen nicht unmittelbar auf dem Spiele standen, das Blut ihrer Soldaten vergießen sollten. Die abessinischen Krieger hätten nur Verteidigungsmittel verlangt. Aber die wiederholt geforderte Finanzhilfe für den Ankauf von Waffen sei Abessinien ständig verweigert und der Gebrauch der Eisenbahn Djibuti— Addis Abeba für Waffentransporte praktisch unmöglich gemacht worden. Heute bestehe nicht die Unmöglichkeit, sondern die Weigerung, den Angreifer aufzuhalten. Im Namen Abessiniens verlange er von der Versammlung, „alle Maßnahmen zu treffen, um dem Pakt Geltung zu verschaffen."
Der Negus fuhr dann fort: „Ich erkläre vor der Welt, daß der Kaiser, die Regierung und das abessinische Volk sich nicht vor der Gewalt beugen werden, daß sie ihre Forderungen aufrechterhalten und alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel gebrauchen werden, um den Sieg des Rechts und des Paktes durchzusetzen."
„Vertreter der Welt", so schloß der Negus, „ich bin nach Genf gekommen, um vor Ihnen die peinlichste der Pflichten eines Staatsoberhauptes zu erfüllen. Welche Antwort soll ich meinem Volk übermitteln?"
Nach Schluß des leidenschaftlichen Appells an den Völkerbund wurden dem Negus von den Galeriebesuchern begeisterte Ovationen dargebrarcht. Auch als der Negus ein- gehiillt in seinen einfachen schwarzen klm Hang den Völkerbundspalast verließ, war er der Mittelpunkt einer großen Volksmenge, die ihn mit brausenden Hochrufen begrüßte. Wohl das größte Aufsehen hat die Stelle in der Rede des Negus unter den Völ- kerbundsdelegierten erregt, in der er Frankreich, ohne den Namen Frankreichs allerdings zu nennen, der Mitschuld an der Niederlage Abessiniens bezichtigte. Er erklärte dann, daß eine „gewisse Macht mit dem habgierigen Italien im Januar 1935 ein Geheimabkommen geschlossen Habe", womit nur Frankreich gemeint sein kann, das durch seinen Unterhändler Laval in Rom ein Abkommen mit Mussolini aushandelte. Kurz nach Beendigung der Negusrede vertagte sich die Plenarversammlung um 20.30 Uhr abends aus morgen vormittag 10.30 Uhr.
In Völkerbundskreisen wurde nach der Vertagung der Sitzung außer der Negusrede auch das italienische Memorandum viel besprochen. Besonderes Aussehen erregte der Passus, aus dem hervorgeht, daß Italien zweimal mit abessinischen Abgesandten in Eeheimoerhandl ungen über eine Beilegung des Konflikts und eine Beendigung des Krieges eingetreten ist. Diese Verhandlungen sind im Memorandum als „vertrauliche Kontakte" bezeichnet, die zwischen Delegierten der beiden Parteien in Athen und in Dschibuti stattgefunden haben. Das Memorandum unterstreicht noch einmal ganz entschieden, daß Italien entschlossen sei, seine „geheiligte Zivilisationsmission in Aethiopien auf der Grundlage eines freiwilligen Völkerbundsmandats' durchzuführen."
Mussolini erwägt Austritt
Genf, 30. Juni. Wie aus best informierter nichtamtlicher Quelle verlautet, hat die Tatsache, daß derNegusdasWort ergriffen hat, Mussolini veranlaßt, ernstlich den Austritt Italiens aus dem Völkerbund ins Auge zu fassen. Der italienische Regierungschef ist telegraphisch über die Hauptpunkte der Negus- Rede informiert worden und soll, wie verlautet, besonders ungehalten über die ungerechten Angriffe sein, die der Negus nach italienischer Auffassung gegen die italienische Armee gerichtet hat.