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>Altensteig. Montag den 23. Aull 1932

85. Jahrgang

Ae EtaatscelMlage la Leipzig

Entscheidung erst am Montag Neue Formulierung des preußischen Antrages

Leipzig, 23. Juli. Vor dem Staatsgerichtshof begann am i Samstag vormittag um 11 Uhr die Verhandlung über die von den vormaligen preußischen Staatsministern gegen die deutsche Reichsregierung beantragte einstweilige Verfügung, durch die dem von der Reichsregierung eingesetzten Reichskom- ' missar auserlegt werden soll, sich jeder Dienstausübung zu ent­halten. Durch diese einstweilige Verfügung soll die öffeniliche Verwaltung in Preußen eine vorläufige Regelung finden, dis , über die Klage der ehemaligen preußischen Regierung auf Fest­stellung der Verfassungswidrigkeit der Einsetzung eines Reichs- s kommissars in Preußen vom Staatsgerichtshof entschieden ist. s

Leipzig, 21. Juli. Der Staatsgerichtshof unter Führung des ! Vorsitzenden, des Reichsgerichtspräsidenten Dr. Bumke, erklärte, ^ es bandle sich ausschließlich um den Erlaß einer einstweiligen : Verfügung. Berichterstatter, Reichsgerichtsrat Schmitz, machte zunächst Mitteilung von dem Inhalt der Verordnung des Reichs- i Präsidenten vom 20. Juli und von Sem Antrag der preußischen > Regierung auf Erlab einer einstweiligen Verfügung, lieber den > Hauptantrag, daß nämlichdie Einsetzung des Reichskommissars s als mit den Bestimmungen der Reichsverfassung nicht in Ein- s klang stehend zu bezeichnen sei", könne selbstverständlich nicht s verhandelt werden. Trotzdem aber müsse der Hauptantrag in ' seinen wesentlichen Erundzügen vorgetragen werden. Der Streit s zwischen Preußen und dem Reich drehe sich darum, ob die Ein- i setzung eines Reichskommissars mit dem Artikel 48 der Reichs- s Verfassung in Einklang stehe. !

In dem Klageantrag werden dann der Begriff der laufenden s Geschäfte dargelegt. Dieser Teil der Sachdarstellung kommt zu s dem Schluß, daß auch ein zurücktretendes Staatsministerium alles s das zu tun habe, was das Wohl des Staates erfordere. Dazu f gehört nach Ansicht des klagenden Staatsministeriums auch die s Abwendung alles dessen, was eine verfassungsmäßige Regierung t des Landes auszuschalten geeignet sei. Zur Sache selbst sei zu ! sagen, daß der Reichskommissar nach Ansicht der klagenden preu- i bischen Regierung zu Unrecht auf Grund des Artikels 18 der k Reichsverfassung eingesetzt wurde. Weder der erste noch der zweite I Absatz dieser Bestimmung der Verfassung träfen hier zu. r

Ministerialdirektor Dr. Brecht überreichte eine Neuformulie» s rung des Antrages auf Erlab einer einstweiligen Verfügung, < in die nunmehr auch die von den Regierungen Badens und ^ Bayerns zum Ausdruck gebrachten Wünsche hineinsearbeitet z find. Danach soll der Staatsgerichtshos die durch Verordnung j vom 20. Juli und durch ihre Durchführung entstandene rechtliche ! und tatsächliche Lage im Wege der einstweiligen Verfügung re- z geln und dabei insbesondere bestimmen, daß der Reichstemmis- sar bezw. die von ihm ernannten kommissarischen Minister sich s nicht als Mitglieder der preußischen Sraatsregierung bezw. als ? pr-ußische Staatsminister bezeichnen dürfen. s

Die Begründung des Klageantrages macht dann. ? so sagte der Berichterstatter weiter, die Einwände gegen das r Vorgehen der Reichsregierung im einzelnen geltend. Gegen die s Gefährdung von Sicherheit und Ordnung sei von Vientzen mit ^ allen zur Verfügung stehenden Mitteln eingeschritten worden Z mit dem Erfolge, daß die Eefährdnung als vermindert zu er- Z achten sei. Die Einsetzung des Reichskommissars könne nicht ß als nötig angesehen werden. Die Regierungsakte des Reichs- i kommissars hätten keinen Anspruch auf rechtliche Beachtung, daß ! sich aber aus widersprechenden Anordnungen von Reichskom- § missar und bisheriger Staatsregierung gefährliche Verwick- k lungen ergeben könnten. Reichsgerichtspräsident Bumke verlas ? dann die Telegramme Bayerns und Badens und bemerkt, daß die ; in dem badischen Telegramm enthaltene Stelle:der Staats- - serichtshof möge feststellen, daß das Reich nicht berechtigt sei, ? eine Länderregierung endgültig ihres Amtes zu entkleiden, weder ^ dauernd noch vorübergehend", nicht ganz verständlich sei. Zu > der Angelegenheit der Telegramme der genannten Länderregie- f rungen erklärte der Reichsgerichtspräsident, diesen Regierungen f sei anheimgestellt, gemäß der Geschäftsordnung des Staats« ? gerichtshofes entsprechende Anträge einzureichen. s

Der Reichsgerichtspräsident fuhr dann fort: -

Nun besteht für die Oeffentlichkeit und auch für die beiden ! Streitteile ein ganz besonders großes Interesse daran, daß die s Entscheidung so bald wie irgend möglich getroffen werden kann. - Die Eeschäftsordnungsbestimmungen des Staatsgerichtshofes ! können aber nicht nach jeder Richtung übergangen werden, wenn ^ >nan auch vielleicht auf verschiedene Schriften der Geladenen ! verzichten kann. Es ist bei einer großen Sache unbedingt not- ! wendig, daß jedes einzelne Mitglied des Staatsgerichtshofes über i die Sachlage ganz genau unterrichtet ist. -

Als Dr. Bumke dann die Frage der Zuständigkeit l des Gerichtshofes aufwirft, wollte von den Parteien niemand ! das Wort ergreifen. Er fuhr dann fort, es sei strittig, ob ! der Staatsgerichtshof einstweilige Verfügungen erlassen könne, j Der Staatsgerichtshof selbst stehe aber auf dem Standpunkt, daß t , dazu befugt sei. Nur habe die preußische Regierung aber leibst bisher auf dem Standpunkt gestanden, der Staatsgerichts-

Nas Ergebnis ber Anberkeastrenr in Stuttgart

Stuttgart, 24. Juli. In der Konferenz der Minister­präsidenten der Länder, die am Samstag unter dem Vorsitz des Reichskanzlers in Stuttgart tagte, wurden die wichtig­sten Fragen der auswärtigen und inneren Politik in vertraulicher eingehender Aussprache, an der sich alle Minister und Ländervertreter beteiligten, erörtert. Die Konferenz nahm mit Befriedigung von der Zuficherung Kenntnis» daß die Reichsregiernng durchaus auf förderali- stischem Boden stehe und die Rechte der Länder in keiner Weise antasten wolle. Der Reichskanzler betonte, daß die notwendig gewordene Einsetzung eines Neichskommissars in Preußen nur eine vorübergehende Maßnahme darstelle. Eine Ausdehnung dieser Maßnahme auf die anderen Länder komme nicht in Frage, weil nach Ansicht der Reichsregie­rung in den anderen Ländern Ruhe und Ordnung sicher­gestellt sind. Er erklärte namens der Reichsregierung aus­drücklich, daßdieReichstagswahlenprogramm- mäßigam31. Juli stattfinden werden. Die Reichs­regierung hofft, den Ausnahmezustand in Berlin und Bran­denburg in den nächsten Tagen aufheben zu können. Soweit von den Ländern Bedenken gegen die Maßnahmen der Reichsregierung vorgebracht wurden, anerkannte der Reichs­kanzler dankbar deren fachliche Vertretung. Reichsregierung wie alle Länderregierungen waren sich darin einig, daß die Autorität der Reichsregierung und der Län­derregierungen ungeschmälert aufrecht erhal­ten werden müsse. Zu diesem Ziel ist ein vertrauensvolles Zusammenarbeiten zwischen Reich und Ländern beiderseits anerkannte Notwendigkeit.

Nach der Länderlonferenz. Ruhigere Auffassung in den Länder» Fortsetzung der Beratung des Arbeitsbeschaffnngsprogramms

Berlin, 24. Juli. Wie wir erfahren, werden der Kanz­ler und die beiden Minister, die ihn nach Stuttgart be­

gleitet hatten, im Laufe des morgigen Tages ihre Kollegen im Zusammenhang mit anderen Besprechungen über die Länder­konferenz unterrichten. Entgegen der von anderer Seite ge­äußerten Ankündigung hat heute noch keine Kabinettssitzung stattgefunden.

Der Eindruck, der in Berliner politischen Kreisen nach der Rückkehr aus Stuttgart besteht, ist der eines un­verkennbaren größeren Fortschritts zu weiterer Beruhigung und Entspannung der i nn e r pol it i s ch en Situ­ation. Die Ländervertreter haben ihre Bedenken offenbar nicht so sehr gegen die Tatsache eines Reichskommissars an sich gerichtet, sondern vor allem gegen die Absetzung aller preußi­schen Minister. Der Kanzler und der Reichsinnenminister dürf­ten den Ländervertretern aber überzeugend dargelegt haben, daß nach der Art, wie die Mitglieder der früheren preußischen Re- gieung auf die ersten Maßnahmen des Reiches reagierten, ein anderer Weg gar nicht möglich war. Auch die übrigen Aufklä­rungen, die die Vertreter der Reichsregierung denen der Län­der gegeben haben, dürften zweifellos die Wirkung haben, daß die durch die preußischen Ereignisse ausgelöste Spannung zwi­schen Reich und Ländern schon am Ende derselben Woche, in dev sich diese Vorgänge abspielten, einer ruhigen und verständnis­bereiten Beurteilung der Situation von allen Seiten gewichen ist.

Am Montagnachmittag wird der Kanzler nun auch dem lleberwachungsausschuß des Reichstags Antwort stehen. Es ist anzunehmen, daß die formulierten Fragen, die der Staatssekre­tär der Reichskanzlei in seinem Auftrag erbeten hat, inzwischen eingetroffen sind, so daß auch die Sitzung in diesem Ausschuß verhältnismäßig schnell abgewickelt werden kann. Wesentliche praktische Ergebnisse oder Entscheidungen sind natürlich von ihr nicht zu erwarten.

Am Dienstag wird das Reichskabinett seine Beratungen über die wirtschaftlichen Fragen, namentlich über das Problem der Arbeitsbeschaffung wieder aufnehmen. Es ist ja bereits be­kannt geworden, daß sich die Fertigstellung des Programms durch die preußischen Dinge so verzögert hat, daß seine Veröffentlichung vor den Wahlen kaum noch möglich sein dürfte. Das Reichs­kabinett will aber auch in dieser letzten Woche vor dem Wahl­termin alle verfügbare Zeit ausnützen, um sobald wie möglich auch auf diesem Gebiet zu praktischen Ergebnissen zu gelangen.

Hof könne einstweilige Verfügungen nicht erlaßen. Es liege nun an der klagenden preußischen Regierung, zu erklären, auf Grund welcher Umstände sie ihren Standpunkt geändert habe.

Professor Peters nahm' dann dos Wort ru prozebrechtlichen Ausführungen über einstweilige Verfügungen, die durch den Staatsgerichtsof erlassen werden können.

Ministerialdirektor Dr. Gottheiner erklärte dann, daß die Reichsregierung zwar auf prinzipiell abweichendem Standpunkt stehe, daß sie aber ohne Präjudiz sich mit Der Zurückstellung der Entscheidung über die Frage der Aktivlegitimation der Frak­tionen (es bandelt sich um die Klagen der preußischen sozial­demokratischen Fraktion und der Zentrumsfraktion), sowie über die Frage der Zulässigkeit einstweiliger Verfügungen durch den Staatsgerichtshos einverstanden erkläre.

Der preußische Standpunkt

Ministerialdirektor Dr. Brecht legte dann den Standpunkt der ehemaligen preußischen Staatsregierung mündlich im ein­zelnen dar. Es sei bei dem Vorgehen in Preußen zu unterschei­den zwischen der Verhängung des militärischen Ausnahmezustan­des, der nur scheinbar der Sicherung von Ruhe und Ordnung habe dienen sollen, in Wirklichkeit aber die Durchführung der zweiten Maßnahme, nämlich der Einsetzung des Reichskom­missars mit besonderen Vollmachten habe sicherstellen sollen. Zu den Vollmachten des militärischen Bevollmächtigten gehörten keineswegs die Absetzung und Ernennung von Staatsministern.

Der Standpunkt der Reichsregieruug

Nach der Mittagspause brachte Ministerialdirektor Gott- Heiner den Standpunkt der Reichsregierung gegenüber dem Antrag der abgesetzten preußischen Regierung dahin zum Aus­druck: Wenn die Einsetzung des Reichskommissars sich im Rah­men der verfassungsmäßige Befugnisse des Reichspräsidenten bewegt und das scheint die preußische Regierung eigentlich an­zuerkennen, so würde die einstweilige Verfügung, daß dieser Reichskommissar sich jeder Amtshandlung enthalte, einen Ein­griff in die verfassungsmäßigen Rechte des Reichspräsidenten bedeuten. Außerdem stehe der Antrag auf Erlaß einer einst­weiligen Verfügung in unlöslichem Zusammenhang mit der Hauptsache und eine einstweilige Verfügung darf nach der stän­digen Rechtsprechung des Staatsgerichtsbofes nicht erlaßen wer­den. Schließlich sei hinsichtlich der zweiten Fassung des Antrages, die während der Verhandlungen vorgelegt wurde, festzustellen, daß der Vertreter des Reiches vor allem Zeit rur Durcharbeitung dieses zweiten Antrages verlangen muß.

Ein Gutachten von Anschütz

Im weiteren Verlauf der Verhandlung vor dem Staats- gerichtsbof verlas Ministerialdirektor Dr. Badt ein Gut­achten, das der Heidelberger Professor An schliß, der be­kannte Kommentator der Reichsverfassung, für die klagende preußische Regierung ausgearbeitet bat. Darnach ist Anschütz mit sämtlichen Ausführungen der Klage, besonders auch ihren rechtlichen Darlegungen, einverstanden. Nach seiner Auffassung steht der Einsetzung des Reichskommissars nichts im Wege. Aber immer doch nur. wen die im Art. 48 angegebenen Voraussetzun­gen vorliegen. Es sei also 1. kein Grund zu der Anordnung der Reichsexekution vorhanden, 2. auch nicht zu den durch die Diktaturverordnung des Reichspräsidenten vom 20. Juli ange­ordneten Eingriffen in das Selbstbestimmungsrecht des preußi­schen Staates. Der Reichskommissar'habe äußersten Falles das Recht, den Mitgliedem der Regierung die Ausübung ihrer Amtsbefugnisse zu untersagen, nicht aber habe er das Recht, Mi­nister und andere Beamte rechtswirkjam abzusetzen und ihre Amtsnachfolger zu ernennen. Professor Eiese betonte namuns der Antragsteller, daß ein Vorgehen des Reiches grundsätzlich zwar zulässig gewesen sein könne, daß das Reich es jedoch ver­säumt habe, die Verfahrensooraussetzungen, nämlich die vorheri­gen anderweitigen Möglichkeiten einer Einwirkung auf Preu­ßen, zu beachten.

Am Montag Verkündigung des Urteils

Reichsgerichtspräsident Bumke erklärte, daß das Volk eine möglichst rasche Klärung der zur Verhandlung stehenden Streit­fragen verlangen könne. Er bat um eine genaue Auslegung der Bedeutung eines neuen Antrages der preußischen Vertreter und zwar zu Ziffer 3 zu erhalten. Insbesondere wolle er wissen, ob die Möglichkeit bestehe, bei einer Art Eewaltenteilung zu einer Einigung zu kommen.

Darauf erwiderte Gottheiner, an sich sei di« Sesbständig- keit Preußens im Rahmen des Reichsoerbandes nicht angetastet worden. Das habe auch der Reichskanzler erklärt. Aber der Reichskanzler habe die Befugnisse des preußischen Ministerpräsi­denten zugesvrochen erhalten. Es sei ganz unmöglich, prak­tisch eine Gewaltenteilung vorzunehmen. Hierauf wurde di« Sitzung geschlossen.

Reichsgerichtspräsident Dr. Bumte hat Termin zur Be«» kündung der Entscheidung des Staatsgerichtsbofes für da» Deutsche Reich in Sache« der früheren preußischen Regier««« gegen das Reich wegen Einsetzung eines Reichskoruwissars «tt dem Ziel des Erlaßes einer einstweilige» Verfügung auf Mo» tag, den 28. Juli, 1, Uhr, festgesetzt.