Nr. 291
Leite 2
Reim stanz. Seitensprung
Part«, lv. Dez Mit 28 Stimmen bei neun Stimmenthaltungen hat ver Finanzausichuh ver Kammer jede Zahlung abgelehnt »Ud gefordert, datz die lranzösische Regierung ein neues Ltun- duagsgeluch an Amerika richtet. Der autzenpotttlsche Ausschuh hat sich diplomatischer gezeigt: Mit 21 Stimmen bei drei Stimm- «nthalungen hat er der Zahlung grundsätzlich zugestimmt, aber »uter dem Vorbehalt, datz dl« Bereinigten Staaten sich zur sofortige» Schulden-Nachpriisung bereit erklären. Ein Unteraus- schntz. bestehend aus je siinj Mitgliedern des Finanz- und de» auhenpolitischen Ausschusses, soll eine Tinrgungsformel ausarbei- te«, die die auseinandergehenden Beschlüsse einander angleicht.
Endlich hat noch der Vorstand der Sozial-Radikale» Partei «ine Entschließung angenommen, worin er die sofortige Regelung der Schulüensragc nach den Grundsätzen der Lausanner Konferenz fordert.
Nach allem, was man aus den verschiedenen Beschlüssen und de« Reden in den Ausschüssen folgern kann, find diese Bedingungen zweierlei Art:
1. Amerika mutz sich zur sofortigen Schuldenregelung oor de» nächsten Verfallstag vom lS. Juni bereit finden, das heißt, es mutz die am IS. Dezember fällige Zahlung aus die Neuregeluug schon «« N»r«ch»»«g bringe».
2. England mutz die angebotene „Handlungsgemein- schajt" genauer umreitzen. das heiht, es mutz sich verpflichten, jede Schuldenregelung mit Amerika abzulehnen, wenn nicht gleichzeitig Frankreich eine befriedigende Einigung mit seinem amerikanischen Gläubiger finden kann, und es mutz jetzt schon die Zusage geben, daß es am nächsten Verfallstag, dem IS. Juni, nicht weiterzahlt.
In diesem Sinne hat Herriot noch einmal ein Telegramm »ach Washington gerichtet und hatte darüber ein ausführliche« Telephongespräch m,t Macdonald in Genf Die Ersolgsausfichte» t« Washington erscheinen recht zweifelhaft. Aus jeden Fall aber bürste, selbst wen« », Herriot gelingen sollte, die beiden Bedingungen durchzudrücken, dir Kammer in ihrer große» Aus- spräche a« Monrag kanm eiue Mehrheit von 2« bis SO Sti«-- Ae» fLr dir Schuldeuzohluag zusammenbringen.
Seit langen Monaten ist zum erstenmal wieder eine Goldsen- dnng von Frankreich nach Amerika abgegangen. Der deutsche Aeberjeedampfer „Bremen" hat für 3ÜV Millionen Franc» <1 Franc gleich lg Pfg.) Goldbarren nach Neuoork mitgenommen. Der Rückfluß des französischen Goldes nach Amerika ist aas die Abschwächang des Francs infolge des Schuldenstreit« zUrückzusuhren.
Neues vom Tage
vornnsfichtlich am Donnerstag Rundfunkrede des Kanzlers
Brrli«, 11. Dez. Reichskanzler von Schleicher, der im Laufe dieser Woche das Programm der Regierung in einer Rundfunkrede darlegt, wird diese Rede voraussichtlich am höchster» Donnerstag halten.
Ehrungen fLr Generaloberst von Bvthmer
MLLche». IS Dez. Aus Anlatz des SS Geburtstages des Generalobersten Graf von Bothmer, des Führers der deutschen Eiiidarmee im Weltkriege fand in der Ehrenhalle des Armee- museums ein sehr eindrucksvoller Festakt statt. Zahlreiche Offiziere des ehemaligen bayerischen Jnfantrrie-Leibregiments und des ehemaligen Armeekommandos lg, die Bdthmer befehitige, leierten den Jubilar In der Ehrenhalle des Armeemuseums wurde die Büste des bedeutenden bayerischen Feldherrn aufgestellt.
Amnestie am Donnerstag im Neichsrat
Berlin, 11. Dez. Der Reichsrat hält seine nächste Vollsitzung am Donnerstag ab und wird auch schon zu den letzten Reichstagsbeschliisfen über Amnestie» Stelloertretergesetz für den Reichspräsidenten und Aufhebung des sozialpolitischen Teiles der Wirtschafts-Notverordnung Stellung Lehmen.
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Land
Altensteig, den 12. Dezember 1932.
Ein neuer Roman von Bey - Ed. Wir machen unsere Leserinnen und Leser auf den heute beginnenden hochinteressanten Roman aufmerksam.
Der gestrige Adventssonntag, geschäftlich der „Silberne Sonntag" genannt, verlief recht ruhig. Die Läden waren tm allgemeinen offen, aber der Geschäftsgang war, wie hier am Silbernen Sonntag eigentlich immer, ruhig. Draußen war es kalt und windig, so daß man wenig Spaziergänger auf der Straße sah. Trotz der rauhen Witterung zogen die F u ß b a l ls p i e le, die nachmittags zwischen Nagold und Altensteig ausgetragen wurden, außerordentlich viele Zuschauer an. Leider ließen sich diese, veranlaßt durch einen bösen Zusammenstoß am Altensteiger Tor, gerade noch vor Schluß des Spiels zu einer Parteinahme Hinreißen, obwohl schon in der Vorschau davor gewarnt worden war, so daß das Spiel einen recht üblen Ausgang nahm. Um so friedlicher ging es bei derAlteufe i e r im Gemeindehaus zu. Es ist immer eine Weihestunde für unsere Alten, wenn sie im Jahr einmal Zusammenkommen und für manche war es oft noch ein Höhepunkt ihres im Abschluß begriffenen Lebens. So freuten sich die Alten auch gestern wieder eines herzlichen Zusammenseins, verschönt durch die mancherlei Darbietungen der Jugend und erquickend durch die Aufwartung des Ev. Volksbundes. Die kleine Jugend freute sich des g ef r o r e n e n S ch l i tt- schuhsees. Ihr muß aber zugerufen werden: Keine Verunreinigung und Beschädigung des Eisspiegels, denn er soll bald dem schönen Eissport dienen! — Die Stahlhelmer von hier und Umgebung fuhren zu einem Geländespiel bei Althengstett. Dort waren insgesamt sechs Stahlhelm-Wehrsportkorps, zusammen etwa 500 Mann, zusammengezogen. Im Anschluß fand im „Löwen" in Nagold ein Kameradschaftsabewd statt. — Im übrigen weihnachtet es sehr. Nur noch zwölf Tage trennen uns von dem Weihnachtsfest und überall ist man an den Vorbereitungen zu dem schönen Fest, auf das sich Jung und Alt wieder von Herzen freut.
Fernsprechverkehr an Weihnachten nnd Sylvester. Am
Heiligen Abend und am Sylvesterabend herrscht erfahrungsgemäß ein außergewöhnlich starker Fernsprechverkehr von Ort zu Ort. Um diese Zeit staut sich der Verkehr zeitweise oft in erheblicher Weise und verstopft die Leitungswege. Dadurch wird die Eesprächsabwicklung ungewöhnlich verzögert und viele Teilnehmer usw. müssen auf ihre Gesprächsanmeldungen verzichten. Um nach Möglichkeit allen Teilnehmern usw. zu dienen, ihnen besonders wertvollen Zeiten den Austausch von Nachrichten mit ihren Angehörigen, Freunden usw. zu ermöglichen, sind die Betriebsleiter der Fernsprechvermittlungsstellen ermächtigt worden, am Heiligen Abend und am Symvesterabend die Höchstdauer der gewöhnlichen Prtvatgespräche vorübergehend von zwölf auf sechs Minuten herabzu setzen, soweit die Verkehrslage dies erfordert.
Weihnachtsfeier der NSDAP. Infolge der Verlängerung des Versammlungsverbots hatte die hiesige Ortsgruppe der NSDAP, größte Schwierigkeiten, um die Erlaubnis für die Abhaltung einer Weihnachtsfeier zu erhalten. Doch nach langen hartnäckigen Bemühungen wurde ihr deren Durchführung unter Mitgliedern und Angehörigen gestattet. Trotz dem Verbot der Veröffentlichung und der ungünstigen Festlegung der Feier auf Samstagabend erfreute sich diese besonders auch von auswärts eines außerordentlich starken Besuches und noch selten war der Saal des „Grünen Baum" so gedrückt voll. Von Nagold waren die Hitlerjugend und der Bund deutscher Mädchen, der weibliche Jugendbund der NSDAP, in ihren schmucken braunen Kleidern anwesend. Nach einem Eröffnungsmarsch der hiesigen NS.-Kapelle begrüßte Ortsgruppenleiter Karl
, Steeb jr. in kurzen Worten die Anwesenden und gab der I Veranstaltung hiedurch den sympathischen Anstrich einer ! unpolitischen Weihnachtsfeier. Nach der bet Veranstaltun- I gen der NSDAP, üblichen Ehrung der Toten in einem ! lebenden Bild, wurde ein Totengedenkspiel Langemarck auf- s geführt, das bei dem Publikum großen Anklang fand Vier junge Deutsche ziehen kampfesmutig in eine Schlacht bei Ppern, zwei fallen nnd der dritte stirbt mit den Worten „Mutter" auf den Lippen und mit einem Bild seiner Lieben in den Händen. Diese ergreifende Szene bestätigt den großen Opfersinn und Heldenmut der jungen deutschen Kämpfer, die bei Langemarck mit dem Deutschlandlied auf den Lippen in den Tod gingen. Das zweite Theaterstück, ein Weihnachtsspiel, zeichnete sich vor allem durch die schöne Aufmachung aus. Der Höhepunkt der Feier wurde jedoch durch ein glänzend durchgeführtes Satirspiel erreicht. Hitler- jungen und -Mädchen führen mit leuchtenden Augen und mit stolzen, von blonden Flechten umrahmten Gesichtern Volkstänze vor. Der Beifall will nicht enden. Zum Schluß folgte unter allgemeinem Absingen des Horst Wesselliedes ein sehr schön gestelltes lebendes Bild. Doch darf die Ve- schenkung nicht vergessen werden. Der Pelzmärte und das Christkind kommen und viele, viele Arme und Bedürftige, aber auch die SA.-Leute und Hitlerjugend erhalten Päcke mit Lebensmitteln, Kleidungsstücken und Gutscheinen für Kartoffeln und Kraut. Es wurden allein 42 Zentner Kartoffeln und 2l> Zentner Kraut geschenkt, ein Meisterstück, das von der NS.-Frauenschaft, unter der tatkräftigen und energischen Führung der Frauenschaftsleiterin, Frau Rasst vollbracht wurde. Die in sehr harmonischer Stimmung verlaufene Weihnachtsfeier wurde in feiner Weise vcn Eedicht- vorträgen und Musikstücken umrahmt. Das reibungslose Abwickeln des Programms, die schöne Ausgestaltung desselben, sowie die feine Weihnachtsstimmung trugen zu dem vollen Erfolg des Abends bei. Jeder, der dem nationalen Erwachen Deutschlands nicht ganz interesselos gegenübersteht, wurde von dem Abend außerordentlich befriedigt. Gegen H-1 Uhr wurde die Veranstaltung mit einigen Worten des Ortsgruppenleiters geschlossen.
Erzgrube^ 10. Dez. Unser großes Frei schwint Urbild, in welchem den Sommer über jung und alt Erfrischung finden, ist zur Zeit abgelassen und die Schwimmfläche durch Ausbaggern in letzter Zeit vergrößert worden. Das ausgehobene Material fand teilweise auf dem Sportplatz des Fußballklubs Verwendung. Den Winter über soll das Schwimmbad dem Eissport dienen. Außerdem ist noch über eine besondere Neuerung zu berichten. Im vorigen Monat wurde die elektrische Straßenbeleuchtung eingerichtet.
Besenfeld, 11. Dezember. Vor hundert Jahren wurde mit dem Vau der Straße, die vom Murgtal über Besenfeld ins Enztal führt, begonnen. Diese weist die größte Steigung aller Staatsstraßen in der Umgebung Freudenstadts aus und zwar auf der Erzsteige, zwischen Schönegründ und Vesenfeld, mit 10 Prc^ent. Sie war 1838 vollendet und erforderte einen Aufwand von 120 000 Gulden (wären heute etwa eine Million Mark).
Freudenstadt, 11. Dezember. (Oeffentliche Kundgebung der einheimischen Wirtschaftsgruppen.) Anläßlich der Deutschen Woche Freudenstadt bezw. zu deren Abschluß veranstaltete die wirtschaftliche Arbeitsgemeinschaft Freudenstadt am Samstagnachmittag 3.30 Uhr im „Dreikönig" eine öffentliche Kundgebung der einheimischen Wirtschaftsgrrtp- pen, bei der diese Gelegenheit hatten, ihre Wünsche und Sorgen der Oeffentlichkeit vorzutragen. Es sprachen Forstmeister Grammel über „Warum deutsches Holz?", Bürgermeister Braun, Schopfloch, über „Der deutsche Boden, der : Ernährer seines Volkes!", Gewerbeschulrat Möhrle über ! „Die deutsche Woche und der gewerbliche Mittelstand" und > Dr. Waldmüller über „Deutscher Kaufmann — Deutsche Ware".
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Ser Professor Herlingen saß vor seinem Schreibtisch, die ruhende, federhaltende Hand lag auf dem halbbeschriebenen Bogen Papieres vor ihm auf Ser Tischplatte.
Links neben ihm befand sich ein Mit bescheidenen weißen Gardinen geschmücktes Fenster. Das Fensterbrett war als Bücherbort mit in Gebrauch gezogen. Auch auf Stühlen und einer Küchenholzbank lagen Bücher, im Bereich des Hand- Mffs.
Aus dem Fenster sah man über viele grüne und rotgelbe Baumwipfel und graublanke Schieferdächer hinweg auf den werten, blauen Himmel.
Der Professor war so sehr dabei, feinen Gedankengana zU Verfölgen, daß ihm die Geräusche der Nähe ganz entgingen. Pteimal klopfte es, ohne daß er es bemerkte. Dann öffnete sich di« Tür und ein junges Mädchen kam herein.
Die sah aus, als habe sie Modell gestanden zu einer mo deinen Zeichnung. Sie war groß und überschlank, ein Kleid von fahlgrüner Farbe hing in feinsten Falten schlaff an ihr herunter, unter der Brust mit einem gelblichen Shawl umwunden, der zufammengeknotet war. Ihr Gesicht war sehr weih, die Züge eigentlich regelmäßig schön, aber zu sehr ins Lange gezogen. Dunkle, etwas müde blickende Augen sahen daraus hervor. Auch das Haar war dunkel und ging vom Scheitel in schwerer, glanzloser Fülle nieder, bis über die Ohren, diese ganz verbergend, sodaß diese Haartracht dem schmalen Gesicht zu einem Rahmen ward, der sich in der Linie der Wangen sehr verbreiterte.
„Onkelchen. Ebba schickt mich. Wir haben kein Geld mehr/' sagte sie näherkommend.
Bor dem Miste des Professörs Ritzte es auf: ein lang gesuchter Zusammenhang schien sich ihm. wie durch Eingebung, zu offenbaren.
,Onkelchen," wiederholte das Mädchen, die Hände bmter sich fallend, wie jemand, der sich rüstet, lange und voll Ge
duld erwartend zu stehen, „Onkelchen, Ebba schickt mich, wir haben kein Geld mehr."
„Ja, ja. — Ja, ja," murmelte der alte Mann und schrieb.
Das Mädchen wartete, immer die Hände auf dem Rücken, in überlegener Haltung, ein nachsichtiges Lächeln auf dem weißen Gesicht. Viele Minuten vergingen. Dann klang es zum dritten Mal durchs Zimmer, in ganz dem gleichen Tonfall wie vorher: „Onkelchen, Ebba schickt mich, wir haben kein Geld mehr."
Jetzt fuhr der Professor von seiner Schreiberei empor und sah seine Nichte an.
„Kein Geld mehr? Na ja — da will ich ..." Er schob seinen Stuhl zurück.
Nun zog er die Schieblade hervor. Das junge Mädchen kam heran, und guckte mit einer gewissen objektiven Neugier in die Schieblade. Aber ganz von oben herab, ohne sich deswegen um eine Linie zu bücken.
Der Professor kramte Pupiere hin und her, sah immer wieder in eine kleine, leere, deckellose Pappschachtel, die sonst als Kasse diente, und fugte endlich, dis Hände ausbreitend: „Es ist nichts mehr VU."
Und dann nach einer kleinen Pause: „Wozu wollt ihr denn schon wieder Geld haben?"
„Schon wieder?" sprach sie ruhevoll, „um schon wieder Mittagessen zu kochen oder, weil es dazu heute zu spät ist, holen zu lassen."
Die Notwendigkeit, daß man Mittagessen haben müsse» sah er ein.
i „Ihr erinnert mich nie zur rechten Zelt," schalt er.
! „Doch. Wir haben dich gestern gebeten, uns heute Geld
i zu geben."
< Er seufzte. Es würde schon so wahr sein! Er hätte es dann i eben vergessen!
« „Laßt nur anschreiben bei Hoppelmann und sagt, ihr schickt z morgen Geld."
- „Du hast uns verboten, jemals einen Pfennig anschreiben ; zu lassen."
i Die lächelnde Ruhe des Mädchens regte ihn auf. Er ballte
- die Hände zu Fäusten und schüttelte sie, wie jemand, der vor ; Ungeduld vergeht.
' „Aber heute MUß es doch sein! Hungern können wir nicht, j Das siehst du ein? Gut also. Heut nachmittag gehe ich ein z Papier verkaufen."
Als seine Nichte sich umdrehte, um zu gehen, fiel ihm etwa; auf.
„Helene?"
„Onkel?"
„Wie siehst du aus? Ist das Mode so? Tragen das alle Damen?" fragte er und musterte sie.
„Onkelchen, so gehe ich schon fast ein Jahr, in rührender Abwechslung das Grüne mit dem gelben Shawl als Gürtel. DU siehst es erst heute."
„Ist das nicht sehr auffallend?" fragte er weiter.
Manchmal befiel ihn eine Unsicherheit und Unruhe, wegen seiner mutterlosen Tochter Ebba und seiner verwaisten Nichte Helene, die bei ihm lebte.
„Es kann wohl sein, daß manche Leute es finden. Andere finden es nicht. Es ist der Stil, der zu mir paßt."
„Trügt Ebba auch solche Kleider?" forschte er weiter. Sie schlang von hinten her beide Arme um seinen Hals und gab ihm einen Kuß auf die Wange.
„Ebba hat so etwas nicht nötig," sagte sie und war dann, auf ihren weichen Schuhen unhörbar huschend, schneller verschwunden, als sie es sonst zu sein pflegte.
Draußen stieg sie eine schmale, steile Treppe hinab, denn des Professors Studierstube lag im Giebel der kleinen Villa Der erste Stock, aus vier ziemlich engen Zimmern und einer Küche bestehend, blieb den beiden jungen Mädchen den ganzen Tag als allein beherrschtes Reich. Helene guckte in die Küche hinein. Da war nur die Vossen beschäftigt, das Geschirr vom Tage vorher ZU reinigen, wobei sie sich zerrissene» Tassentücher zum Abtrocknen bediente.
„Fräulein ist vorn," sagte die Aufwartefrau, „sie wollt mal zusehen, ob sie aus ein paar doll kapute Tücher zwei heil« zusammenflicken kann.
„Onkel muß neue Wäsche anschaffen," sprach Helene etwa- großartig, vbschrm sie wußte, daß die gute alle Vossen darau! nur mitleidig hinter ihr herlächelte.
Vorn saß richtig Ebbn am Fenster und hatte zerrissen, Tücher auf dem Schoß, all denen sie aber nicht nähte, sonder» die sie immer nur besah.
Die Wohnstube war mit einer roten Ripsgarllitur ausge- stattet. Manche Stuhllehnen und die eine Seite des Sofas waren aber bis Zu grauer Fahlheit ausgeblichen, immer da, »o die Sonne hinreichte mV ihren Strählen.
(Fortsetzung folgt.)