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Rottouaies Rachrichtm- und Anzeigenblatt für die Oberamtsbezirke Nagold. Ealw, Freudenstadt und Neuenbürg
«vuatl. b. v«ft 1.20 einschl. 18 L «rförb.-Gei., z»z. 86 ^ Zustellungsgeb.: d.«g. 4i 1 . 1 » einschl. 20 L «u,tr»gergrd.: Einzel«. 1» L. «ei Richieycheiue« der Zeit. ins. höh. Gewalt »b «etri rbsstör . beste ht kein «nsprnch aus Liefer» », der Zeitg./ Lelegr.: „T annenbl? / Tel. S21.
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Altensteig» Freitag, den 9. August 1935
88 .
Ser Staat greift durch
Kolping-Familie im Kreise Lüdinghausen aufgelöst
Münster, 8. August. Die Staatspolizei stelle für den Regierungsbezirk Münster teilt mit: Auf Grund des § 1 der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze von Volk und Staat vom 28. 2. 1933 ist die Kolpingfamilie, im Bereich des Kreises Lüdinghausen (Regierungsbezirk Münster) auf Grund der bekannten Vorfälle in Werne an der Lippe mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden.
Hierzu bemerkt die „Nationalzeitung" u. a.: Wenn sich die Staaispolizeistelle noch nicht dazu entschlossen hat, die Kolpingfamilien im gesamten Regierungsbezirk aufzulösen, dann wohl aus der Erwägung heraus, den übrigen Kol- pingbrüdern Gelegenheit zu geben, zu beweisen, wie sie sich nach der Lehre von Werne dem Staat gegenüber einzustellen gedenken.
Die „Nationalzeitung" verweist dann auf die gewerbsmäßige Hetze der Jesuiten und schreibt: „Man gehe nur hin und sehe sich den in fast jedem Gotteshaus eingerichteten Kolportagebuchhandel mit Hetzschriften (!!) an, in denen sich Jesuiten zum großen Teil unter Berufung auf den Emigranten Muckermann über „Kirche und Staat", „Kirche und Wirtschaft", über „Christus als Arbeiterführer" und andere Themen in einer Weise auslassen, die allem ins Gesicht schlägt, was wir im neuen Staat als für unser Volk notwendig und richtunggebend erachten und verfechten. Wir sind der Auffassung und müssen diese Auffassung zu einer Forderung an die zuständigen Stellen erheben, daß mit diesem staatsgefiihrlichen Handel in den Gotteshäusern (!!) Schluß gemacht werden muß. Es wird natürlich auch jetzt wieder Kreise geben, die d» glauben, in dem Vorgehen der Staatspolizeistelle gegen die Kolpingfamilie im Kreise Lüdinghausen eine „Schikane" erblicken zu können, geboren aus dem Bestreben, das konfessionelle Vereinsleben zu unterdrücken. Wie man jedoch selbst an den für die Kolpingfamilien maßgebenden Stellen über die Werner Vorfälle denkt, zeigt folgendes, der Staatspolizeistelle Münster vom Diözesanpräsidium der katholischen Gesellenvereine zugegangene Schreiben:
Münster, 3. 8. 1935.
„Diözesanpräsidium der Kolpinggesellenvereine Münster i. W., Aegidienstr. 20 s
Auflösungsurkunde:
Auf Grund des 8 5 des Generalstatuts schließe ich hierdurch mit sofortiger Wirkung die Kolpingfamilie Werne an der Lippe aus der deutschen Kolpingfamilie aus. Die Kolpingfamilie in Werne ist aufgelöst. Die Mitgliedsbücher und Stammkarten der bisherigen Mitglieder werden durch meine Beauftragten sofort eingezogen. Das Eigentum der Kolpingfamilie Werne wird dem Pfarrdechanten Tenhagen in Werne zu treuen Händen übergeben. Ausschluß und Aufhebung haben ihre Begründung in einem schweren Verstoß gegen Artikel 4 Abs. 2 des Grundgesetzes der Deutschen Kolpingfamilie. gez. Th. Rürt h,
Reichspräses der Deutschen Kolpingfamilie u. Generalpräses des Kolpingwerkes Köln."
An den Herrn Leiter der Geheim -Staatspolizei, Recklinghausen, zur Kenntnisnahme ergeb. übersandt."
Abkommen zwischen Wen mb Saoztg
Aushebung der beiderseitigen Kampfmaßnahmeu Danzig» 8. Aug. Am Donnerstag nachmittag ist zwischen der Danziger und der polnischen Regierung ein Abkommen paraphiert worden. Danach macht die polnische Regierung die Zoll- verorduuug vom 17. Juli rückgängig. Danzig hebt seinerseits die als Folge der polnischen Verordnung getroffene Maßnahme der zollfreien Einfuhr bestimmter Waren auf. Die Verhandlungen über die Regelung der zwischen Danzig und Polen umstrittenen Einzelfragen werden fortgesetzt.
Amerika sperrt Mlien sämtliche Kredite
Washington, 8. Aug. Die amerikanische amtliche Außenhandelsbank beschloß, de« Italienern keinerlei Kredite für Warenkäufe in den Bereinigten Staaten z« gewähre«.
Italienische Firmen hatten versucht, bei Neuyorker Banken einjährige Kredite für den Ankauf von Baumwolle und anderen Waren zu erhalten: die Banken weigerten sich aber, ein längeres als dreimonatiges Ziel zu geben. Darauf wandten sich die Italiener an die Außenhandelsbank und erklärten sich sogar mit einer halbjährigen Zahlungsfrist zufrieden; aber selbst dies wurde hier mit der „Rücksicht auf dre ungeklärten Verhältnisse in Italien" abgelehnt.
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Mehrere Tote und zahlreiche Verletzte
Paris, 8. August. In Toulon ist es Donnerstagabend zu neuen Unruhen gekommen. Nach Feierabend zogen die Belegschaften der Kriegsmarinewerkstätten auf die Straße und sangen die Internationale. Ueberall griff der starke polizeiliche Ordnungsdienst energisch durch. Angehörige des kommunistischen Jugendoerbandes, die dis in Bereitschaft stehende Mobile Garde zu provozieren suchten, wurden an zwei Stellen der Stadt sofort auseinandergetrieben. Wiederholt mußte die Polizei gegen die Teilnehmer an den Kundgebungen Vorgehen. Mehrere Personen wurden verhaftet. Die Marinepräfektur und die Unterpräfektur werden von Mobiler Garde bewacht, ebenso die Marinewerkstätten.
Paris, 9. August. Im Laufe des Donnerstagabend haben die Kundgebungen einen sehr ernsten Charakter angenommen. Nach Einbruch der Dunkelheit ist es zu heftigen Zusammenstößen zwischen Aufrührern und Polizei gekommen. Um Mitternacht zählte man nach einer amtlichen Mitteilung bereits 2 Tote unter den Aufrührern» einen schwerverletzten Polizeibeamten und über 5V Verletzte, darunter 2V Ordnungsbeamte. Privatmeldungen, die zur Stunde nicht nachgcprüft werden können, sprechen gar von 8 Toten und über 1ÜV Verletzten.
Von den Unruhen ist vor allem die untere Stadt betroffen. Gegen 21 Uhr, als Polizeikräfte Ansammlungen zerstreuen wollten und einige Nevolverschüsse in die Luft abgaben» prasselte aus den Fenstern der umliegenden Häuser ein Hagel von Wurfgeschossen aller Art auf die Beamten herab. Gleichzeitig wurden auf den Straßen die Ladenscheiben eingeschlagen, Kolonialwarenläden geplündert, die Deckel der Kanalisationsschächte herausgerissen und gegen die Polizeipferde geschleudert.
Kurz nach Mitternacht hält der Widerstand der Aufrührer unverändert an. Der Präfekt hat ein Bataillon Infanterie angefordert, da die berittene Mobilgarde in den engen Straßen der Unterstadt gegen die Aufrührer nichts ausrichten kann. Die Scheinwerfer der Kriegsschiffe leuchten ständig die Dächer der Häuser im Aufruhrbezirk ab. Die Aufrührer versuchten, den Bahnhof zu stürmen, wurden aber von der Mobilgarde zurückgeschlagen.
Auch tu Llmbomo Kundgebungen -er Marine« arsenalArbeiter
Paris, 8. August. Der „Paris Soir" meldet in einer Spätausgabe, daß die meisten Belegschaften des Marinearsenals von Cherbourg am Donnerstagnachmittag um 16 Uhr die Arbeitsstätten verlassen hätten. Eine Gruppe extremistischer Rädelsführer habe sich zur Unterfeeboots- flotille begeben und dort die Internationale angestimmt. Inzwischen seien auch die streikenden Arbeiter im Zuge vom Arsenal zur Unterseebootsflotille vorgedrungen. Sämtliche Truppen von Cherbourg stünden alarmbereit. Die Eingänge der Marinewerkstätten würden von Marinefeuerwehr bewacht. ^
Ammer noch Unruhen in Brest
Paris, 8. Aug. Zn Brest sind im Laufe des Mittwoch abend die Unruhen wieder aufgeflackert. Obwohl jede Ansammlung auf den Straßen verboten war und obwohl die Lokale hatten schließen müssen, sammelten sich zunächst im Zentrum der Stadt wieder Ausrührer, die in plötzlichen An griffen aeaen Sie
Polizei, die Mobilgarde und das Militär vorgingen. Etwa 20mal mutzten die Angreifer auseinandergetrieben werden, die sich jedoch schnell wieder an anderen Orten zusammenschlossen.
Um 23 Uhr schien die Ruhe einigermaßen wieder hergestellt zu sein. Aber um Mitternacht begannen die Zwischenfälle von neuem. Diesmal wandten die Meuterer eine neue Taktik an. Da das Zentrum der Stadt inzwischen von Polizei und Militär so stark gesichert war, daß dort keine Kundgebungen mehr möglich waren, verlegten die Ausrührer ihre Tätigkeit in die Wohnviertel. Dort wird augenscheinlich nach einheitlichem Plan gearbeitet: An den Ecken bilden sich Ansammlungen, und Sie Internationale wird gesungen. Einschreitende Polizei wird von einem Hagel von Pflastersteinen und Flaschen empfangen. Sobald Verstärkungen an Polizei und Militär eintreffen, zerstreuen sich die Aufrührer, um sich nach wenigen Minuten einige Straßen entfernt von neuem zu ähnlichen Zwischenfällen zusammenzuballen. Alles spielt sich im Scheine von Feuern ab, die die Aufrührer auf den Straßen aus Reisig anzünden, das sie aus den Festungsgräben geholt haben. Auch werden wieder Barrikaden aus Balken, Tischen und umgelegten Bäumen errichtet. Personenwagen und Lastwagen werden umgestürzt und in Brand zu stecken versucht.
Der Charakter der Zusammenstöße hat sich gegenüber Dienstag geändert. Es sind nicht nur die Arsenalarbeiter, die sich an den Zusammenrottungen beteiligen, sondern außer ihnen zahlreiche Arbeitslose, halbwüchsige Burschen und sogar Kinder. Die Bevölkerung ist ziemlich erregt. Trotzdem strömte eine Menge von Neugierigen in die Unruheviertel, wo sie von den Festungswällen aus die Zusammenstöße verfolgten und sich bei den zahlreichen Angriffen und Säuberungsaktionen der Polizei jedesmal in die benachbarten Gärten flüchteten.
Um 1 Uhr morgens wird aus Brest gemeldet, daß es im Zentrum der Stadt völlig ruhig sei und daß die Unruhen in den Vororten abebbten.
Entspannung der Lage
Die „Champlain" kann immer noch nicht auslaufen
Paris, 8. Aug. In Le Havre ist die Lage vorläufig unverändert. Die Maschinisten, Ingenieure, Hilfsingenieure und Stewards haben den Schlichtungsvorschlag angenommen und sind wieder an Bord der „Champlain" gekommen. Hingegen hat das Bedienungspersonal der Kabinen seden Kompromiß abgelehnt und zwei Vertreter nach Paris entsandt, um mit den zuständigen Stellen zu verhandeln. Von dem Ausgang dieser Verhandlungen wird es abhängen, ob die „Champlain" nun endlich auslaufen kann oder nicht.
KaSivettsrat in Paris
Paris, 8. Aug. Die französischen Minister traten Donnerstag vormittag zu einem Kabinettsrat unter dem Vorsitz des Ministerpräsidenten Lava! zusammen.
Der Kabinettsrat hat zunächst einen Erlaß gebilligt, der den Schutz des Sparkapitals betrifft und sich ferner mit den Maßnahmen zur Senkung der Lebenskosten und Ankurbelung der Wirtschaft besaßt. Die Prüfung der entsprechenden Vorschläge wird zur Zeit noch fortgesetzt. Der Kabinettsrat dürfte sich im Verlaufe seiner Sitzung auch mit den Zwischenfällen in Toulon und Brest beschäftigt haben; ferner hat er einen Bericht über die Jahrrstagung des sozialistischen Lehrer- yndikals entgegengenommen.
Zi Etahlßelm-Landervrrbünde ousgelöft
Berlin, 8. Aug. Wie das Gestapa mitteilt, sind die Landesverbände Berlin-Brandenburg, Pommern und Ostmark des NS.- DFV. lStahlhelmj einschließlich aller llntergliederungcii aus Grund des Paragraph 1 der Verordnung zum Schutze von Volk und Staat vom 28. Februar 1A33 in Verbindung mit Para-, graph 14 des Polrzeiverwaltungsgcsctzes mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden. Zugleich wurde das Vermögen der gesonnen Landesverbände und ihrer Gliederungen vorläufig beschlagnahmt.
In der Begründung des Verbots wird folgendes ausgesührt: „Die politische Entwicklung der genannten Landesverbände hat in den letzten Monaten, besonders aber in den letzten Wochen Formen angenommen, die geeignet sind, die Autorität des nationalsozialistischen Staates in Mißkredit zu bringen. Zahlreiche Auslassungen von Mitgliedern und Führer dieser Verbände bekunden eine oppositionelle, ja sogar staatsfeindliche Einstellung. Die für den NSDFB. auch in diesen Verbänden erlassenen staatlichen Anordnungen sind entweder nicht beachtet oder umgangen worden. Die bis in die jüngste Zeit hinein erfolgte Aufnahme von Mitgliedern aus den Reihen Ser Nichtfrontkämpfer, den marxistischen Lagern, den verflossenen
gegnerischen Parteien, machen den NSDFB. zum Sammelbelten oppositioneller und reaktionärer Kräfte. Die Auflösung der Landesverbände ist aus Gründen der öffentlichen Sicherheit, Ruhe und Ordnung daher geboten."
Sllterkonserenr ln Paris
am 1K. August
Paris, 8. Aug. I» den Unterredungen, die Ministerpräsident und Außenminister Laval am Mittwoch mit dem britischen Botschafter, dem italienischen Botschafter und dem britischen Gesandten hatte, wurde der abessinische Streitfall besprochen, ohne daß man jedoch die Grundfragen berührt hat. Man hat sich in der Hauptsache mit dem Zusammentritt der Dreierkonferenz beschäftigt. Es wird bestätigt, daß die britisch- französisch-italieiiische Konferenz in Paris zusammentreten soll. Die drei Länder werden durch Eden, Laval und Baron Aloifi vertreten sein. Die Verhandlungen werden voraussichtlich am 16. August beginnen
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