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Altensteig, Mittwoch» den 13. November 1935

Stößt Man vor?

Große Nervosität zwischen Peiping und Schanghai Ab­lösung der fünf chinesischen Nordprovinzen? Englisch­japanische Reibereien

Die Welt wird gut tun, ihre Aufmerksamkeit nicht ganz an Abessinien zu verschwenden. Es begeben sich im Fer­nen Osten Dinge, die für die Machtverteilung auf der Erde nicht minder bedeutsam sind, als das, was zur Zeit in Ostafrika geschieht und im Mittelmeer vielleicht bevor­steht.

Daß Japan das chinesische Reich als sein Einflußgeb- i auf dem asiatischen Festlande ansieht, weiß man seit langem. Die Portion ist zu groß, als daß sie auf einmal bewältig! werden könnte. Mandschukuo war der erste Bissen Die Ver- dauungspause, die man danach wohl oder übel einlegen mußte, scheint jetzt zu Ende zu sein. Schon seit Monaten ist ein Geplänkel um die fünf chinesischen Nordpro- vinzen, die an Mandschukuo angrenzen, im Gange. Da- Programm, das in solchen Fällen üblich ist, hat sich prompt abgewickelt:Zwischenfälle", an denen natürlich derjenige der Ansprüche erhebt, niemals schuld ist, militärische Demom strationen.Polizeiaktionen" der Truppen, diplomatisch, Verhandlungen in mehr oder weniger ultimativer Form schließlichEntmilitarisierung" der strittigen Zone durch ihren eigentlichen Besitzer und damit freie Bahn für den an den Toren wartenden Eroberer. Daß die Bevölkerung aus solche Politik nicht gerade in freundschaftlichem Sinne rea­giert, daß sie sine feindselige Stimmung gegen die Macht entwickelt, von der die Bedrohung ausgeht, ist nur zu be­greiflich. Aber das gibt ihr nur Anlaß zu neuen Forderun­gen

An diesem Punkte sind die japanisch-chinesischen Beziehun­gen zur Zeit gerade angelangt. Japan sieht die europäischen Mächte im Fernen Westen so stark beschäftigt, daß es den zweitenBissen seiner chinesischen Mahlzeit jetzt glaubt verspeisen zu können. Dazu muß zunächst der letzte Rest chi- nesiscker Berwaltungshoheit in den begehrten fünf Nord­provinzen beseitigt werden. Also verlangte man Abberufung hes in Peking noch sitzenden sogenanntenMilitärischen Rats". Gleichzeitig machte sich in diesen Gebieten eine se­paratistische Bewegung bemerkbar, die ganz bestimmt nicht auf chinesischem Äcker gewachsen war. Man nennt in Ost­asien auch ganz offen den Mann, der sie organisiert hat: es ist der japanische Generalmajor Kenji Doihara, der Leiter des japanischen Geheimdienstes auf dem Festland. Er hat seinerzeit schon den politischen Abfall der Mandschurei vor­bereiter und er ist jetzt mit ähnlichen Methoden in den Nordprovinzen an der Arbeit.

Wie stark diese Vorgänge die chinesischen Patrioten berüh­ren, hat das Attentat gezeigt, das kürzlich auf den Minister­präsidenten der Nankingregierung verübt wurde. Es ist reichlich unklar, ob es tatsächlich ein kommunistische! Mordanschlag war. Die größere Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß der Täter, ein Mitglied der Kuomintang, der chinesischen Freiheitsbewegung, seiner Enttäuschung über die den japanischen Forderungen allzu nachgiebige Haltung der Nankingregierung Ausdruck geben wollte. Der Anschlag wurde verübt in dem Augenblck, als neue schwerwiegende Entscheidungen zu fällen waren.

Noch ist nicht genügend geklärt, was innerhalb der Kuo­mintang und des Kabinetts von Nanking inzwischen vor­gegangen ist. Fest stehen aber die folgenden Tatsachen: Nan­king hat sich plötzlich mit der Verordnung, durch die die chi­nesische Währung vom Silber losgelöst und an das Pfund Sterling angehängt wird, unter gleichzeitiger Einziehung aller Silberbestände des Landes wirtschaftspolitisch von Japan abgewandt. Hinter der "Aktion steht das Angebot einer britischen Anleihe an China in Höhe von 250 Millionen Dollar. Das versteht man in Tokio jo, daß Nanking, um der japanischen Umklammerung zu entgehen, Anlehnung an London sucht, und man vermutet, daß Sir Frederick Leith-Roß, der englische Finanzminister, der eben in Nanking war, der Anreger des neuen volitischen Kurses ist. Die japanische Regierung ist völlig überrascht worden und protestiert jetzt vor allem gegen die Anleihe, die ihrer Meinung nach den Wiederaufbau Chinasaus eigener Kraft" unmöglich mache. Man wünscht, daß China diese Kraft" aus Tokio beziehe.

Nun hat sich in den letzten Tagen die Lage dadurch kom­pliziert, daß, in einiger Entfernung von dem nordchinesi- fchen Streitobjekt, in Schanghai, einZwischenfall" ge­schehen ist, der auch wieder Japan auf den Plan rief Ein japanischer Marinesoldat ist von einem unbekannten Täter erschossen worden. Darauf Abordnung japanischer Flotten­einheiten nach Schanghai und ein japanisches Ultimatum an die zuständige chinesische Behörde, das besagt, daß Japan ^lbst eingreifen würde, wenn man den Mörder nicht aus­findig mache. Eine Truppenabteilung ist bereits gelandet und hat die nach den Vorgängen von 1032 neutralisierte Zone um Schanghai besetzt. Es sind also alle Voraussetzun­

gen dafür. geschaffen, oag neue nerwmmngen entstehen können. Ein Streit um die Ratssitze derInternationalen Niederlassung" in Schanghai verschärft noch die japanisch­britische Spannung, die durch die Anleihefrage akut gewor­den ist.

Auf jeden Fall scheint Japan in Schanghai auf eine Ge­waltlösung zuzusteuern. Es hat bekanntlich schon im Jahre 1932 versucht, sich der Stadt zu bemächtigen. Vorwand war damals eine antijapanische Boykoitbewegung in der chinesi­schen Bevölkerung. Es ist zu heftigen Kämpfen zwischen chi­nesischen und japanischen Truppen gekommen und nur der Einspruch der europäischen Mächte, vor allem Englands, hat die Japaner damals daran gehindert, ihr Ziel zu errei­chen. An die seiner Zeit getroffene Vereinbarung einer neu­tralisierten Zone, die neue Zusammenstöße verhindern

sollte, hält sich Tokio in diesem Augenblick nicht mehr ge­bunden. Es hat starke Patrouillen in Liesen Gebietsstrsifen vorgeschickt.

Auf jeden Fall deutet alles darauf hin, daß eine Ent- ; scheidung in der chinesischen Frage jetzt versucht werden soll, i Auch Nanking ist sich darüber klar. Man meldet sogar, daß ! in der entmilitarisierten Nordzons wieder chinesische Truppen Z aufgetaucht seien, die die Aufgabe hätten, den Abfall der z fünf Provinzen zu verhüten. Die Vorgänge m Schanghai ! zeigen aber deutlich, daß es sich bei den weiteren Ereignissen c sicht um eine rein chinesisch-japanische Auseinanderietzuna i handeln wird, sondern daß die europäischen Mächte, die im i -Fernen Osten interessiert sind, unmittelbar berührt werden, j Uno das in einem Zeitpunkt, in dem sie in Europa um einen ' großen Einsatz würfeln.

NalikiMk Mlkstnole SM» die Smittlima

Nom, 12. Nov. Die italienische Regierung hat an die Sank- ionsitaaten eine Protestnote gerichtet, in derstärkster und enl- chiedenster Protest gegen die Schwere und die Un­gerechtigkeit" der Sühnemaßnahmen erhoben wird

Die italienische Regierung wendet ein, daß 1. die Gründe der italienischen Denkschrift keiner entsprechenden Prüfung unter­lagen wurden und 2. daß der Völkerbundspakt nicht in seinen »er gegenwärtigen Lage entsprechenden Bestimmungen angewen- »et worden ist.

Die nach der letzten Völkerbundsversammlung eingetreter.e Lage, fährt die Note fort, habe den italienischen Gründen und >en Protesten Italiens bedeutungsvolle Bestätigung gebracht. Oie Bevölkerung Abessiniens sei zahlreich gekommen, am sich unter den Schutz Italiens zu stellen. Die italienische Regierung habe die Sklaverei in den besetzten Gebieten auf- zehoben und 16 000 Sklaven die Freiheit gegeben. Sie sie von der Regierung in Addis Abeba vergeblich erwartet hatten. Die be­ireite Bevölkerung sehe in Italien die Macht, die das Recht und sie Fähigkeit habe, jenen hohen Schutz zu entfalten, Len der Lölkerbundspakt in Artikel 22 als eine Mission der Zivilisation rnerkenne. Solchen seit den Genfer Entscheidungen eingetrete- aen Ereignissen müßte der Völkerbund Rechnung tragen und daraus die notwendigen Konsequenzen ziehen.

Die Note bestreitet dann die Zuständigkeit des S ch I i cht u n g s a u s s chu s s e s. der die Sanktionen beschlossen habe, und wendet sich dann mit aller Schärfe gegen das Waffenausfuhrverbot nach Italien und die Auf­hebung des gleichen Verbots zugunsten Abessiniens. Ein« solche Maßnahme, heißt es in der Note, sei weit davon entfernt, die Be­endigung des Konflikts zu erleichtern: sie nähre nur seine Schwie­rigkeiten und drohe seine Dauer zu verlängern, ^

Die italienische Regierung wendet sich in der Protestnote wei­ter gegen die zahlreichen Maßnahmen von wirtschaftlichem und finanziellem Charakter, die gegen Italien er­griffen wurden. Solche Sanktionen würden zum erstenmal gegen Italien angewendet werden unter Umständen, die die italie­nische Regierung und das italienische Volk als ungerecht und willkürlich empfinde, und gegen die die Regierung stärkste Ver­wahrung einlegen müsse. Die Note weist auf die Folgen.dieser Maßnahmen für die gesamte Weltwirtschaft hin und fährt dann fort:

Niemand wird das Recht und die Notwendigkeit bestreiten können, die eigene Existenz des italienischen Volkes zu verteidi­gen und zu sichern. Die italienische Regierung wird daher ver­pflichtet sein, Maßnahmen von wirtschaftlichem und finanziellem.Charakter zu ergreifen. Die Unterbindung des ganzen italienischen Exportes ist mehr als eine wirtschaftliche Maßnahme, sie ist ein wahrer Akt der Feind­schaft, der die unvermeidlichen Gegenmaßnahmen Italiens voll rechtfertigt.

Die Sanktionen und Gegen sanktionen, so wird weiter betont, würden schließlich die schwersten moralischen und psychologischen Folgen nach sich ziehen, indem sie eine Verwir­rung der Geister beschwören, die viel länger dauern könne als die Folgen der Sanktionen selbst. Italien hat sich bisher von der Genfer Institution nicht lösen wollen, un­geachtet seiner Gegnerschaft gegen das Vorgehen, das zum Scha­den Italiens unternommen wurde; denn Italien wünscht zu vermeiden, daß dieser Konflikt noch zu schwierigeren Kompli­kationen führt. Im übrigen hat die italienische Regierung ihrer­seits unterdessen alle Dispositionen getroffen, um zu verhindern, daß sich aus der gegenwärtigen Lage noch neue Gefahren entwickeln.

Die Note schließt: Die italienische Regierung wird sich freuen, zu wissen, in welcher Weise jede Regierung in freier und sou­veräner Willensbildung die Absicht hat, sich gegenüber den -Zwangsmaßnahmen zu verhalten, die gegen Italien vorgeschla­gen wurden.

Sie Aufnahme -er ltalienlsrheo Protestnote in Paris

Paris, 12. November. In gut unterrichteten Kreisen hm man nach einer ersten flüchtigen Prüfung der italienischen Pro­

testnote den Eindruck, daß diese mäßiger ausgefallen sei, als man nach den Andeutungen der Presse hätte erwarten können. Man unterstreicht, daß die Note mehr juristische als politische Erwägungen anführt. Italien scheine die Absicht zu haben, die Sllhnemaßnahmen der Länder einzeln zu werten und unge­achtet der bereits in Genf vorliegenden Antworten zu den Maßnahmen von jedem einzelnen Land eine Sonderantwort zu erwarten. Man glaubt in diesen Kreisen jedoch nicht, daß sich die Hoffnungen Italiens erfüllen werden und daß Italien die Antworten der verschiedenen Länder in der von ihm ge­wünschten Form erhalten werde. Man werde sich wahrscheinlich darauf berufen, daß diese Antwort praktisch bereits an den Gen­fer Verbindungsausschutz erteilt fei. Die Tatsache, Latz dieser Verbindungsausschutz des Völkerbundes erst am 26. November Zusammentritt, wird in Paris nicht so ausgelegt, als ob die wirtschaftlichen Sühnemaßnahmen etwa verspätet in Kraft treten könnten. Der Ausschuß wolle vielmehr die Wirkungen der am 18. November in Kraft tretenden Sühnematznahmen in den ersten acht Tagen abwarten.

Die Pariser Abendpresse nimmt nur vereinzelt zur italieni­schen Protestnote Stellung. Da, wo es geschieht, wird erneut auf den für den europäischen Frieden gefährlichen Charakter der Sühnematznahmen hingewiesen.

DerJntranfigeant" gibt den Leuten recht, die von Anfang an erklärt haben, daß das System der Sühnematznahmen ein Räderwerk sei, in das man nicht die Finger stecken dürfe, ohne Gefahr zu laufen, daß der ganze Körper mit durchgedreht werde.

DasJournal des Debats" sagt, wenn Europa nicht schleu­nigst Entschlüsse fasse, die den gegenwärtigen Umständen ge­recht würden, so werde man mit Ereignissen aller Art rechnen müssen, die sich aus der Anwendung der Sühnematznahmen er­geben könnten.

SlivlK über -as Vorgehen Nattens

Paris, 12. Nov. DasJournal" veröffentlich! eine Erklärung »es italienischen Staatssekretärs Suvich. in der es u. a. heißt: Wenn wir diese Prüfung überstanden haben, wird man nach Stresa zurückgehen und versuchen müssen, den englisch- sranzösisch-italienischen Pakt wieder zustande zu bringen. Da wir viel Geduld haben, scheint es. daß die Sühnematznahmen ohne zrotze Ergebnisse bleiben werden. Ich glaube an unseren Sieg. Dieser Feldzug war notwendig. Mussolini har seinem Volke Brot versprochen Sein Volk Hai Vertrauen. Man möge Italien nicht etwa Vorhalten, daß es sich an den Völkerbund hätte wen­den können. Als Sieger, die durch den Frieden jedoch erniedr-gt wurden, haben wir eine Politik der Besiegten betrieben. Jetzt möge man uns nur sechs Monate handeln laßen. Wir werden in Abessinien 'die Zivilisation einfllhren. Wir werden in dieies Lanö Ordnung bringen. Wir können dort leben, und man unrd erleben, wie dieses junge revolutionäre Italien sich an die Seite Frankreichs und Englands, also an die Seite der konservativen Völker, stellt.

Beschlich des Unterausschusses

-er Sanblionskonfereuz

Genf, 12. Nov. Der Unterausschuß der Sanktionskonferenz für die laufenden Verträge hat am Dienstag nachmittag unter dem Vorsitz von Vasconcellos seine Arbeiten mit der Annahme eines Berichtes abgeschlossen, in dem die verschiedenen Verträge, bei denen eine Abweichung von dem allgemeinen Zahlungsverbot als gerechtfertigt betrachtet wurde, an­gegeben ünd. Vascpncellos stellte fest, daß die Restzahlungen, die auf Grund dieser Verträge noch geleistet werden dürfen, etwa 1,5 v H des Gesamtwertes der italienischen Ausfuhr im Jahre 1834 darstellen.

Neue Besprechung Mussolini Drmnmond

Rom, 12 Nov. Mussolini hat am Dienstag den englischen Bot­schafter Drummond zu einer längeren Unterredung empfangen. Ueber den Inhalt der Besprechung ist noch nichts bekannt ge­worden.