Nummer 6

Altensteig, Dienstag, den g. Januar 1934

5 7. Jahrgang

SenosstnschaWche Estrverwrrllmg

Von Geschäftsführer PH. Martert, Stuttgart.

Der Eenossenschaftsgedanke dürfte sich wohl kaum bei ir­gend einem Stand so allgemein durchgesetzt haben wie beim Bauernstand. Und doch gilt es gerade hier noch sich für eine Art der genossenschaftlichen Betätigung einzusetzen, die bei aller Erkenntnis der Nichtigkeit des Eenossenschaftsgedan- kens bisher noch nicht bei allen Angehörigen des Bauern­standes so durchdringen konnte, wie dies im Interesse aller gelegen ist. Die Zweckmäßigkeit gemeinsamen Einkaufs aller , für den Landwirtschaftsbetrieb erforderlichen Bedarfsge- - genstände wird wohl von keinem Angehörigen des Bau- ? ernstandes bestritten, dagegen war es in der rückliegenden Zeit schwer gewesen, alle Bauern auch von der Richtigkeit des gemeinsamen Absatzes ihrer Erzeugnisse zu überzeugen. , Hier glaubten die meisten durch selbständige Betätigung als i Verkäufer besondere Vorteile für sich herausholen zu kön­nen. Abgesehen davon, daß diese Möglichkeit nur wenigen gelang, haben alle, die auf eigene Faust verkauften, überse­hen, daß sie durch diese Tätigkeit der Mehrheit ihrer Stan­desgenossen und damit auch sich selbst, auf die Dauer gese­hen, Schaden zufügten.

Diese völlig auf Eigennutz eingestellte Absatzbetätigung fand den Weg zu den genossenschaftlichen Absatzeinrichtun­gen meistens nur dann, wenn die Marktlage für den Ab­satz einzelner Erzeugnisse schlecht war, oder das Erzeugnis selbst wegen seiner geringwertigeren Beschaffenheit beim Handel keine Aufnahme finden konnte.

Eine besondere Art von Absatzgenossenschaften bilden die Eierverwertungsgenossenschaften. Sie konnten sich nur in ^ einzelnen Gegenden Deutschlands, welche für die Hühner- ! Haltung in größerem Ausmaße geeignet sind, richtig durch- > setzen. Besonders trifft dies in Nordwest- und Westdeutsch- j land zu, wo die Erzeugnisse im Erzeugergebiet selbst wegen j der Höhe der Erzeugung nur zum kleinen Teile abgesetzt i werden konnten und deshalb nach den Bedarfsgebieten ab­geführt werden mußten.

Die Notlage der Geflügelhalter hat seit einigen Jahren j dazu geführt, dem Gedanken der genossenschaftlichen Eier- ! Verwertung in stärkerem Maße auch bei uns in Württem- ? berg zum Durchbruch zu verhelfen. Die in dieser Richtung ! mit Unterstützung der verschiedenen landwirtschaftlichen Or- s ganisationen unternommenen Schritte blieben nicht ohne s Erfolg, wenn auch die Aufrichtung der Organisation viel- j fach deshalb auf Schwierigkeiten gestoßen ist, weil die ge- l nossenschaftliche Eierverwertung den Ablieferungszwang j seitens der Genossen zur Voraussetzung hat. j

Die zum Zwecke der genossenschaftlichen Eierverwertung > in Württemberg und Hohenzollern im Jahre 1929 ins Le- ? ben gerufene Württ. Eierabsatzzentrale GmbH., Stuttgart ! hat sich trotz aller entgegenstehenden Schwierigkeiten im ! Laufe der Zeit durchzusetzen vermocht. Die über 5000 Mit- ^ glieder der der Zentrale angeschlossenen, in den einzelnen > Landesstellen tätigen Genossenschaften bilden heute die Grundlage für den weiteren Ausbau der Organisation auf ! Grund des letzt unterm 20. Dezember 1933 von der Reichs- ! regierung erlassenen Gesetzes über den Verkehr mit Eiern sowie der dazugehörigen Durchführungsverordnung. »

Das neue Gesetz erstrebt eine Bereinigung der gesamten i Verhältnisse auf dem deutschen Eiermarkt. Es will die heute . noch notwendige Eiereinfuhr in geregelte Bahnen lenken und planmäßig dafür sorgen, daß in allen Teilen des Rei- » ches ein Ausgleich zwischen Üeberschuß und Bedarf erfolgt. > Die künftige Eierwirtschast soll durib eine gewisse Stabili-

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Oberbürgermeister Arehler, München wurde vom Reichslnnenminister zum Vorsitzenden des Deutschem Cemeindctages bestellt.

tät der Preise sowohl dem Geflügelhalter die Erhaltung die­ses Betriebszweiges ermöglichen und andererseits auch je­dem Verbraucher gestatten, sich besonders diesem schmack­haften und kräftigenden Nahrungsmittel zuzuwenden.

Die Auswirkungen des Gesetzes machen es erforderlich, daß überall dort, wo Ablieferungsstellen für Hühnereier bisher noch nicht vorhanden gewesen sind, solche alsbald im Einverständnis mit der Württ. Eierabsatzzentrale und den zuständigen Bezirksorganisationen errichtet werden. Es darf daher erwartet werden, daß die jetzt von der Württ. Eier­absatzzentrale in d?r nächsten Zeit durchzuführenden Orga­nisationsmaßnahmen bei unseren Geflügelhaltern das not­wendige Verständnis finden und die der genossenschaftlichen Eierverwertung noch fernstehenden Erzeuger sich alsbald den Eierverwertungsgenossenschaften anschließen. j

Die landwirtschaftliche Geflügelhaltung hat in der rück- j liegenden Zeit nicht allenthalben und bei allen Beteiligten ! die erforderliche Beachtung gefunden, obwohl in ihr Werte ! stecken, die für unseren Bauernstand von ebenso großer Be- j deutung sind wie die übrigen Erzeugnisse des Bodens und der Viehhaltung. Wenn die Reichsregierung gerade diesem Betriebszweig durch den Erlaß der neuen Gesetze besonders ! Rechnung trägt, jo ist es andererseits Pflicht jedes Geflü­gelhalters und jedes Angehörigen unseres Bauernstandes, dem Willen der Führer durch rückhaltlosen Anschluß und Einordnung zum Durchbruch zu verhelfen. Wer sich bei die­sen Bestrebungen abseits stellt oder sich gleichgültig verhält, i beweist, daß er die Maßnahmen der Reichsregierung zur j Gesundung des Bauernstandes nicht begreift und somit auch ^ keinen Anspruch darauf hat. in seiner Sonderstellung beson­ders berücksichtigt zu werden. s

Durchführung trs Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses

Berlin, 8. Jan. Das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nach­wuchses ist bekanntlich um 1. Januar in Kraft getreten. Ein Kommentar zu diesem Gesetz, an dem der zuständige Referent im Reichsministerium des Innern, Ministerialrat Dr. Eütt, sowie Professor Rüdin-München und juristische Sachverständige mit­gearbeitet haben wird in den nächsten Tagen erscheinen.

In einer Pressebesprechung im Reichsministerium für Volks­aufklärung und Propaganda sprach am Montag mittag Mini­sterialrat Dr. Eütt über di« Durchführung des Gesetzes, ins­besondere über das Gerichtsverfahren. Die Rechtsprechung soll aufgebaut sein auf biologischem Denken, wobei es unmöglich stt, alles in juristische Formeln zu fassen Das neue Recht soll nicht formalistisch oder losgelöst vom Menschen sein, sondern es soll der Erbaltung des Lebens und der Erhaltung unserer Art und Rasse dienen. Bei der Beurteilung des Einzelfalles werden Rich­ter und Aerzte verantwortungsbewußt immer von zwei Voraus­setzungen ausgehen: Die Sterilisierung ist nur zulässig, wenn die Krankheit ärztlich einwandfrei festgestellt ist und wenn zweitens das Erbgesundheitsgericht nach freiwilliger Beweiswürdigung zu dem Ergebnis kommt, daß die Nachkommen mit großer Wahr­scheinlichkeit erbkrank sein werden.

Dabei ist die ethische Grundlage einer solchen Entscheidung eindeutig und klar: es soll in der Zukunft erbkranker Nachwuchs nicht mehr entstehen, die Familie vor unendlichem Leid, die Allgemeinheit aber vor neuer Belastung bewahrt werden. So­fern dieses Ziel auf andere Weise erreichbar ist. hält der Gesetz­geber die Anwendung des Eingriffes nicht für unbedingt not­wendig. Es sollen üarmn Personen, die sowieso als dauernd an- staltsbedürftig verwahrt werden, nicht sterilisiert werden, wie es auch unbedenklich erscheint, von Eingriffen abzusehen, wenn Erb­kranke sich freiwillig in einer Anstalt verwahren lasten. Wenn Gefahr für das Leben besteht, kann der Eingriff unterbleiben.

Grundsätzlich finden auf das Verfahren vor dem Erbgefund- heitsgericht die Vorschriften der freiwilligen Gerichtsbarkeit An­wendung. Es sind eine ganze Reihe von Bestimmungen ge­schaffen worden, um jeden Mißgriff auszuschließen. Besonders hervorzuheben ist, daß das Eesamturteil immer nur noch sach­lichen. medizinischen Grundsätzen und nach den Erfahrungen der ärztlichen Wissenschaft zu fällen ist Die Amtsärzte und Gerichte werden die Fälle nach ihrer Dringlichkeit zu behandeln haben. So wäre z B. nicht sinngemäß, jetzt schon sofort Anstaltsinsasten zu sterilisieren, die vielleicht erst nach einem Jahr aus der An­stalt entlasten werden oder mit Schulkindern zu beginnen, bei denen die Gefahr der Erzeugung erbkranker Nachkommen drin­gend zu befürchten ist.

Dr Gütt erklärte zum Schluß, daß die Zukunft unseres Volkes nicht zu sichern sei, wenn es nicht gelinge, die erbgesunden Fa­milien zu fördern und die für die Erhaltung unseres Bestandes notwendige Zahl gesunder Kinder zu gewährleisten.

Ar brutschen Wellen nach dem 1Z. Januar

Der Luzerner Plan tritt in Kraft

Ai.i 15. Januar treten Teil 2 und 3 des Luzerner Wel­lenplanes in Kraft, während der erste Teil noch einigen Veränderungen unterworfen werden dürfte. Voraussichtlich wird der in diesem Teil befindliche Deutschlandsender ent-

Sriliger Frühling"

Ei« Noman junger Deutscher iw Kriege v«n Walter Bloem.

33. Fortsetzung

Datei wissen alle drei, ohne daß jemals ein Wo:t darü­ber -gesprochen wurde, daß es sich durchaus nicht um ein Ver­löbnis handelt. Es ist etwas ganz anderes, etwas niemals zuvor Erlebtes, ein eigentümliches seelisches Gebilde. w:e es eben nur die endlose Prüfung dieses furchtbaren Kr.eges h->rvortrieb als zarte Blüte der Herzen und Schicksale, eine Rose am Rand eines nachtscbwarz klaffenden Abgrunds.

Der siebente Mai ist angebrochen. Mai? Hier oben auf dem Douaumont und in seiner Umgebung ahnt man kaum etwas davon. Es empfiehlt sich nicht, die Aussicht vom Fort, so eigenartig sie ist,in Ruhe" zu genießen. Zn endloser Linie hängen drüben die französischen Fesselballons in der Luft. Da droben verfolgen die Beobachter aufs schärfste jede Regung in dem ihnen angewiesenen Ab­schnitt. Selbst ein einzelner Mensch, der sich auf deutscher Seite bemerkbar macht, ist der feindlichen Artillerie den Einsatz etlicher Lagen Schrapnelle oder gar Feldgranaten wert ...

Der Leutnant Schmitz unterfängt sich trotzdem, einen flüchtigen Umblick zu halten.

Der Vater hat morgens beim Feldküchenkaffee Bericht über die Lage befohlen. Ganz, ganz weit im Umkreis er­kennt das Auge noch Höhenzllge, dieim zarten Frühlings­grün prangen" aber der zwanzig Kilometer breite Gür­tel der Kampfzone von der deutschen Ausgangsstellung bis weit über die schwer zerschossene Stadt Verdun hinaus ist eine schauerliche Wüstenei, die von keiner Jahreszeit mehr weiß . . . Die Oberhaut der Erde ist aufgerisfen. Das rohe Fleisch ist freigelegt, in jeder Minute krallen sich stählerne Klauen hinein, reißen neue klaffende Wunden.

Die Gefechtstätigkeit ist beiderseits schon rege. Wahr­scheinlich haben die feindlichen Beobachter droben in den Gondeln bereits erkannt, daß wir Truppen zum Vorstoß bereitstellen.

Um 11 Uhr 25 soll laut Divisionsbefehl angegriffen werden. Schon rücken rings um das Fort die Verstärkungen durch die Annäherungsgräben in die vorderste Linie. Das deutsche Vorbereitungsfeuer steigert sich von Viertelstunde zu Viertelstunde. Aber auch die französischen Kanoniere sind schon bei der Arbeit. Von hüben und drüben werden unzählige Zentner Eisen in den Luftraum geschleudert. Die Scheitelpunkte ihrer Flugbahnen kreuzen sich hoch im Aether. Dann stürzen sie steileren Falles nieder, zermalmen ber­stend, was ihnen in den Weg kommt.

Leutnant Schmitz hat genug gesehen. Das befohlene Morden wird sich vorschriftsmäßig abwickeln.

Ein paar Minuten später steht er tief unten im Stabs­quartier, meldet in dienstlicher Haltung seine Beobachtun­gen. Es wäre kaum nötig. Das Großkampftag ist, hier unten im Bauch des Felsgrundes gibt es sich deutlich genug zu erkennen. Alle paar Minuten ein schwerer Einschlag. Es gibt einen Bums, als stürze der Mond auf die Erde. Das massive Mauerwerk scheint unter dem Anprall zu schwanken. Aus den Ritzen rieselt feiner Staub und bleibt als trüber Schleier in der Luft hängen. Bisweilen löst sich gar ein Stein aus dem Teckengewölbe, kracht dröhnend zu Boden. Wenn einer der ganz schweren Einschläge kommt, verlischt sekundenlang das Licht.

Der Bataillonsstab 1/12, Hauptmann Schmitz, sein Sohn und Adjutant, der Ordonnanzoffizier Leutnant Maaß, die acht Eefechtsordonnanzen, dis drei Burschen, die zwei Tele­phonisten sitzen in dem engen, dunstigen Quartier beisam­men. Zeder versucht sich zu beschäftigen und abzulenken, so gut es gehen will. Der eine liest, der andere schreibt Briefe, eine Gruppe spielt Skat. Die Luft legt sich auf die Lungen, als atmeten sie ein erstickendes Gift.

Die zwei Leutnants haben von Zeit zu Zeit das Bedürf­nis, aufzuspringen und einen Rundgang durch das dröh­nende, zementstaubdurchwölkte Labyrinth zu tun. Ueberall dasselbe Bild: die Kompagnien stecken in ihren Unter­kunftsräumen, liegen auf den-Strohsäcken, hocken auf Sche­meln und Tischen in Gruppen zusammengedrängt, halblaut plaudernd und schimpfend. Schließlich freut sich jeder, daß er augenblicklich nicht draußen zu sein braucht, es ist da oben bestimmt nicht zum Totlachen. Besser schon der Muff und der Stumpfsinn hier drunten. Nur nicht drängeln, jeder kommt dran.

Schlimm sieht's in den Lazaretträumen aus. Der Ba­taillonsarzt und sein Kollege vom Füsilierbataillon des Leibregiments stehen mit aufgekrempelten Aermeln, die Schürzen, die Arme bis zum Ellenbogen blutbekrustet, und verbinden. Oft mutz auch die Schere, die Knochensäge ihren traurigen Dienst tun.

Obwohl das Fort dauernd unter schwerstem Feuer liegt, übt es auf die Verwundeten weithin eine magische An­ziehungskraft aus.

Was über die Erde emporragt, ist nur noch ein kaum gegliederter Schutthaufen. Aber die Kasematten der Tiefe verheißen Schutz gegen den rasenden Eisenorkan. Einen vorläufigen, trügerischen. Nacht für Nacht müssen die Aerzte erbarmungslos alle Verbundenen abstoßen, auch die schwersten Fälle, um Raum zu schaffen. Schon sind alle Flure, alle Treppen mit Verwundeten verstopft . . .

Bisweilen hallt durch dis Gänge von oben her der Ruf: Eingang verschüttet! Pioniere vor! Dann quetschen sich dieSchwarzen" mit Schaufel und Beilpicke durch die stumpfsinnig dasitzenden und herumliegenden Kameraden von der Infanterie und schaffen wieder Luft bis ein neuer Einsturz sis wieder abschneidet.

Alle Stunden schickt der Hauptmann abwechselnd den Adjutanten und den Ordonnanzoffizier nach droben, da­mit er ihm über den Fortgang des Angriffs, soweit man ihn vom Fort aus beurteilen kann, Bericht erstatte. Das ist dann jedesmal ein Gang auf Tod und Leben. Aber daran denkt niemand, man ist es gewohnt. Es geht auch -immer gut. Sind ja doch ausgekochte Zungens, die zwei, hören's einer Granate auf einen Kilometer an, ob sie ernste Absichten hat oder sich weiter rückwärts ein Plätzchen ge­sucht hat. Fixe Kerlchen, können sich rechtzeitig wie Zgsl zusammenrollen und in einen Trichter fallen lassen. Mit achtundvierzig füllt das schon schwerer.

Die Berichte geben kein klares Bild. Es macht den Ein­druck, als sei der Angriff unter der Wirkung dss wütenden Abwehrfeuers entweder gar nicht aus den Gräben heraus- gekommcn oder nach wenigen Sprüngen an den Boden geleimt worden.

Fragen Sie mal beim Zwoten an, Maaß, ob die was wissen, wie's ihren Kompagnien geht!"

(Fortsetzung folgt.)