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Nr. ^ 75 . Amts- und Anzergeblcrtt für den Vberamtsbezirk Lalw. 89 . Jahrgang.
»rschetxungSweise: 6mal wöchentlich. Anzeigenpreis: Im vberamts- tezirk kaiw für die einspaltige Borgiszeile 10 Psg.. außerhalb desselben 12 Psg., AeÜamen 2S Psg. Schluß für Jnseratannahme 10 Uhr vormittags. Telefon S.
Donnsrstag, d«n SV. I«Ii
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Ser österreiW Wische
London, 28. Juli. Wie das Reuter'sche
Bureau erfährt, ist gestern abend im Süden und
Südwesten Rußlands eine teilweise Mobilmachung angeordnet worden.
' -iese Meldung, die gestern abend in unsre Hände gelangte, könnte dazu angetan sein, einem den letzten Rest von Hoffnung ans eine unkriegerische Auseinandersetzung des Zweibundes mit dem Dreibund zu nehmen, wenn sie nicht mit außerordentlicher Vorsicht zu genießen wäre. Denn das Reuter'sche Büro macht sich von jeher gerne wichtig. Unterm 28., also am ' zuvor, ehe es obige Meldung brachte, setzte es die Behauptung in die Welt: das engl. Auswärtige Amt habe die Nachricht erhalten, daß Rußland im Grundsatz dem britischen Konferenzvorschlag zustimme. Gleichzeitig wünsche Rußland den unmittelbaren Meinungsaustausch mit Wien fortzusetzen. — Eine dieser beiden sich widersprechenden Mitteilungen muß doch aber wohl Schwindel sein; da aber diejenige über Annahme des englischen Konferenzvorschlags nicht bestätigt wurde, ebenso keine amtlich russische oder österreichische Mitteilung über die teilweise russische Mobilisierung vorliegt, so sind wir stark geneigt, beide Reuter-Depeschen als unglaubwürdig zu bezeichnen. Wir haben die erste Meldung gestern abend durch Anschlag bekanntgemacht, ihre Richtigkeit aber schon auf dem Extrablatt in Zweifel gezogen.
Immer noch sehen aller Augen auf Rußland. Die Spannung steigert sich allmählich ins Unerträgliche. Wenn nur endlich, endlich so oder so entschieden wäre. JndesZarenHandruht die Entscheidung über Krieg oder Frieden für Deutschland, trotz aller hetzerischen Artikel der russischen und der französischen Presse, welch letztere langsam wieder frech zu werden beginnt, nachdem sie einige Zeit sonderbarer Weise die Sprache verloren hatte. Die reine Vernunft sollte Rußland vor einem kriegerischen Entscheid bewahren und das — Eerechtigkeitsempfinden.
Eine Zuschrift aus Reichstagskreisen, die der Korrespondenz Woth zugeht, legt dem russischen Volk folgenden Vergleich vor: Was täte Rußland, wenn sich in naher Vergangenheit folgendes abgespielt hätte : „Seit Jahren gärt es in den russischen Ostseeprovinzen; die russische Regierung hat Beweise, daß in Ostpreußen Vereine bestehen, deren Ziel dahin geht, die russischen Ostseeprovinzen mit ihrer ursprünglich deutschen Bevölkerung mit Deutschland zu vereinen. Die baltischen Provinzen werden durch Aese Vereine mit Flugschriften überschüttet, deutsche Agitatoren durchziehen das Land und verlangen von der Bevölkerung, durch eine Revolution sich von Rußend zu trennen und sich Deutschland anzuschließen. Der Pangermanismus feiert Orgien in den baltischen Provinzen. An der Spitze dieser Vereine stehen hohe deutsche Offiziere, der deutsche Botschafter in Petersburg unterstützt diese Bestrebungen, die deutsche Regierung rührt keinen Finger in der Sache, sie begün- ltigt anscheinend diese Bewegung. Die deutschen Zeitungen bringen täglich Hetzartikel gegen Rußland und den Zaren. In Petersburg wird bekannt, daß deutsches Geld in Riga die Bewegung unterstützt, geheime Versammlungen finden dort und in andern , tten der Ostseeprovinzen statt. In Libau, Dorpat und Mi tau sollen sogar deutsche Waffen versteckt lagern, um beim Ausbruch der Revolution verteilt zu werden. Es ist alles vorbereitet, um die Ostseepro- Abfall von Rußland, zum Anschluß an Deutschland zu bewegen. Der russische Thronfolger wmmt eines Tages aus irgendwelchem Anlaß nach ^uga Ein deutscher Student aus Königsberg wirft -vomben nach ihn:, Bomben, die in Spandau in den
Krieg. — Rußlands HM
Militärwerkstätten hergestellt sind. Der Thronfolger stirbt als Opfer dieses Attentas. Was würde Rußland in diesem Moment tun? Die Antwort lautet: Abgesehen davon, daß Rußland deutsche pangermanistische Bestrebungen in seinen Ostseeprovinzen sofort mit Gewalt unterdrücken würde, würde die russische Regierung in diesem Moment bei solch erdrückendem Beweismaterial nicht zögern, Deutschland sofort mit Krieg zu überziehen. — Was Rußland recht ist, ist aber Oesterreich billig.
Nachstehend verzeichnen wir den Eingang einiger weniger, wesentlicher Meldungen. Im allgemeinen herrscht tiefe Stille.
Der Aufmarsch der Oesterreicher.
Im ganzen werden, abgesehen vom Korps in Nagusa, das von Hause aus erhöhte Friedensstärke hat, 220 Bataillone des gemeinsamen Heeres und 115 der beiden Landwehren, 144 Kanonen- und Feldhaubitzbatterien, 36 Gebirgsbatterien, 12 schwere Haubitzbatterien des gemeinsamen Heeres, 30 Kanonenbatterien und 12 Feldhaubitzbatterien der beiden Landwehren ins Feld rücken. Die Kavallerie wird kaum in dem organisationsmäßigen Verhältnis zu den übrigen Waffen herangezogen werden, da die Oberflächengestaltung und die Bewaldung Serbiens ihre Verwendung in Masse verbietet. Mit Maschinengewehren sind die Truppen des gemeinsamen Heeres wie der Landwehren reichlich versehen; sie werden auf Tragtieren fortgebracht. Die Felduniform ist grau, die Aehnlichkeit der Kopfbedeckung wird es schwer machen, Freund und Feind zu unterscheiden. Die Ver- 'flegungsstärke der österreichisch-ungarischen Streitkräfte, abgesehen von dem Korps in Dalmatien, darf man auf rund 400000 Mann annehmen.
Wiener Berichte über Kämpfe.
Wien. 29. Juli. Die Serben haben heute um I Uhr 30 Min. früh die Brücke zwischen Zemun (Sem- lin) und Belgrad gesprengt. Unsere Artillerie und Infanterie haben im Verein mit den Donaumonitoren die serbischen Stellungen jenseit der Brücke beschossen. Die Serben haben sich nach kurzem Kampfe zurückgezogen. Unsere Verluste sind ganz unbedeutend. Gestern gelang es einer kleinen Abteilung Moniere im Verein mit Mannschaften der Finanzwache, zwei serbische Dampfer, die mit Munition und Minen beladen waren, wegzunehmen. Die Pioniere und Finanzwache überwältigten nach kurzem, aber heftigem Kampf die an Zahl überlegenen serbischen Schiffsbesatzungen, setzten sich in den Besitz der Schiffe und deren gefährliche Ladungen und liehen sie von zwei Donaudampfern wegschleppen.
Die österreichisch-ungarische Donauflottille.
Unsere neulichen Angaben über die österreichischungarische Donauflottille können wir nachträglich noch ergänzen: Die Flottille besteht, wie mitgeteilt, aus sechs Monitoren und sieben sogenannten Patrouillenbooten. Bon den Monitoren führen Temes und Bo- drop je zwei 12c;m-Schnellfeuerkanonen und eine 12cin-Haubitze, Szamos und Koeros je zwei 12em- Schnellfeuerkanonen, zwei 7cm-Schnellfeuerkanonen und zwei 8ivm-Maschinengewehre, Maros und Leitha je eine 12om-Schnellfeuerkanone, zwei 4,7niiv- Mitrailleusen und ein 8mm-Maschinengewehr. Die Patrouillenboote haben je ein Maschinengewehr. Die Monitors sind gepanzert, Temes und Vrodop haben noch über dem Oberdeck einen Schützenstand von 11,4 Meter Länge und 5 Meter Breite mit gewehrschußsichern Schutzwänden. Die Länge schwankt zwischen 56 und 50 Meter, die Breite zwischen 9,5 u. 8 Meter, der Tiefgang zwischen 1,2 und 1,1 Meter, die Be-
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satzung zwischen 77 und 57 Mann. Die Patrouillenboote sind fähig, in flache Nebenflüsse einzudringen.
Kaiser und Zar.
Berlin, 29. Juli. Die Nachricht, daß Kaiser Nikolaus an den deutschen Kaiser ein Telegramm gerichtet habe, wird mit dem Hinzufügen bestätigt, daß sich dieses Telegramm mit einer Depesche des Kaisers Wilhelm an den Zaren gekreuzt habe.
Deutsche Vorsichtsmaßregeln.
Die deutsche Flotte ist in ihre Heimathäfen zurückgekehrt und zwar die Nordseeschiffe gestern abend nach Wilhelmshaven und die der Ostsee heute früh nach Kiel.
Bitte um Frieden.
An den Minister des Aeußern, Grafen Berchtold, richtete das Internationale Friedensbureau folgende Depesche: Der durch die gegenwärtigen Ereignisse verursachten schmerzlichen Bewegung Ausdruck gebend, bitten wir Ew. Exzellenz dringend, die Möglichkeit einer friedlichen Beilegung des Konfliktes nicht end- giltig von der Hand zu weisen und die noch strittigen Punkte dem Entscheid des Internationalen Schiedsgerichtes in Haag oder der Großmächte zu unterbreiten.
Berlin, 29. Juli. Die „Nordd. Allg. ZA" schreibt: Wie bekannt, werden von dem Berliner Polizeipräsidium die öffentlichen Umzüge, die während der letzten Tage unter den Linden und in anderen Straßen stattgefunden hatten, nicht mehr zugelassen. Die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit dieser Maßregel hat sich gestern -abend erwiesen, wo die beabsichtigten sozialistischen Straßendemonstrationen durch rechtzeitige Absperrungsmaßregeln im wesentlichen verhindert wurden. Es ist selbstverständlich, daß sich das durch Verkehrsrücksichten veranlaßte polizeiliche Verbot auch auf die patriotischen Umzüge der letzten Tage erstrecken mußte, so erfreulich diese Aeußerungen von Vaterlandsliebe an sich auch sind.
Tübingen, 29. Juli. Eine patriotische Kundgebung fand auch heute nacht hier statt, Ein großer Zug, der sich aus Studenten und anderen Teilneh- dern zusammensetzte, bewegte sich unter fortwährendem Absingen patriotischer Lieder nach dem Uhland- denkmal und von da zur Neckarbrücke, wo das Würt- kemberger-Lied erschallte und am Eberhardsdenkmal eine vaterländische Ansprache gehalten wurde. Ein weiteres bezeichnendes Vorkommnis ereignete sich gestern laut Tüb. Chronik in der Herrenbergerstraße. Als nachmittags gegen 5 Uhr unser Bataillon von einer Felddienstübung beimkehrte, wurde den Soldaten von den dort wohnenden Weingärtnern Most und Brot spendiert; die Haustöchter ständen an Tischchen und schnitten das Brot, zugleich die nasse Labe im Ueberfluß darreichend.
Petersburg, 29. Juli. Gestern nachmittag wurde auf Anregung der Vereinigten Slavischen Gesellschaft in der Kathedrale von Kasan eine Messe zelebriert, der der serbische Gesandte Spalaikowitsch und die Mitglieder der serbischen Gesandtschaft beiwohnten. Nach der Messe bildete sich aus hauptsächlich der Intelligenz angehörenden Personen ein nach tausenden zählender Zug, der sich unter Ab- singung der Nationalhymne und mit Hochrufen auf Serbien über den Newskiprospekt bewegte. Vor der serbischen Gesandtschaft wurden Reden gehalten und vor der französischen Botschaft Hochrufe auf Frankreich und England ausgebracht.
Paris, 28. Juli. Die in Urlaub befindlichen Soldaten haben schon gestern den Befehl erhalten, unverzüglich in ihre Garnisonen zurückzukehren.