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Altensteig, Mittwoch, den 9. Mai 1934
Nummer 1V8
Wisti KimimIMrt
Als er vollbracht sein göttlich Werk hienieden Aus all den Tiefen seiner Enadenfülle,
Verließ er scheidend seine Erdenhülle,
Um einzugeh'n in der Verklärung Frieden.
So war es Gottes, seines Vaters Wille.
Der ihm den bittern Leidenskelch beschieden,
Und daß auch wir dereinst, wir Pilgermüden,
Ihm folgen oürfen in die sel'ge Stille...
Und seine Worte ließ er uns als Pfand,
Daß sie den Weg zum ew'gen Heil uns zeigten Aus diesem armen, dunklen Erdsnland —
Nun lauschen wir dem trosterfüllten Lied,
Und in uns ist ein unvergänglich Leuchten.
Ein himmlisch Heimweh, das uns aufwärts zieht...
^Elly Wagner.
KlmmelsahMag und Donarstag
Christi Himmelfahrt im deutschen Brauchtum
Lange bevor das Himmelfahrtsfest in der christlichen Kirche eingeführt war, gab es bei den deutschen Volksstämmen schon einen heiligen Donnerstag, ein Frühlingsfest zu Ehren Donars, des Gottes über Blitz und Donner, über Wetter und Fruchtbarkeit. Freude war überall, daß Donar den Fluren wieder Segen gegeben, daß er den grausamen, dunklen Winter vertrieben hatte und daß die Sonne wieder freundlich, hell, wärmend und befruchtend vom Himmel schien. An diesem Tage gab es Freudenschmäuse, und man brachte Donar Dank- wie Vittopfer dar. Als dann das Christentum bei den Deutschen Einzug hielt, wurde der Himmelfahrtstag, der auch auf einen Donars- oder Donnerstag fällt, zu einem hohen christlichen Fest. Donar war nun zwar abgesetzt, aber nicht vergessen waren viele alte Bräuche aus den Zeiten des alten heidnischen Donorstages. In der Heidenzeit wurde das Niederfallen von etwas Regen am Donarstage als Zeichen dafür angesehen, daß der Gott die Opfer der Menschen mit Wohlgefallen annahm, nach Einführung des Christentums entstand dann im deutschen Volke der Glaube, Regentropfen am Himmelfahrtstage seien Freudentränen der Engel im Himmel über die Rückkunft Christi von der Erde.
Auch soll die Sonne nach alten christlichen Volkslegenden jedesmal am frühesten Morgen des Himmelfahrtstages drei Freudensprünge - machen. Freilich, nur ganz besondere Glückskinder sollen diese Freudensprünge der Sonne beobachten können. Daher ist es auch in vielen Gegenden Deutschlands'Brauch, am Morgen der Himmelfahrt noch vor Aufgang der Sonne hinaus auf die Berge und Anhöhen zu ziehen, um auf die Sonne Obacht zu geben. Eine Erinnerung an den alten Donarsglauben ist es auch, wenn der Volksbrauch verbietet, am Himmelfahrtstage Ackergeräte oder anderes Handwerkszeug von Eisen oder Stahi draußen im Freien liegen zu lassen. Durch Liegenlassen solcher Geräte soll der Blitz auf Haus und Hof gezogen werden. Den Frauen im Hause verbietet der Volksbrauch sogar das Ansassen einer Nähnadel am Himmelfahrtstage. In Holland, Flandern und bis in einzelne Gegenden nach Deutschland hinein will es der Brauch, daß am Himmelighrtstage nur „fliegendes Fleisch" gegessen wird, das heißt Fleisch vom Geflügel. In Bayern besteht wohl dieser Brauch heute nicht
mehr oder nur noch vereinzelt, aber Erinnerungen daran stnd auch dort in einigen Bezirken noch anzutreffen. Man braucht dort zwar am Himmelfahrtstage kein Geflügel zu essen, dafür jedoch wird ein Gebäck hergestellt, das dem „fliegenden Fleisch" in der Form ähnelt, es sind die Brotvögel, die in den Haushalten gebacken werden, die aber auch in Bäckereien und in Gastwirtschaften zu kaufen sind.
Möglicherweise eine Erinnerung an Opfer, die dereinst den Wassergottheiten dargebracht wurden, ist der namentlich an einigen süddeutschen Flüssen noch bestehende Volksglaube. wonach man am Himmelfahrtstage nicht baden dürfe, weil an diesem Tage die Gewässer ihr Opfer fordern, weil man also leicht ertrinken könne. Zu Ehren Donars wurden in der alten Zeit auch Feuer angezündet. Auch diese Feuer wurden dann auf den Himmelfahrtstag übertragen, sind jedoch in den meisten Gegenden nach und nach in Vergessenheit geraten, und dort, wo solche Feuer noch ange- zllndet werden, heißen sie nicht mehr Donars- und Himmelfahrtsfeuer, sondern Hagelfeuer. Sie sollen in den kommenden Monaten vor dem Hagelschlag bewahren. Tau. am Himmelfahrtsmorgen gesammelt, soll besonders heilkräftig sein und schön machen. Alte Bauersfrauen behaupten, nur die Kürbiskerne, die in den Morgenstunden von Himmelfahrt gelegt werden, könnten große Kürbisse Hervorbringen. Daher wartet man auch häufig mit dem Auslegen dieser Kerne bis zum Himmelfahrtstage. Pflanzen, die um diese Zeit blühen, gelten seit altersher als glückbringend. Junge Mädchen wollen daraus sogar prophezeien, ob sie bald einen Ehemann oder wenigstens einen Herzensschatz bekommen. Als Elücksblumen gelten in den einzelnen Gegenden die verschiedensten, oft gehört dazu das kleine Gänseblümchen. Aus den Elücksblumen werden am Himmelfahrtstage auch Sträuße und Kränze gewunden, die an die Türen von Wohnungen und Ställen kommen. Sie sollen Gesundheit von Mensch wie Tier für das nächste Jahr sichern.
Ein eigenartiger Himmelfahrtsbrauch besteht noch in einigen Gebirgsgegenden Mittel- und Süddeutschlands. Danach wird in der Nacht zum Himmelfahrtsfest heimlich und ohne daß dabei ein Wort gesprochen werden darf, Butter hergestellt. Diese Butter darf nicht gegessen werden: sie wird als Salbe verwendet und soll gegen mancherlei Krankheiten helfen. Ein anderer eigenartiger Brauch, der aber auch in Vergessenheit kam. war früher in München anzutreffen. Am frühen Morgen des Himmelfahrtstages wurde eine Strohpuppe durch die Straßen geführt, die nichts anderes vorstellen sollte als den Teufel. Dieser Teufel wurde dann schließlich an einem hochgelegenen Turmfenster der Frauenkirche aufgehägnt und blieb dort bis nach dem Pfingstfest hängen. Nach altem Volksglauben um den Kyffhäuser ist dieser Berg am Himmelfahrtstäge io geöffnet, daß man in ihn hineinsehen und Friedrich Barbarossa erblicken kann. Doch auch nur wieder ganz beionderen Glückskindern soll dieses Schauen möglich sein.
Im prosaischen Berlin ist Himmelfahrt der Tag der „Herrenpartien". Die Eheherren werfen an diesem Tage ihre Ehefesseln ab und schwirren ohne Ehefrauen und Kinder aus. Auch die Gardinenpredigt die folgt, wenn sie spät in der Nacht — meistens schwankend — wieder in die Wohnung zurückkehren, hält die Ehemänner nicht ab, diesen Tag in vollen Zügen zu genießen.
Der Himmel als Wirklichkeit Das, was sie Himmel nennen, liegt nicht jenseits des Grobes; es ist schon hier «« unsere Natur verbreitet und sein Licht geht in jedem reinen Herzen auf. Fichte
Die Einsturzkatastrophe von Winterbach
Beerdigung der Todesopfer in WinterbaK
Winterbach, OA. Schorndorf, 8. Mai. Unter ungeheurer Beteiligung trug man am Dienstag mittag die Toten des Unglücks vom 5. Mai zu Grabe. Die Feier in der Kirche nahm einen tiefergreifenden Verlauf. Es sprachen nach Trauergesängen Pfarrer Streitberger und Prälat Gau ß-Heilbronn im Namen des verhinderten Landesbischofs. Hierauf trug man die 8 Särge rum Marktplatz herunter. Zu beiden Seiten grüßten SA. und Hitlerjugend die Toten. Der Trauerzug zum Friedhof war von ungeheurem Ausmaß. Voran marschierte das Siller-Jungvolk und die Schüler des 3. bis 6. Schuljahres, dann folgten Posaunenchor und Musikverein, der Lehrergesangverein und dann die acht Totenschreine, in der Mitte der Sarg des toten Lehrers Kohnle. Dann folgten die Vertreter der Behörden, an ihrer Spitze Ministervräsident und Kultminister Mergenthals r, stellvertretender Gauleiter Schmidt, Oberbürgermeister Strö- lin, Oberregierungsrat Wößner, Oberregierungsrat Dr. Drück. Oberregierungsrat Dr. Cuborst, Gebietsführer Wacha usw. Nun folgten die Angehörigen und Verwandten der Verstorbenen und dann anschließend die unabsehbare Menge der Trauergäste. Mit dem Trauermarsch von Beethoven ging es rum Friedhof, wo an der östlichen Seite dasgrobeErabdie acht Särge aufnahm. Zu Beginn der Feier am Grabe sang der Lehrergesangverein „Süß mW ruhig ist der Schlummer", worauf Pfarrer Streitberger sprach. Ministerpräsident Mergenthaler sprach der Gemeinde wie den Angehörigen die herrlichste Anteilnahme aus. Zum Schluß seiner Ausführungen konnte er der Gemeinde die Botschaft ilberbringen, daß der württ. Staat durch Errichtung eines neuen Schul'hauses das Unglück zum Segen für kommende Geschlechter wenden wolle. Er legte im Auftrag der württ. Staatsregierung einen Kranz am Grabe nieder. Hierauf sprachen weiter der stellt». Gauleiter Schmidt im Austrag des Reichsstatthalters. ferner Oberbürgermeister Dr. Strölin-Stuttgart. Bürgermeister Schaiger-Winterbach sprach unter tiefster Bewegung Worte des Abschieds und des Dankes.
G2. Fortsetzung.)
„Ist seit langem bekannt, mein lieber Remus. Wo W deine Enkelin? Ist sie hier?"
„Still," raunte Falke, „du wirst eine nette Ueber- raschung erleben, aber davon nachher. Ich glaube, da ist die Gräfin."
Gräfin AltenMngen erschien im Treppenhaus und lachte, als sie die Versammlung und den Justizrat als Schneemann sah.
„Na, meine Lieben, wollt ihr auf der Treppe Weihnachten feiern? Herein mit allen! Es ist kalt und zieht. Anne, Sie strahlen ja, als ob der Weihnachtsmann Ihnen bereits einen Besuch gemacht hätte. Uno das ist sicher Freiherr von Falke? Seien Sie mir willkommen, Freiherr. Wo ist Ihre Enkelin?"
„Die wird nachgeliefert, Gräfin," dröhnte Grottkau sind tat damit unbewußt einen richtigen Ausspruch. „Jetzt 'rin in die jute Stube. Ein alter Mann kriegt hier draußen den Reihmichtüchtig. Ihren Arm, liebste Gräfin."
Der Lichterbaum strahlte.
Die Geschenke waren verteilt worden.
Der Freiherr hatte der Gräfin bereits am Vormittag ein köstliches Blumenarrangement geschickt. Fritzi ertrank fast in der Fülle der Gaben. Hesterberg streichelte seine Bücher, Justizrat Klein hatte eine ferner Weihnachtszigarren angesteckt. Es war ein buntes, fröhliches Durcheinander, Vergleichen und Bestaunen.
Senta Bratt hatte ihr Vergnügen an dem Prinzen
und Anne.
Die beiden hatten sich von den anderen etwas ab- esondert. Jetzt führte der Prinz das Mädchen hinter en Tannenbaum. In seiner Linken hielt er die gestickte Buchhülle, die er sich von Anne gewünscht hatte. Seine Rechte umschloß ein kleines Päckchen.
Die Gräfin Altenklingen trat verstohlen zu der Malerin.
„Liebe Senta," flüsterte sie, „ich bin einigermaßen verblüfft. Ich hatte die Enkelin des Freiherrn ein- gelaöen, die junge Dame ist aber bis fetzt nicht erschienen. Seltsamerweise weicht Herr von Falke jeder Erklärung aus."
„Die Enkelin ist bereits hier, Gräfin."
„Machen Sie doch keine schlechten Scherze, Senta!"
In diesem Augenblick ertönte hinter dem Tannenbaum ein leiser Schrei.
Senta Bratt sprang auf, ließ die Gräfin stehen und lief hinter die Tanne.
Da stand Anne und hielt den Handschuh in der Rechten, den sie auf Sem Elmshorner Ball verloren hatte.
„Durchlaucht," stammelte das Mädchen, „Sie wissen — Sie haben —"
Die Malerin machte dem Prinzen ein Zeichen. Schweigen, hieß das.
„Ja, Anne," sagte sie rasch. „Sie stnd seit langem erkannt. Sie haben eben den Scharfblick des Prinzen unterschätzt, trotz der Mühe, die Sie sich mit dem Verstecken gaben. Und da Seeleute schüchtern sind, wie ich mal irgendwo gehört habe, so riet ich ihm, Ihnen den verlorenen Handschuh zu Weihnachten zu überreichen, damit endlich einmal em bißchen Tempo in den Gang der Handlung kommt."
Worauf Senta Bratt an den Flügel trat und „Stille Nacht, heilige Nacht" intonierte.
„Alle Herkommen und mitsingen!" befahl sie.
Aber das wurde von dem Paar hinter dem Lammt» bäum überhört. ...
„Anne," sagte Meersburg, „ich liebe Sie. Ich kann Sie nicht mehr aus meinem Leben fortdenken. Sie sind mein zweites Ich. Wollen Sie meine Frau werden?"
Das Mädchen hob die Augen, die von Tränen feucht waren, und mit einem Jubelruf schloß der Prinz sein Aschenbrödel in die Arme.
Senta Bratt hatte das Lied beendet, aber sie war nicht gesonnen, ein zweites zu spielen. Das Paar hinter dem Tannenbaum mußte nun einig sein, oder Meersburg war der unbegabteste Liebhaber, Len es je gegeben hatte.
Da traten die beiden auch schon hinter dem Weihnachtsbaum hervor.
„Ich habe die Ehre, den Anwesenden meine Verlobung mit Fräulein Anna Weber mitzuteilen," sagte Meersburg mit leuchtenden Augen.
Fritzi stieß einen Quiekser aus. Hans von Grottkau umarmte den Freund, Grottkau senior schlug dem Prinzen auf die Schulter, und die Gräfin murmelte:
„Da haben wir's! Sie hat nichts und er nicht viel. Na, das Geld für die Ausstattung werde ich zusammenkratzen und für die erste Zeit einen kleinen Zuschuß geben können. Wenn sie nur glücklich werden."
Dann ging sie auf ihren Neffen zu, um ihn zu umarmen. Aber Freiherr von Falke trat ihr in den Weg und reichte dem Prinzen die Hand.
„Durchlaucht," sagte er ernst, „wenn meine Enkelin Sie liebt, so bin ich mit der Verlobung einverstanden. Geben Sie mir die Hand und versprechen Sie mir, Anne von Falke glücklich zu machen."
Es wurde so still, daß man den Fall der Tannennadeln hören konnte.
„Gräfin, ich bin Ihnen und Ihren Freunden eine Erklärung schuldig," fuhr der Freiherr fort. „Sie haben mich und meine Enkelin zur Weihnachtsfeier eingeladen. Anne ist meine Enkelin. Und wenn Sie eine halbe Stunde Geduld haben wollen, wird der Justizrat Ihnen alles erklären."
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