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Nationales Nachrichten- und Anzeigenblatt für die OberamtsbezirLe Nagold. Calw, Freudenstadt und Neuenbürg
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Nummer 87
Altensteig, Freitag, den 12. April 1S3S
5 8. Jahrga»,
Dammbruch im Etegerlanb
Große lleberschwemmungen — Das Dorf Littfeld schwer verwüstet
Siegen, 11. April. Aus allen Teilen des Siegerlan- -es werden schwere Hochwasserschäden infolge der Schnee- schmelze und der Niederschläge der letzten Tage gemeldet, so besonders aus Eiserfeld, aus dem Hellertal und dem Amt Netphen. Besonders schwer wurde der Ort Littfeld betroffen. Hier brach in der Nacht zum Donnerstag der Staudamm eines großen zur Eleltrizitätsgewinnung benutzten Weihers und überflutete in kürzester Zeit den Ort. Die Einwohner wurden vom Wasser im Schlafe überrascht. Zn einzelnen Häusern stand das Wasser schon kniehoch in den Zimmern, als die Bewohner es bemerkten. Sie retteten, nur ganz notdürftig bekleidet, ihre Kinder und das Lieh, das vielfach schon bis zum Hals im Wasser stand, nach den oberen Stockwerken.
So schnell, wie das Wasser gekommen war, so schnell war es auch wieder abgeflossen. Es ließ große Verwüstungen zurück. Die Straßen waren mit Morast und Schlamm bedeckt. Holzstangen und Gerümpel versperrten den Durchgang. Die Hausgärten waren zum größten Teil mit Unrat bedeckt. Alles, was nicht befestigt war, war fortgeschwemmt. Der Schaden läßt sich noch nicht annähernd beziffern. Er ist aber sehr bedeutend. Die Wassermassen, die sich in das Dorf ergossen, schätzt man auf IS VVV Kubikmeter. Opfer an Menschenleben sind glücklicherweise nicht zu beklagen.
„Alliancen im neuen SM"
»Times" über das neue französisch-sowjetrussische Abkommen
London, 11. April. Unter der Ueberschrift „Alliancen nn neuen Stil" sagt „Times" in einem Leitartikel, der Aufbau des kollektiven Verteidigungssystems ohne Deutschland und ohne Großbritannien habe bereits begonnen. Frankreich und Sowjetrußland hätten am Vorabend von Stresa vereinbart, einen Pakt gegenseitigen Beistandes zu unterzeichnen, der sich innerhalb des Rahmens des Völkerbundes halten solle. Tatsächlich handle es sich um den Versuch, die Genehmigung des Völkerbundes für ein Verteidigungsbündnis zu gewinnen. Gleichzeitig seien anscheinend Vorkehrungen getroffen worden, um die Verzögerungen zu vermeiden, die von der gewöhnlichen Prozedur des Völkerbunüsrates untrennbar find. Genaue Einzelheiten des neuen Vertrages seien noch nicht bekannt, und er werde tatsächlich vor Laoals Besuch in Moskau nicht unterzeichnet werden.
, „Times" geht dann zu einer Erörterung des französisch-sowjet- russischen Planes über und beschäftigt sich in diesem Zusammenhang mir den Artikeln 10, 15. 16 und 17 der Völkerbundssatzung. Das Blatt schreibt: „Frankreich und Sowjetrutzland wollen also einen Streit dem Völkerbund unterbreiten, aber wenn der Völkerbund keine Einstimmigkeit erzielt, dann werden sie die Regelung in ihre eigenen Hände nehmen. Der offenbare Nachteil dieser neuen Vorschläge ist. daß sie die Neigung zeigen müssen. Europa in gesonderte feindliche Lager zu teilen. Zweifellos wird allen Ländern die Teilnahme freigestellt werden, aber es ist anzunehmen, daß Deutschland und Polen dieselben Einwendungen gegen diese neue Form von Pakten erheben würden, wie gegen den ursprünglichen östlichen Sicherheitspakt. Der katastrophale verschwenderische und zerrüttende Rüstungswettbewerb, der bereits begonnen hat, muß nahezu unvermeidlicherweise verschärft werden. Auf der anderen Seite ist das einzig wirksame Abschreckungsmittel gegen einen etwaigen Friedensbrecher die Gewißheit, sich einer gewaltigen Ansammlung von Kräften gegenüberzusehen. Das beste, was zu hoffen ist. daß durch diese Methode ein unbehaglicher Frieden so lange aufrecht erhalten werden kann, bis diese Methoden unter günstigeren Umständen einem vollkommenen Friedenssystem Platz machen, das keine Unterschiede zuläßt, die >sch aus den letzten Krieg gründen und das künftige Kriege überflüssig macht, indem es Aenderungen ohne Gewaltanwendung möglich macht. Das ist das Ziel, für das ein wirklicher Völkerbund eintreten müsse."
Beitritt der baltische» Staate« zum franzWüi-
sowjeiruWüien Abkommen -
London, 11. April. Wie „Times" meldet, hat die Sowjet regierung bei der litauischen, lettischen und estnischen Regierunc hinsichtlich der Frage eines Bündnisses gegenseitigen Beistände« oorgefragt, das an Stelle des von Deutschland und Polen verworfenen östlichen Sicherheitspaktes treten solle. Es verlautete baß der neue Pakt den Richtlinien des vorläufigen französisch sowietrussischen Abkommens folgen werde und unter Umständen mit diesem in Zusammenhang gebracht werden solle, zumal ia -er ursprüngliche Vorschlag für den östlichen Sicherheitspaki
en Beitritt der drei baltischen Staaten vorgesehen habe. Di«
re baltischen Regierungen würden die Angelegenheit in Lr-
agung ziehen und ihre Antwort wohl für eine kurze Zeit auf-
D« ..llollkiMk Um" jlik Stttsa
Elne Warnung Mussolinis?
Mailand, 11 April. „Popolo ü'Jtalia" bringt einen offenbar von Aiussolini selbst stammenden Artikel, der erneut vor nicht gerechtfertigtem Optimismus warnt. Um allen Alarmmeldungen entgegenzutrelen. heißt es darin, er- icheine es nützlich, erneut zu bestärken, daß von Stresa nicht der Krieg ausgehe und auch nichts beschlossen werde, was einen solchen in der nächsten Zeit unvermeidlich machen würde. Das solle aber nicht heißen, daß Stresa den ewigen Frieden sicherstellen werde. Dieser Friede hänge vor allein von jemanden ab. der nicht in Strem anwesend sei. Wenn nicht der Krieg und auch nicht der Friede, was also werde in Stresa herauskommen? Daraus könne man antworten, daß ein Communigus heran s k o m m e n werde, das den kleinsten gemeinsamen Nenner zwischen den drei Ländern darstellen werde und. wenn nicht Unvorhergesehenes eintreffe, nur allgemeiner und beratender Art sein könne. Man mutz noch berücksichtigen, heißt es weiter, daß manche grundlegende Frage von Stresa die drei Abwesenden, nämlich Deutschland, Rußland und Polen angehl. Fm Schachspiel des Ostens ist alles noch im Fluß. Um ein- für allemal die Phantasien des sensationslüsternen Journalismus zu zerstreuen, muß erklärt werden, daß kein geheimnisvoller „italienischer Plan" besteht. Es ist also grotesk, Schlußfolgerungen aus nicht bestehenden Grundlagen auszubauen. Der italienische Plan, der alle Italiener angeht und den alle Italiener kennen müssen, ist folgender: Bis zur Klärung des Horizonts Ausrechterhaltung einer ständigen Streitmacht von 600 006 Mann. Ausrüstung dieser Streitmacht mit den
modernsten Waffen, Beschleunigung der Luft- und Seerüstungen. Dieser „Plan" ist als unerläßlich für die Garant!« des Friedens in Europa und vor allem zur Sicherung des Friedens Italiens. Die „Erkundungen", die Italien in den letzten Tagen eingezogen hat, haben zu diesem Schluß geführt.
Starker Eindruck des »Povol»--Artikels
Stresa, 11. April. Während auf der Jsola Bella die Verhandlungen zwischen den drei Westmächten im Gange sind, steht sie in Stresa versammelte internationale Weltpresse unter dem Eindruck des überraschenden Artikels im „Popolo ü'Jtalia" der allgemein Mussolini zugeschrieben wird. Man schließt daraus, daß die Italiener es durchaus siir möglich und sogar wahrscheinlich halten, daß die Konferenz ohne wirkliche Lnt- icheidungen abschließt. Jedenfalls scheint Mussolini die Weltöffentlichkeit schon heute auf Liesen Ausgang oorbereiten zu wollen. Er will damit offenbar sonst unausbleiblichen Enttäuschungen Vorbeugen. Wenn der Duce sich jetzt schon damit zufrieden erklärt, wenn es gelingt, ein Mindestmaß der Uebereinstimmung zwischen den drei Großmächten zu erreichen so müssen — das wird hier allgemein gefolgert — die Gegensätze zwischen den drei Staaten noch außerordentlich groß und schwerwiegend sein. Sehr viel wird hier vermerkt, daß der „Popolo d'Jtalia" es für notwendig gefunden hat, ausdrücklich zu betonen, die Konferenz von Stresa werde nicht zum Kriege führen, noch den Krieg unvermeidlich machen.
führen, noch den Krieg unvermeidlich machen.
Ser eckte Las I» Stresa
Englische Soltdnrltatserklüruna
Stresa, 11. April. Die Verhandlungen her Ministerpräsidenten und Außenminister Englands, Frankreichs und Italiens wurden in den heutigen Abendstunden beendet und sollen morgen vormittag um 9.30 Uhr wieder ausgenommen werden.
Von unterrichteter englischer Seite wurde folgende Darstellung über den Verlauf des heutigen ersten Verhandlungstages gegeben:
Die Besprechungen waren vom freundschaftlichsten Geist getragen. Der Standpunkt der britischen Delegation zu allen wesentlichen Fragen wurde vollkommen klar dargelegt. Es wurde vor allem von britischer Seite festgestellt, daß man alles tun werde, um die Solidarität unter den drei Mächten zu stärken. Es sei klar, daß England, Frankreich und Italien nicht getrennt werden könnten. Sie müßten Zusammenhalten, um den Frieden zu sichern. Diese Solidarität wurde von britischer Seite sehr ausdrücklich unterstrichen.
Weiter gab Sir John Simon «inen genauen Bericht über seine nnd Edens Reise nach Berlin, Moskau, Warschau und Prag. Hierbei wurde vor allem klargemacht, daß die leitende Idee dieser Besuche nicht die war, Deutschland glauben zu machen, daß seine Handlungsweise vom 16. 3. von der englischen Regierung nicht unwidersprochen bleibe, sondern festzustellen, ob noch irgendeine Hoffnung dafür vorhanden sei, daß Deutschland in ein gemeinsames System zurückkehren werde.
Die leitidee Englands sei, ein kollektives Abkommen zur Sicherung des Friedens zu erreichen. England glaube, daß der Völkerbund ein geeignetes Instrument sei, um den Frieden zu organisieren. Die kollektive Sicherheit müsse in jedem Falle erreicht werden. Hierbei wolle England mithelfen, soweit es dies könne.
Als weiteres englisches Ziel wurde bezeichnet, ein Abkommen über den Stand der Rüstungen zu erreichen — nicht über Abrüstung — und zwar durch ein bindendes internationales Dokument. England ist im übrigen auch mit der Kontrolle völlig einverstanden. England will weiter das gegenseitige Vertrauen zwischen den Völkern wieder Herstellen. Dies alles wurde heute morgen von englischer Seite ausführlich auseinan'dergesetzt. Zn diesem Zusammenhang wurden an Sir John Simon ein« Reihe von Fragen gerichtet, auf die er antwortete.
Im Anschluß hieran wurden heute vormittag die Punkte besprochen, die am 3. 2. in London behandelt wurden, vor allem über ein gemeinsames Vorgehen der Westmächte. Simon hob hierbei hervor, er wäre völlig überzeugt, daß Frankreich und England ebenfalls der Meinung seien, die englischen Erkundungsreisen seien nützlich gewesen. Es wurde weiter von englischer Seite betont, daß die drei Staaten vollkommen im Ziel und im Priznip übereinstimmten, obgleich noch Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich
der anzuwendenden Methoden und andere Fragen beständen. Diese Gegensätze erstreckten sich jedoch nicht auf das Endziel. Im ganzen, so wurde weiter erklärt, sind am heutigen Tage die meisten Fragen summarisch behandelt worden, die es meist am ersten Tage einer Konferenz der Fall zu sein pflegt. Mit diesen Fragen werde man sich später noch näher zu befassen haben.
Am Nachmittag ist dann allerdings eine Frage konkreter behandelt worden: die französische Delegation legte nämlich die Gründe für ihr Memorandum an den Völkerbund wegen des deutschen Vorgehens vom 16. 3. dar. Im Zusammenhang hiermit prüften die drei Delegationen das Verfahre«, das für Genf in Frage kommt. Dies wurde sehr eingehend erörtert. Abschließend wurde von englischer Seite noch betont, daß heute hauptsächlich die Vergangen- ' heit betreffende Fragen behandelt wurden. Neu sei nur die erwähnte Erklärung der französischen Delegation.
Am Freitag wird man sich voraussichtlich mehr mit der zukünftigen Politik befassen.
Schließlich kam man von englischer Seite noch auf Gerüchte zu sprechen, die in Genf über gewisse Pläne und dergleichen umlausen. Die drei Delegationen hätten sich darüber gewundert. Ihnen sei von allen diesem Nichts bekannt. Bis jetzt sei selbstverständlich noch keine Entscheidung gefallen. Dafür sei auch keine Zeit mehr gewesen. Ergänzend hört man weiter von englischer Seite, daß heute Nachmittag auch sehr ausführlich Wer den Ostpakt gesprochen worden ist.
Von italienischer Seite wird über den Verlauf des heutigen Verhandlungstages ein Kommunique herausgege- ben, dessen Inhalt sich, — wenn auch in kürzerer Form — im wesentlichen Mt der englischen Darstellung deckt.
Von französischer Seite wird erklärt, daß über die weiter einzuschlagenden Methoden noch keinerlei Beschlüsse vorliegen. Man rechnet aus französischer Seite damit, daß die Verhandlungen nicht vor Samstagabend, voraussichtlich sogar erst Sonntagfrüh abgeschlossen werden.
Ser Eindruck -es ersten Konferenztaoes in englischen und amerikanischen «reisen
Meinungsverschiedenheiten zwischen den drei Konferenzmächte»
Stresa, 12. April- In englischen und amerikanischen Kreisen wird der Vermutung Ausdruck gegeben, daß die Gegensätze zwischen den drei Konferenzmächten am Donnerstag schärfer in Erscheinung getreten seien, als in den offiziellen Verlautbarungen deutlich werde Es wird daraus hingewiesen, daß eine angebliche Einigung im Ziel und in den Grundsätzen noch wenig besage, wenn man sich über die Wege nicht einig sei. Die Tatsache, daß sicb die Italiener offenbar am ersten Konferenztage entgegen den ursprünglichen Erwartungen noch sehr zurückgehalten haben und daß stsii dessen die englischen Minister führend in den Gang der Verhandlungen eingriffen, wird hier viel orr-