Nr. 17.
Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw. 90. Jahrgang.
Freitag, den 22. Januar 1915.
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Wechsel im KriegMinWum. — Ei« energisches Wort mch Amerik«.
Die Lage auf den Kriegsschauplätzen.
Die deutsche amtliche Meldung.
(W.T.B.) Grobes Hauptquartier, 2t. Jan. Westlicher Kriegsschauplatz. Zwischen Küste und Lys fanden auch gestern nur Artilleriekämpfe statt. Der vorgestern von uns genommene Schützengraben bei Notre Dame de Lorette ging heute nacht wieder verloren. Nordwestlich Arras grisfen die Franzosen beiderseits der Chaussee Arras-Lille wiederholt an, «uiÄen aber zurückgeschlagen. Südwestlich Verrq a« Bac wurden den Franzosen zwei Schützengräben a-geuommen, die trotz lebhafter Gegenangriffe von uus behauptet wurden. Französische Angriffe gegen unsere Stellungen südlich St. Mihiel wurden abgewiesen. Nordwestlich Pont L Mousson gelang es, einen Teil der uns vor drei Tagen entrissenen Stellungen zurückzunehmen. Unsere Truppen eroberten dabei 4 Geschütze und machten mehrere Gefangene. Um den Rest der verloren gegangenen Stellungen wird noch gekämpft. In den Vogesen nordwestlich Sennheim dauern die Kämpfe noch an.
Oestlicher Kriegsschauplatz. Zn Ostpreußen ist die Lage unverändert. Ein kleineres Gefecht östlich Lipno verlief für uns günstig. IVO Gefangene bliebe» in unserer Hand. Im Gelände westlich der Weichsel nordöstlich Borzimow schritt unser Angriff fort. Ein russischer Angriff westlich Lopusso. südöstlich Konskie, wurde abgeschlagen.
Oberste Heeresleitung.
Der österreichisch-ungarische Tagesbericht.
(W.T.B.) Wien. 21. Jan. Amtlich wird ver- lautbart vom 21. Jan. mittags: Die Situation ist unverändert. An der ganzen Stelle nur stellenweise Geschützkampf. Stellv, des Chefs des Generalstabs von Höfer, Feldmarschalleutnant.
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Zur Lage im Osten.
Wien, 21. Jan. Roda Roda, der Kriegsberichterstatter der „Neuen Freien Presse", hat seinem Blatte einen von der „Deutsch. Tageszeitung" übernommenen Bericht gesandt, in dem es unter anderem heißt: Seit gestern nacht Mt strenger Frost an, das Barometer steht hoch, die Schneedecke ist sehr dünn. Die Straßen sind zwar sehr holperig, aber gut passierbar. Sobald einmal der Frost tiefer ins Erdreich eingedrungen ist, ist das weitere Ausheben von Schützengräben unmöglich. Dann dürste es zu einem hartnäckigen Kampfe um die Stellungen kommen und zu blutigen Feldschlachten mit rascher Entscheidung. Da mit dem Augenblicke des Zufrierens auch Flüsse und Ströme passierbar werden, so ist dann der Eintritt einer neuen Phase des Krieges zu erwarten. Unsere Truppen find zum Teil in Dorfquartieren untergebracht. Sie bleiben dort als Reserve und gehen spater wieder in die Schützengräben. Die Operationspause hält einstweilen immer noch an. Nur am Dunajec ist lebhafte Tätigkeit. Dort sind unsere Truppen teilweise zur Offensive übergegangen. Sie haben den Rüsten mehrere Stützpunkte und Brücken entrissen. Dabei ist der Jnfanterie- angriff aufs lebhafteste durch Artilleriefeuer unterstützt worden. Gegen die Bewohner der von ihnen besetzten Gebiete haben die Russen sich bestialischer Grausamkeiten schuldig gemacht. Es wurden amtliche Untersuchungen darüber eingeleitet, und die Veröffentlichung steht unmittelbar bevor. Bei Dukla haben die Tscherkesten einige unserer versprengten
und verwundeten Soldaten furchtbar massakriert. Die Nachricht hiervon durcheilte wie ein Lauffeuer die deutschen und die österreichischen Linien. In der Bukowina haben die Rüsten ohne jeden Grund und Zwang ganze Dörfer niedergebrannt und Männer wie Frauen in grausamer Weise getötet. Es ist nicht richtig, daß sämtliche Kosaken aus der Front in das Hinterland gebracht worden seien.
Die Tapferkeit der deutschen Reserven.
Berlin. 21. Jan. Aus Rotterdam, 20. Januar wird dem Lokalanzeiger gemeldet: Der Kriegberichterstatter der „Daily News" meldet aus Paris: Sämtliche Kämpfe in den letzten Tagen waren erbitterter, als sie je gewesen waren. Ueberall gibt man zu, daß die deutschen Truppen des zweiten Aufgebots sich glänzend schlagen und mit einer Hartnäckigkeit kämpften, die derjenigen bester eingeübter Soldaten, die monatelang in der Schlachtlinie standen, würdig ist. Es ist bemerkenswert für die Beurteilung der Tüchtigkeit der neuen Armee, die Deutschland jetzt wieder nach der Front geschickt hat.
Der Zslarn und der Krieg.
Das Vordringen der Türken im Kaukasus.
Konstantinopel. 21. Januar. Der türkische Große Admiralstab teilt mit: Die Angriffe der Raffen auf der Front im Kaukasus wurden auf der ganzen Linie zum Stillstand gebracht.
(W.T.B.) Konstantinopel, 21. Jan. Das Os- manische Nachrichtenbureau erfährt: Es bestätigt sich, daß die Bevölkerung von Tiflis die Stadt zu verlassen beginnt, um sich ins Innere des Landes zu begeben. Die städtischen Behörden haben eine außerordentliche Summe bewilligt, um die Abreise der Familien der Beamten zu erleichtern. Sowohl Tiflis, wie Kars ist vollständig von der Bevölkerung geräumt. Die Regierungsgebäude, Moscheen, die Kirchen und die größeren Privatgebäude sind in Lazarette verwandelt worden. Infolge des Steigens der Lebensmittelpreise herrscht großes Elend. Selbst die ruffischen Offiziere find überzeugt, daß Rußland den Angriffen der Deutschen im Norden und der Türken im Kaukasus nicht widerstehen kann, sondern geschlagen wird.
Die englische Schlappe am persischen Golf.
Konstantinopel. 21. Jan. Das Hauptquartier meldet: Nach Erklärungen von Gefangenen, die während des gemeldeten Kampfes am Schatte! Arab gemacht wurden, heißt das Kanonenboot, das sich unter unserem Feuer zurückziehen mußte, „Es- piegle." Es wurde schwer beschädigt. Sein Kommandant Fawler, ebenso der zweite Offizier und 17 Mann der Besatzung wurden getötet.
Die Engländer in Aegypten.
Mailand, 21. Jan. Der „Lorriere della Sera" meldet laut „Franks Zeitung" aus Kairo: Die Furcht vor einem Angriff der Türken ist während der letzten Wochen gestiegen. Viele Europäer schicken sich zur Abreise an. Trotz der Strenge der Zensur und des Tones der Presse, welche die türkische Gefahr zu verachten vorgibt, beginnen beunruhigende Gerüchte umzulaufen. Der englische Befehlshaber Mackwell hat verboten, ohne besondere Erlaubnis Jsmaila zu betreten.
Rom, 21. Jan. Aus Aegypten treffen, wie dem „Berliner Tageblatt" von hier gedrahtet wird, fortgesetzt höchst ungünstige Nachrichten ein. Danach soll es um die Disziplin der australischen Truppen sehr schlimm bestellt sein. Prügeleien zwischen der Mannschaft und den Offizieren seien geradezu an der Tagesordnung. Kürzlich seien sogar zwei Australier kriegsgerichtlich erschossen worden. — Der Korrespondent der „Stampa" meldet aus Kairo, wenn man in Frankreich eine Ahnung davon hätte, wie viele Kolonialtruppen die Engländer nach Aegypten, statt nach Frankreich werfen. Die Engländer interessieren sich aber natürlich weit mehr für die in Aegypten bevorstehenden Kämpfe, als für den Krieg in Frankreich.
Das perfide Albton.
(WT.V.) Konstantinopel, 21. Jan. „Turan" hebt die Mißerfolge der Jntriguen hervor, durch die England die Senussi zu verleiten versuche, ihren Marsch gegen Aegypten aufzugeben und sich von England mit Waffen versehen zu lassen zum Kampf gegen die Italiener in Benghasi. (!) Dieser Kampf würde dann den Einflüssen der Türkei zugeschrieben werden und auf diese Weise die Beziehungen der Türkei zu Italien getrübt. Das Blatt gibt der Ueberzeugung Ausdruck, daß die Türkei, deren Interessen die herzlichsten Beziehungen zu Italien erheischten, alles mögliche tun werde, um, wie bei zahlreichen anderen Gelegenheiten den Beweis zu erbringen, daß sie jede Handlung vermeide, die einen schlechten Eindruck in Italien Hervorrufen könne. Auf diese Weise würden alle Bemühungen der Tripleentente, die türkisch-italienischen Beziehungen zu stören, nichts nützen. Das Blatt nimmt mit Befriedigung von dem Brief des italienischen Botschafters Garroni Kenntnis, in dem dieser bestreitet, daß die Italiener in der Türkei schlecht behandelt würden.
Deutschland und die amerikanischen Kriegslieferungen.
(W.T.B.) Berlin. 21 .Jan. Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: Wie über London bekannt wird, hat in einer Sitzung des Komitees des amerikanischen Repräsentantenhauses für auswärtige Angelegenheiten der Vorsitzende Floot unter Berufung auf eine Denkschrift der deutschen Regierung den Eindruck erweckt, als habe sich Deutschland mit den amerikanischen Lieferungen an Kriegskonterbande an seine Gegner abgefunden. Dies ist ein großes Mißverständnis. Die von Herrn Flood angeführte Denkschrift räumt nur ein, daß nach geltenden Grundsätzen des Völkerrechtes Deutschland gegen Kriegslieferungen neutraler Privatpersonen an seine Feinde keine Handhabe zu einem rechtsförmlichen Anspruch besitzt, so daß, wie es am Schluß der Denkschrift heißt, die Vereinigten Staaten zur Duldung seiner Lieferungen „an sich befugt" sind. Selbstverständlich sind aber die Vereinigten Staaten nach völkerrechtlichen Grundsätzen gleichermaßen befugt, den ganzen Konterbandehandel mit allen kriegführenden Ländern durch Erlaß eines Waffenausfuhrverbotes zu unterdrücken, zumal der internationale Waffenhandel mit England und Frankreich einen Umfang angenommen hat, der die Neutralität, zwar nicht der amerikanischen Regierung, wohl aber des amerikanischen Volkes tatsächlich in Frage stellt. Eine solche Maßnahme läge umso näher, als England nicht einmal den internationalen erlaubten