»7 Jahr,»»»
Altensteig, Montag» den 7. Mai 1934
Nummer 1V4
Unsre Mütter
Zum Beginn der Reichsmerbemoche für den Muttertag am 7. Mai!
Wenn wir sie so betrachten in diesen Tagen, unsere Mütter, dann scheint es uns, als ob sie es am schwersten gehabt haben von den Müttern aller Generationen. Wir forschen in den zerfurchten Gesichtern, wir kennen jede einzelne Falte auf der Stirn oder um den Mund herum, wir erinnern uns an die Glätte und strahlende Harmonie des mütterlichen Gesichts vor — ja, vor wieviel Jahren denn nun eigentlich? War es nicht gestern erst, daß uns die Mutter an der Hand nahm und mit uns vor die Stadt hinaus spazieren ging, war es nicht gestern erst, daß wir begeistert aufschauten an dem schlichten Feiertagskleid und daß die Mutter für uns die schönste Frau der Welt gewesen ist?
Und heute ist sie alt, heute geht sie schon nicht mehr ganz so gerade, heute sind ihre Schritte schon langsamer und schwerer geworden, und ihre Hände, die immer noch unermüdlich für uns schaffen und sorgen, sind zerarbeitet. Die Last des Lebens liegt auf den Schultern unserer Mütter, und man sieht es diesen Schultern an. Immer noch aber ist uns die Mutter die schönste, die liebste Frau der Welt, — sie, die uns geboren hat, sie, die uns mit tausend Hoffnungen aufzog, sie, die ihren Sinn in unserem Leben entdeckte, sie, die uns dient mit ihrer unermüdlichen, ihrer ewigen Sorge, sie, der wir nie vergelten können, was sie uns tat.
Es gibt Tage, an denen wir an unseren Müttern vorübergehen, ohne sie zu sehen, ohne zu spüren, daß sie da sind, — und es gibt andere, an denen wir plötzlich stehen bleiben, seltsam berührt von allen Opfern und Entbehrungen, die sie unseres Daseins, unseres Eückes wegen auf sich nebmen. Dann fühlen wir, wie klein wir sind neben der heroisch stillen Frau, die uns auch ihr Leben noch schenkte, damit unseres umso erfüllter, umso reicher, umso ausgeglichener und voller werde.
Unsere Mütter. Haben sie nicht wirklich mehr getragen an Leid und Kampf, als ein gewöhnlicher Mensch auszuhalten vermag? Mütter sind Heilige. Sie ertragen es, daß man ihre Söhne ans Kreuz schlägt und leben doch weiter in ewigem Gedenken, im ewigen Glauben.
Unsere Mütter, die den Krieg durchlitten haben, unsere Mütter, deren Söhne auf den Schlachtfeldern blieben, unsere Mütter, die daheim hungerten und warteten, unsere Mütter, deren Leben arm an Freude, überreich an Sorgen war, sind jung geblieben, wenn sie auch an Jahren alte geworden find. Sie, denen der Schmerz Kraft gab, das Leid den Glauben vermittelte, sie sind still und tapfer ihren Weg gegangen in all den Jahren, in denen wir, innerlich zerrissen, von äußerer Not gepeinigt, nicht wußten, wohin und wozu. Unsere Mütter. Sie waren Vorbild, wenn sie auch im Schatten blieben, wir spürten ihre Hand, wenn sie sie uns auch nicht spürbar auf die Schulter legte, und wenn wir irgendetwas tun wollten, von dem wir wußten, daß die Mutter traurig darüber würde, dann stockten wir und hielten ein, dann überlegten wir es uns noch einmal, und wenn wir es doch taten, blieb uns ein böses Gewissen davon zurück, von dem die Mutter uns erst erlösen mußte.
Unsere Mütter. Wir haben ihnen kein anderes Denkmal als das in unserem Herzen errichtete gesetzt. Sie brauchen und sie wollen es nicht. Dank? Die wirkliche Mutter lächelt darüber. Erhaben und ein wenig nachsichtig gegen solche Zumutung. Das Leben ihres Kindes ist die Erfüllung im
Leven der Mutter. Muttertag? Die wirkliche Mutter ist nicht gerne Mittelpunkt, fällt nicht gern auf, sie freut sich wohl über die Blumen, die man ihr bringt, über kleine Aufmerksamkeiten, die man ihr erweist, und wenn sie an einem Sonntag einmal alle ihre Kinder um sich hat, dann sagt sie, daß es ein reicher und ein guter Tag für sie war, — die entscheidenden Dinge des Lebens aber, jene Dinge, die einer Mutter große Schmerzen oder großes Glück bereiten, lasten die sich so gestalten, daß die Mutter vom Leid verschont bleibt?
Muttertag. Ein Tag der Einkehr für uns. Ein Tag der Besinnung, ein leiser, froher Tag voller Behutsamkeiten. Ein Tag der Familie und ein Tag des Dankes an jene Mütter, deren Söhne auf dem Schlachtfeld blieben.
Unsere Mütter sind die ersten, die den anderen Müttern zur Seite stehen, unsere Mütter, die es schwerer hatten als die Mütter jeder anderen Generation. M. E.
Ein Eamansrus der RMöcegiermig
Berlin, 3. Mai. Die Reichsreaternn« erläßt folgende» Aufruf:
Der Zeitpunkt, au de« die Saarbevölkerung nach den Bestimmungen des Versailler Vertrages im Wese der Volksabstimmung über ihr künftiges Schicksal entscheiden soll, rückt Hera». Der genaue Zeitpunkt steht noch nicht fest; fällig ist die Bolks- abstimm«ng vom IN. Januar 1L3S ab
Abstimmungsberechtigt ist ohu« Unterschied des Geschlechts. «»er am Tage der Unterzeichnung des Versailler Vertrages, d. b. am 28. Juni ISIS, im Saargebiet gewohnt hat und am Abstimmunssta« wenigstens 20 Jahre alt ist.
An alle im Reich, anherhalb des Saargebiets wohnhafte^ Personen, die am 28. Juni ISIS im Saargebiet gewohnt haben und vor dem 11. Januar ISIS geboren find, ergeht die Aufforderung. sich in der Zeit von Donnerstag, de» 3. Mai» bis Sonnabend, den 12. Mai, bei ihrer Gemeindebehörde (Einwohnermeldeamt), in den Städten auf de« Polizeirevieren ihres jetzigen Wohnsitzes zu melden. Das gilt auch für Personen. die sich schon früher als Saarabstimmuugsberechtiote gemeldet habe«. Personalausweise und» soweit möglich, Rachweise über de« Wohnsitz am 28. Jnni ISIS (An- und Abmeldebeschei- »isnngen. Beschäftig»ngszenguifse «sw.) sind mitznbringeu. Wo und N» welche« Tageszeiten die Meldungen entgegeugenomme« werden, wird dnrch jede Gemeinde rechtzeitig besonders bekannt- gegeben.
Ae ReWsteuereiaimhmeil im Mrz M4
Berlin, 5. Mai. Die Einnahmen des Deutschen Reiches an Steuern, Zöllen und Abgaben beliefen sich im März 1934 auf insgesamt S78.8 Millionen RM. gegen 568,3 Millionen RM. im März des Vorjahres. Hiervon entfielen auf Besitz- und Verkehrssteuern 377,1 (377,5) und auf Zölle und Verbrauchssteuern 201,7 (190,8) Millionen RM. Für das Rechnungsjahr vom 1. April 1933 bis 31. März 1934 stellte sich die Gesamtsumme auf 6844,4 (Vorjahr 6647,0) Millionen RM-: auf Besitz- und Verkehrssteuern entfielen hiervon 4062,5 (4022,8) und auf Zölle und Verbrauchssteuern 2781,9 (2624,2) Millionen RM. Bei den Besitz- und Verkehrssteuern ergibt sich für März ein Weniaer von 0.4 und für das Rechnungsjahr 1933/34 ein Mehr
von 39,7 Millionen RM. Von vem Rückgang der Einkommenssteuer im Rechnungsjahr 1933/34 um 39,4 Millionen RM. entfallen 22.9 Millionen RM auf die veranlagte Einkommenssteuer und 18.4 Millionen RM. auf die Lohnsteuer. Die Besserung der Einkommensverhältnisse im Jahre 1933 kann sich erst in den Rechnungsjahren 1934 und 1935 auswirken. Aus dem Rückgang des Lohnsteueraufkommens ist nicht zu schließen, daß das Lohneinkommen niedriger geworden ist. Das Lohnsteuerauskommeu hat sich gegenüber dem Vorjahr von Monat zu Monat gebessert. Die gesamte Einkommenssteuer war für 1933 mit 1290 Millionen RM. veranschlagt, das Aufkommen im Rechnungsjahr beträgt jedoch 1293,2 Millionen RM. und für den Monat März 1934 173,7 (162,7) Millionen RM. An Vermögenssteuer sind im März 1934 13,02 (11,2) und im Rechnungsjahr 1933 307.3 .(330,3) Millionen RM. aufgekommen.
Bei den Zöllen und Verbrauchssteuern ist die Entwicklung nicht so günstig wie bei den Besitz- und Verkehrssteuern, obwohl die Einnahmen des Rechnungsjahres gegenüber dem Vorjahr ein Mehr von 157,7 Millionen RM. ergeben haben. Für Zölle und Verbrauchssteuern ergibt sich als Gesamtheit ein Aufkommen von 210,6 (190.8) bezw. 2781,9 (2624,2) Millionen RM. Zn Wirklichkeit ist bei den Zöllen und Verbrauchssteuern gegenüber dem Vorjahr nicht eine Verbesterung um 157,7 Millionen RM, sondern eine Verschlechterung um rund 40 Millionen RM. vorhanden.
Für das Rechnungsjahr 1933 ergibt sich bei den Besitz- »nd Verkehrssteuern eine tatsächliche Verbesserung um 182,8 Millionen RM. Die Bilanz für das Rechnungsjahr 1933 zeigt in ihrer Gesamtheit eine Verbesserung gegenüber dem Vorjahr um 142ch Millionen RM.
Folgen der Aoikenhett ln Rnmänlea
Notmaßnahmen der Regierung
Bukarest, 5. Mai. Infolge der ungewöhnlichen Trockenheit ordnete das Landwirtschaftsministerium eine Bestandsaufnahme der in den Mühlen uno bei den Kaufleuten und Landwirten lagernden Eetreidevorräte an. Die Präfekten wurden angewiesen, die Bestände zu rationalisieren und die Bevölkerung zur größten Sparsamkeit im Verbrauch anzuweisen. Gleichzeitig wurde ein Verbot erlassen, Futterstroh wie bisher als Brennmaterial zu verwenden. Die staatlichen Wälder sollen als Weideplätze Mr Verfügung gestellt werden, um die eigentlichen Viehweiden zu schonen, von denen nur das Allernotwendigste für die Fütterung verwendet werden darf. Weitere Anweisungen regeln die neue Aussaat anstelle der durch die Hitze vernichteten. In erster Linie sollen Mais, Wicken und Hirse verwendet werden. Die Nachricht, daß die Regierung beabsichtige, die Getreideausfuhr überhaupt zu verbieten, hat sich noch nicht bestätigt, möglicherweise ist aber mit einem Teilverbot zu rechnen.
Bukarest, 5. Mai. Die Waldbrände in Rumänien nehmen immer größeren Umfang an, zum Teil sind sie von den Bauern selbst angelegt worden, die dadurch Weidegelegenheit für das Vieh schaffen wollen, das unter der Trockenheit schwer zu leiden hat. Im Bezirk Kronstadt stehen wieder vier Wälder in Flammen. 50 Bauern wurden verhaftet. Sie sind geständig, Brände angelegt zu haben. Bei Targul Zui steht der Wald in einer Ausdehnung von 10 Quadratkilometer in Flammen. Sieben Waldbrände, die zumeist auf Selbstentzündung oder Unvorsichtigkeit der Hirten zurückzuführen sind, wüten im Bezirk Campu- lang. Die Löscharbeiten gestalten sich infolge der Unzugänglichkeit der Gebirgswälder sehr schwierig. Ueberall wurden stark« Militärkräfte eingesetzt.
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l (50. Fortsetzung.)
Schließlich hatte der Freiherr Lust zu dem Besuch bekommen.
Nun befand er sich im Atelier der Malerin.
„Ihr Name ist mir nicht unbekannt, mein Fräulein," sagte er verbindlich. „Ich besitze sogar ein kleines Bild von Ihnen, das ich vor mehr als zehn Jahren gekauft habe. Es heißt „Frühling" und ist eine Skizze in Wasserfarben."
„Ach, Sie haben es!" entgegnete Fräulein Bratt verblüfft. „Ich erinnere mich an die Arbeit. Sie stammt aus meiner Anfängerzeit, ich habe sie damals an einen Kunsthändler verkauft."
„Sie sehen, mir sind alte Bekannte," lächelte Falke.
„Dann ist mir Ihr Urteil über mein erstes Porträt besonders wichtig. Der Justizrat hat Sie mir als Kenner geschildert, aber ich möchte in der Hauptsache wissen, ob mein Porträt ähnlich ist."
„Ob es ähnlich ist?"
Remus von Falke stellte die Frage erstaunt, aber schon drückte ihn Klein in einen Sessel, den er ins rechte Licht gerückt hatte. Senta Bratt ging mit raschen Schritten zu einem Vorhang, den sie mit einem Ruck -urückzog.
Auf der Staffelei stand ein lebensgroßes Porträt. Eine blonde, junge Dame in einem fließenden Silber- gewande lehnte in einem Sessel. Wundervoll war das junge Gesicht in seiner ernsten Schönheit.
Freiherr von Falke neigte sich vor. Dann packte er die Hand des Justizrates und stieß einen Schrei aus.
„Klein, wer ist das Mädchen?" stöhnte er. „Es ist
Egons Gesicht-"
. Remus von Falke fiel in feinen Stuhl zurück.
„Rasch," rief der Justizrat. „Haben Sie etwas Belebendes zur Hand, Fräulein Bratt? Es war doch zu viel für ihn!"
Senta Bratt griff nach einem Riechfläschchen und reichte es dem Notar, aber der Freiherr hatte sich schon erholt. Mit ungewöhnlicher Energie sprang er auf und trat vor das Bild. Auf seinen Wangen brannten rote Flecke.»
„Wer ist die Dame?" wandte er sich an die Malerin.
»Ihre Enkelin, Freiherr!"
Remus von Falke strich sich über die Stirn.
„Meine Enkelin? Was soll das heißen?"
„Daß Sie das Opfer einer Schwindlerin geworden sind, Freiherr," sagte Senta Bratt. „Frau Staniecki hat Sie schamlos betrogen. Das Mädchen, das sie Ihnen als Enkelin schickte, ist in Wahrheit ihre Tochter aus zweiter Ehe und heißt Vera Staniecki. Ihre richtige Enkelin lebt bei mir. Und jetzt werde ich Ihnen die wahre Anne von Falke holen."
Damit war Senta Bratt zur Tür hinaus.
„Klein," sagte der Freiherr, „dies ist Egons Gesicht. Mein Gott, wache ich oder träume ich?"
„Es ist kein Traum, Herr von Falke," sagte der Notar. „Ich bin auf einen raffinierten Schwindel hereingefallen. Durch Fräulein Bratt und einen Zufall ist der ganze Betrug ans Licht gekommen."
„Seit wann wissen Sie die Wahrheit?"
„Erst seit wenigen Tagen."
„Sie müssen mir alles erzählen!"
„Ja, Fräulein Bratt und ich werben Ihnen die Sache erklären. Auch Fräulein von Falke muß alles hören. Sie weiß noch nichts — da ist sie ja."
Senta Bratt schob eben die verblüffte Anne ins Atelier.
„Anne," sagte sie, „begrüßen Sie Ihren Großvater, den Freiherrn von Falke."
„Egons Kind," murmelte Falke, „so sah mein Junge aus, als er von mir ging."
Anne fühlte sich von zwei Armen umfangen. Sie stammelte eine Frage, die die Malerin kurz abschnitt.
„Uff," sagte sie. „Ich muh jetzt eine starke Tasse Kaffee haben. Herr von Falke, ich glaube auch Ihnen wird etwas Stärkendes guttun. Das war eine dramatische Viertelstunde. Beim Kaffee können wir uns aussprechen. Ich habe einen ganzen Roman zu erzählen, der Justizrat kann mich dabei ablösen."
* *
Während die Kaffeemaschine summte, begann Senta Bratt ihren Bericht, den der Justizrat vervollständigte. Anne hörte voll Staunen zu. Der Großvater hatte sie also gesucht, und Vera hatte ihre Stellung eingenommen, ausgestattet mit ihren Papieren.
Es wurde ihr schwer, den ganzen Betrug zu begreifen.
Freiherr von Falke wandte kaum den Blick von seiner Enkelin. Die Aehnlichkeit mit seinem Sohne legitimierte sie. Schließlich nestelte Anne auch das alte Medaillon los, das sie unter ihrem Kleide trug, und das Senta Bratt bereits in Elmshorn bewundert hatte.
Remus von Falke erkannte es sofort.
„Das Empiremedaillon," sagte er. „Es ist ein Erbstück. Egon liebte es sehr."
„Der Vater hat es Ursel gegeben, die es für mich aufbewahrte und mir an meinem Konfirmationstage heimlich gab," erklärte Anne.
„Was gedenken Sie mit Vera und ihrer Mutter zu tun, Herr von Falke," fragte die praktische Malerin. „Natürlich muß Frau Eschenta! gezwungen werden, ihren Schwindel einzugestehen, damit keine Zweifel an Annes Identität übrigbleiben/'
Der Freiherr wandte sich an den Notar.
„Lieber Justizrat, ich möchte jeden Skandal vermeiden. Von einer strafrechtlichen Verfolgung des Betruges will ich absehen. Vera muß aus dem Hotel verschwunden fern, wenn ich zurückkehre. Sie erledigen wohl alles. Für den geldlichen Teil der Angelegenheit lasse ich Ihnen freie Hand. Frau Staniecki mutz ein schriftliches Geständnis ablegen. Halt — da fällt mir noch etwas einl"
Mortjetzung folgt.).