Nichts als Verleumdungen.

(W.T.B.) Paris, 1 . Febr. Amtlich wird ge­meldet: Das Marineministerium gibt folgende Note bekannt: In einer gewissen Selbstachtung versenkte die deutsche Marine bisher im allgemeinen Handels­schiffe der Verbündeten erst, nachdem sie ihre Be­satzung ausgenommen, oder ihr gestattet hatte, sich zu retten. Einen Verstoß gegen diese Regel hatte sie sich bisher nur bei dem verbrecherischen Anschlag ge­gen den französischen Postdampfer Admiral Gan- laume bei Bouloqne vorzuwerfen, der mit belgischen Frauen und Kindern besetzt, von einem Torpedo eines deutschen Unterseebootes getroffen wurde, aber glücklicherweise die Küste gewinnen konnte, unter­stützt von befreundeten Schiffen, die die Mehrzahl der Passagiere retteten. Heute entschloß sich die deut­sche Marine, planmäßig und leichtfertig die Men­schenrechte zu verletzen. Die Offiziere erhielten den Befehl, nichts mehr zu achten und sich so aus der Liste der Menschheit zu streichen. Deutsche Untersee­boote schossen am 30. Januar ohne vorherige War­nung vier englische Handelsdampfer an. davon zwei in Havre und zwei in der Irischen See. Die ganze Welt wird sich mit Grauen gegen ein derartiges, einer zivilisierten Nation unwürdiges Kriegsver- fahren auflehnen.

Angesichts dieser schamlosen Heuchelei ist nur auf die englischen Berichte zu verweisen, die durchweg besagen, daß der Besatzung jedes Dampfers Zeit ge­lassen wurde, sich in Sicherheit zu bringen. Ob un­sere Feinde im Hinblick auf die stetige Gefahr eines Angriffs von Seiten des überlegenen Gegners sich so menschlich benehmen würden, wollen wir dahinge­stellt sein lasten. Im übrigen ist auf die Beschießung der belgischen Küste durch die Engländer hinzuwei­sen, wobei Angehörige der eigenen Verbündeten ge­tötet wurden, von dien tagtäglichen Völkerrechtsver­letzungen unserer Feinde gar nicht zu reden. Wenn man gegen die Abmachungen des Völkerrechts ein ganzes Volk aushungern will, so ist darin nach An­sicht unserer Feinde nichts Besonderes zu finden, wenn aber einige Angehörige unserer Feinde durch eigenes Risiko in Gefahr geraten, dann ist man über die deutsche Unmenschlichkeit empört.

Die englische Entrüstung.

London, 1. Febr. Auch die englische Admiralität veröffentlicht jetzt das Entrüstungscommuniquö ge­gen die deutsche Seekriegführung, in dem es heißt, daß die deutsche Flotte offenbar entschlossen sei, das Bölkerrecht bewußt und systematisch zu verletzen. Sie stelle sich durch das Torpedieren wehrloser Handels­schiffe außerhalb der zivilisierten Gesellschaft. Die Welt werde von Abscheu erfüllt durch die Taten, die einer zivilisierten Nation unwürdig seien.

Ausgerechnet die Herren Engländer, die 1900 sich gegen den Schutz der feindlichen Handelsschiffahrt durch das Völkerrecht gesträubt und somit das Kaper- recht aufrecht erhalten haben, entrüsten sich über die Taten der deutschen Unterseeboote.

11 englische Schiffe vermißt.

Berlin, 1. Febr. Aus Rotterdam wird der Täglichen Rundschau,, gemeldet: Das englische Hafenamt in Hüll meldet für die Zeit vom IS. Dezember bis IS. Januar 11 Schiffe in der Nordsee als vermißt.

Die ferneren Veröffentlichungen des Hafenamts in Hüll find am 23 Januar durch den englischen Zensor verboten worden.

Unsere Feinde und der Krieg.

Die Frage der japanischen Hilfe.

(W.T.B.) Paris, 1 . Febr. Die Frage einer japanischen Intervention in Europa, die von der Presse eine Zeitlang nicht berührt wurde, beginnt anscheinend im Zusammenhang mit den Rückschlä­gen, die die französische Armee in der letzten Zeit er­litten hat» wieder den Gegenstand lebhafter Erröte­rungen zu bilden. DerTemps" erklärt, die japa­nische Regierung habe offiziell ihren Standpunkt noch nicht zu erkennen gegeben, doch stehe fest, daß das Eingreifen Japans von territorialen Konzessionen nicht abhänge. Japan wünsche nur seine wirtschaft­liche Entwicklung zu fördern. Die Kosten der Inter­vention seien nicht ungeheuerlich im Vergleich zu den Kosten, die jede Kriegswoche den Verbündeten be­reite. Jedes Zaudern vor einem Zusammenschluß mit dem Volk im fernen Osten müsse vor der Erwägung schwinden, daß der Bestand Frankreichs und aller freien Länder auf dem Spiele stehe. Man dürfe auf die japanische Intervention nur verzichten, wenn es feststehe, daß sie auf unüberwindliche Hinderniste stoße. Darüber könne nur ein Schritt, den eine von der Bedeutung der Frage durchdrungene diploma­tische Stelle in Tokio unternehmen müßte. Klarheit schaffen.

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K. Oberamt Calw.

Die Gemeindebehörden

werden auf den imStaatsanzeiger" Nr. 24 erschienenen Erlaß des Vorstands der Versicherungs-Anstalt Württemberg vom 25. vor. Mts..

betreffend die Grundsätze zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit während des Kriegs, hiermit hingewiesen.

Den 1. Februar 1915.

Regierungsrat: Binder. '

"Noch vor Kurzem haben die französischen Blätter mit dem Brustton der Ueberzeugung verkündet, man brauche die japanische Hilfe nicht. Nun wir können aüwarten. Vielleicht wird man aber neben den Ja­panern auch noch die europäischen Neutralen fragen müssen, ob sie sich diese Intervention gefallen lassen.

(W.T.B.) Mailand, 1. Febr. Eine Meldung desEorriere della Sera" aus Paris besagt: Wäh­rend der amtliche Bericht über die Zeitspanne vom 16. bis 26. Januar das Publikum zur Geduld er­mahnt und eine Offensive zu geeigneter Zeit ver­spricht, während die militärischen Kritiker sich mit den Reserven beschäftigen, über die Deutschland noch verfügt, werden Pichon und Clemenceau nicht müde, eine japanische Intervention zu befürworten, wäh­rend sie von derRevue" und demTemps" unter­stützt werden. Diese Blätter vertreten die Ansicht, daß die von England, den englischen Kolonien und Amerika zu erwartenden Schwierigkeiten nicht so groß seien, als daß sie nicht auf diplomatischem Wege beseitigt werden könnten.

Die Gekreidefrage in Frankreich.

(W.T.B.) Paris, 1. Febr. DieHumanitL" schreibt, die Brotfrage beunruhigt die öffentliche Meinung. In Paris selbst, wo der Getreidepreis zwischen 29 und 31 Francs schwankte, seien Maßnah­men getroffen, der Brotverleuerung vor,zubeugen, indem die Intendantur bedeutende Getreidevorräte gekauft habe. Aber in der Provinz, besonders in Südfrankreich, das kein Getreide hervorbringe, erhöhe sich der Getreidepreis bereits auf 33 Francs. Die Regierung habe den Kammerausschüsien mitqeteill, daß sie bereits 5 Millionen Hektoliter Getreide ange- kauf habe und weitere 20 Millionen Hektoliter ein­kaufen werde, um jedem Getreidemanqel bis zur neuen Ernte vorzubeugen.

(W.T.B.) Berlin. 1. Febr. DieNordd. Allg. Zeitung" schreibt über die französische Ernte: Nach den vom französischen Ackerbauministerium veröf­fentlichten statistischen Zahlen über die Weizenernte fehlten an dem normalen Bedarf Frankreichs 2 Mil­lionen Zentner, die zu importieren blieben. Da aber hinreichend Weizen eingeführt sei, sei die Eesamt- lage befriedigend. Zutreffend ist. daß für die Bevöl­kerung des unbesetzten französischen Bodens reichlich Brotgetreide vorhanden sein dürfte, im Gegensatz zu England, wo sich eine empfindliche Steigerung des Preises aller Lebensmittel und besonders des Brotes fühlbar mache.

Französische Sorge um die nächste Weinernte.

Basel. 1. Febr. Laut einer Meldung aus Paris macht die Sicherung der nächsten Weinernte den Weinbauern wegen Fehlens von Schwefel und Kupfersulfat Sorgen. Die französische Sibwefel- produktion betraot nur noch 8/10 des Vorjahres. Es fehlen 60000 Tonnen Kupfersulfat. Die Preise find rapid gestiegen. Zwei Deputierte der Ost- pyrenäen baten den Ackerbauminister dringend, Enaland um Versorgung damit zu ersuchen, da sonst die nächste Weinernte verloren sei.

Der französische Skandal.

Mailand, 1. Febr. Die TurinerStampa" mel­det aus Bordeaux, daß die Unterschleife des franzö­sischen Eeneralzahlmeisters der Heeresleitung, Des- claud, etwa zwei Millionen betragen. Bei der Bank Socist« Generale in Lyon wurden auf den Namen der Geliebten des Generalzahlmeisters 1 Million Franken im Tresior beschlagnahmt. Auch die Samm­lungen der französischen Gemeinden für die belgischen Flüchtlinge (!) sollen um 800 000 Frs. geschädigt worden sein, da Desclaud die Abführung der Sum­men nach Havre zu überwachen hatte.

Die englischen Eisenbahner.

Amsterdam, 1. Febr. DieWestminster Gazette" teilt mit, daß Eisenbahnangestellte aus allen Teilen des Landes auf das Exekutivkomitee ihrer Gewerk­schaft einen starken Druck ausüben, daß die Gewerk­schaft angesichts der Erhöhung der Lebensmittelpreise eine Lohnerhöhung für die Eisenbahnarbeiter durch­setze. Die Zweigabteilungen der Gewerkchsaft zu Pad-

dington, Sheffield und Bermondsey gingen sogar so­weit, zu verlangen, daß man die übliche Sechswochen- Kündigung einreiche, um einen Generalstreik einzu­leiten. Einzelne Abteilungen verlangen eine Lohn­erhöhung von 8 Schilling pro Woche. Die Mit­teilungen derWestminster Gazette" find nicht ohne Bedeutung, denn sie zeigen, daß unter den Eisen­bahnarbeitern eine ernsthafte Bewegung sich vorzn- bereiten beginnt. Wenn man noch hinzunimmt, daß der Eisenbahndienst in England augenblicklich schon Störungen erleidet und daß gerade die Erhöhung der Lebensmittelpreise zum Teil eine'Folge der erschwer­ten Bahntransporte ist, so kann man sich leicht ab­leiten, welche Verwirrung eintreten würde, wenn die Eisenbahner Englands ihr Vorhaben, in eine Lohnbewegung einznlreten, nun wirklich wahr machten.

Die Eröffnung des russischen Reichsrat«.

(W.T.V.) Petersburg, 31. Fan. Bei Eröffnung der Session des russischen Reichsrates hielt Minister­präsident Eoremkyn folgende Ansprache: Eine Kai­serliche Verordnung hat den Reichsrat nach einer Panse von sechs Monaten wieder zusammenberufen. Heute wie vor einen: halben Jahre geht der Reichs­rat inmitten des Wiederhalles des Kriegsstnrmes an seine Arbeiten. In einem solchen Augenblick werde ich mich kurz fassen, denn die Zeit fordert Taten, nicht Worte. Mie vorbehaltlosem Glauben an die göttliche Vorsehung, die die Initiative unseres Mo­narchen segnete, mit festem Vertrauen in die Leitung unseres erlauchten, durch den Willen des Souveräns an die Spitze der russischen Armeen gestellten Gene­ralissimus, mit unerschütterlicher Hoffnung auf die Tapferkeit unserer siegreichen Truppen und in dank­barer Anerkennung der Verdienste unserer Verbün­deten erwarten wir mit sicherer Ruhe die Entschei­dung des großen Kampfes für unsere gerechte (!) Sache, des Kampfes, den wir nicht veranlaßt (!) son­dern angenommen haben.

Was Heuchelei anbetrifst, so weiß man eigentlich nicht recht, welchem von den Führern der Dreiver­bandsstaaten die Palme für die höchste Leistung zu- erkannt werden sollte.

Die russische Freiheit.

Kursk, 1. Febr. Der Gouverneur von Kursk, Muratow, hat in den Lazaretten die Lektüre aller Journale von der Zeit von 18041814, ebenso die der letzten Werke Tolstois und der Sammelausgaben neuerer russischer Autoren verboten.

Russische Kriegführung.

(W.T.B.) Wien. 1. Febr. DiePolitische Kor­respondenz" erfährt, die österreichisch-ungarische Re­gierung habe in einer den Regierungen der Verbün­deten und der neutralen Staaten übermittelten Ver­balnote dagegen protestiert, daß die rumänischen Le­gionen. die aus Untertanen Oesterreich-Ungarns ru­mänischer Nationalität gebildet würden, seitens der Rüsten ebenso wie die polnischen Legionen nicht als Kriegführende anerkannt, sondern daß ihre Mitglie­der im Falle einer Gefangennahme gehenkt würden, obgleich sie den Fahneneid geleistet hätten und einen Teil der Armee bildeten.

Die Neutralen und der Krieg.

Der Schwindel über die rumänische Anleihe.

(W.T.B.) Bukarest, 1 . Febr. (Agence Rou- maine.) Ein auf drahtlosem Wege verbreitetes Te­legramm ans Lyon behauptet, Rumänien habe in London eine Anleihe von 375 Millionen Frauken ausgenommen und die Zeitungen ziehen nun daraus die ihnen erwünschten Schlußfolgerungen. Der ge­genwärtige Augenblick ist nicht der geeignete, um An­leihen von Hunderten von Millionen aufnehmen zu können, aber die aufsehenerregende Nachrichten schaf­fende Phantasie ist fruchtbar und macht aus einer Tatsache von geringster Bedeutung ein großes Er­eignis. Der Ursprung der Nachricht ist fotzender: Der rumänische Staat hat den größeren Teil seiner öffentlichen Schuld im Auslande und muß deshalb die Zinsen in fremdem Gelde in Deutschland, Frank­reich, der Schweiz und selbst in England bezahlen. Für Deutschland konnte man sich rechtzeitig mit deut­schem Gelds versehen, da der seit 8 Monaten durch­geführte Export zu Lande, dessen Beschaffung erleich­terte. Es war jedoch unmöglich, Franken zu erhalten trotz des hohen angebotenen Preises. Indessen ver­langten die Besitzer von Coupons in Frankreich, der Schweiz und Belgien, sowie die sie vertretenden Ban­ken dringende Bezahlung der Coupons in Franken und wiesen die Bezahlung in Mark unbedingt zurück. So häuften sich die Coupons von zwei Fälligkeits­terminen an und die Beschwerden wurden immer zahlreicher. Angesichts dieser Lage hat das Finanz-