Altensteig, Dienstag, den 16. Oktober 1934

57. Jahrgang

Nummer 241

MurS NM des unehelichen Kindes

Gichtige Veränderungen mit wirtschaftlichen Folgen geplant

Der neue Staat will bewußt eine Neihe veralteter Rechts- aniwauungen durch neue Grundsätze ersetzen. Eine der er­sten Arbeiten auf dem Gebiet des Familienrechtes ist ein Gesetzentwurf von Dr. Vechert und Dr. Cornelius, der in Form einer Novelle zum Bürgerlichen Gesetzbuch nunmehr der Prüfung und Durchberatung unterzogen wird. Die Rechtsabteilung der Reichsleitung der NSDAP, hat diesen aeietzoorbereitenden Entwurf auch dem Bunde National­sozialistischer Deutscher Juristen zugeleitet, der letzt in sei­nem Verbandsorgan zum ersten Mal die leitenden Gesichts­punkte bekannt gibt und ausführlich kommentiert.

Aus der Begründung sind besonders die Eedankengänge bemerkenswert, in denen ausoenihrt wird, daß für die Aenderung des Recht. ^ der unehelichen Kinder nicht nur praktisch ein dringendes Bedürfnis be­stehe, sondern daß das geltende Recht auch dem deutschen Rechtsbewußtsein widerspräche. Entscheidend sei für die Be­wertung eines Menschen in erster Linie die Abstam­mung. Deshalb sei eine Umformung der Gesetze im natio­nalsozialistischen Sinne nicht das Wohl des einzelnen al­lein, sondern die Beziehung zur Gemeinschaft und zu ihrer llrzelle, der Familie, maßgebend. Dem Wohl der Volksge­meinschaft habe sich daher auch das Recht der unehelichen Kinder einzufügen.

Die neuen Richtlinien werden deshalb in zwei Grund­sätzen zusammengefaßt:

1. Das Recht der unehelichen Kinder hat den tatsächlichen Blutzusammenhang zugrunde zu legen, nicht ein fiktive Vaterschaft.

2. Das Pflichtbewußtsein beider Eltern muß nach Kräf­ten geschärft werden; deshalb müssen auch die Eltern im Hinblick auf die Eingliederung der unehelichen Kinder zum Unterhalt herangezogen werden.

In Auswirkung dieser Grundsätze soll nun eine Reihe von Paragraphen des Bürgerlichen Gesetzbuches geändert werden. Die wichtigste Aenderung der Paragraphen 1314 Absatz 1 und 1589 Absatz 2 besteht darin, daß im Gegensatz zu dem bisherigen Zustand künftighin VaterundKind alsverwandt gelten, und daß in das zur Eheschließung erforderliche Zeugnis über geregelte Unterhaltspflicht auch die Eltern unehelicher Kinder einbezogen werden. Die neuen Pargaraphen 1705 und 1706 stellen den Vater dem Erzeuger gleich. Infolgedessen muß der festgestellte unehe­liche Vater nunmehr seinem Kinde den Fami­liennamen geben. Es erhält dadurch die rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes, in die auch die väterliche Verwandtschaft künftig eingeschlossen wird. An Stelle der reinen Unterhaltspflichten tritt also eine verwandtschaft­liche Beziehung mit allen sittlichen Forderungen. Die Eben­bürtigkeit des außerehelichen Kindes ist aber nur bedingt, gegenüber der Volksgemeinschaft soll sie von der des ehelichen Kindes unterschieden werden.

Bisher hatten die Mutter oder der Vormund die elter­liche Gewalt, in Zukunft ist sie dem festgestell - ten Vater übertragen. In Paragraph 1712 wird die Frage des Erbrechts dahin entschieden, daß das unehe­liche Kind nach den ehelichen Abkömmlingen und vor den Verwandten aufsteigender Linie erbt. Es hat jedoch in je­dem Fall nur den Anspruch auf den Pflichtteil. Hin­sichtlich des Unterhaltes ist nach der Novelle nicht mehr wie gegenwärtig die Lebensstellung der unehelichen Mutter

maßgebend für die Höhe der Unterhaltskosten, sondern das Einkommen und die wirtschaftliche Lage des Vaters, die er­fahrungsgemäß in der Regel besser ist als die der unehe­lichen Mutter.

Wirtschaftlich einschneidend ist auch der Vorschlag, der die Frage des Mehrverkehrs zu lösen sucht. Bisher galt der Grundsatz, daß der einzelne Mann frei von Pflichten war, wenn er Nachweisen konnte, daß die Mutter in der Em­pfängniszeit mit mehreren Männern verkehrt hatte. In die­sem Falle fiel das Kind der öffentlichen Fürsorge an. Die Neuregelung sieht vor, daß jeder vom Gericht festgestellte Beihälter an den Ortsfürsorgeverband, der für das Kind zuständig ist, den Betrag zu entrichten hat, der für den not­dürftigen Unterhalt des Kindes erforderlich ist. Die sich daraus ergebenden Ueberschllsje sollen für unversorgte Kinder oder als Zuschüsse für kinderreiche Familien ver­wendet werden. Auch die Verwandten der Kindeseltern sol­len herangezogen werden, wenn sie selbst nicht in der Lage sind, ausreichend für das Kind zu sorgen, lleber Pflegekind- jchaftsverhältnisse soll noch ein besonderer Entwurf ausge­arbeitet werden.

Das sind im großen und ganzen die wesentlich Neuen Ge­sichtspunkte der Novelle. Obwohl zweifellos die Stellung des unehelichen Kindes gegenüber dem gegenwärtigen Rechtszustand außerordentlich verbessert ist, soll dennoch die Stellung gegenüber der Volksgemeinschaft eine andere blei­ben als die des ehelichen Kindes. In der Begründung der Novelle wird ausdrücklich hervorgehoben, daß uneheliche Verbindungen in der Regel Verbindungen des Leichtsinns oder der selbstsüchtigen Ausnützung eines Machtverhältnis- ses darstellen. Für die Erhaltung und Höherzüchtung der deutschen Rasse sind sie deshalb unerwünscht. Das unehe­liche Kind sei in der Regel daher rassisch nicht ebenbürtig. Das ist im übrigen bereits im Erbhofrecht festgelegr wor­den, wonach ein uneheliches Kind nicht Anerbe werden kann. Die Begründung hebt ausdrücklich hervor, daß der in der Novelle angewandte BegriffEbenbürtigkeit" nichts zu tun hat mit den alten Vorstellungen adligen oder bürgerlichen Kastenhochmutes, sondern daß er der Wertung des rassi­schen Erbteils entspricht. Jedenfalls ist festzustellen, daß die­ser erste Einbruch in das Bürgerliche Gesetzbuch die Bresche schlägt in die starren Mauern des bisherigen Familien- und Erbrechts.

LailbWe, Landjtchr, Lehrjahr?

Zn diesen Tagen ist so manches aufklärende Wort über das, was dasLandjahr" ist und will, geschrieben und gesprochen worden, dennoch aber wollen die Fragen nicht verstummen. Die einen sehen in ihm eine andere Art der von der Reichsjugend- sührung und derReichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Ar­beitslosenversicherung" durchgeführtenLandhilfe" und die an­deren kommen mit der Frage, ob nicht die Kinder, die als eben Schulentlassene, also alsLandjahrpflichtige" zum Landjahr ein­gezogen sind, infolge der Ableistung ihrer Landjahrpflicht und infolge des dadurch späteren Einrückens in Lehrstellen, eines Er­werbsjahres verlustig gehen. Beides Fragen, die verraten, daß über das Landjahr noch erhebliche Unklarheiten bestehen.

Die letzte Frage sei zuerst beantwortet. Ostern 1933 verließen insgesamt 609 000 Jungen und Mädchen die Volksschule. 1934 dagegen die doppelte Anzahl, da nach Sen geburtenschwache« Jahrgängen der Kriegszeit in diesem Jahre der erste gekurten- starke Jahrgang der Nachkriegsjahre die Schule verließ. Diese große Zahl von 1 200 000 Jugendlichen erhöhte sich noch um rund

40 000 Abiturienten und Abiturientinnen und um weitere SO 000 junge Menschen, die vorzeitig die höheren Lehranstalten ver­ließen. 1 300 000 Jungen und Mädchen warteten also darauf, «ine berufliche Ausbildung irgend welcher Art beginnen zu kön­nen. Und der nationalsozialistische Staat macht« das schier un­möglich Scheinende möglich: trotz des plötzlichen Zuflusses von Jugendlichen aus dem Arbeitsmarkt konnte der weitaus größte Teil in Lehr- oder Arbeitsstellen vermittelt werden. Von denen aber, denen weder eine Lehr- noch eine Arbeitsstelle vermittelt werden konnte, wurde der erbbiologisch gesunde Teil zur Ab­leistung des Landjahres eingezogen, jene eben schulentlassenen Vierzehnjährigen, die sonst zwischen den Hinterhöfen der Groß­städte oder den verrußten Mauern der Jndustrieorte einem jungen Dasein der Nutzlosigkeit, der Untätigkeit anheimgefallen wären. Die Kinder erwerbsloser Täter wurden bei der Aus­wahl noch bevorzug:

Damit dürfte die Frage, ob das Landjahr nicht den Verlust eines Erwerbsiahres gleichkäme, beantwortet sein.

Das Landjahr stellt sich im übrigen nicht als eine wirtschafts- politische Angelegenheit dar, sondern als eine Erziehungsmaß­nahme des Staates für die Jugend, deren Eltern nicht Len Geld­beutel haben, um ihr einen längeren, ununterbrochenen Auf­enthalt in der gesunden Luft auf dem Lande angedeihen zu lassen, fern von allen schädlichen Einflüssen der Erotzstadt- atmosphäre.

Landjahr heißt: achtmonatige zuchtvolle Gemeinschafts­erziehung der schulentlassenen vierzehnjährigen Jungen und Mädchen in getrennten Jungen- und Mädchenheimen entspre­chend der verschiedenartigen Erziehungsaufgaben, die der Na­tionalsozialismus den beiden Geschlechtern stellt.

Neben den Heimleitern (oder Heimleiterinnen) und ihren Helfern (ode: Helferinnen) ist hier im Lanüjahr auch der Bauer Führer der Jugend zu Volk und Heimat. Nicht umLandhilfe" zu leisten, marschieren die Landjahrpslichti^en für einige Vor­mittagsstunden zu den Bauernhöfen in der Nähe der Landjahr­heime. Was könnten sie schon groß helfen! Sondern um dort im Handanlegen die deutsche Erde, den Boden, die Scholle tätig zu erleben. Denn im Landjahr heißt lehren, nicht nur über die Dinge sprechen, sondern zur Welt, insbesondere zur bäuerlichen, lebendige Beziehungen Herstellen. Eng hat sich Sie Landjahr- ingend auf diese Weise mitihren" Bauern zusammengelebt, nicht nur durch die gemeinsame Arbeit, sondern ebenso sehr durch gemeinsame Feste. Viele von den Landjahrpflichtigen wollen schon heute, wie aus ihren Briefen an die Eltern hervorgeht, auf dem Lande bleiben oder nach kurzem Besuch daheim, wenn am IS. Dezember das Landjahr beendet ist, wieder auf das Land zurllckkehren.

Aber die wenigen Vormittagsstunden beim Bauern erschöpfen den reichen, vollen Arbeitstag in den Landjahrheimen nicht. Nach der Rückkehr zum gemeinsamen Mittagessen im Heim und nach der anschließenden Ruhestunde, die Pflicht ist, beginnen Sport und Spiel. Erst der Spätnachmittag steht die Schulungs­stunden vor, m denen das tägliche Wirken seine geistige Aus­weitung durch die Erzieher erfährt. Deutsche Geschichte, Heimat- und Volkskunde. Rasse- und Vererbungslehre werden hier nicht zum Lehrstoff, sondern zu lebensnotwendigen Erkenntnissen, die dem Einzelnen di« eigene Schicksals- und Blutverbundenheit mit der Gesamtheit unieres Volkes zutiefst bewußt machen. Auch die elementaren Kenntnisse im Schreiben und Rechnen werden, den Erfordernissen des praktischen Lebens gemäß, im Zusam­menhang mit der Heimbewirtschaftung aufgefrischt.

Damit dürfte auch klargestellt sein, daß es sich beim Landjahr nicht um eine Art Landhilfe handeln- kann.

Die disziplinierte, körperlich und seelisch gekräftigte Landjahr-

Urheberschutz L. Ackermann. Romanzentrale Stuttgart

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Rühmst du dich dessen noch vor mir, der genug darunter litt und noch leidet! Immer wird es mir vor­geworfen! Von allen Seiten muß ich es hören wie eine Schmach! Und du statt dich endlich anzupassen, end­lich bei uns dich einzuleben, tust dir noch etwas zugute ' darauf, zu unseren Feinden zu gehören! Jedes ein­fache Bauernweib bei uns weiß, daß die Frau zum Mann zu halten hat nur d u weißt es nicht!"

Margaret war langsam vor ihm zurückgewichen wie vor einem Gespenst.

Du weißt nicht, was du sprichst, Wladko!" sagte sie mit zitternder Stimme.

O ja, ich weiß es sehr gut!"

Einmal sagtest du mir: Mas d u liebst, liebe auch ich, dein Volk, deine Brüder sollen auch meine sein !"

Ja und handeltest du je darnach? Hast du mein Volk, die Meinen je geliebt, dich je als ihnen zu­gehörig gefühlt? Nie! Darum verlange von mir nicht, was du selbst nicht gabst!"

Er trat dicht an sie heran und bohrte den Blick in den ihren.

Was die Friederauer anbelangt, so will ich kein Wort mehr darüber aus deinem Mund hören! Ihr Schicksal liegt in ihrer eigenen Hand, und ich das schwöre ich dir hiermit, rühre keinen Finger darum!"

Er riß seinen Hut vom Ständer und stürmte hinaus. Mit leerem Blick sah ihm Margaret nach. Das dumpfe Gefühl, es sei alles aus und zu ende, schnürte ihr die ^rust zusammen, daß sie kaum atmen konnte.

Am nächsten Tag überstürzten sich die Ereignisse förmlich. Mit dem Frühzug kam wirklich Mila aus Laibach an, wie Zlata vorausgesagt. Sie wolle schauen, wie es ihnen allen gehe, sagte sie. Auch habe sie in diesen schönen Frühlingstagen Sehnsucht bekommen, ein paar Tage auf dem Lande zuzubringen...

Der alte Jeglic empfing sie kalt und finster. Er fand es einfach unerhört, daß die Schwiegertochter so scham­los war, diesem Serben nachzureisen und daß Matija diese Reise nicht verhindert hatte um jeden Preis. Aber er war ratlos, wie er Mila wieder loswerden könne.

Dragotic war nicht daheim, als Mila ankam. Er war mit seinen Soldaten am Morgen hinaus nach Frie­derau, um die Kontribution, die man bereits gefordert, in Empfang zu nehmen oder mit Gewalt einzutreiben. Er fand verbissene, bis zum äußersten erregte Menschen, die rundweg alles verweigerten. Ställe und Scheunen waren leer, fast die ganze bewegliche Habe der Bauern verschwunden, weder Geld noch Wertsachen zu ent­decken. Die Friederauer hatten, auf derartige Eewalt- streiche gefaßt, alles beizeiten in Sicherheit gebracht, teils vergraben, teils über die Grenze geschafft. Das Vieh hatten sie samt den Kindern in der letzten Nacht auch noch hinübergeschafft und die alten Leute als Hüter dazu bestellt.

Major Dragotic schäumte vor Wut. Aber erdachte nicht daran, sich für besiegt anzusehen. Er ließ sofort zwölf der angesehensten Leute festnehmen und als Geiseln nach Spillersdorf in den Gemeindearrest ab- führen. Den Zurückbleibenden wurde als Ultimatum mit vierundzwanzigstündiger Frist verkündet:

1. Vieh, Getreide und sämtliche Wertgegenstände sind sofort wieder zur Stelle zu schaffen.

2. Alle jungen wehrfähigen Männer unter 30 Jah­ren haben sich freiwillig in Spillersdorf ein­zufinden zwecks Einreihung in das jugoslawische Heer.

3. Sämtliche Einwohner von Friederau haben beim Bürgermeister Janez Jeglic zu erscheinen, sich eid­lich als Untertanen der jugoslawischen Regierung zu bekennen und diese Erklärung außerdem durch eigenhändige Unterschrift eines Reverses zu be­kräftigen.

1. Die Geiseln haften mit ihrem Leben für Auf­rechterhaltung der Ruhe und Ordnung bis zur Er­füllung der gestellten Bedingungen.

Sie werden nie darauf eingehen! Nie! Es ist un­möglich!" rief Margaret außer sich, als sie am Abend dieses Tages durch Zlata von dem Ultimatum erfuhr.

O, sie werden schon!" antwortete Zlata boshaft. Verlaß dich darauf! Was sollten sie denn anders tun?"

Sich wehren! Im schlimmsten Fall auswandern"

Und die Geiseln? Die verschleppt man dann auf Nimmerwiedersehen nach Laibach, wenn man sie nicht lieber gleich hier erschießt!"

Margaret starrte ihre Schwägerin entsetzt an.

Das ist unmöglich," sagte sie dann dumpf.Das wäre ja gemeiner Mord!"

Sie und Wladko waren der Einquartierung und Milas Ankunft zu Ehren an diesem Abend beim alten Jeglic geladen.

Aber als Wladko gegen sieben Uhr Margarets Zim­mer betrat, um sie abzuholen, war dieses leer. Aus dem Kinderzimmer nebenan hörte er ihre und des Kleinen Stimme. Er öffnete die Tür, um sie zu rufen, blieb aber betroffen auf der Schwelle stehen.

Margaret kniete am Bett des Kindes und betete mit dem Kleinen, der ihre laut und feierlich gesprochenen Worte gewissenhaft wiederholte. Erst kam das Vater­unser natürlich in deutscher Sprache dann sagte sie in inbrünstigem Ton, den der Knabe unwillkürlich nachahmte:Lieber Gott, wir bitten dich flehentlich, hilf den armen Deutschen, daß ihre Feinde sie nicht ver­derben können!"

sForts. folat.l