Nr. 4L (Zweites Blatt.)

Samstag, den 20. Februar ISIS.

Aus Württemberg.

Bußtag.

Zum Landesbutztag bringt dieEv. Landestorrespon- dcnz" folgende bemerkenswerte Mahnworte:

Es war im August 1914. Die Mobilmachung war vor­über. Unsere Heere standen im ersten schweren Kampf. Die Eisenbahnzüge verkehrten wieder und schlichen langsam von Mahnhof zu Bahnhof. Unter den Reisenden in einem dieser Züge herrschte eine gehobene Stimmung. Man freute sich der ersten großen Siege mit lauten Worten.Aber die Verluste!" warf jemand dazwischen. Da wurde es still. Bis ein altehr- würdiger Bauer in weißem Haar von der Ulmer Alb das Schweigen brach:Es hat etwas kommen müssen; so konnte es nicht weiter gehen!" Und der Bubprediger im Bauern­kleid fand aufmerksame Zuhörer.

Es kam der ganze furchtbare Ernst des Weltkrieges. Es kamen die Siegesbotschaften und die Verlustlisten. Es mehrten sich die Einberufungen und die Trauerkleider. Von Dorf zu Dorf, von Straße zu Straße, manchmal von Haus zu Haus schritt der Engel des Todes. In mancher Familie ist er zwei- und dreimal eingekehrt. Was ist denn nun anders geworden? Im Sturm der Mobilmachungstage schien von der Straße aus der Öffentlichkeit manches hinweggefegt, was sonst uns zur Schande und zum Schaden war. Die Ver- gnügungslokale verlaßen und öde. Und als sie sich wieder öffneten, hatte der Ernst der Zeit, die Stimmung der Men­schen auch ihnen den Stempel aufgedrückt. Und wir selbst? Waren wir nicht selbst anders geworden, herausgerissen aus Kleinlichkeiten und Stumpfsinn, erfüllt mit ernstem Willen und erschüttert von der Gefahr und Not unseres Volkes. Es waren denn doch nicht nur hochgehende Wogen der Vater­landsliebe, die uns erfaßt hatten und die schnell wieder zu- rückebbten. Es war heiliges Feuer der Begeisterung.

Oder doch nur Strohfeuer? Sind nicht viele, viele eben doch von der Höhe der ersten Liebe herabgesunken zu einem widerwilligen, maßleidigen Tragen der schweren Kriegslast? Gibt es nicht viele verdrossene Gesichter, die sich in eine Schmälerung der Mehl- und Brotration, in eine Aenderung der Lebensweise nur ungern schicken? Und sind nicht die alten, verzagten, bösen Geister rasch wiedergekehrt? Trunksucht und Unzucht diese beiden Feinde des deutschen Volkslebens erheben schon wieder ihr Haupt und fordern ihre Opfer. Sind wir zu schwach, ihnen zu wehren? Nebeneinander konnte man in manchen Zeitungen in der einen Spalte To­desnachricht auf Todesnachricht, in der anderen die Theater­anzeige:Hoheit tanzt Walzer" lesen, Traueranzeigen un­serer gefallenen Helden und daneben:Das neue Vergnü­gungsprogramm für die Woche!" Was Wunder, daß tiefer angelegte, vom Ernst des Kampfes draußen erfüllte Solda­ten und Offiziere ein Zorn und ein Ekel erfaßt, daß sie es daheim nicht aushalten, sondern in die reinere Luft der ge­fahrvollen Front sich zurücksehnen! Und andere kommen um die tiefen Eindrücke in der beständigen Todesgefahr vor dem Feind, ihre seelischen Erlebnisse verflüchigen sich sehr rasch in der Heimat, und wieder anderen wird der Aufenthalt in der Heimat zu Versuchung und Verderben.

Das sind schwere Anklagen. Nicht als ob nicht auch viel Gutes unter uns lebendig wäre, das der Krieg geweckt hat und weckt. Aber wir haben uns von den Erbärmlich­keiten unserer Feinde so sehr in Anspruch nehmen lassen, daß wir kaum mehr Augen hatten für unsere eigenen Fehler auf vielen Gebieten. Dazu ist der Bußtag da, die eigenen Fehler und Sünden zu schauen. Gott helfe uns, darnach zu handeln und zur erneuernden Kraft der ersten Liebe, des ersten Feuers zurückzukehren!

Allgemeiner Landesbutztag.

ep. Für die Feier des allgemeinen Landesbuß­tags am Sonntag. 21. Februar, find vom Evang. Konsistorium als Predigttexte folgende Schrtftftellen bestimmt worden:

1. Für die Vormittagspredigt Mich. 7, 7., 9.: Ich aber will auf den Herrn schauen und des Gottes meines Heils warten; mein Gott wird mich hören. Ich will des Herrn Zorn tragen, denn ich habe wider ihn gesündigt; bis er meine Sache ausführe und mir Recht schaffe; er wird mich ans Licht bringen, daß ich meine Lust an seiner Gnade sebe.

2. Für die Nachmittagspredigt 1 Petr. 3,14.. 15.: Fürchtet euch vor ihrem Trotzen nicht; heiliget aber Gott den Herrn in euren Herzen.

Landsturmmarms letzter Garrg.

Eechingen, 19. Febr. Aus Gent wird uns geschrieben: Feiner Regen rieselt nieder. Die zahlreichen, prächtigen, Kirchtürme Gents, altehrwürdige Zeugen der einst meer- , beherrschenden Stadt, grüßen ernst und trutzig über das weit- ! gedehnte Stadtbild hin und das Leben beginnt in den ersten > Vormittagstunden durch die Straßen und über die Plätze j und Brücken der Kanäle zu fluten. Der Friedhof draußen «am Weichbild der Stadt, flankiert vom Kanal nach Brügge, ^ ist heute das Ziel unserer Wanderung. Wir stehen vor deni I schönen, säulengetragenen Friedhofportal, dessen Architektur ^ ergreifend zum Herzen spricht. Aus dem Hintergrund der j weiten, vielfach mit Pappeln bestandenen Ebene erhebt sich j rückwärts des Friedhofes eine Windmühle, deren Flügel , gespenstisch in die Landschaft hineinragen. Ein Stimmungs­bild, so recht wie zum Abschiednehmen. In der Tat, ein ! schwerer Abschied ist es auch, den das Landsturm-Jnfanterie- j bataillon Calw in der heutigen 10. Morgenstunde von einem j lieben Kameraden Jakob Wagner aus Gechingen nimmt, welcher einem tückischen Darmleiden fern von der Heimat erlegen ist, zu deren Schutz auch er frohgemut hin­ausgezogen war. Zur Beerdigung waren erschienen der Ba- j taillonskommandeur Oberstleutnant v. Sonntag, sowie die Herren Kompagnieführer und Offizicrstellvertreter. Die einzelnen Kompagnien hatten Abordnungen von Mannschaf­ten entsandt und die Trauerparade stellte eine Abteilung der 4. Kompagnie, welcher der Entschlafene angehörte. Unter den Klängen eines von dem Musikkorps des Landsturm­bataillons Essen gespielten Chorals, unterbrochen von dum­pfem Trommelwirbel, wurde der Sarg an das Grab ge­tragen. Nach einem einleitenden Gebet verlas der Feldgeist­liche den Abschiedsbrief, welchen der Verstorbene noch kurz vor seinem Tode an seine Angehörigen geschrieben hatte. Dieser Brief offenbart Jakob Wagner als solch' reifen Men­schen und Christen, daß der Geistliche den Entschlafenen mit vollem Recht als den Besten einer, welcher dem Bataillon zugehörte, bezeichnen konnte. Kein Auge blieb tränenleer. Nachdem der Sarg unter den Klängen eines Chorals ver­senkt worden war, krachten 3 Salven über das offene Grab. Dann wurden mit warmherzigen Worten Kränze in den württembcrgischen Landesfarben niedergelegt von Oberst­leutnant v. Sonntag namens des Bataillons, von Haupt- mann RLdinger namens der 4. Kompagnie und von dem Landsturmmann Wilhelm Schäfer aus Calw namens der Kameraden. Nach einem gemeinschaftlich gesungenen Choral intonierte das Musikkorps das Lied:Ich halt' einen Kame­raden", womit die erhebende Trauerfeier ihren Abschluß fand. Neben deutschen Kameraden hat Jakob Wagner seine letzte Ruhestätte gefunden. W. Vöhringer.

Zur Frühjohrsfaatbestellung.

Auf eine Anfrage des Landtagsabgeordneten Sommer wegen Entlassung von Landsturmleuten zur Frühjahrssaatbestellung hat der Kriegsminister in Aussicht gestellt, der Landwirtschaft zur Besorgung der Frühjahrssaat so weit als möglich Mannschaften, jedoch nicht solche von der Front weg, zur Verfügung zu stellen. Die Beurlaubungen werden vermutlich Mitte April auf 8 bis 12 Tage erteilt werden.

(S.C.V.) Tübingen. 13. Febr. Im laufenden Winterhalbjahr sind an der hiesigen Universität 2066 Studierende, unter diesen 54 weibliche, einge­schrieben, gegenüber dem Vorjahr ein Mehr von 169. Davon studieren evangelische Theologie 516, katho­lische Theologie 163, Rechtswissenschaft 286, Medizin 435, Zahnheilkunde 31, Philosophie, Philologie und Geschichte 271, Kameralwissenschaft 96, Forstwissen­schaft 36, Mathematik und Naturwissenschaften 209, Pharmazie 13. Da jedoch im Heeres- bezw. Sani­tätsdienst 150V Studenten stehen, so beträgt die Zahl der Besucher der Universität 556, wozu noch 58 Nicht- immatrikulierte zum Besuch von Vorlesungen er­mächtigte Personen kommen, sodaß die Gesamtzahl der Teilnehmer am Universitätsunterreicht 614 be­trägt. Württembergs! sind es 1260, Nichtwürttem- berger 796 Eingeschriebene. Von den 796 Nichtwürt- tembergern gehören 17 außerdeutschen Staaten an, nämlich 4 der Schweiz, je 3 Oesterreich-Ungarn und der Türkei, je 2 den Vereinigten Staaten von Nord­amerika und Peru, je 1 Griechenland, Chile und Niederländisch Indien.

Die französische Kutturnalion.

Schändliche Mißhandlung der Deutschen ! in Westafrika.

! Berlin, 18. Febr. Die Berliner Morgenblätter j veröffentlichen unter Berufung darauf, daß Staats- j sekretär Dr. Solf schon kürzlich einem Vertreter der !Stampa" gegenüber darauf hingewiesen habe, in ! welch niederträchtiger Weise der Kolonialkrieg von ! unseren verbündeten Feinden geführt wird, auf ' Grund seitdem eingetroffenen Materials nachstehende ! Mitteilungen Wer die Mißhandlung der Deutschen ^ in Westafrika durch die Franzosen: j Das bisherige Auftreten unserer Feinde wäh- i rend des Krieges an der afrikanischen Westküste wird ! in der Kulturgeschichte der europäischen Völker in i Afrika für immer einen Schandfleck bilden. Wenn - sich schon England und Frankreich in der Erniedrig- ! ung des Ansehens und der Vernichtung des Bermö- ! gens und der Gesundheit der Deutschen in den dor- ! tigen Besitzungen bisher in empörendster Weise ge- , genseitig überboten haben, so hat doch schließlich die , englische Regierung die deutschen Kriegsgefangenen , aus Westafrika in ein europäisches Klima und in ! Verhältnisse übergeführt, die sich für die Gefangenen mit der Zeit mehr und mehr erträglich gestalten kön­nen. Frankreich aber läßt noch heute eine große An­zahl soweit hier bekannt etwa 200 Deutsche aus Kamerun und Togo in seiner Kolonie Dahomey un­ter schimpflichster und gesundheitswidrigster Behand­lung als Kriegsgefangene schmachten. Schon bei Ab­führung der gefangenen Deutschen von Kamina im i Innern Togos nach der Küste hatten sich unerhörte ? Vorfälle abgespielt. So mußten die Gefangenen ihr Gepäck selbst tragen oder es sogar auf einem großen Lastwagen ziehen, begleitet von schwarzen Soldaten mit aufgepflanztem Seitengewehr und von diesen mit Gewehrkolben angetrieben. Mit geringen Aus­nahmen (in dem von den Engländern besetzten Teil Togos) wurden sämtliche Deutsche aus Togo, darun­ter auch Frauen und Kinder, als Kriegsgefangene nach Cotonou (Dahomey) gebracht. Ganz besonders fordern die empörenden Vorgänge Protest heraus, die bei der Besetzung Dualas die deutschen Männer und Frauen über sich haben ergehen lassen müssen; die vereinigten Feinde legten es durch ihre Haltung und Anordnungen geradezu darauf an, die Deutschen vor den farbigen Soldaten und den Eingeborenen aufs tiefste zu erniedrigen. Die Gefangenen waren den Beschimpfungen und Mißhandlungen der Schwar­zen schutzlos preisgegeben. Vor der Teilnahme an der Plünderung durch schwarze Soldaten scheuten auch einzelne englische und französische Offiziere und Unteroffiziere nicht zurück.

Ueber die Aufnahme und Lage unserer in Da­homey weilenden Landsleute sind im Laufe der letz­ten Monate zahlreiche Nachrichten unabhängig von einander hier eingegangen. In allen wesentlichen Punkten stimmen die Mitteilungen derart überein, daß leider an ihrer Richtigkeit kaum ein Zweifel be­steht. Hiernach sind die Männer aus verschiedene Ver­waltungsstationen der Kolonie, zum Teil ins Hin­terland, gebracht worden. Einzelne von ihnen wur­den in Sav6, am Ende der Bahn Cotonou-Save, untergebracht, andere in Gaya am Niger, etwa 700 Kilometer von der Küste entfernt. Den Tag über müssen die Gefangenen 7 Stunden lang in der heiße» Tropensonne bei sehr kläglicher Kost schwere körper­liche Arbeit verrichten: im besonderen sollen sie un­ter Aufsicht schwarzer Soldaten zum Wegebau Ver­wendung finden und hierbei auch unter Mißhandlung ihrer Wächter zu leiden haben. Mancherorts wird ihnen als Nachtlager nur eine dünne Strohmatte gewährt. Dazu mangelt es den Gefangenen an der nötigen Kleidung und Wäsche. Auch der fiir den Europäer unbedingt erforderliche Schutz des Kopfes durch Tropenhelme fehlt. Nach dem Bericht eines