Auf dem
östlichen Kriegsschauplatz
wird einstweilen nur von heftigen Einzelkämpfen berichtet. Auch hier ist es zu einer Entscheidung noch nicht gekommen. Wie überaus heftig und blutig diese Kämpfe sein müssen, geht aus den Berichten hervor.
(W.T.B.) Wien, 20. Oktober. Amtlich wird verlautbart vom 19. Oktober mittags: In der Schlacht östlich von Chyrow und Przemysl brachte uns der gestrige Tag neuerdings grobe Erfolge.
Besonders erbittert waren die Kämpfe bei Mizyniec. Die Höhe Magier«, die bisher in den Händen des Feindes war und unserem Vordringen bedeutende Schwierigkeiten bereitet hatte, wurde nach mächtiger Artillerievorbereitung nachmittags von unseren Truppen genommen. Nördlich von Mizyniec kam unser Angriff bis auf Sturmdistanz an den Gegner östlich Przemysl bis an die Höhe von Medyka heran. Am südlichen Schlachtflügel wurden die namentlich gegen die Höhen südwestlich Stary-Sambor gerichteten, auch nachts fortgesetzten Angriffe der Russen abgeschlagen. Im Stryj- und Swicaer-Tal find unsere Truppen kämpfend im weiteren Vordringen begriffen. Auch am San wurde gestern an mehreren Punkten gekämpft. Ein nach Einbruch der Dunkelheit eingesetzter Angriff auf unsere bei Jaroslau auf das Ostufer des Flusses Lberschiffte Kräfte scheiterte vollständig. In Russisch-Polen schlugen vereinigte deutsche und österreichisch-ungarische Kavallerie einen grohen feindlichen Kavalleriekörper, der westlich Warschau vorzudringen versuchte über Sochotchem zurück. Der Stellvertreter des Chefs des Eeneralstabs: Generalmajor o. Höfer.
Ueber die Kämpfe um Przemysl
schreibt
(W.T.B.) Wien. 19. Okt. (Nicht amtlich.) Der Berichterstatter des „Neuen Wiener Journals" u. a.: Am 22. September war die Stadt vollständig zer- niert. Am 2. Okt. brachte ein russischer Parlamentär das bekannte Schreiben des russischen Generals, auf das der Kommandant erwiderte, er halte es für unwürdig, auf ein so schimpfliches Ansinnen zu antworten. Am nächsten Tage begann die Beschießung, die vom 7. Okt. an schwächer wurde. Die Russen verloren vor Przemysl 40 000 Mann gegenüber den österreichisch-ungarischen Verlusten von ungefähr 500 Mann. Der Kampf dauert insbesondere bei dem östlich der Stadt Siedlica glegenen Fort noch an. in das allein in der Nacht des 8. Okt. eine kleine russische Abteilung durch Ueberfall eindrang. Nach dreistündigem wilden Kampf wurden die Angreifer durch die heldenmütige Besatzung unter dem Kommando des Oberstleutnants Sw-rtjuga und des Reserveleutnants Altmann getötet, während die übrigen sich ergaben. An ein vom 5. bis 8. Okt. ununterbrochen beschossenes, nördlich der Stadt gelegenes Außenfort waren die Russen bereits auf 700 Schritt herange- kommen. Sie wurden zurllckgetrieben und hatten 5000 Tote, während die Besatzung nur 1 Toten und 5 Verwundete zu beklagen hatte. Nördlich Riadymno wurde eine gegen Przemysl vormarschierende Kolonne von russischer Artillerie jenseits des San überfallen, woraus sich ein Gefecht entwickelte, das mit dem Rückzug der Russen endete. Whärend der Belagerung griffen auch unsere größten Haubitzen ein und 18 Zentimeter-Haubitzen standen in Reserve, die bei dem russischen Ueberfall auf das Fort Siedlica in der Nacht mit einer rasch erbauten Feldbahn her- angebracht wurden. Die russischen Reserven wurden fast vollständig aufgerieben. Der Artilleriestab der russischen Belagerungsarmee wurde durch einen Mörserschuß, obwohl dieser 50 Meter zu kurz war, zu Staub zermalmt. Die Russen mußten die eigenen stürmenden Truppen mit Maschinengewehren vor- äwrts treiben. Unter der Belagerungsarmee hat Nahrungsmangel geherrscht.
(W.T.B.) Wien, 20. Okt. Der Berichterstatter der „Reichspost" schildert das Totenfeld von Przemysl folgendermaßen: Es ist ungeheuer, wie viele Tote die Rüsten vor Przemysl gelassen haben. Ich habe dort Massengräber gesehen von riesiger Ausdehnung. Trotzdem liegen noch Tausende von ungeborgenen Leichen auf dem Feld. Weithin war Tod und Vernichtung gesät, soweit wir sahen. Wir haben geschanzt, was wir konnten, aber für tausende von Arme gab es dort noch Arbeit, um diese breiten Spuren eines tausendfachen Todes zu verwischen. Die Stürme der Russen sind schon vor den ersten Verhauen von Przemysl zusammengebrochen. Achtmal setzten sie neue Angriffe an, achtmal erstarb ihr Sturm in dem vernichtenden Feuer, das sie empfing. Auf einem Feld fanden wir weithin im Umkreis Abzeichen des 127. russischen Infanterieregiments, das zugrunde gegangen ist. Uebeve-instimmend finden die Kriegsberichterstatter, daß die Rüsten jeden Versuch der Verteidiger der Festung, die russischen Leichen auf dem Festungsglacis zu begraben, durch heftiges
Schrapnellfeuer verhinderten, augenscheinlich, um eine Verpestung der Luft herbeizuführen und den Aufenthalt in der Festung unmöglich zu machen.
(W.T.B.) Berlin. Die „Voss. Ztg." meldet aus Wien: Sicherem Vernehmen nach geben die Russen ihren Verlust beim Sturm auf Przemysl, den sie durch Flatterminen erlitten haben, nicht auf 40 000, sondern auf 70ÜV0 Mann an. Russische Zeitungen in Lemberg brachten diese Nachricht. In Lemberg selbst haben die Russen weniger Schaden angerichtet, als man anfänglich annahm.
Unsere
Artillerie und Flugzeuge
erweisen sich als die gefährlichsten Gegner der Russen:
Aus Warschau wird über die Wirkungen der deutschen Luftflotte gemeldet: Die größten Verluste der Russen rühren von der deutschen Artillerie her. Die Deutschen benützen oft Luftfahrzeuge, die mit langen, schwarzen Wimpeln Signale geben, wenn sie sich über russischen Batterien befinden. (WT..B.)
In der Ostsee haben sich die Russen noch weiter in ihre Schlupfwinkel zurückgezogen, um ihrerseits in der
Ostsee Minen
zu legen:
(W.T.B.) Petersburg, 19. Okt. (Nicht amtlich.) Da die Anwesenheit von deutschen Unterseebooten am Eingang des finnischen Meerbusens festgestellt worden ist und ebenso die Anlegung von Minensperren durch den Feind an den Küsten Rußlands, so bringt die kaiserliche Regierung zur öffentlichen Kenntnis, daß die russischen Marinebehörden ihrerseits gezwungen sind, ähnliche Maßnahmen in weitem Umfange zu treffen. Folglich muß die Schiffahrt in dem Gebiet nördlich von 58 Grad 50 Minuten nördlicher Breite und östlich von 21 Grad 0 Minuten östlicher Länge von Greenwich und die Linie am Eingang des Rigaischen Meerbusens an den Küsten zwischen den Alandsinseln für gefährlich erklärt werden Damit an den Feindseligkeiten nicht Teilnehmende den Kriegsgefahren nicht ausgesetzt seien, sied die Ein- und die Ausfahrt des Rigaischen und des Finnischen Meerbusens von der Verkündigung dieser Bekanntmachung ab als geschlossen anzusehen.
Neue Kämpfe zwischen Russen und Kurde«.
(W.T.B) Konstantinopel, 19. Okt. (Nichtamtlich.) Heute Nacht hier eingetroffene Telegramme aus Wan melden neue Kämpfe zwischen Kurden und Rüsten in der Nähe von Targhevar. Die Rüsten wurden gescklagen und ergriffen die «Flucht. In Urmia herrscht Panik. Infolge der Verhaftung des Chefs des Kurdenstammes Zerza hat sich die Erbitterung gegen die Rüsten noch mehr gesteigert. Nach dem „Tanin" wurde die erste Erhebung des Kurdenstammes Kadar gegen die Rüsten dadurch veranlaßt, daß die Rüsten das Dorf Eoni durch Artilleriefeuer zerstörten und eine große Zahl der Einwohner ermordeten.
Die ernste Lage in Aegypten.
Auch in
Aegypten ist die Lage für England kritisch
geworden.
(W.T.B.) Konstantinopel, 18. Okt. (Nicht amtlich.) Von glaubwürdiger Seite haben die Blätter erfahren, daß die Muselmanen des Somalilandes sich erhoben und die Stadt Berbera, den Hauptorr der Kolonie, unter dem Oberbefehl von zwei Scheiks angegriffen haben. Sämtliche englischen Offiziere der Garnison wurden gefangen gesetzt. Die Stadt ist von den Muselmanen besetzt worden. Berbera ist seit 1884 in englischem Besitz. 1871 war der Hafen von der aegyptischen Regierung besetzt und als Freihafen erklärt worden.
Dieselben Blätter berichten, daß ein deutscher Kreuzer die im Bau befindliche Eisenbahnlinie von Dschibuti nach Addis Abeba, die von den Franzosen gebaut wird, bombardiert habe. Die Strecke sei zerstört worden, wobei auch die Niederlassungen der französischen Kolonie Schaden gelitten hätten.
(W.T.B.) Konstantinopel, 18. Okt. (Nicht amtlich.) Einer Blättermeldung zufolge haben die Engländer in den letzten Tagen 120 ägyptische Beamte abgesetzt und 200 ägyptische Offiziere aus dem Heeres- verband entfernt. Man ist der Meinung, daß diese Maßregel getroffen wurde, um die Lage der Engländer in Aegypten zu retten.
(W.T.B.) Konstantinopel. 18. Okt. (Nicht amtlich.) Die Blätter geben eine dem halbamtlichen afghanischen Organ „Saradjulahbar" entnommene Meldung wieder, wonach infolge der Verhaftung des muselmanischen indischen Offiziers Mehmed Hafiz, des Bruders der Fürstin von Vhopal, einer der bedeutendsten muselmanischen Fürstinnen Indiens, sich die Stämme, deren Chef Mehmed Hafiz ist, erhoben haben. Der englische Genevalgouverneur versprach, dem Gefangenen die Freiheit wiederzugeben. Die
aufständischen Stämme von Djibbour drängen die Indier zur Erhebung gegen die Engländer.
Dem „Berliner Lokalanzeiger" wird aus Konstantinopel berichtet: Aus Cairo wird gemeldet daß die Engländer Versuche unternommen haben die ägyptischen Truppen zu entwaffnen. Die Eingeborenen widersetzten sich. Es kam zu einem regelrechten Gefecht, bei dem beiderseits 150 Mann fielen. Auch in Alexandrien haben sich ähnliche Kämpfe abgespielt. Die Engländer entschlossen sich, den Truppen vorerst die Waffen zu lassen. — Unter den indischen Soldaten greift der Mißmut um sich. An einem einzigen Tage wurden 30 Mann gehängt. Auch die P est macht in Indien große Fortschritte. Täglich sterben 25 Mann.
Bon den Neutralen.
Das „ehrliche" Albion schaltet und waltet nach Gutdünken über den Begriff der
Kriegskontrebande.
(W.T.B.) Kopenhagen, 19. Okt. (Nicht amtl.) Durch das verschärfte englische Ausfuhrverbot für Wolle und Wollwaren, sowie durch die Beschlagnahme für Dänemark bestimmter Baumwolleladungen seitens Englands ist die Lage für die Textil- und iTuchfabrikation in Schweden und Dänemark sehr kritisch geworden. Wird die Einfuhr weiterhin von England derartig erschwert oder unmöglich gemacht, so ist zu befürchten, daß die Fabriken der Trikot- und Tuchbranche binnen kurzem ihre Tätigkeit ganz einstellen müssen und die Tätigkeit der Textilindustrie ganz aufhört. Die Blätter äußern sich sehr wenig zuversichtlich. Sie glauben nicht, daß England ohne starken Druck seine Haltung ändern werde. Es wird erwartet, daß die Regierung eingreift.
(W.T.B.) Malmoe, 18. Okt. Anläßlich des gestrigen „Times"-Artikels über die Getreideeinfuhr nach den skandinavischen Ländern, der von dem Mißmut Englands gegen die neutralen Länder Zeugnis ablegt, schreibt heute „Sydwenska Dagbladet": Englands Verhalten zu den Neutralen ist in diesen Tagen recht eigentümlich. England verkündete feierlich, daß >es als eine seiner welthistorischen Aufgaben ansehe, die Existenz der kleineren Staaten zu schützen, ihre Rechte und die bestehenden Verträge zu verteidigen. Doch bald legten die britischen Behörden eine wenig freundliche Strenge in der Frage der freien Seefahrt der neutralen Länder an den Tag. Sie haben eine Baumwolladung von Amerika nach London in einem englischen Hafen zurückgehalten und Hollands Recht, Waren anderer neutraler Staaten einzuführen, in höchstem Grade beschnitten. Nach dem „Times"-Artikel zu urteilen, sind Kräfte in Bewegung, die britische Regierung gegen uns zu beeinflussen. Man glaubt, daß wir in Skandinavien mit Waren von Südamerika und London Deutschland helfen. Das Blatt weist die völlige Grundlosigkeit dieses Verdachts nach und schließt: Es wäre höchst bedauerlich, wenn sich die britische Regierung veranlaßt sähe, zu Maßregeln zu greifen, die völlig dem widersprechen, was England vor wenigen Monaten feierlich versprochen.
Das Vermächtnis König Carols.
Berlin, 20. Okt. (Nicht amtlich.) Die B. Z. am Mittag meldet aus Kopenhagen: Nach Petersburger Meldungen empfahl, dem Rjetsch zufolge, König Carol kurz vor seinem Ableben seinem Nachfolger, Neutralität zu wahren. Seine letzten Worte waren: Schone das Vaterland! Vergieße kein Blut! König Ferdinand soll dem Ministerpräsidenten Bratianu wörtlich erklärt haben: Ich werde nicht vom Vermächtnis meines Vorgängers abweichen.
Bukarest, 20. Okt (Nichtamtlich.) Die Witwe des König Carol wird künftig den Titel Königin Elisabeth führen.
Eine Warnung an die italienische Zugend.
(W.T.B.) Berlin. 20. Okt. Die B. Z. meldet aus Rom: Der berühmte römische Philosophie- profestor Chiapelli richtete an die italienischen Jünglinge, die nach Frankreich eilen, um dem fremden Lande ihr Leben gegen Deutschland anzubieten, eine Mahnung der Pflichten gegen Italien und die italienische Neutralität eingedenk zu bleiben. Unedel sei es zudem, die Waffen gegen ein Volk zu ergreifen, gegen das England und Frankreich die halbe Welt aufgeboten habe. Die Jugend müsse anständiger sein, wie die alten Götter, die es immer mit der Mehrzahl hielten. Kein edler Mensch werde den Heldenmut leugnen können, mit dem das deutsche Volk diesen Kampf für Haus und Herd bisher geführt hat. Kein Opfer sei ihm zu groß, kein Feind zu mächtig. Seine Zuverficht aus den Sieg sei so groß, wie die Liebe zur Heimat, die in seinem Herzen lodert.