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Altenfteig, Montag, den IS. November 1834

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Borbmltuagm für de» 13. Zaniiar

Wie die Liste» der Saarabstimmung angefertigt werden

Während der letzten vierzehn Tage waren in allen bebil­derten Tageszeitungen und Zeitschriften, vornehmlich auch in den Wochenschauen der Kinos, Darstellungen aus dem Eaargebiet zu sehen, auf denen die ausgehängten Listen, sei es in Hallen oder großen Räumen, sei es an Mauern eingesehen wurden. Inzwischen war von Emigrantenseite der Vorwurf erhüben worden, daß sich in den Listen zahl­reiche Fälschungen befänden, wobei die geradezu ungeheuer­liche Zahl Einbunderttausend genannt wurde. Erst durch eine amtliche Feststellung der Saarregierungskommission, daß die Eintragungen in die Listen um etwa 30 000 unter der als zuverlässig errechnten Höchstzahl von 550 000 ge­blieben seien, wurde diesem üblen Gerede ein Ende bereitet.

Dennoch hat die Aufstellung der Listen aller der Personen, die am 13. Januar 1935 abstimmungsberechtigt find, außerordentliche Mühen verursacht. Die Bevölkerung im Deutschen Reich ist dank dem bereits seit einigen Jahren üblichen System, mit Hilfe von eigens dazu hergestellten Maschinen, jedesmal neue Listen der Wahlberechtigten her­zustellen, außerordentlich verwöhnt. Es sei nur daran erin­nert, daß bei der letzten Volksabstimmung im August zwi­schen dem Tage der Ankündigung und dem Tage der Ab­stimmung nur ein First von vierzehn Tagen lag, innerhalb derer die Wahllisten nicht nur aufliegen, sondern auch er­gänz! und berichtigt werden mußten. Dennoch wurde am Tage der Abstimmung selbst keine Beanstandung erhoben, die sich auf Unrichtigkeit oder Unstimmigkeit der Listen be­zog.

Bei den Listen für die Saarabstimmung kann dieses Ver­fahren nicht allgemein angewandt werden. Für einen großen Teil der ortsansässigen Bevölkerung, die seit 1918 ihren Wohnsitz nicht verlassen hat, erleichtert es natürlich .di« Anlage der Grundlisten. Am 13. Januar stimmen aber nicht nur die gegenwärtigen Bewohner des Saargebiets ab, sondern alle, die an einem bestimmten Stichtag des Jahres 1919 ihren Wohnsitz im Saargebiet hatten. Sie ha­ben sich ber der Heimatbehörde ihres gegenwärtigen Wohn­sitzes gemeldet die dann die Meldungen weitergab an die Abstimmungsbehörden des Saargebietes. Es liegt auf der Hand, daß dadurch mancherlei Unrichtigkeiten, Jrrtümer» Fehlläufe und ähnliches vorgekommen sind. Dennoch wird man sagen können, daß jetzt das Listenmaterial der Ab­stimmung einwandfrei vorliegt.

Es ist nicht uninteressant, rückschauend den Weg zu ver­folgen. auf dem man zu diesem Endergebnis gelangt ist. Di« Abstimmungskomm''ssion des Völkerbundes hatte für jeden Kreis einen Kreisinspektor und fünf stellvertretende Inspek­toren bestellt. In jeder Bürgermeisterei wurden unter dem Vorsitz eines stellvertretenden Kreisinspektors Ausschüße ge­bildet, die zunächst die vorläufigen Listen durchsahen. Aus den polizeilichen Melderegistern, den Hausstandsbogen und den Lebensmittelkartenverzeichnissen aus den Jahren 1918 und 1919 konnten in erster Linie alle die Personen ausfin­dig gemacht und zusammengestellt werden, die am' heute noch in diesen Orten wohnen. Wer in dieser vorläufigen Liitt nichr itand. konnte Prüfung beantragen. Jeder ein­

zelne Fall wurde untersucht und, wenn die Beanstandung für richtig befunden wurde, nachträglich verzeichnet. Ergab die Durchforschung der polizeilichen Melderegister den Ver­zug einer Person in einen anderen Ort des Saargebiets, i« wurde die dortige Abstimprungsbehörde davon benachrich­tigt, damit sie ihrerseits feststellen konnte, ob der Zugezo­gene in ihren Listen war. Das verursachte begreiflicher­weise viel Mühe und Arbeit, doch hatte gerade dies Verfah­ren, bei dem den Einzelnen von Ort zu Ort nachgespürt wurde, den Erfolg, daß fast 95 Prozent aller Einwohner im Saargebiet, die nach 1919 verzogen waren, erfaßt wurden. Zur weiteren Kontrolle wurde neben dem öffentlichen An­schlag auch noch Kopien der Listen an die Deutsche Front und die Einheitsfront abgegeben, die durch ihre Vertrauensleute eine weitere. Nachprüfung unternahmen.

Mit der Eintragung in diese Listen allein war es jedoch noch nicht getan. Für jede eingetragene Person wurde eine besondere Karte mit allen notwendigen Angaben angelegt. Jeder, der in dieser Kartei enthalten war, wurde durch eine Pcstkorte davon in Kenntnis gesetzt und zugleich aufgesor- dert, etwaige Fehler vor allem in den Personalangaben zu berichtigen. Aber auch die Personen, deren Aufnahme in die Atstimmungsliste aus irgendeinem Grunde abgelehnt wor­den war, erhielten eine Benachrichtigung nebst der Mittei­lung, daß und wo sie gegen die Nichtaufnahme in die Ab- stimmvngsliste Einspruch erheben könnten. Mit Hilfe dieses Systems war es in der Tat möglich, eine genaue Liste aul­zustellen, zumal auch noch die Möglichkeit bestand, bei Per­sonen die Streichung zu beantragen, wenn Gründe vorhan­den waren, die bis dahin der Abstimmungsbehörde nicht be­kannt waren. Doppeleintragungen, die nach Behauptungen der Emigrantenpresfe zu vielen Tausenden vorgekommen sein sollten, waren nur ganz wenig festzustellen. Ausnahms­los handelte es sich in diesen Fällen um Verzogene, die in ihrem neuen Wohnsitz zwar angemeldet, aber in ihrem bis­herigen noch nicht abgemeldet waren. Die von kommuni­stisch-marxistischer Seite erhobenen Einsprüche haben ledig­lich die Arbeit der Beamten unnötig erschwert. Noch nicht einmal ein halbes Prozent von etwa 5000 Einsprüchen hat so viel Unterlagen ergeben, daß die Streichung angeordnet werden mußte.

Nunmehr ist die Riesenarbeit der Aufstellung der Abstim­mungslisten geschlossen. Was nun noch zu geschehen hat, die Benachrichtung an die Wähler, die Einteilung in Stimm­bezirke usw entspricht dem System, das uns aus unzähligen Wahlen bekannt ist. und das, gemessen an den Vorbereitun­gen zur Aufstellung der Listen, nur noch eine verhältnis­mäßig kleine Müue darstellt. Das deutsche Volk kann der Abstimmung am 13. Januar mit der Gewißheit entgegen­sehen, daß die Listen sorgfältig genau und zuverlässig aus­gestellt worden sind. Heber die Abstimmung brauchen wir rns gottlob keine Sorge zu machen.

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Berliner Brief

Dasschmale Handtuch" verschmiudet DieErb­schaft aus Kanada Träume von Eis und Schnee

Eine kleine Sehenswürdigkeit Berlins verschwindet:das? schmale Handtuch", bewohnt von einem Sandfuhrmannh der mit einem kleinen Wagen seine Abnehmer mit weißen» Scheuersand belieferte. Das hochgiebelige Häuschen, da« ganz allein auf weiter Fläche stand, oben an der Müller-- straße, hatte nur zwei Fenster Front, also das richtigO Märchenhaus. Nicht lange mehr, dann wird ein riesei»-» Haftes Großstadtgebäude an seiner Stelle stehen, Al»-' Berlin schwindet zusehends dahin! Das nicht mehr Brauch­bare muß dem besseren Neuen weichen!

Daß auch die Großstädter nicht alle so gewitzt find, wi» sie es gern von sich selber glauben möchten, wißen di« mancherlei kleinen und großen Schwindler ganz genau. Si« suchen sich ihre Opfer mitten in der Millionenstadt und können nicht über schlechten Geschäftsgang klagen. Neuer­dings ist es dieErbschaft aus Kanada", auf die die Leut» hereinfallen. Eine Erbschaft ist immer etwas sehr Schönes», und viele Menschen hoffen ihr ganzes Leben lang auf da» große Glück", das ihnen eines Tages unerwartet in de» Schoß fallen soll. Ist es La ein Wunder, daß sie freudi- aufhorchen, wenn eines Tages ein feiner Herr vorspricht, sich als Sekretär des Britischen Konsulats oorstellt (unter dem tut er's nicht!) und ihnen berichtet, daß sie eine groß» Erbschaft aus Kanada zu erwarten haben. Aus Kanada- Merkwürdig! Der feine Herr weiß ganz genau Bescheide Da war ein Bruder des Großvaters, der ist in jungen Jah­ren ausgewandert, und natürlich ist er drüben zu Ver­mögen gekommen, und ebenso natürlich! jetzt sind sein» letzten Nachkommen gestorben, und sie haben ein Testament hinterlaßen, daß die in Deutschland noch lebenden Ver­wandten das schöne Erbe bekommen sollen. Nett von diese» Leuten, nicht? Auch wenn man sich auf den ausgewander» ten Großonkel nicht recht besinnen kann .. Der feine Her» sagt es, da muß es doch stimmen. Zunächst müssen einig» Anwaltskosten gedeckt und eine Abschrift des Testament» besorgt werden, ebenso hier die nötigen Papiere, ei» Kostenvorschuß von 50 Mark ist wirklich nicht hoch, und! nun gehen die Tage in einer angenehm gespannten Erwar­tung hin, und man macht Pläne. Vergeblich! Der Her» Sekretär muß man es sagen? kommt nicht wieder.,

Ekijprünge auf Kiefernnadeln. Eislaufmeister aus me­chanischer Gefrierplatte, das sind Dinge, die der Ber­liner in dieser Woche staunend mit ansieht. Kiefernnadel» als Ersatz für glatte Schneeflächen, wer hätte das» möglich gehalten? Aber es geht, es geht sogar gut, und e» wird sich zeigen, ob nicht Berlins unternehmende Jugend aus diesen Hebungen der Sportgrößen gewisse Folgerung«» ziehen und auch die Kiefernnadeln für sich nutzbar macke» wird. Denn wer weiß, ob der Winter uns den ersehnte» Schnee bringt, und die Skier immer nur in der Ecke stehe» haben, macht auch nicht froh! Kiefernnadeln haben wir i» reicher Menge in der Nähe! Schließlich sind ja früher auch Schlittenfahrten auf salzbestreuten Wegen veranstaltet wor­den, wenn der Himmel gar kein Einsehen haben wollt»! Die Hebungen für die Eislausmeisterschaft locken viele Zu­schauer an Es ist ein köstlicher Sport, vielleicht der schönst« von allen. Bei keinem anderen hat man so ganz Las Em­pfinden der vollkommenen Losgelöstheit von der Erde. E» ist etwas Schwereloses. Schwebendes in diesen Beweaunae».

Sit GemMtMt"

Roman von Gert Nothberg

Urheber-Rechtsschutz durch Verlag O. Meister, Werdau/Sa.

2. Fortsetzung

Der Oberhofbauer dachte es und warf seine Zigarre in den glitzernden Schnee, wo sie zischend verlosch. Dann be­traten die Männer das Haus. Die Tür war noch nicht ver­schlossen. Eine kleine Laterne stand auf der Treppe, die -um Boden des einstöckigen Hauses führte.

Mühlerten?!"

Die Frau kam sogleich aus ihrer verräucherten Stube.

Was wollt ihr denn noch so spät bei mir? Ach so, kommt ihr vielleicht wegen dem Mädel?"

Zieht das Mädel an, es geht mit auf den Oberhof", sagte der Schulze kurz.

Auf den Oberhos? Na, so ein Glück! Nee, so was!"

Noch immer vor sich hinmurmelnd, ging die Alte auf die Tür zu, die auf der linken Seite des Flurs lag. Sie hatte die Laterne mitgenommen, die Männer standen im Finstern.

Der Oberhofbauer dachte: Hat man das Kind etwa Kiesen ganzen traurigen Tag lang sich selbst überlaßen?

Wenig später kam die Mühlerten mit Christa wieder. Des Mädchen Augen hingen erstaunt an der wuchtigen Ge­stalt des Oberhofbauern. Sie sollte mit auf den--

Oberhof? Wo-Ernst Oberhof war? Vor dem sie

sich so fürchtete. Das war doch nicht möglich, daß sie gerade dorthin sollte? Und dann hatte ihr der stolze Oberhof immer großen Repekt vingeflößt, wenn sie Sonntags mit der Mutter dort vorübergekommen war. Wie ein Schloß war ihr das schöne, große Wohnhaus erschienen, das mitten in einem parkähnlichen Garten lag, in dem viele hohe, alte Nußbäume standen.

Dorthin sollte sie?

In die schöne, reiche Heimat Ernst Oberhoss?

Das Mädelchen ergriff wie schutzsuchend die schmutzig« Muhe, verarbeitete Hand der Mühlerten. Der Oberhof­hauer sah diese Bewegung, und «in weiches Lächeln legt« sich um seinen Mund.

Komm nur, Kleine, sollst es gut haben bei mir", sagte er so freundlich, wie es seine rauhe Baßstimme zuließ, und wie er mit seinem Jungen wohl noch nicht ein einziges Mal geredet hatte.

Christa trat zu ihm und faßte nach seiner Hand. Den Oberhofbauer beschlich ein seltsames Gefühl, als er die schmale, feine Hand des Kindes in der seinen fühlte. Er wandte sich an die Mühlerten. ,

Was ich noch sagen wollte, Mühlerten: Ihr laßt mir hier alles steh'n und liegen. Wenn die Kleine den morgi­gen Tag überstanden und sich in den nächsten Tagen etwas beruhigt haben wird, komme ich wieder und werde alles ordnen. Nichts wird verkauft von den Möbeln und dem übrigen. Das Begräbnis zahle ich, und die paar Möbel kommen in das Stübchen, das die Kleine auf dem Oberhof bewohnen wird, damit sie sich nicht gar so fremd fühlt."

Der Schulze schloß die Tür und steckte den Schlüße! in die Tasche, wobei er der Mühlerten einen höhnischen Blick zuwarf, denn er kannte seine Pappenheimer.

Vor der Haustür trennten sich die beiden Männer, denn die Wege nach dem Heim eines jeden führten weit auseinander.

Christa Wellin ging still neben dem Oberhosbauern. Ein grenzenloses Zutrauen war in ihr zu diesem Manne, den sie bisher kaum gesehen hatte. Was aber würde sein Soyn sagen? Wußte er, daß sie auf den Oberhof kam? Und plötzlich rannen wieder große Tränen über das feine Kin­dergesicht.

Die Mutter, die arme Mutter, die so kalt und still in dem kleinen Hause auf dem Friedhof lag und morgen be­graben wurde! Aber Christa schrie und jammerte nicht mehr laut, weil ihr Mütterchen doch Frieden haben sollte. Doch heimlich, ganz für sich, da durfte man gewiß weinen. Das würde Mütterchen nicht stören. Mütterchen, das nun im Himmel war und alles sah, was sie, Christa, tat. So hatte der Herr Pastor gesagt. Und er hatte auch gesagt, es sei noch nicht bestimmt, wohin sie nun kommen werde. Aber sie solle nur immer recht still und bescheiden und fleißig sein, für ein Waisenkind gehöre sich das doppelt.

Christa hatte den ganzen heutigen Tag in Angst und Sorge verbracht.

Wohin würde man sie bringen?

Nun war es entschieden! Nun wußte sie, «» ihre Hei­mat von jetzt an sein würde.

Groß und wuchtig schritt der Oberhofbauer neben ihr her. Er ging langsam, weil Christa nicht mit ihm Schritt halten konnte.

Dort lag der Oberhof!

Ein stattliches Freigut war er. Die Oberhofdauer» waren immer Herrenmenschen gewesen. Seit Urzeiten schon saßen sie auf diesem alten, schönen Besitz, und durch reiche» Heiratsgut der Frauen und die Erträgnisse der riesenhaften Felder war der Reichtum immer höher angewachsen.

Im Herzen des OLerhofbauern flammte der Stolz auf» als er seinen Hof vor sich sah. Ja, dieser Hof vertrug es, daß ein armes Waisenkind hier eine Heimat fand!

Hell und klar wie im Märchen war die Winternacht.

Ein alter Knecht, der auf dem Hof das Gnadenbrot, sich aber noch nützlich machen wollte, hatte in seiner war­men Stube, die sich zu ebener Erde in einem der Seiten, gebäude befand, auf den Bauer gewartet. Nun kam ei und öffnete eilig das Tor. Ganz verwundert ruhten sein» eingesunkenen Augen auf der kleinen Gestalt, die neben de« Oberhofbauern stand.

Der Alte grüßte, und der Bauer dankte ihm freundlich. Ein zartes Stimmchen sagte leise:Guten Abend, Christian."

Weil der Bauer es auch so gesagt hatte.

Jetzt kam dem Christian eine Erinnerung. War da» nicht das Kind der fremden Frau, die drunten im Dorf fg» die Leute geschneidert hatte und nun gestorben war? Wollt» der Oberhofbauer es etwa hierbehalten? Ja, das wäre schon recht. Auf dem Oberhof war doch kein Mädel, und es würde hübsch sein, wenn sie da war.

Christian schloß das Tor, während drüben der Oberhof­bauer den weiten, warmen Flur seines Haues betrat. Di« Tür zu der großen, blanken Küche stand weit offen, und eifrig hantierten dort zwei jüngere Mägde. Eie schwatz­ten bei der Arbeit, waren aber sofort still, als sie den Bauer bemerkten. Der zog sich den Pelz aus, und dann half er Christa behutsam beim Ablegen. Er fürchtete sich beinahe, die Kleine anzufaßen, damit seine hatten Händ« ihr nicht etwa weh taten.

Der Oberhofbauer lächelte «in bißchen vor sich hin. W«r» für ein weiches Gefühl in ihm war, seit er das Mädel geholt hatte! Nun, es sollte sich hier wohl fühlen, dafür würd» er sorgen.

(Fortsetzung folgt.)