Nummer 141

A l t e n s t e i g,

Donnerstag, den 21. Juni 1934

8 7.

Jahrga»>

Um die Mmsragt

Fortschritt im Kampf gegen die Krise nur durch

Kostensenkung Je niedriger der Zins, desto höher die Eeldsicherheit

Von Ferdinand Kircheisen

Zm Verlauf einer Sparkassentagung prägte ein Vor­tragender kürzlich das Wort:Je niedriger der Zins, desto höher die Sicherheit des Geldes." Für viele Geldgeber käme diese Erkenntnis heute schon zu spät; für ihre Mehr­heit, insbesondere bei den inländischen Gläubigern, würde eine herzhafte Schlußfolgerung aus dieser Erkenntnis jedoch immer noch die Rettung ihres Geldes bedeuten, so daß es sich tatsächlich noch lohnt, über diese Frage in eine ernst­hafte Auseinandersetzung einzutreten. Der Kampf gegen die zu hohen Zinsen, die der Wirtschaft wucherisch den Ar­beitsertrag kürzten, begann schon in dem großen wirtschaft­lichen Aufschwungsabschnitt der Jahre 1926 und 1927. Es war die Zeit nach der Ueberwindung der Inflation, der Wiederankurbelung der Wirtschaft, obwohl man dieses Wort damals noch gar nicht gebrauchte, der neu erwachten Unternehmungslust, des Glaubens an eine dauernde lleber- windung aller Krisenerscheinungen der furchtbaren zurück­liegenden Jahre, kurz eine Zeit, die der augenblicklichen Lage der Wirtschaft ungemein ähnlich ist.

Um nicht zu falschen Vorstellungen zu verleiten, müssen wir aber unterstreichen, daß der Aufstieg der Wirtschaft in dem erwähnten Zeitabschnitt unter erheblich günstigeren Voraussetzungen erfolgte, daß die damaligen Regierungen mit viel höheren Kraftreserren der Bevölkerung rechnen konnten und daß damals von einer Arbeitslosigkeit im heu­tigen, im drückenden Sinne überhaupt nicht die Rede sein konnte.

Trotzdem wollten in jener Zeit des sichtbaren Aufschwun­ges die Warnungen vor den zu hohen Zinsen nicht ver­stummen. Immer wieder wiesen verantwortungsbewußte Beurteiler der Eesamtlage darauf hin, daß Zinsen von zehn, zwölf und fünfzehn v. H. und mehr auf einige Dauer von keinem noch so ge>und arbeitenden Wirtschaftszweig ausgehalten werden könnten. Als dann die Hochkonjunk­tur 1928 und 1929 Wirklichkeit geworden war, erblickte man in den zu hohen Zinssätzen unserer Volkswirtschaft eine Hauptgefahr für ihre Weiterentwicklung. Alle Welt erkannte, daß sie die schönen Jahre der Wiederanbahnung einer ertragreichen Wirtschaft eigentlich nutzlos für Gläu­biger vertan hatte, die einen wesentlichen Teil der Kauf­kraft, der Unternehmungslust, soweit sie vom Gelde ab­hängig ist, der Anlagemöglichkeit an sich gesogen hatten. Damals trat sogar die furchtbare Gewißheit zutage, daß die Wirtschaft Millionen und Abermillionen angelegt und verzinst hatte, diese Zinsen aber eben nicht aus dem Ar­beitsertrag geflossen waren, sondern aus dem phantasti­schen Angebot von Anleihen und immer wieder neuen An­leihen bestritten wurden, die namentlich das Ausland nach Deutschland legte, um die einfach abenteuerlichen Zins­möglichkeiten wahrzunehmen. Das Ausland legte sie nach Deutschland im Vertrauen auf die mit ihrem Gelde arbei- teMe.M.verläMste Volkswirtschaft der Erde, die noch jede

Verpflichtung bis über die Grenzen ihres Könnens und sittlichen Müssens weit hinaus zu erfüllen versucht hatte, und auf die höchst entwickelte Arbeitnehmerschaft der Erde, die mit dieser vertrauenswürdigsten Wirtschaft verbunden gewesen ist. Das Ausland war in jenen Zeiten von einem wahren Taumel erfaßt. Erstickt unter einer Flut von Pro­spekten über die riesenhaften Aussichten des deutschen Wie­deraufbaues und über die unangetasteten Reserven der deutschen Volkswirtschaft, eine Werbung, die dem Geld­geschäft gewiß sehr genutzt hat, für die deutsche Wirtschaft aber auch gleichzeitig die Vorbereitung der Nackenschlägc bedeutete, die aus der Tributpolitik auf sie niederprasseltsn.

Ein verantwortungsloses Geschlecht von Regierungs­männern, beflügelt von der ungeheuerlichen Leichtfertig­keit, mit der das Schicksal des deutschen Volkes nach einem solchen Kriegsausgang und einem solchen sogenannten Frie­densschluß behandelt wurde, rührte keinen Finger, um dem Moloch Zinswucher, der mit Sicherheit alle Knospen, all« Blüten, alle Früchte des Aufstiegs in ganz kurzer Zeit verschlucken mußte, Einhalt zu gebieten. Wir erlebten so­gar einen Finanzminister, der die wirtschaftliche Treibhaus­blüte zu schlechthin räuberischen Steuern auswertete und mutwillig jene Henkerparagraphen der Dawes-Tribut- abmachungen in Wirksamkeit treten ließ, nach der eine Er­höhung der Tribute um rund 300 Millionen RM. jährlich einzutreten hatte, wenn die Wirtschaft, gemessen an den Steuererträgen, eine bestimmie Aufschwunghöhe bewältigt haben würde. So wurde das deutsche Volk, so die Wirt­schaft und so die Arbeitnehmerschaft wirklich in Grund und Boden regiert. Aus dem Gesichtspunkt einer schändlichen und verachtungswürdigen, volksschädlichen, wirtschaftsver- räterischen Politik der Liebedienerei gegenüber dem Aus­land.

Lernen wir aus den Erfahrungen! Die Bereitsteller von Geldmitteln, heute keine ausländischen Großbanken, son­dern im wesentlichen inländische Sparer, sollen ganz gewiß auch Nutzen, also Zinsen, aus ihrer Geldhergabe haben. Nicht nur die neuen, sondern auch die alten Geldgeber müssen sich aber darüber klar werden, daß der Fortgang des wirtschaftlichen Wiederaufbaues nicht dauernd durch das Eingreifen der öffentlichen Hand gewährleistet werden kann, sondern endgültig aus der Wirtschaft selbst entwickelt werden muß. Die Voraussetzung dafür ist immer noch eine umfassende Kostensenkung, eine Minderung der Zins­belastung der deutschen Wirtschaft von rund fünf Milliarden um wenigstens zwei bis zweieinhalb Milliarden RM. jähr­lich. Erst unter dieser Voraussetzung bildet sich genug ar­beitendes Kapital, das neue Anlagen sucht und der Wirt­schaft neue Betätigungsmöglichkeiten erschließt. Das heißt für den Geldgeber die Sicherung des von ihm angestreb­ten Zieles, die Arbeit mit dem Gelde, das er gab und das nur durch Arbeit verzinst und erhalten bleibe« kann.

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Geschichten neben brr Geschichte

Erzählt von FranzDorak Friedrich Eottlieb Klopstock

Als in einer Gesellschaft über den Hustenreiz gesprochen wurde, vertrat Klopstock folgenden vielleicht nicht ganz Unrechte» Standpunkt:Es ist nur gut, daß die Menschen husten müssen, wenn ihnen etwa Unrechtes in die Kehle kommt, käme ihnen , aber etwas Unrechtes aus der Kehle und sie müßten dann auch husten, so würde das Husten wohl kein Ende nehmen."

Fritz Reuter

Der plattdeutsche Dichter legte besonderen Wert darauf, daß - seine Arbeiten auch von den einfachsten Menschen verstanden ! wurden. Eines Tages las Fritz Reuter einem Bauer eine Ge- schichte vor, in der des öfteren vom Knarren einer Tür die Rede war. Der Bauer hörte gespannt zu, und nach Beendigung der Lesung über seine Meinung gefragt, meinte er treuherzig: Wenn Sie die Tür man ordentlich geschmiert hätten, dann wäre ! das ganze Geschreibsel nicht nötig gewesen!"

Adolf Liideritz

Der Begründer der deutschen Kolonien, Adolf Liideritz, war j Hu einem Festessen eingeladen. Manche Fragen mußte er hier beantworten, aber besonders hartnäckig war die Frau des East- i gebers:Ist es wahr, daß die Wilden in Afrika so frech und zudringlich sind?"Oh, nein, nicht so zudringlich wie Sie ..." >

und nach einer Pausemeinen", antwortete Lüde ritz. ^

Gottfried Keller

Der Dichter Gottfried Keller und der Maler Arnold Bückli» waren Leide große Schweiger. Sie waren so wortkarg, daß sie oft nicht ein Wort wechselten, während sie ihren regelmäßigen Schoppen tranken. Eines Tages führt Böcklin seinen Neffen an den Stammtisch. Sie bestellen den Wein und schweigen sich aus.

So geht es eine Stunde, da kann der junge Mann die Stille nicht ' mehr ertragen. Er meint:Der Wein ist aber gut!" Keller und Böcklin gucken sich an, sagen nichts. Nach einigen Stunden l brechen sie auf, und beim Abschied Kellers von Böcklin sagt er > zu ihm:Den Schwätzer brauchst Du aber nicht mehr mitzu-- bringen!"

Detlev von Liliencron

Eines Tages hatte ein unfertiger, unreifer Jüngling die ' Ehre, die Bekanntschaft Liliencrons zu machen. Der eingebildete junge Mann stellte nun die unmöglichsten Fragen an den Dich­ter. Liliencron beantwortete die Fragen, so gut es möglich war. Als aber der Jüngling die Frage nach dem Unterschied zwischen einem Lustspiel, Schauspiel und Trauerspiel stellte, meinte Lilien­cron:Daß Sie den Unterschied nicht selbst wissen, ist für mich ein Lustspiel, für die anderen ein Schauspiel und für Sie Mn Trauerspiel!"

Liliencron ärgert sich in einer Gesellschaft über einen Herrn, der sehr mit feinen Ahnen und ihren Taten protzt. Schließlich wird es ihm zu bunt:Wenn ich Sie sehe und höre, dann werde ich immer stark an Kartoffeln erinnert!"Aber wieso Kar­toffeln?"Ja", sagte Liliencron,bei denen ist auch alles Brauchbare unter der Erde!"

Druck und Verlag: W. Rieker'sche Buchdruckerei, Altensteia. Hauptschriftleitung: L. Lauk. Anzeigenleitung: Eust. Wohnlich. Altensteig. D.-A. d. l. M.: 2100

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2b. Fortsetzung. (Nachdruck verböte»)

'

Er kniff ihr gönnerhaft in die Backen, was ihm einen Schlag auf die Finger einbrachte, aber seiner guten Laune nicht weiter schadete.

Pfeifend stieg er die Treppen der Villa hinunter.

Am Nachmittag würde die ganze Chose erledigt sein!

Glück muß der Mensch haben!

*

Brösicke wandte sich bei Evelines Eintreten um und küßte sie auf den Mund.

Also, du siehst heute wieder goldig aus, mein Schatz!" sagte er verliebt.

Eveline strahlt: ihn freudig an. Sie freute sich ihrer Schönheit.

Dankbar drückte sie ihrem Manne die Hand.

Ich bin wirklich dem Schicksal dankbar, daß du meinen Weg gekreuzt hast, Männe, und daß du meine Familie in ' dein Haus genommen hast," sagte sie innig.

Brösicke strahlte zunächst, dann aber seufzte er tief auf.

Na... weißte, was das Letztere anbelangt, da habe ich mich ja nu etwas in die Brennesseln jesetzt oder, wie wir Börsenmänner sagen, gründlich verspekuliert. Deine Schwe­stern allein sind noch zu ertragen, aber deine Mutter... also nimm mir das nicht krumm... die macht eenem das Leben sauer."

Aber sie ist doch nun einmal meine Mutter," ent­gegnet? Eveline beklommen.

Und deshalb nehme ich ja ooch Rücksicht. Schlimm ist bloß, daß sich ooch Grete jarnicht mit ihr versteht."

Deshalb bin ich eigentlich zu dir gekommen. Ich habe Las leider auch verschiedentlich feststellen müssen."

Sie sah verlegen vor sich nieder.

1 . Brösicke sah sie erstaunt an.

Eine kleine Verlegenheitspause entstand.

Endlich begann Eveline:

Sieh mal... du mußt mich aber jetzt nicht mißver­stehen, was ich dir sage. Ich habe Grete liebgewvnnen, das weißt du. Sic ist ein lieber, guter Mensch... wir beide ver­stehen uns ausgezeichnet. Mit meiner Familie lebt sic aller­dings auf dem Kriegsfuße, und ich sehe, daß sie darunter leidet."

Brösicke nickte zustimmend.

Er wußte ja genau, wie die Schwiegermutter alle zu unterjochen verstand.

Wem sagste das!" kam es kleinlaut über seine Lippen.

Eveline mußte laut auflachen, so bekümmert sah seine Miene aus.

Ich habe mir nun überlegt," fuhr sie dann fort,wie man dieses gespannte Verhältnis etwas erträglicher gestalten könnte. Und da ist mir der Zufall zu Hilfe gekommen. Ich traf Herrn von Feldern..."

Brösicke unterbrach sie mit verständnisvollem Schmunzeln.

Er hat vorhin antelephoniert."

Dann weißt du also schon, worauf ich hinaus will?" fragte sie erstaunt.

Brösicke nickte vergnügt.

Allemal... er hat schon vor einiger Zeit mit mir darüber jesprochen. Ich hatte mir so jedacht, das sollte eine Ueberraschung für euch werden, denn man konnte doch nicht wissen, ob es ihm wirklich auf die Dauer ernst mit seiner Werbung war. Er wollte zunächst Grete Zeit lassen, ihn näher kennen zu lernen, deshalb hat er sich ihr ja ooch een paar mal jenähert. Aber heite wollte ich mit dir über die Sache reden, weil sie nu spruchreif jeworden ist. Aber du warst ja nicht zuhause. Das soll natürlich keen Vorwurf für dich sein, mein Schnuteken!"

Er nahm sie liebevoll in die Arme.

Und was hältst du von seinem Antrag?" fragte sie dringend.

Brösicke wiegte den Kopf hin und her.

Ja..." meinte er nachdenklich,ich ver'ön'ich habe jejen den Mann nischt einzuwenden. Wenn bloß Grete ihn nehmen will... na... du verstehst schon, was ich meine... nicht?"

Dafür laß mich nur sorgen," versetzte Eveline sieges- 1 gewiß.Grete ist ein vernünftiges Mädel. Sic wird einsrhen,

! daß ihr so leicht nicht noch einmal der Weg in die höheren ! Kreise geboten wird. Ich halte diese Lösung für die zweck­mäßigste. Schließlich ist sie in dem Alter, wo der Gedanke einer Heirat doch einmal erwogen werden muß. Grete ist... obwohl sie sonst ein lieber Mensch ist... ein Dickkopf meiner Mutter gegenüber, und ich möchte nicht, daß sie sich hier im Hause unglücklich fühlt."

Brösicke war ganz ihrer Meinung, und die beiden Gatten sahen schon im Geiste Grete als die Frau des bekannten Großindustriellen Werner von Feldern.

Bielefeld war wieder einmal auf Büchersuche gewesen. Ihm war bei seinem Schnüffeln in einem Antiquariat, das in der Nähe seiner Wohnung lag, ein altes Buch in die Hände gefallen.

Der Titel hatte ihn gereizt.

Die Pfahlbauten in Plötzensee," hieß das Buch.

Sein Forschergeist regte sich gewaltig. Für 50 Pfennig hatte er das unscheinbare Büchlein erstanden.

Mit Feuereifer hatte er das kleine Buch durchschnüffelt.

Noch am selben Abend war er hingefahren und hatte sich sofort auf die Suche nach etwaigen Ueberresten der Pfahl­baustelle begeben.

Es war schon ziemlich dunkel, als er an einer sumpfigen Stelle am See auf einen Haufen alter Hölzer stieß.

Hurrah!" schrie er begeistert,die Reste des Pfahl­bauerndorfes."

Mit vieler Mühe gelang es ihm, den längsten Pfahl freizubekommen.

Als er den morschen Zeugen vorgeschichtlicher Zeit glück­lich aus dem Gewirr des vermoderten, wirr durcheinander liegenden Holzes herausgearbeitet hatte, schwoll sein Forschen­herz mächtig.

Daß er bei der mühsamen Arbeit, die ihm manchen Schweißtropfen kostete, seinen linken Stiefel eingebüßt hatte, war für ihn belanglos.

Und als er gar noch eine alte Strohmatte mit fast er­loschenen Schriftzeichen, die ihm beinahe indianisch vorka»«»» fand, stieg seine Freude um weitere zehn Grad«.

Fortsetzung folgt!