Nr. ^78. Amis- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Lalw. 89. Jahrgang.

IrschelnungSweis.: Smal wöchentlich. Anzeigenpreis : Im OberamtS- »utn lalw filr die einspaltige Bargiszeile 10 Pfg.. außerhalb desselben IL Pfg-, Awamen 2S Psg. Schluß sür Jnseratannahme lv Uhr vormittags. Telefon 9.

Montags -sn S. August

Bezugspreis: In der Stadl mit Trägerlohn Mk. 1.25 vierteljährlich. Post- LezugspreiS für den OrtS- und Nachbarortsvcrkekr Mk. 1.20. im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg.. rn Bayern und Reich 42 Pfg.

Bekanntmachung.

Die zum militärischen Nachrichtendienst benutz­ten Brieftauben tragen die ihnen anvertrauten De­peschen in Aluminiumhülsen, die an den Schwanz­federn oder an den Ständern befestigt sind.

Trifft eine Taube mit Depesche in einem frem­den Taubenschlage ein oder wird sie eingefangen, so ist sie ohne Berührung der an ihr befindlichen De­pesche unverzüglich, falls eine Fortifikation am Orte,

an diese, andernfalls an die oberste Militärbehörde auszuhändigen. Ist auch eine Militärbehörde nicht am Orte, so ist die Taube an den Ortsvorsteher zu übergeben, der für die Weiterbeförderung der De­pesche an die Militärbehörde oder an den Befehls­haber der nächsten Truppenabteilung sorgen wird.

Die Durchführung dieses Verfahrens erheischt die tätige Mitwirkung der gesamten Bevölkerung. Von ihrer patriotischen Gesinnung wird erwartet, daß jedermann, der in den Besitz einer Brieftaube

gelangt, bereitwillig den vorstehenden Anordnungen entsprechen wird.

Calw, den 31. Juli 1914.

K. Oberamt: Binder.

Vorstehende Bekanntmachung gilt auch als von hier aus erlassen.

Calw. 1. August 1914.

Stadtfchultheißenamt: Conz.

Die deutsche Mobilmachung ist in vollem Gange. I And das ist notwendig, und war notwendig, nach i dem, was der Telegraph heute und gestern über die Ereignisse zunächst an der russischen Grenze meldete. Deutschland antwortete «aus die russischen Grenzüber­schreitungen mit der amtlich noch nicht beglaubigten, tatsächlich aber wohl schon erfolgten Kriegserklärung. Dagegen sind dem russischen Botschafter in Berlin seine Pässe zugestellt wor­den', die diplomatischen Beziehungen sind somit ab­gebrochen. Es brauchte einer solchen aber gar nicht. RMand hat die Feindseligkeiten eröffnet, ohne sich an das Herkommen zu halten und den Krieg zuvor anzusagen und wenn sich Deutschland nun gegen rus­sische Angriffe wehrt, so ist das selbstverständlich. Deutschland verteidigt sich. Die Nachrichten über die Kämpfe, die an der ostpreußisch-russischen Grenze in Joh-anisburg, um Allenstein, in Libau begonnen haben, sind zunächst noch spärlich; es empfiehlt sich, mit voreiligen Schlüssen zurllckzuhalten.

Der Mobilisierung der französischen Armee ist der Bruch des Völkerrechts Lurch Frankreich Deutschland gegenüber auf dem Fuße gefolgt. Flug­zeuge machten bereits kriegerische Besuche über deut­schen Städten. Das allein gäbe Anlatz dazu, an Frankreich die Kriegs erklärung zu übergeben, aber es ist bis jetzt noch still darüber.

Diplomatische Verschleppungen. Die ersten Zu­sammenstöße mit den Russen.

Berlin, 2. Aug. Nachdem die Kunde von der allgemeinen russischen Mobilmachung hierher gelangt war, wurde der deutsche Botschafter in Petersburg, Graf Pourtalos, beauftragt, die russische Regierung aufzufordern, die Mobilmachung gegen uns und un­seren österreichischen Bundesgenossen einzustellen und hierüber eine bündige Erklärung binnen zwölf Stunden abzugeben. Dieser Auftrag wurde nach einer Meldung des Grafen Pourtalss in der Nacht vom 31. Juli auf den 1. August um Mitternacht aus­geführt. Falls die Antwort der russischen Regierung ungenügend sein sollte, war der deutsche Botschafter ferner beauftragt, der russischen Regierung zu erklä­ren, datz wir uns als mit Rußland im Kriegszustand befindlich betrachteten. Die Meldung des Botschaf­ters über die Antwort der russischen Regierung auf unsere befristete Anfrage ist hier nicht eingelaufen, ebensowenig eine Nachricht über die Ausführung des Weiten Auftrages, obwohl wir konstatiert haben, datz ber russische Telegraphenverkehr noch funktioniert. Dagegen sind in dieser Nacht bis 4 Uhr früh folgende Meldungen eingegangen:

Heute nacht fand ein Angriff russischer Patrouil- ten gegen die Eisenbwhnbrllcke über die Warthe bei Eichenried an der Strecke Jarotschin-Wreschen statt, ber abgewiesen wurde. Deutscherseits wurden zwei Mann leicht verwundet. Die Verluste der Russen find nicht festgestellt. Von Russen gegen den Bahn­hof Wiloslaw eingeleitete Unternehmung wurde ver­hindert. In der Nacht vom 1. zum 2. August hat

eine stärkere russische Kolonne mit Geschützen die Grenze bei Schwidden südöstlich Vialla überschritten. Zwei Schwadronen Kosaken ritten in der Richtung auf Johannisburg. Hiernach hat Rußland deutsches Reichsgebiet angegriffen und den Krieg eröffnet. Die Oertlichkeiten, an denen russische Patrouillen die Feindseligkeiten eröffnet haben, liegen auf deu t- schem Boden, etwa 20 Kilometer von der deutsch- russischen Grenze entfernt. Die Eisenbahnlinie Ja- rorschin-Wreschen überschreitet die Warthe bei Eichen­ried; dort hat der Angriff stattgefunden, der aber er­freulicherweise abgewiesen werden konnte. Es hat sich gezeigt, wie richtig es war, die Eisenbahnbrücken bei Zeiten zu schützen. Ein zweiter Angriff gegen den gleichfalls an der Strecke Jarotschin-Wreschen ge­legenen Bahnhof Miloslaw konnte gleichfalls abge­wiesen werden. Schwidd-ern bei Johannisburg, Reg.-Bez. Allenstein, liegt in Ostpreußen; etwa 30 Kilometer von der russischen Grenze entfernt. Dort sind bereits russische Geschütze und zwei Schwadronen Kosaken angelangt. Aus diesen Nachrichten geht her­vor, daß die Russen unsere ganze Ostgrenze mit Trup- ven belegt und einen systematischen Angriff auf die­selbe schon längst vorbereitet haben.

Al len stein, 2. Aug. (6 Uhr nachmittags.) Bisher fanden im allgemeinen an der Grenze in Preußen nur kleine Gefechte statt; Johannisburg, das von deutscher Kavallerie besetzt ist, wird augen­blicklich angegriffen. Die Verluste betragen auf rus­sischer Seite etwa 2V Mann, auf deutscher Seite nur mehrere Verwundete.

Königsberg, 2. Aug. In Eydtkuhnen ist eine russische Patrouille eingeritten. Das Postamt Bil- derweitschen ist nachsicherer Nachricht zerstört. Der Feind überschritt die Grenze an vielen Stellen, wie zweifelsfrei gemeldet wird.

Libau (russ. Gouvernement Kurland), 2. Aug. Der Libauer Hafen ist heute deutscherseits bombar­diert worden. Die hierüber vorliegende kurze Mel­dung besagt, daß die Stadt in Brand geraten sei. Ein feindlicher Kreuzer sei zu Hilfe geeilt. 12 Uhr 30 heute nachmittag war das Gefecht noch im Gange.

Berlin, 1. Aug. Heute Nachmittag wurde eine deutsche Patrouille bei Frestken, 300 Meter dies­seits der Grenze, von einer russischen Patrouille beschossen. Sie erwiderte das Feuer. Beiderseits sind keine Verluste zu verzeichnen.

Berlin, 2. Aug. Nach zuverlässigen Nachrichten bereisen russische Offiziere und Agenten in großer Zahl unser Land. Die Sicherheit des Deutschen Rei ches erfordert es, daß aus patriotischem Pflichtgefühl heraus neben den amtlichen Organen das gesamte Volk unbedingt dabei mitwirkt, solche gefährlichen Personen unschädlich zu machen. Durch rege Auf­merksamkeit in dieser Hinsicht kann jeder an seiner Stelle zu dem glücklichen Ausgang des Krieges bei­tragen.

(Zum Teil gaben wir gestern diese Nachrichten durch Anschlag hinaus.

Petersburg. 1. Aug. Ein kaiserlicher Mas ord­net an, daß Finland und die finischen Gewässer in Kriegszustand versetzt werden.

Französische Unternehmungen.

Berlin, 2. Aug. Ein feindliches Flugzeug wurde auf der Fahrt von Düren auf Köln beobach­tet. Ein französisches Flugzeug wurde bei Wesel her­untergeschossen. Eine soeben eingelaufene militä­rische Meldung besagt, datz heute Vormittag franzö­sische Flieger in der Umgebung von Nürnberg Bomben herabwarfen. Da eine Kriegser­klärung zwischen Frankreich und Deutschland bisher nicht erfolgte, liegt ein Bruch des Völkerrechts vor.

Koblenz, 2. Aug. Vormittags versuchten 88 französische Offiziere in preußischer Uniform im Kraftwagen die preußische Grenze bei Dalbeck, west­lich von Geldern, zu überschreiten. Der Versuch ist mißlungen.

Cochem (Reg.Bez. Coblenz), 2. Aug. In der Samstagnacht versuchte ein Gastwirt von hier, zu­sammen mit seinem Sohne, den Eisenbahntunnel zu sprengen, was aber mißlang. Die Beiden wurden so­fort standrechtlich erschossen. (Der Tunnel ist 4100 Meter und strategisch deshalb sehr wichtig, weil er an der Linie Perl-Koblenz liegt.)

Die Mobilmachung der schweizerischen Armee.

Das schweizerische Militärdepartement erläßt folgende Verfügung, die die Mobilmachung der ge­samten schweizerischen Armee mitteilt: Der Bundes­rat hat im Hinblick auf die ernste Lage die Pikett­stellung der ganzen Armee und den Auszug der Land­wehr und des Landsturms verfügt sowie das Aufge­bot des für die erste Grenzbewachung und für die Ueberwachung der wichtigsten Kommunikationen er­forderlichen Landsturms beschlossen. Diese militäri­schen Maßregeln sind nicht die Folge einer Bedrohung unseres Landes von irgendeiner Seite, sondern nur eine militärische Vorsichtsmaßregel, welche im gegenwärtigen Augenblick unbedingt ge­boten erscheint. Ein Grund für weitere Befürchtun­gen der Bevölkerungen für irgend einen Landesteil liegt nicht vor. Der an der Grenze verwandte Land­sturm hat lediglich Ueberwachungsaufgaben zur Auf» rechterhaltung eines geordneten Grenzverkehrs.

Belgien macht mobil.

Brüssel, 1. Aug. Die Regierung hat die Mobi­lisierung angeordnet.

Was führen die Japaner im Schilde?

Das Wiener Corr.-Bureau erfährt von besonde­rer Quelle folgende Meldung aus Tokio: Die Zei­tung Nishinishi schreibt: Japan muß eventuelle Schwierigkeiten Rußlands unbedingt zur Regelung der mandschurisch-mongolischen Fragen ausnützen. Ge­stern fand ein längerer Minist errat statt.

Washington, 2. Aug. Deutschland, England und Frankreich haben formell Amerika ersucht, ihre Bot­schaften im Notfall zu übernehmen. Amerika kommt dem Ersuchen nach und instruierte die amerikanischen Botschafter und Gesandten in Europa demgemäß.