Nr. 24. (Zweites Blatt.)
Samstag, den 38. Januar 1818.
Deutschland und England.
Der deutsche Reichskanzler über Gagland. Köln. 28. Jan. Die „Köln. Zeitung" meldet
28. Jan. Die „Köln.
von der holländischen Grenze: Die „Affociated-Pretz verbreitet einen Bericht über eine Unterredung, die einer ihrer Vertreter in dem Trotzen Hauptquartier in Rordfrankreich mit dem deutschen Reichskanzler hatte, der sich im Lauf des Gesprächs wie folgt äußerte: „Ich sagte in jener letzten Unterredung, in der wir die Sache privatim von Mann zu Mann besprachen, zu Sir Edward Goschen, unter den Ursachen, die England in den Krieg getrieben hätten, habe der belgische Neutralitätsdruch für England nur den Wert eines Fetzen Papiers. Ich mag dabei etwas erregt und aufgebracht gewesen sein. Wer an meiner Stelle wäre das nicht gewesen, da ich alle Hoffnungen und die Arbeit der ganzen Dauer meiner Kanzlerschaft verrinnen sah. Ich erinnerte den Botschafter an meine jahrelangen Bemühungen zur Herbeiführung einer Verständigung zwischen England und Deutschland, ein Bemühen, das, wie ich ihm vorhielt, einen allgemeinen europäischen Krieg unmöglich gemacht uiU> den Frieden Europas vollauf gewährleistet hätte. Eine solche Verständigung hätte die Grundlage gebildet, auf der wir an die Bereinigten Staaten als dritter Teilhaber herangetreten wären. Allein England ging nicht auf diese Absichten ein, und indem es in den Krieg zog, vernichete es auf immer die Hoffnung auf ihre Erfüllung. War der Vertrag im Vergleich zu dieser gewaltigen Wendung der Dinge etwas anderes, als ein Fetzen Papier? England sollte wirklich aufhören, dieses Thema über die belgische Neutralität weiterhin breit zu treten." Herr v. Bethmamn Hollweg erwähnte, aus den Aktenstücken, die wir im Archiv des belgischen Auswärtigen Amtes vorfanden, gehe hervor, daß England im Jahre 1911 entschlossen war, wenn der Krieg ausbreche, Truppen ohne die Zustimmung der belgischen Regierung nach Belgien zu werfen, mit anderen Worten, genau dasselbe zu tun. was es gegenwärtig mit dem ganzen Pathos der sittlichen Entrüstung Deutschland vonvirst.
Nochmal« die belgische Neutralität.
(W.T.B.) Berlin, 28. Jan. Das „Londoner Pressebureau" veröffentlicht eine lange Erklärung, die sich gegen eine vom Reichskanzler dem hiesigen Vertreter der „Affocieted Preß" gewährte Unterredung wendet. Das amtliche Londoner Bureau bestreitet, datz England im Jahre 1911 entschlossen gewesen sei, ohne Zustimmung Belgiens Truppen nach Belgien zu werfen. Diese Auffassung beruhe wahrscheinlich auf nichtoffiziellen (!) Besprechungen zwischen britischen und belgischen Offizieren aus den Jahren 1906 und 1911, die Vorkehrungen gegen eine etwaige Verletzung der Neutralität durch Deutschland treffen wollten. Ehe diese Besprechungen statt- sanden, wurde von britischer Seite ausdrücklich festgelegt, datz die Erörterung militärischer Möglichkeiten darauf zu beschränken sei, wie ein britischer Beistand Belgien zur Verteidigung seiner Neutralität am wirksamsten gewährt werden könne. Von belgischer Seite wurde erklärt, datz ein britischer Einmarsch in Belgien nur nach Verletzung der Neutralität durch Deutschland stattfinden solle. — Die veröffentlichten belgischen Dokumente widerlegen diese Versicherungen des englischen Presseburoaus auf das bündigste. Es steht fest, datz England 1911 im Falle des Kriegsausbruches zwischen Deutschland und Frankreich entschlossen war. unmittelbar mit oder ohne Zustimmung Belgiens, auch ohne datz die belgische Regierung Hilfe verlangt hätte, in Belgien zu landen. Dafür liegt die Erklärung des Oberstleutnants Bridges gegenüber dem belgischen General- stabschef vor. Dafür spricht auch die von Lord Roberts abgegebene Erklärung (British Review-Heft vom August 1913), datz im August 1911 die Heimatflotte und ein Expeditionskorps für einen Einfall in Flandern in Bereitschaft waren, um das Gleich
gewicht der Mächte aufrecht zu erhalten. Bemerkenswert ist aber ferner, datz die englische Regierung jetzt die Fiktion fallen läßt, als ob es sich 1906 und 1911 nur um eine „akademische" militärische Diskussion gehandelt habe für den Fall, datz die belgische Neutralität „von einem seiner Nachbarn" verletzt werden sollte. Die akademischen Besprechungen sind jetzt zu „nicht offiziellen" Besprechungen" geworden, für die aber vorher ausdrückliche Grundsätze — also doch wohl offizielle? — festgelegt worden sind. Zugegeben wird jetzt auch, datz sich die Besprechungen allein gegen Deutschland, also nur den einen der belgischen Nachbarn, gerichtet haben. Darin gerade liegt die Preisgabe der belgischen Neutralität. Die englische Regierung vermag durch keine Sophistik die Tatsache aus der Welt zu schaffe«, datz sie das durch feinen Neutralitätsvertrag gegenüber allen Mächten gleichmäßig gebundene Belgien zu Verhandlungen und Abmachungen gegenüber einem dieser Garanten, nämlich Deutschland, verleitet, auf die Seite der Tripleentente gezogen und schließlich in den Krieg hineingestotzen hat. Die weiteren Ausführungen der Erklärung laufen darauf hinaus, die Schuld am Scheitern der Friedensbemühungen der deutschen Regierung zuzuschreiben und England von der Mitschuld am Ausbruch des Krieges zu entlasten. Demgegenüber bleibt der dokumentarische Tatbestand bestehen, dessen Ergebnisse Helfferich mit den Worten gekennzeichnet hat: Rußland ist als der Brandstifter, Frankreich und England sind als die Mitschuldigen erwiesen."
Die Deulsche« im amerikanischen Repräsentantenhaus.
„Das Repräsentantenhaus hatte heute seinen deutschen Tag", so beginnt ein Bericht aus Washington vom 16. Dez. in der Newyorker Staatszeitung. Gleich nach Eröffnung der Sitzung erhob sich der Abg. Richard Bartboldt und ließ durch den Tlerk des Hauses einen Angriff verlesen, der am Tage zuvor in der „Newyork Sun" gegen ihn und zwei andere Kollegen deutscher Abstammung, Vollmer von Iowa und Lobeck von Nebraska, gemacht worden war. Die drei deutschen Repräsentanten waren darin als die „Agenten der deutschen Regierung" bezeichnet und gleich Millionen deutsch-amerikanischer Bürger durch die Verdächtigung ihrer Loyalität für dieses Land ihrer Geburt oder Adoption beleidigt worden. Mit dem Feuer der gerechten Entrüstung wiesen die Angegriffenen die heimtückischen Bezichtigungen zurück. Aus der Rede Rtch. Bartholdts sei hier aber der Schluß mitgeteilt, wo er von seiner Person auf das Allgemeine der amerikanischen Politik im Kriege überging. Er führte aus:
„Es muß allmählich jedermann klar geworden sein, daß das deutsche Volk nicht besiegt «erde« kann. Warum dann gebieten wir nicht dem furchtbaren Morden, das drüben von Tag zu Tag weiter geht, Einhalt. Meine Ueberzeugung ist, daß die Bereinigten Staaten die Macht dazu in Händen haben, indem sie den kriegführenden Nationen die Mittel zum Weiterkämpfen verweigern. Sicher wiegen die Vorteile einer schnelleren Herbeiführung der Zeit, da die Märkte der Welt wieder unserer Baumwolle und all den anderen Produkten unseres Bodens geöffnet werden, hundertfach die temporären Berdienfte auf, die ein paar Fabrikanten aus dem Verkauf von Kriegsmaterial jetzt »inheimsen können Und außerdem wäre ein solches Borgehen Beweis für die Aufrichtigkeit unserer Friedensliebe, eine Aufrichtigkeit, die man mit Recht anzweifeln kann, wenn wir zu gleicher Zeit für den Bölkerfrieden in Kirchen beten und Dum» Dum-Geschofse Herstellen, Deulsche und Oesterrelcher zu töten und den Krieg zu verlängern." „Der Tag", fuhr Barlhold fort, „mag einst kommen, da die Freundschaft Deutschlands unserem eigenen Laude unendlich mehr wert ist, als alles Geld, das wir jetzt aus unserer einseitigen Haltung verdienen können. Es ist der Tag, da die anglo- japanische Allianz im Pacifie-Meer für das große immer verschobene Kräftemeffen bereit und Deutschlands Unterstützung uns nur zu willkommen wäre." Die Proklamation des Präsidenten nach Ausbruch des Kriegs Hobe allen Bürgern die gleiche Pflicht auferlegt, strikte Neutralität zu bewahren, und im wahren Geist dieser Neutralität sei jetzt der Antrag gestellt, den Waffenlieferungen an Kriegführende endlich ein Halt zu gebieten. „Dem Urteile des Hauses überlaffe ich es,
ob die wahren Motto« hinter unserm Vorgehen andere find denn rein amerikanische, rein patriotische."
lieber den Eindruck der Reden der 3 deutsche« Abgeordneten schreibt der Bericht der Newyork.Staats» Zig.: „In dem sonst so lebhaften Hause war es fast wie in einer Kirche, denn jeder spürte, daß durch den Mund dieser Männer alle Deutsch-Amerikaner der Republik sprachen und Protest gegen gemeine Verleumdung erhoben. Deutlich war der Eindruck zu spüren, den der Protest nicht nur gegen den angetanen Schimpf, sondern darüber hinaus gegen die Heuchelei unserer Neutralität auf die übrigen Abgeordneten machte.
Rumänien.
(W.T.B.) Budapest, 28. Jan. Der ungarische Journalist Nicolaus Vecsci hatte kürzlich Gelegenheit, in Bukarest den rumänischen Staatsmann Peter Carp zu sprechen, der sich über die politische Orientierung Rumäniens äußerte. Der genannte Interviewer berichtet dem Pester Lloyd: Es ist derzeit sehr schwierig, sich über Fragen der internationalen Politik zu äußern. Besonders schwierig, so sagte er, ist die Lage Rumäniens, das sich bekanntlich für Neutralität entschieden hat. Wie lange sich diese Neutralität behaupten läßt, hängt von mancherlei Umständen ab. Hier in Bukarest wird die Lage durch die zweifache Strömung gekennzeichnet: auf der einen Seite eine verhetzte Straße, die von Siebenbürgen träumt, auf der anderen ein Lager von ernsten Männern, deren Willen auf Beffarabien gerichtet ist, auf das Land, das vor 100 Jahren unserem Körper entrissen wurde und von 1s^ Millionen Rumänen bevölkert ist. Ich selbst gehöre der zweiten Gruppe an, denn nach meiner Ansicht ist die Erwerbung Besfara- biens das erstklassige Interesse Rumäniens. Selbstverständlich haben einzig die beiden Zentralmächte Aussicht auf Erfolg. Was speziell die Deutschen betrifft, so stehen sie auf beiden Kriegsschauplätzen sehr gut. Sie entfalten eine imponierende Kraft und es ist mein fester Glaube, datz der entscheidende Erfolg unbedingt ihnen zufallen wird, lieber Stratzenkund- gebungen in Bukarest befragt, meinte Tarp: Die Haltung der Straße kann nicht entscheidend sein. Die verantwortlichen Staatsmänner Rumäniens haben einzig das Interesse des Landes vor Augen. Auswärtige Einflüsse können die Entschlüße der maßgebenden Faktoren in keiner Weise bestimmen.
Der Derleumdrmg«feldz«g.
(W.T.B.) Berlin. 29. Jan. (Amtlich.) Nach Mitteilungen der ausländischen Presse verbreitet die- „Petersburger Telegraphenagentur" die Nachricht, datz der russische Minister des Aeußern eine Note an den spanischen Botschafter in Petersburg gerichtet habe, in der auf Grund von Aussagen russischer Soldaten Ereueltaten der deutschen Truppen festgestellt seien. Verwundete seien getötet und verstümmelt, besonders Kosaken seien vielfach als Gefangene erschossen oder gehängt, die Bevölkerung sei an mehreren Orten terrorisiert, katholische Priester mißhandelt. das Zeichen des Kreuzes und die weiße Fahne seien mißbraucht worden.
Datz es ausgeschlossen ist, auf Grund der in der Veröffentlichung enthaltenen Angaben die Behauptungen über Vorgänge zu widerlegen, die Monate zurückliegen, ist der ruffischen Regierung natürlich genau bekannt. Sie kann also mit ihrer Veröffentlichung nur denselben Zweck verfolgen, den die französische Regierung mit ihrer gleichzeitigen Darstellung angeblicher deutscher Greueltaten anstrebte. Die Gleichzeitigkeit des Vorgehens von beiden Seiten bestätigt immer mehr, datz es sich hier um den planmäßigen Versuch einer Vergiftung der öffentlichen Meinung der Welt zu llngunsten Deutschlands handelt. Die deutsche Heeresleitung verzichtet auf jede Antwort darauf.
Französische«.
(W.T.B.) Paris, 29. Jan. Blättermeldungen zufolge nimmt die Affäre des wegen Diebstahls u»d