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Rationales Nachricht rn- und Anzeigenblatt für die OberamtsöeZirke Nagold, Calw, Freudenstadt und Neuenbürg

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Nummer 81

Alten steig» Freitag, den 5. April 1835

5 8. Jahrga»,

RunWau

In einem feierlichen Schlußakt ist dem Führer das Er­gebnis des Winterhilfswerkes 1934 35 mitge- jeilt worden. Seine Worte mündeten in einen einzigen gro­ßen Donk, der jeden erfaßt, der auch nur ein Scherslein zu dem Ersolg dieses großen sozialen Werkes beigetragen hat. Es hieße die Großartigkeit des Eindrucks verringern, wollte man die Ziffern zergliedern oder sich in Einzelheiten erge­hen Allein die Tatsache, daß in diesem Jahre rn fünfmo­natlicher Liebestätigkeit 362 Millionen erjammelt wurden and mehr erreicht worden ist. als in den sechs Monaten des Winters 1933 34, genügt für die Feststellung, daß wirklich ein ganzes Volk geopfert hat. Es ist kein Zufall, daß, wäh­rend rings die Welt von Krieg und Kriegsgeschrei er­dröhnt, ausgerechnet das angeblich jo kriegslüsterne und angrisfsbereite Deutschland ein jo großes Friedenswerk nun bereits zum zweiten Male erfolgreich durchfllhrte. Und nicht nur das allein, an dem gleichen Tage, an dem die Tätig­keit dieser sozialen Winterorganijation abgeschlossen wird, degibt sich eine andere, das Tuberkuloje-Hilfs- werk, aus ein neues Betätigungsfeld, dessen räumliche Grenzen zwar abgesteckt sind, dessen zeitliche Bearbeitung aber vorläufig unbegrenzt ist.

Die europäischen Gespräche, die die englischen Minister in Berlin begonnen, sind in dieser Woche durch Lord Eden in Moskau, Warschau und Prag wer- tergejührt worden. Der Reijeplan der britischen Minister ist abgeschlossen und in der kommenden Woche steht die Konferenz in Streja im Vordergrund, wo Musso­lini mit dem englischen Außenminister Simon und dem sianzüsischen Außenminister Laval Zusammentreffen wird. Dort soll eine Art Reijebilanz aufgemacht und die Folge­rungen gezogen werden, inwieweit dem englisch-französischen Kommunique vom 3. Februar praktische Wirklichkeit gege­ben wird.

Die Reise Edens nach Moskau hat interessante Schlaglichter zur europäischen Lage gegeben. In der amt­lichen Verlautbarung wird sestgeftellt, daß zwischen Eng­land und Sowjetrußlandgegenwärtig keinerlei Wider­sprüche in keiner einzigen Hauptfrage der internationalen Politik bestehen". In Berlin war zuvor die Rede von den beiderseitigen Auffassungen, die einer vollen Klärung zu­geführt wurden." Von englischer Seite wurde diese letztere Auslastung dahin ausgelegt, daß sehr ernste Unterschiede beständen. Abgesehen von diesen amtlichen Verlautbarun­gen hat sich in Moskau offen gezeigt, daß man dort als nächstes Ziel einen Dreimächtepakt zwischen Sowietrutz- land, Frankreich und der Tschechoslowakei erstrebt, wenn der Ostpakt ohne die Teilnahme Deutschlands und Polens nicht zu erreichen ist.

Eden reifte nur zur Information, und er suchte dabei die Erundlage für ein europäisches allgemeines Bündnissystem (Kollektiojystem) mit dem Ziel der Rüstungsbegrenzung und des Luftpaktes zu finden. In Moskau dürfte Lord Eden erst recht die Schwierigkeiten erkannt haben, wie schwer es ist, den Ostpakt nach russisch-französischen Wünschen zu ge­stalten. Rußland will den östlichen Pakt als Rückendeckung, wenn auch die Spannung im Fernen Osten säst ganz ab- geblajen ist. Die Unterzeichnung der Abmachungen über den Verkauf der ostchinestjchen Eisenbahn an Japan und Man- bschukuo sind Beweis dafür, daß Rußland seine Westorien­tierung zu verstärken sucht. Die bolschewistische Propaganda hat durch die Wiedererstarkung Deutschlands die stärkste Einbuße erlitten: nun jucht Moskau auf dem Wege über den Ostpakt wieder die Hände nach allen Richtungen frei zu bekommen, vor allem für den Bolschewismus, der nach den Moskauer Grundsätzen ja zur Weltrevolution führen soll.

In Warschau hat Lord Eden erfahren, daß Polen loyal zum Abkommen mit Deutschland steht. Es ist ihm zweifellos von den polnischen Ministern die Nichtigkeit der deutschen These praktisch erläutert worden, daß zweiseitige Nichtangriffspakte zwischen Nachbarn ein besserer Weg für die Schaffung von Sicherheit sind als regionale oder kollek- tst>e Pakte, die zum bewaffneten Eingriff verpflichten. In Warschau wurde von den Polen die sogenannte Beistands- Verpflichtung des Ostvertrags abgelehnt. Die ursprüngliche Horm des Ostvertrags ist damit erledigt. Die englischen glätter geben dem unverhohlen Ausdruck und Englands Vemühen zielt darauf ab, eine Kompromißlösung zu finden, eine Umgestaltung der Formeln und Klauseln des Ostvertrags. Nach einer Meldung der Morning-Post soll auch Reichskanzler Hitler dem englischen Besuch in Ber­

lin einen allgemeinen Sicherheitsplan vorgelegt haben, der nun mehr Beachtung findet. Er basiert nach den englischen Stimmen auf der Grundlage zweiseitiger Nichtangriffspakte auf der Schiedsgerichtsbarkeit und auf Verweigerung wirt­schaftlicher und finanzieller Hilfe für den Anarelfer.

Lord Eden hat auch in Prag, der Hauptstadt der Tsche­choslowakei, die als Wortführerin der Kleinen Entente gilt, kurzen Besuch gemacht und einen wenig fruchtbaren Boden gefunden, zumal der rumänische Außenminister Titulescu in Paris bereits Umtriebe macht, um den französischen Kurs zu verstärken. Zwar wurde auch in Prag mit Dr. Be- nesch die völlige Uebereinstimmung in den politischen Zie­len festgelegt, aber man weiß, daß dies nur das Programm Frankreichs umfaßt. Nach der Konferenz von Streja, aus die man im französischen und italienischen Lager große Hoffnungen setzt, wird man deutlicher sehen, daß das euro- päifche Spiel um den Ostpakt sehr zweifelhaft geworden ist. In England jedenfalls dämpft man die Erwartungen auf Streja und hat auch nicht Helle Freude daran, wie die Stimmungsmache gegen Deutschland mit Entstellungen und Verdrehungen über die Berliner Besprechungen in Frank­reich getrieben wird.

In Belgten hat man die Währung des Belga von 58 Pfennig auf 43 Pfennig herabgesetzt und ist dadurch von der Goldwährung abgegangen, wenn auch die Regierungs­erklärung des neuen Ministerpräsidenten van Zeeland ein Bekenntnis zum Goldwährungssystem enthielt. Der Kurs

der belgischen Währung, des Belga, wird einstweilen srei- ichwebend von der belgischen Nationalbank reguliert, die sich dazu nach englischem Muster eines Ausgleichsfonds be­dienen wird. Belgien will aber zum Goldstandard zurück­lehren, wenn eine internationale Einigung der Hauptlän­der des Welthandels in dieser Hinsicht oorliegt. Belgien ist vom Goldstandard adgegangen. als Frankreich ihm er­klärte, daß die Mitgliedschaft beider Länder imGoldblock", der noch Holland, Italien, Frankreich, die Schweiz und Po­len umfaßt, zu nichts verpflichte. Beunruhigt durch die neu­esten Sprünge des Pfundes hat Belgien um Erhöhung der französischen Bezüge belgischer Waren gebeten, war aber abgcwieien worden. Frankreich sperrt sich durch Kontin­gente gegen belgische Waren ab. England unterbietet die gesenkten belgischen Preise. Ob sich nun die Flucht Bel­giens in die währungspolitijche Ungewißheit als eine ret- rende Tat erweisen wird, bleibt abzuwarten.

InUngarnhat die Regierung Gömbös bei den Parla- mentswahlen auf den ersten Anhieb eine starke Majorität erhalten, die sich bei den Stich- und Nachwahlen dieser Tage weiter verstärken wird. In Spanien taumelt man von einer Regierungskrise in die andere. Wieder hat der Führer -er Radikale«. Lerroux, ein neues Kabinett gebildet, das aber als Minderheitskabinett in der Kammer alsbald unterliegen würde. Darum hat der spanische Staatspräsident die Parlamentstagung für einen Monat unterbrochen.

Abschluß d« WormatliMM Ebros

Amtlicher Verlcht über ble Prager Besprechungen

Prag, 4. April. Die Beratung des Lorüsiegelbewahrers Eden mit dem Minister für auswärtige Angelegenheiten. Dr Benesch, die kurz nach 10 Uhr im Arbeitszimmer d«s Ministers im Lzer- nin-Palais begannen, endeten kurz nach 12 Uhr. Englischer- seits nahmen daran teil Lordsieaelbewahrer Eden und der eng­lische Gesandte Addison, tschechoslowakischerieits Dr. Benesch und Gesandter Jan Mafaryk. lieber die Unterredungen wurde der folgende amtliche Bericht ausgegeben:Lordsiegelbewahrer Eden ist am Donnerstag früh in Prag eingetrorfen. Bei der Zusam­menkunft, die im Ministerium für auswärtige Angelegenhetien in Prag stattfand, tauschte Minister Anthony Eden mit dem Minister Dr. Benesch in herzlicher und freundschaftlicher Weise d«e Ansichten über alle rm Londoner Communique vom 3. Fe­bruar 1935 enthaltenen Fragen aus. Minister Dr. Benesch dankte dem Minister Eden herzlich für seinen Besuch in Prag und für die Mitteilung, die er ihm über die Ergebnisse seiner Reise in die übrigen Hauptstädte gab. Seinerseits gab ihm Minister Dr. Benesch eine ausführliche Darstellung der Frie­denspolitik der Tschechoslowakei. Beide Minister stellten eine vollständige Uebereinstimmung in den Ziele» der Politik ihrer Länder hinsichtlich der Erhaltung des allgemeinen Friedens und ihre aufrichtige und unabänderliche Ergebenheit der Politik des Völkerbundes gegenüber fest."

Lordsiegelbewahrer Eden ist um 13.25 Uhr in Begleitung sei­nes Privatsekretärs und zweier Journalisten nach London ab­geflogen.

*

Lardsteyeldewllhrer Eden in Köln

Köln. 4. April. Lordsiegelbewahrer Eden ist kurz nach 17 Uhr auf dem Kölner Flughafen eingetroffen. Er wurde begrüßt oon dem englischen Generalkonsul, einem Vertreter des Kölner Re­gierungspräsidenten und dem Polizeipräsidenten oon Köln. Eden wird infolge des ungünstigen Flugwetters »eine Weiterreise nach London erst am Freitag früh fortfetzen.

SkrWtbmig -er englischen KablnettWnng

London, 4. April. Nachdem Lordfiegelbewahrer Eden nacht, wie erwartet, am Donnerstagalbend, in London Ein­treffen konnte, ist die ursprünglich für Freitag angesetzte Vollsitzung des Kabinetts auf den kommenden Montag ver­schoben worden. Freitag wird ein Kabinetisausfchuß den Bericht Simons über seine Berliner Reife prüfen. Sollte Eden am Freitag wieder in London sein, dann wird auch sein Bericht über die Besuche in Moskau, Warschau und Prag von dem Ausschuß erörtert werden.

In diplomatischen Kreisen herrscht die Ansicht, daß Mac- donald an der Dreimächtekonferenz in Stresa am 11. April nicht teilnehmen werde. Bisher ist jedoch nichts endgülti­ges beschlossen worden, da das Kabinett noch vorher die ge­samte Lage, wie sie sich nach der Berichterstattung Edens ergibt, erwägen muß. Im Bericht der französischen Presse, daß der Quai d' Orsoy im Besitz einer geheimen Denkschrift

des britischen Außenministers sei, in der feine Besprechun­gen mit dem Führer zusammengefaßt sind, werden heute in London in Abrede gestellt. Es wird erklärt, daß die fran­zösischen Minister zwar eine sehr eingehende Mitteilung darüber, was sich in Berlin ereignete, erhalten haben, daß ihnen aber kein Schriftstück, in dem die Berliner Bespre­chungen zusammengefaßt werden, ausgehändigt worden ist.

Star" greift in einem Leitanfsatz die heutige Feststel- . lung derTimes" auf, daß viel zu viel Nachdruck auf die negative Seite der Erklärungen Hitlers gelegt worden sei, und betont erneut, daß Hitler, weit davon entfernt, alles abzulehne«, tatsächlich eigene Friedensvorschläge unterbrei­tet hat.Star" fragt: Wen« die Regierung Mitteilun­gen über die Stärke der deutschen Lustmacht ausgegeben hat, die für viele Leute beunruhigend sind, weshalb kann sie daun nicht eine« Weg finden, um der Oesfentlichkeit die hoffnungsvollste Tatsache in der Weltlage zur Kenntnis z» bringen? Tausende von Menschen stehen weiterhin unter dem Eindruck, daß Simons Besuch in Berlin ergebnislos war. Eine Kenntnis der Tatsachen würde in großem Maße zur Behebung der augenblicklichen Niedergeschlagen­heit beitrage«.

Pessimismus der französische« Presse

hinsichtlich des Ostpakt-Planes

Paris, 4. April. D«r bereits nach Ser ersten Fühlungnahme zwischen Sem Lordfiegelbewahrer Eden und dem polnischen Außenminister Beck m Ser Presse zum Ausdruck gekommene Pessimismus hat sich noch »erstarkt. Die Pariser Presse muß offen zugeben- Saß die polnische Regierung ihren ursprüngliche« Standpunkt nicht geändert habe und nach wie vor jeder Bei- standsklaufe! hinsichtlich Sowjetrußlands ablehnend, gegenuberftehc. Der Abschluß des Ostpaktes, so wie «r l« der französisch-englischen Erklärung vom 3. Februar beab­sichtigt geweien fei. sei. so meinen die Blätter, ernstlich i> Frage gestellt, und man wende sich mehr und mehr einem a l l» gemeinen europäische» Sicherheitssystem zu, da» heißt, einem Plan, der gewissen Punkten der von Berlin und Warschau gemachten Vorschlag« entspreche. Gleichzeitig weist die Presse darauf hin. daß die i» den letzten 48 Stunden in de« Vordergrund geschobenen Gedankengänge über eine Verschärfung gewisser Artikel des Bölkerbundspaktes in Rom auf Widerstand stießen da Mussolini darin angeblich keine genügende Sicher» »eit erblicke Sie erklärt daher auch übereinstimmend, daß ein» endgültige Entscheidung über die Verwirklichung der euro- päichen Sicherbeit erst in Stresa gefaßt werden könne.

DasPeru Journal" hat aber irotz der >ehr klaren und un­zweideutigen Haltung Marschall Pilsudikis und Außenminister Becks die Hoffnung noch nicht aufgegeben, Polen doch noch eine Schwenkung vornehmen zu sehen. Das Blatt begründet dies» Hoffnung mit der Warschauer Reife Lavals.