den Straßen lagen die Toten, zum größten Teil halb verkohlte Bauern. Kein Mensch war zu sehen, nur sehr viel hungriges Rindvieh lief herum. In den Zimmern, soweit sie als solche noch vorhanden waren, war alles kurz und klein geschlagen. Zwi­schen den einzelnen Dörfern, im Straßengraben und auf den Feldern lagen überall die Toten; die Deutschen hatte man schon weggebracht, und so sah ich fast nur Franzosen. Diese haben alle blauen Rock und rote Hose, in Feldgrau habe ich keinen ge­sehen. Alles junge, aktive Linientruppen. Aerzte, französische und deutsche, verbanden am Straßen­rand die Verwundeten. Auf den Aeckern und Fel­dern französische Gewehre, Tornister, tausende von ungebrauchten Patronen, alle möglichen sonstigen Ausrüstungsstücke. In Mousson fanden wir ein paar französische Geschütze; ihr Kaliber ist etwas kleiner als das deutsche. Abends biwakierten wir beim Schlachtfeld, über uns ein kahler Hang, auf ihm lag eine ganze französische Munitionskoloüne. sämtliche Wagen, Pferde, Mannschaften, die von unserer Ar­tillerie. anscheinend im Moment des Auffahrens, vernichtet wurde. Kein Mann ist da davon gekom­men. Ich ging nicht, wie meine Kameraden, hinauf, um das näher anzusehen, es sah zu fürchterlich aus. An diesem Abend holten unsere Leute aus dem näch­sten zusammengeschossenen Dorf alles, was irgend­wie brauchbar war; wir brieten Hühner, Gänse, schlachteten ein junges Schwein und tranken dazu französischen Rot- und Weißwein. In einem Schloß (Eutshof) verteilte die Infanterie franz. Cham­pagner, Hunderte von Flaschen; einer unserer Leute brächte eine Flasche echten Benediktiner mit. Als wir am nächsten Tage weiterzogen, kamen wir wie­der durch mehrere Dörfer, in welchen einzelne Häu­ser brannten, auch dort hatte die Bevölkerung auf unsere Soldaten geschossen. In solchen Fällen wer­den die Bewohner, soweit man sie fangen kann, so­fort erschossen und ihre Häuser in.Brand gesteckt. Das. Tellancourt, Linie Longwy-Longuyon. ist ein ganz böses Nest; auch hier brannten viele Häuser, es werden dauernd Einwohner erschossen, darunter der Maire und verschiedene Pfarrer; letztere sind die größten Fanatiker. Gestern abend hat man 6 Einwohner gehängt. Die Stadt Longuyon ist voll­ständig zusammengeschossen, kein Haus ist mehr ganz. In der Nacht ging plötzlich wieder eine große Schießerei los, die Einwohner schossen wieder auf unsere Truppen.

Es regnet leider, ich muß darum schließen; der Kanonendonner ist gunz eirtfernt, es muß darum siir uns gut stehen.

_Unsere nächsten Pflichten.

Wem das Schicksal die Ehre versagt hat, im Felde zu stehen, der kann dennoch für Volk und Land wirken. Mannigfache Aufrufe haben das dargetan, und überall bieten sich hilfsbereite Hände fast schon überzählig an. Auf eine Pflicht sei hier noch hin­gewiesen, an die in Friedenszeiten schon oft von Vaterlandsfreunden gemahnt wurde und die jetzt eine der allerdringendsten ist. Es ist die Pflicht, den Kopf klar zu halten. Meidet jetzt mehr als sonst die alkoholischen Getränke! Wer im Felde steht oder wer in der Heimat wirkt: jeder hat die letzte Kraft seiner Nerven nötig, um in dieser Zeit und in den folgenden Zeiten zu bestehen. Jeder Trunk stiehlt Dir ein Stück des Verstandes, heißt es schon in der germanischen Edda. Jedes kleine Glas, das Dir harmlos scheint, nimmt Dir etwas von den Gütern, die in dieser Zeit die kostbarsten sind: Ueberlegung und Willenskraft.

Wer unser Volk durch Brunnenvergiftung zu schädigen sucht, der wird erschossen, und das ist wahr­lich eine milde Strafe. Was aber geschieht mit denen, die unser Volk durch das chemische Gift Alkohol schwächen, unter der Vorspiegelung, es zu stärken, unterstützt von dem unseligen alten deutschen Wahn, das Trinken gehöre zum Manne, unterstützt ferner von der verlockenden Blumenranke einer Jahrtau­sende alten Trinkpoesie? Sie erfreuen sich der höch­sten Achtung, denn das Trinken selbst wurde und wird ja noch vielfach für Tugend gehalten.

Die größte germanische Untugend, die Uneinig­keit, haben die Deutschen jetzt abgeworfen, und das macht die Zeit, die wir jetzt hier erleben, zu der größten Zeit der germanischen Geschichte. Nun laßt uns auch die zweite, aber ebenso verderbliche Untu­gend unseres Volkes abwerfen: Die Trinksitte. Je­der gebe sich das Gelübde: in dieser schweren Zeit soll kein Tropfen eines Rauschtrankes über meine Lippen kommen. Kein Rausch, keinegehobene Stim­mung" soll mich auch nur einen Bruchteil eines Augenblicks darüber hinwegtäuschen, wie furchtbar mein Vaterland bedroht ist. Unwürdig, jetzt im Rausch, oder auch nur in der faul gemütlichen Kneip- runde am verdampfenden Stammtisch, Vergessen oder Erleichterung suchen!

Dasselbe gilt vom Genießertum und Luxus überhaupt. Niemand sollte in dieser schweren Zeit an reichbesetzter Tafel schlemmen oder in Schmuck

und Prunk einherstolzieren, ob Mann oder Frau. Gedenkt, daß Millionen im Felde entbehren, um Euch vor Knechtschaft und Ausbeutung zu schützen. Sie leiden Mangel, viele, viele werden Hunger und Durst, entsetzliche Schmerzen und einsamen Tod er­leiden. Und Ihr wollt Euch noch ferner Eurem ge­wohnten Behagen hingeben? Einfachste Kost, ein­fachste Kleidung, kein Tropfen Alkohol das for­dert das Vaterland von uns.

Die Erkenntnis von der Schädlichkeit des Alko­hols, auch des mäßigen Genusses, hat die erfreulich­sten Fortschritte gemacht bei unseren Behörden, die jetzt mit musterhafter Schlagfertigkeit den glichen Kampf unseres Volkes organisieren. Auf Bahn­höfen darf kein Alkohol geschenkt, Wirtschaften müs­sen um elf abends geschlossen werden. Weite Kreise der Bevölkerung sind einsichtig. Aber es muß in dieser Richtung noch mehr geschehen. Jeder einzelne helfe mit, durch einen freiwilligen und freudigen Verzicht auf ein so leicht entbehrliches Genußgist ein in jeder Sekunde klar und hell denkendes Volk zu bilden. Dann wird uns niemand überwinden.

Gelingt es uns, für alle Zukunft nicht nur die nationale Zersplitterung zu beseitigen, sondern auch die uralte germanische Unsitte desmäßigen Män­nertrunkes", so vollenden wir die Größe unseres Volkes.

(Anmerkung der Redaktion.) Wir haben in diesen Tagen nationaler Eintracht, wo jeder Parteizank und jede .Meinungsverschiedenheit schweigt, dieser Zuschrift gerne Auf­nahme gewäint, aber dennoch wird der Redakteur »ck boc auch fortan sein Dankgebet jenem guten Geiste weihen, der die Reben wachsen ließ.

An die zu Hause.

Einer für Alle! so lautet die Parole, mit der unsere tapferen Krieger in Ost und West ihr Leben einsetzen für die Erhaltung des Ganzen, des Vaterlandes.

Diese Parole muß ein mächtiges Echo finden auch in unserem wirtschaftlichen Verkehr, der nur dann in der heutigen schweren Zeit aufrecht erhal­ten werden kann. Niemand vergesse, daß in dem kunstvollen Uhrwerk des wirtschaftlichen Getriebes ein Rad das andere treibt, keines fehlen und keines versagen darf. Zahlt die PrivatkUndschaft ihre Schulden an die Kleinkaufleute und Handwerker nicht pünktlich und bar, dann können diese die Zwischenhändler und letzere die Fabrikanten nicht bezahlen. Gehen Fabrikanten. Eroßkaufleute, Ban­ken und Syndikate rigoros gegen ihre Kundschaft, insbesondere den Zwischenhandel, vor, oder ent­ziehen sie ihr generell die ihr zugesagten Kre­dite, so kann der Zwischenhandel den Kleinkaufleuten und Handwerkern keine Aufträge überweisen und diese können der Privatkundschaft nicht liefern.

Werden Angestellte über das absolut notwen­dige Maß hinaus entlassen und Betriebe aus Klein­mut und Mangel an Vertrauen in die Zukunft ein­gestellt, so bedeutet dies eine Lähmung des Gesamt- orgamsmus, der doch unter allen Umständen gesund und leistungsfähig erhalten werden muß.

In dieser ernsten Zeit gibt es nur e i n rich­tiges Verhalten: Jeder denke auch an des Anderen Not, nicht lediglich an sich selbst. Jeder handle so, als ob der Bestand der Gesamtwirtschaft allein von seinem rich­tigen Verhalten abhänge, und ein Jeder, ob Gläu­biger oder Schuldner, sage sich, daß nur bei gegen­seitiger Rüiftichtnahme aller Beteiligten der Kreislauf des Wirtschaftsorganismus erhalten wer­den kann.

Geschieht dies, so darf jeder Einzelne sich sagen, daß er treu und selbstlos mitgearbeitek hat am Siege des Vaterlands!

_ Rießer.

Stuttgart, 31. Aug. (Neuernannter Stadt­pfarrer.) Zum 2. Stadtpfarrer an der Kreuzkirche in Stuttgart ist Pfarrer Jlg in llnterreichenbach O.»A. Calw ernannt worden. Seine Einführung wirb am Sonntag, 11. Okt. stattfinden.

Weitere Nachrichten.

Ueberfluß an Kriegsfreiwilligen.

Berlin, 31. Aug. (Amtlich.) Der Bedarf an Kriegsfreiwilligen ist zur Zeit gedeckt. Das Kriegs­ministerium kann daher bis auf weiteres Kriegs­freiwillige an die Ersatztruppen nicht überweisen. Meldungen, sei es schriftlich beim Kriegsministe- rium oder mündlich bei dessen Auskunftsstelle, ha­ben daher keine Aussicht -auf Berücksichtigung. So­bald die Einstellung von Freiwilligen wieder mög­lich ist, wird es wieder in den Tageszeitungen be­kannt gegeben.

Eine Prophezeiung Kaiser Wilhelms I.

In den jüngstvergangenen Tagen hat sich eine Prophezeiung Kaiser Wilhelms I, an die hier ein Leser erinnert, sich geradezu wörtlich erfüllt. Als

im Oktober 1870 die Verhältnisse der nach Metz hineingeworfenen französischen Armee unhaltbar geworden waren, wurde General Bayer zur Kaise­rin Eugenie nach Chislehurft geschickt, um durch deren Vermittlung günstige Bedingungen für das eingeschlossene Heer zu erreichen. Die Kaiserin ver­langte von Bismarck einen oierzehntägigen Waffen­stillstand und Versorgung der französischen Armee mit Lebensmitteln. Jede Landabtretung lehnte sie schroff ab. Schließlich wandte sie sich noch einmal brieflich an König Wilhelm, in ihrem Briefe das Herz des Königs und die Großmut des Sol­daten" anrufend. Der König beantwortete den Brief persönlich am 26. Oktober. Nach einigen ein­leitenden Bemerkungen über die vorhergegangenen Verhandlungen finden sich in dem Briefe des Königs die denkwürdigen Worte:Ich liebe mein Vater­land, wie Sie das Ihre, und verstehe mitfühlend die Bitterkeit, die das Herz E. M. erfüllt. Aber Deutschland will nach den ungeheuren Opfern für seine Verteidigung sich besser für die Abwehr der Angriffe bei dem nächsten Krieg vorbereitet sehen, aufdenwir alle rechnen, sobald Frank­reich seine Kraft wiedergewonnen und Bundesgenossen gefunden hat..." An Die zu Hause!

Albanien?

Valona, 1. September (Agenzia Stefani.) Zwischen den muselmanischen Aufständischen und der Bevölkerung von Valona ist ein Einvernehmen er­zielt worden. Die rot-schwarze Fahne wird gehißt werden Die Aufständischen werden heute als Freunde in die Stadt einziehen, nachdem die Ab­setzung des Fürsten und der Regierung anerkannt worden ist. Notabeln von Valona haben unter großer Begeisterung von der Stadt Besitz ergriffen.

Kiautschau.

Bor 9 Jahren erschien in derJugend" rin Gedicht, das heute wieder aktuell ist. Es lautet:

Ein Telegramm ist ausgehängt:

Die Baltische Flotte ist zersprengt,

Sechstausend Russen sind untergegangen.

Dazu ihr Admiral gefangen.

Und zwischen den Köpfen dicht an dicht Seh ich ein klein mongolisch Gesicht,

Aus grünlich-gelbem Holz geschnitzt,

So unbewegt. Nur das Auge blitzt,

Wie es da an der Depesche hängt:

Die Baltische Flotte ist zersprengt,

Sechstausend Russen sind untergegangen,

Dazu ihr Admiral gefangen.

Dann wendet er sich ruhig zum Gehen,

Als wäre weiter nichts geschehen.

Nur einmal noch sein Auge schießt,

Ueber die Menge, die die Depesche liest,

Ueber den Platz und die Straße hin;

Hunger blitzt es und Raubtiersinn.

Und mitten in dem Menschenschwarm,

Zwei deutsche Mattosen Arm in Arm,

Zwei Jungen? von der Waterkant,

Auf Urlaub an Land.

Und plötzlich sagt der eine Mann:

Junge, Junge, nun kommen wir drann.

Hast du das gelbe Biest gesehen?

Mit dem die Augen spazieren gehen?

Da kommt so n Kerl dir rin ins Haus

Und guckt dir alle Ecken aus

Und fragt: Wohnt nich Herr Müller hier?

Und abends bricht er ein bei dir.

Junge, Junge, die Sache ist flau Mit dem verdammten Kiautschau."

Der andere spuckt erst vor sich hin:

Wenn schon, denn schon, laß man rin!

Wenn der Düwel die Mühle dreht,

Mühle und Müller zum Düwel geht.

Aber Zunge, das sag ich dir:

So 'ne Depesche hängt dann nich hier:

Don wegen Admiral gefangen!

Dann heißt's:

Die Flotte ist untergegangen Mit Mann und Maus und Offizier Und mit Hurra". Das sag ich dir."

München, 31. Aug. König Ludwig hat an den Kronprinzen Ludwig nachstehendes Tele­gramm gerichtet: Von St. Kajetan, wo wir soeben unseren Luitpold zur letzten Ruhe gebettet haben, eilen unsere Gedanken zu Dir. Gott erhalte Dir die Kraft und Stärke, in treuer heldenhafter Pflicht­erfüllung vor dem Feind den schicksalsschweren Schlag zu überwinden und mit Deinen tapferen Truppen auf dem Wege des Sieges vorwärts zu schreiten. Ludwig. _

Eine Krirgshymne, gedichtet und «ertönt von Kgl. Musik­direktor M. Koch nebst Kückens Marschlted:Auf mein Deutsch­land, schirm dein Haus" ist soeben in einer Ausgabe für Klavier mit vollständigem Text bei Albert Auers Musikalten- und Buch­handlung in Stuttgart zum Preis von SO Pfg. erschienen. Den ganzen Reinertrag hat die Verlagshandluag dem Württembg. Landesverein vom Roten Kreuz zugesichert. Diese Gesänge, deren Widmung Seine Majestät der König anzunehmen geruhte, geben so recht die patriotischbegeisterte Stimmung unseres Volkes wieder. Ihre Texte und flotten Melodien verdienen Gemeingut des Volkes zu werden und in Anbetracht des wohl­tätigen Zweckes weiteste Verbreitung. Die Texte werden wir gelegentlich veröffentlichen.