Nummer 277
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Altensteig, Mittwoch, den 28. November 1934
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Zum Königsbesuch im Somali-Land
Die italienische Afrika-Politik, über die Mussolini schon seit Jahren bewußt einen Schleier gebreitet hat, hat seinerzeit durch die Entsendung Balbos nach Tripolitanien die Aufmerksamkeit aus diesen Bezirk der italienischen Außenpolitik gezogen. Man sagte sich mit Recht, daß ohne Grund der Duce nicht einen seiner hervorragendsten Mitarbeiter aus einen afrikanischen Posten entsenden würde, wenn er nicht ganz bestimmte Ziele im Auge hätte.
Auch jetzt ist noch nicht der Schleier gelüftet, ebenso wenig wie man heute schon klar erkennen kann, worin die letzten Ziele Italiens an Afrika bestehen. Immerhin sind aber doch schon so viele politische Wegemarken erkennbar, daß ungefähr die Fahrtrichtung sestgestellt werden kann. Deshalb kommt der Vesuchsreise, die König Viktor Emanuel augenblicklich durch das Somali- Land unternimmt, eine größere Bedeutung zu als der eines gelegentlichen Besuchs, den ein Monarch in entlegene Teile seines Reiches unternimmt, lediglich zu dem Zweck, sich einmal seinen Untertanen zu zeigen und dabei königliche Pracht zu entsalten.
Das italienische Somali-Land an der ostafrikanischen Küste ist freilich kein besonderer Edelstein in der italienischen Krone. Der größte Teil seines Gebietes ist Hochland bis zu 3000 Meter. Hitze, äußerste Regenarmut und dürftiger Pflanzenwuchs sind Kennzeichen für das ganze So- mali-Land. Nur an der Küste des Indischen Ozeans ist .Landwirtschaft in modernem Sinne möglich. Wald gibt es nur längs der Trockenbetten der wenigen Flüsse. Aus dem Vorhandensein harzreicher Aloe- und Myrrhengewächse beruhte im Altertum der Weihrauchhandel des Landes Größere Siedlungen, meist arabische Gründungen, finden sich nur an der Küste. Die Bevölkerung, nomadische Somalis, beträgt etwa 1,5 Millionen Köpfe.
Die politische Geschichte des Somali-Landes, das sich vom Indischen Ozean um das Kap Guadfui herum im Süden des Golfs von Eden entlangzieht, beginnt mit der Besetzung durch Portugiesen und Türken im Mittelalter. Von 1866 bis 1892 stand die östliche Somali-Küste unter der Herrschaft des Sultans von Sansibar, die nördliche Küste von 1875 bis 1884 unter ägyptischer Herrschaft Dann setzten sich Engländer, Franzosen und Italiener an den Küsten fest. 1887 wurde die Grenze zwischen dem französischen und dem englischen Somali-Land, 1891 die Grenze zwischen dem italienischen Somali-Land und dem englischen Ostasrika bestimmt. 1924 überließ England einen Gebietsstreisen westlich vom Juba-Fluß an Italien. Der innere Teil des So- mali-Land steht seit 1887 unter abessinischer Herrschaft.
Es Hnn keinem Zweifel unterliegen, daß der Besuch des Königs die afrikanische Außenpolitik seiner Regierung durch das Gewicht seiner Persönlichkeit und durch die Autorität des Königstums unterstützen soll. An und für sich ist der rein koloniale Besitz des Somali-Landes keine Einnahmequelle, im Gegenteil, es ist das größte Zuschußgebiet aller italienischen Kolonien überhaupt. Das hat den Faschismus aber nicht gehindert, gerade im Somali-Land Kolonial- .politik in ganz großem Stil zu betreiben Eines der größten Hemmnisse bei dieser Arbeit war die Abneigung der Bevölkerung gegen das Vordringen europäischer Kultur überhaupt. Deshalb begannen die italienischen Kolonisatoren mit der Fürsorge für die Bevölkerung, in erster Lmie durch die Bekämviuna der Malaria und der Tuberkulose. Kran-
w. Fortsetzung.»
Es war ein recht unerquickliches Beisammensein, und sie zogen sich alle beizeiten zurück. Droben, in dem ihnen angewiesenen Zimmer, sagte Emma Siman wütend: „Du dumme Gans! Du hast ja keine Ahnung, was du heute angerichkct hast. O du, ich könnte dich prügeln!"
„Ich hasse sie, ich möchte alles tun, was ihr schadet!" keuchte Grete, und sah dabei so abscheulich aus, daß die eigene Mutter erschrak. Sie sagte nichts mehr und in schlechter Stimmung verließen sie dann auch am Morgen den Hof. Der Oberhofbauer verabschiedete sie kühl: „Kommt gesund heim, und laßt es euch gut gehen. Schönen Gruß zu Hause!"
Aber er sagte nicht: „Kommt bald einmal wieder!"
Und von einer Reise der Oberhofs zu den Simans war schon gar keine Rede. Nun, darüber war Emma Siman ja schließlich ganz froh, denn die scharfen Augen -es Oberhofbauern hätten doch nur zu bald herausgefunden, wie es um den Simanshof stand.
Ernst brachte die Verwandten bis zur Bahnstation. Er kutschierte selbst, und der alte Christian saß neben ihm auf dem Bock und freute sich, wie schön und sicher der Junge mit den zwei Braunen fertig wurde, die nicht die frömmsten waren.
Der Abschied zwischen Ernst Oberhof und den Verwandten fiel ebenfalls sehr förmlich aus. Grete begriff noch nicht in vollem Umfang, was auf dem Spiele stand, aber ihre Mutter hätte alles kurz und klein schlagen mögen. Weit davon entfernt, zu erkennen, daß der niedrige Charakter ihrer Tochter diese unerquickliche Situation herbeigeführt hatte, gab Emma Siman nur ihrem Schwager Andreas die Schuld, der das fremde
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kenhäuser und Dorratshämer setzten diese Linie iört Spulen und Kurse für Geburtshilfe und Kinderpflege dienen in erster Linie den Meirichen Dem Lande suchte man durch Aufforstungen und durch Schaffung von Weideslächen zu helfen. Wie es scheint, haben die Italiener mit dieser kulturellen Pionierarbeit auch einige Erfolge errungen, aber alles steht doch noch im Anfang.
Viel wichtiger ist die qeopolitische Bedeutung M-s Somali- Landes. Es grenzt im Rordwesten an Abessinien, dem andererseits im Norden die italienische Kolonie Eritrea vorgelagert ist. In diesem Sommer ist der sranzösisch-ita- lienisch-englische Garantievertrag über die Unabhängigkeit des abessinischer, Kaiserreiches außer Kraft gesetzt worden. Italien will dieses Land mit seinen 1,5 Millionen Quadratkilometer Umfang und etwa 12 Millionen Einwohnern zu seinem ureigensten Interessengebiet umgestalten. Uin die Entwicklung zu beschleunigen, muß Abessinien gewissermaßen in eine Zange grnommen werden, deren eine Backe das Somali-Land ist Nun wird einem der Zweck des Königsbrsnches erklärlich. Den Bewohnern des Somali- Landes soll zu Gemiite geführt werden, daß Italien der zukünftige Herr Abessiniens ist. mit dessen Bewohnern sie durch Stamm und Sprache zum großen Teil verbanden sind.
Warum Italien es gerade aus Abessinien abgesehen hat, erhellt aus einer einzigen Tatsache. Befände sich erst einmal. der abessinische Handel in italienischer Hand, könnte
Italien der Baumwollieferant Europas werden. Daraus erklärt es sich auch, daß es um die italienischen Bestrebungen in Nordafrika, die aus einen Anschluß französischer Gebiete an das italienische Tripolitanien hinausgingen, seit einiger Zeit stiller geworden ist. Das abessini- sche Fernziel ist verlockender und verheißungsvoller als dt« Fortsetzung der konsliktschwangeren Nordafrika-Politik.
Gckvmiist -wMen Tür und Anciel
„Und was ich noch sagen wollte, Frau Nachbarin: Was ist denn das für ein Zeichen an ihrer Haustür?" — „Aber lieb« Frau Schulz, das ist doch durchaus kein neues Zeichen; es müßt» Ihnen doch vom letzten Winter her noch in Erinnerung sein. Entsinnen sie sich nicht mehr an die Plakette des Winterhilss- werkes?" — Ach richtig! — Wissen Sie, Frau Meier, ich bin im allgemeinen nicht für so etwas! Man sollte das Wohltun ruhig jedem selbst überlassen. Und außerdem halte ich es mit dem
> Wort: Die Rechte soll nicht wissen was die Linke tut." — „Frau , Schulz, ob Sie da nicht auf einem Irrweg sind? Sehen Sie.
mit dem Selbstüberlassen ist es so eine Sache. Manche geben s viele tun garnichts. Den Beweis haben wir doch in all den s Jahren vor dem nationalsozialistischen Hilfswerk mehr als genug j vor Augen gehabt. Wie die Menschen nach den Zeiten, die hinter uns liegen, nun einmal sind: sie denken lieber an sich und ! an das eigene Wohlergehen des eigenen Ich als an ihre lieben s Volksgenossen. Da wird's noch viel Arbeit kosten, bis alle Men- ! schon so viel Pflichtbewußtsein haben, daß sie aus sich selbst heraus ihren Mitmenschen helfen. So lange können wir unsere 1 Notleidenden nicht hungern und frieren lassen. Darum ist es ! besser, die ganze Volksgemeinschaft setzt sich für das Hilfswerk ein und reißt jeden einzelnen Volksgenossen mit. Die Erfolge I des letzten Winterhilfswcrkes haben in aller Deutlichkeit den Beweis für die Richtigkeit dieses Vorgehens erbracht". — Geb' ich zu Frau Nachbarin, gcb' ich zu! Aber ich bin nun einmal ! nicht dafür, daß man alles gleich an die große Glocke hängt, was man Gutes tut." — „Brauchen Sie auch garnicht! Sie sollen ? durch Ihre Plakette nur öffentlich bekennen, daß Sie zur großen ! Opfergemeinschast der Nation gehören. Es bleibt Ihnen unbe- s nommen, mehr oder weniger zu geben. Frau Schulz, wer sich über die Türplakette aufregt und von der Rechten redet, die
> nicht wissen soll, was die Linke tut, den kann man in Verdacht j haben, daß er sich gern am Opfer vorbeidrückt. Kleben Sie j ruhig die Plakette an Ihre Türe! Jeder ehrliche und anständig« » Deutsche weiß dann, daß Sie Ihre Pflichten gegen die Volks- j genossen in der Not erfüllt haben."
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Amtes Allerlei
Der Bankerott des Säuglings
Recht geschäftstüchtige Leute gibt es anscheinend in Utrecht. Da wurde eine Witwe, deren Mann vor einer Woche gestorben war, um neun Uhr morgens MutNr eines Knaben Dem fiel damit als Erben das Geschäft des Erzeugers in den Schoß. Man beeilte sich daher, den Namen des jungen Erdenbürgers in das Handelsregister einzutragen. Das geschah um zehn Uhr morgens. Und schon zwei Stunden später wurde eine neue Eintragung hinzugefügt: Das Geschäft war in Konkurs geraten. Ls ist wirklich allerlei, was dieser Säugling in den drei ersten Stunden seines Erdenlebens erlebt hat. Aber vielleicht kommen nach diesen schwarzen nun die heiteren Lose, von denen der Dichter singt.
Druck und Verlag: W. Rieker'sche Vuchdruckerei in Altensteig. Hauptschriftleitung: L. Lauk. Anzeigenleitung: Eust. Wohnlich.
Altensteig. D.-A. d. l. M.: 2100
Kind auf seinen Hof geholt hatte und es nun bei jeder Gelegenheit sofort in Schlitz nahm.
Nun wußte man nicht, was die Zukunft bringen würde, nachdem Grete sich von solch alberner Seite gezeigt.
Ernst Oberhof aber dachte:
Gut, daß die Sache vorgekommen ist. Besser kann man wirklich einen Menschen nicht kennenlerncn.
Ans dem Obcrhof war dann nie mehr die Rede von dieser Angelegenheit, aber alle Dienstboten liebten das fremde Kind, und Bertha Oberhof tat ihm alles Liebe und Gute, was in ihren Kräften stand. Ernst hatte der Dorfjngend klargemacht, daß, wer die kleine Christa kränke, es mit ihm zu tun bekäme. Im übrigen kümmerte er sich nicht um sie. Er liebte sie nicht, aber er haßte sie auch nicht mehr. Sie mochte bleiben. Was tat es denn ihm, wenn sie auf dem Hofe war? Er allein war der einstige Erbe des alten Besitzes. Gehässig war er nie gewesen. Wohltnn sollte man. Und daß Christa Wcllin hier erzogen wurde, gehörte eben zu des Vaters Wohltaten, die er ärmeren Menschen schon des öfteren erwiesen hatte. Und er, Ernst, würde es einst auch so halten, denn das war ein schöner Zug vom Vater.
Christa aber fühlte sich auf dem Oberhof nach und nach immer mehr daheim. Sie sang und trällerte den ganzen Tag im Hause und in dem großen, weiten Garten. Sie wurde der Sonnenschein des alten Oberhofs. Das wußten alle, nur Ernst wußte es nicht. Ganz gleichgültig blieb er gegen das schöne, feingliedrige Mädelchen. Es war eben immer nur das fremde Kind für ihn. —
Das blieb so. Blieb auch in den Jahren, da er als großer, schlanker Mann heimkehrte. Er war jetzt zwanzig Jahre alt, und kam immer nur zu den Ferien nach Hanse. Er lebte als Verwalter auf einem großen Gut in der Mark, und es schien ihm dort sehr zu gefallen. Wenigstens dachte er vorläufig nicht daran, nach Hanse zu kommen, zumal der Vater doch auch noch so rüstig war. Man brauchte ihn, den Sohn, also hier auf dem Oberhofe nicht so dringend.
Der Vater dachte nicht daran, dem Sohne die Flügel beschneiden zu wollen, und so blieb alles, wie es war.
Daß Christa still und schweigsam war, wenn Ernst daheim weilte, fiel nicht auf. Sie half eifrig im Haushalt, aber doch nur bei den leichteren Arbeiten. Zn schweren Arbeiten ließ man sie nicht heran, und sie hätte solche Arbeiten wohl auch nicht leisten können, denn sie war noch immer kindlich zart.
Da kam das Schicksalsjahr 1914!
Als einer der ersten Freiwilligen zog Ernst Oberhof Mit ins Feld. Wurde bereits in Belgien schwer verwundet, kam in die Heimat, genas — und ging wieder an die Front. Diesmal verschonte ihn die feindliche Kugel. Er blieb bis Ende des Krieges draußen. Kam dann heim mit düsteren, wissenden Augen.
Alles sollte umsonst gewesen sein? Alle Opfer? Alle lieben Kameraden sollten umsonst gefallen sein? Deutschland ohne Ehre in der Welt? Allen Stürmen wehrlos preisgegeben?
Der nun bald Fünfundzwanzigjührige empfand diese Gewißheit als quälenden Schmerz und litt darunter. Er ivar über seine Jahre hinaus gereift. Durch rastlose Arbeit betäubte er, was in ihm gärte und wühlte. Und neben sich sah er nicht das schöne Mädchen, das ii-m msi dangen Angen nachblickte.
So vergingen noch zwei Jahre.
Hoch und aufrecht schritt der Oberhofbaner über seine Felder. Der Sohn schaffte mit den Leuten zusammen. Er war noch größer als der Vater, wenn auch nicht ganz so breit. Verliebt sahen ihn die Mägde an, aber es konnte sich keine rühmen, Ernst Oberhof auch nur ein vertrair- liches Lächeln abgerungen zu haben. Er war immer leich freundlich, ohne zu lachen und ohne die Gelegen- eit wahrzunehmen, die sich ihm täglich bot.
Andreas Oberhof blieb stehen, sah hinüber nach seinem Besitztum, das, grell beleuchtet von der Julisonne, dort an der grünen Anhöhe lag.
Dort waltete Bertha, die in den letzten Jahren ak>
und grau geworden war. und neben ihr-
Heiß strömte es dem Oberhofbauern zum Herzen. Christa!
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