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Gegründet 1877

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Uational-Ä Nachrichten- und Anzeigenblatt für die OberamtsbezirLe Nagold, Calw, Freudenstadt und Neuenbüra

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Anzeigenpreis: Der Ispaltige Textmillimeter oder dessen Raum 5 Reklame Nachlaß nach Preisliste, der jedoch bei Konkursen oder Vergleichsverfahren hinfällig wiä. Erfüllungsort Altensteig. Gerichtsstand Nagold.

Nummer 222

Altensteig, Montag, den 23. September 1935

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Memelländischer Protest

gegen die litauischen Wahlmanöver

Natten tednt die Genfer AertiWge ab

Memel, 22. Sept. Die Verrreter der Memelländischen Ein­heitsliste haben bei dem nur aus Litauern gebildeten Wahl­ausschuß schärfsten Einspruch gegen die einseitige Zu­sammensetzung dieses Ausschusses sowie aller lokalen Skimmbezirksausschüsse eingelegt. Die Vertreter der Einheits­liste protestieren dagegen, daß sich in diesen Ausschüssen kein einziger Vertreter der hinter der Einheitsliste stehenden memel­ländischen Parteien, die im letzten Landtag 24 von 29 Sitzen innegehabt haben, befindet. Sie verwahren sich ferner dagegen, daß der litauische Vorsitzende und ein Mitglied des Wahlaus­schusses gleichzeitig als Spitzenkandidaten auf litauischen Listen fungieren und damit gegen Paragraph 82 des Landtagswahlge­setzes verstoßen. Schließlich äußern die Vertreter der Einheits­liste schwerste Bedenken gegen die neue Wahlordnung und heben hervor, daß der litauische Vorsitzende des Wahlausschusses sel­ber einem Vertreter der Einheitsliste habe zugeben müssen, daß Lei einer Probeabstimmung nur 20 v H. der an dieser Abstim­mung beteiligten Personen ihr Wahlrecht richtig auszuüben vermochten.

örrniWinlegling zur Reichsflruerfchule

Der Reichsfinanzminister spricht

Herrsching (Oberbayern), 22 Sept. Bei herrlichem Herbst­wetter fand am Samstag nachmittag nahe bei Herrsching am Ammersee der erste Spatenstich zum Gebäude der Reichssteuer­schule statt. An der Feier nahmen außer dem Präsidenten des Reichssinanzhofes, Mirre, die Präsidenten sämtlicher deutschen Landesfinanzämter und die Mehrzahl der Landesfinanzamts­direktoren teil. Die Begrüßungsansprache hielt Staatssekretär Reinhardt, der auf das Aufgabengebiet der Reichssteuer- schule verwies, die den Zweck habe, den Mangel an Arbeits­kräften zu mildern und dre Leistungsfähigkeit unserer Verwal­tung im ganzen wesentlich zu erhöhen. Die Reichssteuerschule müsse eine Musterschule zur Ausbildung nationalsozialistischer Beamter werden.

Hierauf legte Reichsfinanzminister Graf Schwerin von Kroiigk den Grundstein, nachdem er in einer Ansprache be­tont hatte, daß der Ausbildung und Schulung des Veamten- nachwuchses besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden müsse, und daß die Gründung der Reichssteuerschule zeige, wie ernst die leitenden Männer der Reichsfinanzverwaltung es mit der Auf­gabe der Heranbildung eines entsprechenden schlagkräftigen Nachwuchses nehmen. Der Reichsfinanzminister unterstrich wei­ter den Sparwillen der Reichsfinanzverwaltung und die Not­wendigkeit, daß die Beamtenschaft und insbesondere ihr Nach­wuchs von Treue zu Volk und Führer erfüllt sein müsse. Dies sei der letzte Sinn der Gründung der Reichssteuerschule und in die­sem Sinne tue er den ersten Spatenstich mit den Worten:Für Deutschland".

Leibeigenschaft in EonmttuWnd

Eens, 21. Sept. Die Vertreter der fremdstämmigen Natio­nalitäten in den Grenzgebieten Sowjetrußlands Aserbaidschan Georgien. Turkestan und Ukraine haben dem Präsidenten der Lölkerbundsversammlung eine Denkschrift überreicht, in der dagegen protestiert wird, daß trotz der Aufnahme Sowjetruß­lands in den Völkerbund die moskowitische Unterdrückungs­politik in diesen Gebieten hemmungslos fortgesetzt werde. Un­geachtet der Zusage verschiedener Delegierten bei der Aufnahme der Sowjetunion in den Völkerbund sei nichts geschehen, um aus Moskau einen müßigen Einfluß auszuüben. Der Terror, du Religionsverfolgungen und die Zwangsarbeit beständen in »ollem Umfange weiter. Als neue Tatsache von größter Be­deutung sei die Massenabschiebung der Bevölkerung aus de« Grenzgebieten und ihre Ersetzung durch russische Bauern zu ver­zeichnen. In der Ukraine habe man nicht nur einen Grenzstreifen von SO. sondern von 150 bis 200 Kilometer als Verteidigungs- Zone erklärt und die dortige bodenständige Bevölkerung nach Nordrutzland abgeschoben. Die Reform der Kollektivwirt­schaft sei nur zum Schein erfolgt. Die Bauern seien nach wie vor einer leicht modernisierten Leibeigenschaft un- ^rworfen.und seien ständig von Hungersnot bedroht. Die Aufhebung der Lebensmittelkarten habe nur eine Erhöhung der Preist und damit eine noch schlechtere Versorgung der Volks­nahen zur Folge gehabt. Der Kampf gegen die Kulaken werde w unmenschlicher Form weitergeführt; besonders in den Erenz- Mbieten der Union. Was die sowjetrussischc Außenpolitik be- rrrffe, so habe der letzte Kongreß der Komintern gezeigt. Saß »ch seit der Aufnahme der Sowjetunion in den Völkerbund der oestruktive Geist Moskaus nicht geändert habe: hinter der pazi- nstischen Maske Litwinows stehe der feste Wille der Sowjets, °>e Weltrevolütion in Gang zu bringen.

Stillt »riier Roman!

Befremden in Parts - Enttäuschung tu London

Rom, 22. Sept. Der Besckiluß des italienischen Ministerrats, der die Ablehnung der Vorschläge des Fünferausschusses aus­spricht, hat nach der amtlichen italienischen Mitteilung in Übersetzung folgenden Wortlaut

»Der Ministerrat hat von den in dem Bericht des Fünferans- schusses enthaltenen Vorschlägen Kenntnis genommen; er hat sie znm Gegenstand einer aufmerksamen Prüfung gemacht. Bei aller Achtung des von dem Fünferausschuß unternommenen Ver­suches ist der Ministerrat zu dem Entschluß gekommen, diese Vorschläge als unannehmbar zu betrachten, da sie keine ausrei­chende Mindestgrundlage für etwaige Abmachungen bieten, mit denen endlich und in wirksamer Weise den lebenswichtigen Rech­ten und Interessen Italiens Rechnung getragen würde."

Die amtliche Mitteilung über die zweistündige Sitzung des italienischen Ministerrats besagt weiter, daß der Ministerrat am nächsten Dienstag zu einer neuen Sitzung ein- berusen ist, bei der die Entwicklung der politischen Laa

lienischen Rechten und Bedürfnissen und den Anregungen des Fünferausschusses. Die Unannehmbarkeit dieses Planes und die Rechtmähigkeit der italienischen Zurückweisung seien mühelos zu erkennen. Fast möchte man annehmen, Genf habe die größte Sorgfalt darauf gelegt, Abessinien entgegenzukommen und es für seine Missetaten und seine Barbarei" noch auszuzeichnen. Italien dagegen solle wegen Langmut bestraft und als zivili­sierter Staat ungeschützt bleiben. Das sei eine unbegreifliche Umkehrung des gesamten Problems.

Wesentlich weiter geht der Leiter der Tribuna ", der die Ansicht vertritt, die Stellungnahme des italienischen Minister­rats solle eine zweideutige Lage beseitigen. Die Entscheidung des Ministerrats müsse neben die Vorschläge des Fünferausschusses gestellt werden, da für eine Diskussion wenig­stens eine Mindestgrundlage vorhanden sei, die gerade -^-er den Vorschlägen fehlt. Die Vorschläge des Fünferausschusses seien eine offenkundige Abschwächung der von Italien berechtigter­weise abgelehnten früheren Vorschläge. Statt Italien einen Auf­trag zu erteilen, fasse der Ausschuß mit der klaren Absicht, Ita­lien auszuschalten, eine europäische Intervention ins Auge, Diese tatsächlich geschaffene Lage sei aber durchaus nicht durch verfassungsmäßige Gründe des Völkerbundes etwa notwendig geworden. Es sei unmöglich, davon zu sprechen, daß der Völker­bund nicht die Aufgabe einem einzigen Staat übertragen könne Die vom italienischen Ministerrat erklärtellnannehmbarkeit" schaffe eine Klärung, die abgesehen von den üblichen Ilebelge- stnnten niemand als alarmierend betrachten könne. Gerade da- Gegenteil sei der Fall.

Befremden in Paris

Paris, 22. Sept. Die Nachricht von der Ablehnung der Vor schlüge des Fünferausschusses durch den italienischen Ministerra- wurde in Paris ohne Ueberraschung, immerhin mit einigem Vssremden ausgenommen Man läßt durchblicken, daß die höf­liche Form der Absage und die amtliche italienische Erläuterung einer weiteren Verhandlung vielleicht keinen endgültigen Abschluß setzten. Die Erklärungen des Mi­nisterpräsidenten und Außenministers Laval in Gens über die Stellung Frankreichs, namentlich die unerschütterliche Treue zu den Bestimmungen des Völkerbundspaktes behielten unter den gegenwärtigen Umständen ihren vollen Wert.

Laval erstattet Bericht

Paris, 22. Sept. Die französischen Minister waren am Sams- ' tag auf dem Sommersitz des Staatspräsidenten im Schloß Ram­bouillet zu einem Ministerra: zniammengetreten. Der Präsident der Republik, Lebrun, beglückwünschte zu Beginn der Sitzung Len französischen Ministerpräsidenten für seine Tätigkeit in Eens, worauf Laval einen ausführlichen Bericht erstattete. Der -größte Teil der Sitzung war jedoch mit der Behandlung der innerpolitische Fragen ausgefüllt. Der Finanzminister unter­breitete dem Ministerrat den Haushaltsvoranschlag für das Jahr 1936 Der Ministerrat nahm außerdem einen Eesetzesvor-

scyiag an, ver der Regierung das Recht einräumt, Gegenmaßnah­men gegenüber denjenigen Ländern zu ergreifen, in denen der Reiseverkehr ins Ausland durch Devisenbeschränkungen behin­dert wird. Es wurde beschlossen, den französischen Touri­sten, die sich in eines dieser Länder begeben wollen, zukünftig eine Sondertaxe aufzuerkegen die 5000 Franken nicht über­schreiten soll.

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Enttäuschung iu London

London, 22. Sept. In England hat die Ablehnung der Genfer Vorschläge durch Mussolini und sein Kabinett um so größere Enttäuschung hervorgerufen, als ein Teil der Presse noch vor wenigen Stunden inen Lichtblick sehen zu können glaubte. Wäh­rend die Abendblätter dasUnannehmbar" der italienischen Re­gierung in fetten Schlagzeilen verkünden, übt man in amtlichen englischen Kreisen bei der Beurteilung der neuen Lage noch starke Zurückhaltung.

Der Reuter-Vertreter in Rom saßt seine ersten Eindrücke in dem Satz zusammen, daß die Entscheidung des italienischen Ka­binetts die Tür, die zu einer Regelung des Problems führe, zwar zugemacht, aber nicht fest verschlossen habe. Die Ablehnung der Vorschläge in ihrer gegenwärtigen Form sei allgemein er­wartet worden. Immerhin werde die Möglichkeit einer Lösung aus dem Wege unmittelbarer Verhandlungen nicht ohne weiteres von der Hand gewiesen. Bemerkenswert sei auch der versöhnliche Ton der amtlichen italienischen Verlautbarung.

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Der Fünfer-Ausschuß will adwarien

Genf, 22. Sept. Der Fünferausschuß des Völkerbundsrats hat sich nach einstündiger Sitzung am Samstag abend auf Montag vertagt. Von beteiligter Seite wird zunächst nur erklärt, daß man mangels wirklicher Unterlagen noch keine Beschlüsse habe fassen können. Es ist beabsichtigt, über die Verlautbarung des italienischen Ministerrats hinaus gewisse Klarstellungen abzu­warten. Einzelne Mitglieder des Füuferausschusses äußerten sich dahin, daß keine Aenderung der Lage eingetreten sei. Von offizieller italienischer Seite war übrigens schon vor der Sitzung das Kommunique vor Pressevertretern im Sinne einer Ver­handlungsbereitschaft, wenn auch auf veränderter Grundlage ausgelegt worden.

Eine russische Erklärung in Rom

Heber die Kriegsschiffe im Mittelmeer

London, 22. September. Das Foreign Office gab am Sonntagabend folgende Verlautbarung heraus:Der britische Botschafter in Nom besuchte am 2V. September den Unterstaatsselretiir für Auswärtige Angelegenheiten Suv ich, um im Namen der königlichen Negierung die Bewegungen der britischen Flotte und die Mannschafts­und Material«erstärlungen der britischen Garnisonen im Mittelmeer mitzuteilen.

Er fügte hinzu, daß sie nicht bezweckten, irgend eine aggressive Absicht von seiten der englischen Regierung an­zudeuten. Er erklärte, daß solche Maßnahmen als eine natürliche Folge des Eindrucks ergriffen worden seien, der durch die Heftigkeit des von der italienischen Presse in den letzten Wochen durchgesührten Feldzuges gegen das eng­lische Königreich geschaffen worden sei. Zn der römischen Presse ist die Ablehnung des Fünferplanes durch den Mini­sterrat mit auf dieDrohungen durch die Zusammenziehung von englischen Kriegsschiffen im Mittelmeer und im Roten Meer" znrückgesührt worden.

Suvich machte eine entsprechende Mitteilung und sagte, er sei berechtigt, dem Botschafter zu erklären, daß die mili­tärischen Vorbereitungen Italiens im Mittclmeer von rein vorbeugender Natur seien und keine aggressiven Ziele ver­folgten.

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Londoner Kabivettsrat

London, 22. Sept Ministerpräsident Valdwin ist am Sonn tag von Chequers nach London zurückgekehrt. Auch die übrigen Mitglieder des Kabinetts werden, soweit sie sich nicht als un­mittelbar beteiligte Fachminster wegen des italienisch-abeffini- schen Streits ohnehin ichon in den lehren Wochen in London aufgehalten haben, kämtlicki am Montag in der englischen Hauptstadt zurückerwartet. Voraussichtlich wird bereits am Dienstag eine Vollsitzung des Kabinetts stattfinden