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Ser ReWkmrler vor »er Wrlhmste

England erwartet die deutsche Zahlungseinstellung - Pariser Freude über die Absage Tardieus

Notverordnung über Arbeitsbeschaffung

Abschließende Kabinettsberatungen nächste Woche

Reichskanzler Dr. Brüning wird nach seiner Rückkehr viel Arbeit vorfinden und dazu gehört auch die Er­ledigung der schon seit einiger Zeit geplanten neuen Notverordnung, die sich in zwei Teile glie­dert. Erstens sind in ihr die Maßnahmen zum Ausgleich des Fehlbetrags bei der Arbeitslosenfürsorge und der Invalidenversicherung enthalten, und zweitens befaßt sie sich mit der Arbeitsbeschaffung zur Linderung der Er­werbslosennot. Die Vorarbeiten sind soweit gediehen, daß das Reichskabinett nach der Rückkehr Brünings in der nächsten Woche in die entscheidenden Beratungen eintreten kann. Ueber den Inhalt der beiden Teile der kommenden Notverordnung erfahren wir: Durch die maßlose Wirtschaftskrise und riesige Arbeitslosigkeit wäh­rend des Winters beträgt der Fehlbetrag bei der Ar- beitslosenfürsorge rund Kllv Millionen und der Fehl­betrag bei der Invalidenversicherung 25V bis Lvv Mil­lionen RM. Die neue Notverordnung will nun bald­möglichst diese Unterbilanz beseitigen, und zwar in erster Linie durch eine gewisse Anpassung der Unterstützungs­sätze an die Wohlfahrtsunterstützung, je nach dem Teue­rungsindex, der Größe der Städte usw. Da damit der Fehlbetrag noch nicht beseitigt werden kann, wird vor­aussichtlich noch zu anderen Quellen gegriffen werden, um Deckung zu finden. Hierbei wird aber nach Ansicht aller informierten Krise auch weiterhin nicht an neue Steuern gedacht. Zu einer durchgreifenden Reform der ganzen Sozialversicherung, die einen konstruktiven Um­bau bedeuten würde, scheint man sich, nachdem schon so lange gezögert worden ist, auch diesmal aus politischen Gründen nicht entschließen zu können.

Der zweite, auf die Arbeitsbeschaffung gerichtete Teil der Notverordnung hat zum Ziele, über die saisonmäßige Entlastung des Arbeitsmarktes hinaus rund 4VV VVV Arbeiter mehr Beschäftigung finden zu lassen. Einschließ­lich der Familie würden davon schätzungsweise eine Million Menschen berührt werden. Im einzelnen ist be­sonders an die Förderung der ländlichen Siedlung und der städtischen Randsiedlung gedacht. Voraussichtlich will man zur Randsiedlung solche Personen heranziehen, die ohnehin Anspruch auf Rentenversorgung besitzen, und bei der ländlichen Siedlung sollen die Kosten für eine Stelle auf 6000 RM. gedrückt werden. Dabei ist an die billigste Beschaffung des Materials aus den staat­lichen Forsten usw. usw. gedacht. Der zweite Teil der Notverordnung wird auch einen starken Ausbau des frei­willigen Arbeitsdienstes bringen, und schließlich soll auch der gewerbliche Mittelstand gefördert werden, zumal durch verstärkte Hausreparaturen. Ueber die Finanzie­rung wird das letzte Wort noch zu sprechen sein; es ist noch nicht entschieden, ob man sich einer Auslosungs­anleihe bedienen will.

Zu dem Verordnungsentwurf über die 40-Stunden- Woche wird bekannt, daß alle Gruppen, für die die tO-Stunden-Woche angeordnet werden soll (Gruppe 2), auch in der Gruppe 1, die dem Genehmigungszwang für eine lleberschreitung der 48-Stunden-Woche unterliegen, enthalten sind. Dadurch will das Reichsarbeitsministe­rium offenbar erreichen, daß bei den Industriezweigen, die künftig der 40-Stunden-Woche unterworfen sind, die lleberstundenmöglichkeit beschränkt wird.

Keine Notverordnung über Neuregelung der Invalidenversicherung

Berlin, 28. Avril. Von unterrichteter Seite wird die Meldung, daß eine Neuregelung der Invalidenversicherung durch Notver­ordnung geplant ist, als unzutreffend bezeichnet. Die notwendi­gen Veränderungen der Invalidenversicherung sollen auf rein »arlamentarischem Wege im Reichsrat uud Reichstag vargenom- ««» werden.

Killer in Berlin

Berlin, 28. April. Der Führer der NSDAP., Adolf Hitler, ist am Donnerstag in der Reichshauptstadt ein­getroffen. Die Anwesenheit Hitlers in Berlin dürfte als Auftakt zu den Besprechungen, die in den nächsten Tagen beginnen, zu werten sein. Auch Prälat Kaas, der Parteiführer des Zentrums, trifft in diesen Tagen in Ber­lin ein zur ordentlichen Vorstandssitzung seiner Partei, auch zur Unterstützung des Reichskanzlers, der am Samstag in Berlin erwartet wird, bei der Führung der für Preußen und das Reich gleich wichtigen und bedeutsamen Verhand­lungen.

Genf, 28. April. Reichskanzler Dr. Brüning empfing heute abend die Vertreter der Weltpresse, um sich vor ihnen über seine Genfer Besprechungen zu äußern. Er erklärte einleitend, er sei nach Eens gekommen, nicht, um in die öffentliche Debatte des Hauptausschusses der Abrüstungs­konferenz einzugreifen, sondern um mit den führenden Staatsmännern der verschiedensten Nationen sich über die schwebenden wichtigen Fragen zu unterhalten. Er ver­spreche sich von solchen Unterredungen immer außerordent­lich viel, und auch diesmal sei der Boden für eine ganze Anzahl von Fragen geklärt worden. Er habe außerordent­lich bedauert, daß der französische Ministerpräsident er­krankt sei, zumal durch diese Erkrankung die Besprechungen in dieser Woche nicht fortgesetzt werden können.

Die deutsche Stellung in der Abrüstungsfrage habe sich nicht verändert. Deutschland halte an seinem Standpunkt der Gleichberechtigung und an der Notwendigkeit einer tatsächlichen Abrüstung fest. Darüber sei sich das deutsche Volk durchaus einig, so groß auch sonst die Parteiunter­schiede sein mögen. Der Reichskanzler betonte den Zusam­menhang der politischen und wirtschaftlichen Fragen, die gegenwärtig die Welt bewegen und wies daraus hin, daß man auch in der Reparationsfrage den Tatsachen ins Ge­sicht sehen müsse. Es handle sich nicht nur um wirtschaft­liche und technische Dinge, sondern darum, die psychische Grundlage für ein größeres Vertrauen der Völker zu schaf­fen. Man sollte sich nicht dadurch entmutigen lassen, daß die Dinge nicht so schnell gelöst werden können, wie man es wünschen möchte. Die Tatsachen hätten ein ganz außer­ordentlich schnelles Tempo angenommen und ihm müsse sich auch das Tempo der Beratungen anpaffen, wenn die Lösun­gen nicht zu spät kommen sollten.

Der Reichskanzler warnte vyr einer zu langsamen und nicht völligen Lösung der angedeuteten Fragen. Deutsch­land wisse, daß die Probleme nicht allein von Deutschland gelöst werden können, und daß eine internationale Zusam­menarbeit und insbesondere die Mitarbeit Frankreichs heute notwendiger sei denn je. Man müsse heute Schluß machen mit dem Zwischenzustand zwischen Krieg und Frie­den und zu einem wirklichen, auf freier Verständigung be­ruhenden Frieden gelangen. Man dürfe nicht vergessen, daß die erregte politische Stimmung in Deutschland zu einem ganz großen Teil zurllckginge auf die wirtschaftliche Not, die auf dem deutschen Volk lastet und darauf, daß Deutschland in allgemeinpolitischer Hinsicht allzuviele Ent­täuschungen zugemutet worden sind. Das deutsche Volk, so betonte der Reichskanzler zum Schluß, sei in jeder Be­ziehung ein friedliebendes Volk und von der Notwendigkeit der internationalen Zusammenarbeit überzeugt. Diese Haltung werde ihm aber erleichtert werden, wenn man ihm Gerechtigkeit widerfahren kaffe und ihm in schwierigen Augenblicken Hilfe leistet. Dann werde Deutschland ein starker Garant des Weltfriedens sein.

Wiederaufnahme der unterbrochenen Genfer Besprechungen nach Pfingsten?

Genf, 28. AprÜ. Aus Konferenzkreisen verlautet, daß man auf englischer Seite mit einer Wiederaufnahme der jetzt unterbrochenen Staatsmännerbesprechungen über die A'brüstungsfrage nach Pfingsten, und zwar am 18. Mai, rechnet.

Deutschland nimmt die Einladung zur Lausanner Konferenz an

Berlin, 28. April. Wie wir erfahren, hat die Reichs­regierung die durch die britische Botschaft übermittelte Ein­ladung zur Lausanner Konferenz am 16. Juni angenom­men. Die Reichsregierung hat sich gleichzeitig damit ein­verstanden erklärt, daß die Einladung der kleineren Staa­ten durch die britische Regierung erfolgt.

England erwartet dte deutsche zahlungseinttelllmg

London, 28. April. Macdonalds Versuch, die Abrüstungs­konferenz über den toten Punkt hinwegzubringen, wird in England warm begrüßt. Die informatorischen Unterhaltun­gen der führenden Staatsmänner über die Reparations­frage werden gleichfalls stark beachtet. Man weist darauf hin, daß der Berater des englischen Schatzamtes, Sir Frede- rik Leith-Roß, eine lange Unterredung mit dem Reichskanz­ler gehabt hat. Bei dieser Gelegenheit fei nochmals erwähnt, daß die britische These nach wie vor ans eine völlige Strei­

chung der Kriegsschulden und Reparationen lautet. In ein- geweihten Kreisen Londons gibt man sich jedoch wenig Il­lusionen darüber hin, daß diese These von Frankreich ange­nommen werden könnte.

Unter diesen Umständen ist es wichtig, zu wissen, daß eng­lische Regierungskreise als letzte Lösungsmöglichkeit für Lausanne eine glatte deutsche Zahlungsverweigerung ius Auge fassen, die natürlich nicht die Form einer Verweige­rung haben dürfte, sondern die Unfähigkeit zur Zahlung weiterer Reparationen Nachweisen müßte. Man verhehlt sich hier zwar nicht, daß diese Lösung ungünstigere psychologische Folgen für die Weltwirtschaft haben würde, als eine wirk­liche Verständigung, aber man sagt sich, daß auch sie eine Entschlossenheit darstellen würde, da dann kein vernünftiger Mensch mehr mit einer Wiederaufnahme der Zahlungen rechnen könnte.

Pariser Freude über die Absage Lardieus

Paris, 28. April. Die Unpäßlichkeit Tardieus, die die ge­plante Konferenz zwischen Brüning, Macdonald, Tardieu, Stim- son und vermutlich auch Grandi unmöglich gemacht bat, wird von den Sonderberichterstattern der Pariser Presse in Genf dazu benutzt, den Plan Macdonalds und Stimsons zu baga­tellisieren. Nach Ansicht des Außenpolitikers des «Petit Parisien" könne man in Genf innerhalb eines Tages unmöglich zu einem konkreten Ergebnis gelangen, und Frankreich habe am Vor­abend seiner Wahlen sich auch nicht für Lösungen entscheiden können, für die es sämtliche Kosten würde tragen muffen.

Der Außenpolitiker des «Echo de Paris- ist darüber erfreut, daß Tardieu infolge seiner Indisposition nicht nach Genf zn kommen brauche, weil er doch nur in die Isolierung gedrängt worden wäre und man von ihm Konzessionen verlangt hätte, ohne irgend eine Gegenleistung zu bieten. Auf diesen Ton find sämtliche aus Genf abgestellt.

Aussprache im Genfer MarineausichO

Französische Ausfälle gegen Deutschland

Genf, 28. April. Im Marineausschuß der Abrüstungskonferenz wurde die allgemeine Aussprache über die Osfensivwaffen mit einer, großen Rede des früheren französischen Marineminister» Dumont abgeschlossen, der mit Nachdruck betonte, daß das we­sentliche nicht die Abschaffung bestimmter Waffen, sondern ihr« Reglementierung sei. Die geringste Bedrohung der Zivilbevöl- kerung stelle das Unterseeboot dar. Wenn im Weltkriege zahl­reiche Handelsschiffe der llnterseebootwaffe zum Opfer gefallen seien, so sei dies eben ein Mißbrauch dieser Waffe gewesen. Bei den Linienschiffen und den Kreuzern zeige sich am deutlichsten, daß man den Offensiv- oder Defensiocharakter eines Schiffes nur nach den der modernen technischen Entwicklung entsprechende» Kriterien beurteilen könne. Er fasse den französischen Stand, »unkt dahin zusammen, daß Frankreich mit England, den Ver­einigten Staaten und Italien über die Beibehaltung der Linien­schiffe einig sei. Frankreich befürworte, insbesondere auch aus finanziellen Gründen, eine Verlängerung der Lebensdauer und eine Beschränkung der Tonnage. Ebenso wie Italien halte er di« Abschaffung der U-Bote nur gleichzeitig mit der Abschaffung der Linienschiffe für möglich.

Die Rede des französischen Delegierten enthielt einige nicht zur Sache gehörige Ausfälle gegen Deutschland, auf die de» deutsche Delegierte Freiherr von Rheinbaüe« sofort erwiderte. Freiherr von Rheinbaben griff die auch von Dumont erwähnte« vier Invasionen, die Frankreich im letzten Jahrhundert zu er­leiden gehabt habe, auf, um dazu zu bemerken, daß der Ausschuß keine historischen Probleme zu lösen habe. Ueberdies seienge­wissen Invasionen", insbesondere diejenigen in der napoleoni- schen Zeit, Angriffe von französischer Seite vorausgegangen, di« zu den größten der Geschichte gehörten. Wenn der französische De­lirierte es für notwendig gehalten habe, vom Mißbrauch be­stimmter Waffen im Weltkriege zu sprechen, so sei darauf zu er­widern, daß im Kriege bei fast allen Armeen Mißbräuche vor­gekommen seien. Freiherr von Rheinbaben appellierte schließ­lich an den französischen Delegierten, derartige Punkte im In­teresse einer gedeihlichen Weiterberatung nicht zur Erörterung zu stellen.

Die Rückkehr des Reichskanzlers aus Genf Berlin, 28. April. Reichskanzler Dr. Brüning verläht, wie verlautet, morgen Genf und wird Samstagvormittag wieder in Berlin eintreffens