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Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Lalw. 89 . Jahrgang.

Nr. ^69

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Erscheinungsweise: 6 mal wöchentlich. Anzeigenpreis: Im Oberamts- -«irkTalw für die einspaltige Borgiszeile 10 Pfg.. außerhalb desselben IL Psg.. Kettamen 25 Pfg. Schlug sür Jnseratannahme 10 Uhr vormittags. Telefon S.

Samrtag, -rn N J-li

Bezugspreis: In der Stadt mit Trägerlohn Mk. 1.25 vierteljährlich. Post­bezugspreis für den Orts- und Nachbarortsverkehr Mk. 1.20. im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg-, in Bayern und Reich 42 Pfg.

Amtlich» Bekanntmachungen.

§. Oberamt Lalw.

Auf die imGewerbeblatt aus Württemberg" Nr. 27 erschienene Bekanntmachung der K. Zentral­stelle sür Gewerbe und Handel vom 12. vor. Mts., betr. Beratungsstelle für das Baugewerbe, werden die Interessenten hieinit hingewiesen.

DasGewerbeblatt" kann bei den Herren Orts­vorstehern eingesehen werden.

Den 8. Juli 1914.

Regierungsrat Binder.

Hochverrat.

Wie wir gestern kurz mitteilten, ist der Kunst­maler Jakob Walt; (Hansi) aus Kolmar i. Els. wegen Aufreizung zum Klassenhatz in Verbindung mit öf­fentlicher Beleidigung vom Reichsgericht in Leipzig zu einem Jahr Gefängnis verurteilt worden.

Die Anklage stützt sich auf den Inhalt eines BuchesMon Village", das Waltz vor einigen Mo­naten herausgegeben hat. Am 18. Mai beschäftigte sich das Landgericht Kolmar mit dieser Anklage, und der Staatsanwalt beantragte damals die Bestrafung des Angeklagten zu sechs Monaten Gefängnis und 1500 .N Geldstrafe. Das Gericht erklärte sich aber für .unzuständig, da das Buch hochverräterische Tendenzen aufweise, und verwies den Fall an das Reichsgericht. Das unter Anklage stehende Buch wird vom Verfasser alsWeihnachtsbuch für elsätzische Kinder" bezeich­net. Das ganze Buch ist aber nach Ansicht der An­klage von der ersten bis zur letzten Seite eine fort­gesetzte Aufforderung zur Revanche. Das Buch ist den Kindern Frankreichs gewidmet und trägt als Unter­titelDiejenigen.dienievergesse n". Auf dem Titelbild sieht man ein Mädchen in Elsäßer- tracht mit einem Topf Vergißmeinnicht in der Hand. Von der Gesinnung der elsaß-lothringischen Bevölke­rung wird gesagt:Der schreckliche Krieg und die grausame Annexion haben unser glückliches Leben auf den Kopf gestellt. Im ganzen Elsaß findet ihr Kin­der, die nichts lieber spielen als französische Soldaten, stolze junge Burschen, die ihren Nacken nicht beugen wollen, und alte, die es sich zur höchsten Ehre anrech­nen, in Frankreich Soldat gewesen zu sein." Auf einem Bild kommen Störche im elsätzischen Dorf an. Der Text sagt:Es sind Leute ins Elsaß gekommen, die uns sagten: Es gibt nichts Schönes, Gutes, Nütz­liches, das nicht von jenseit des Rheins kommt." Das Buch ist in französischer Sprache geschrieben. Sehr schlecht kommt in ihm die deutsche Schule weg. Der Lehrer lehrt seine Kinder nur die patriotischen Lie­der gründlich, sonst nichts. Ein Bild zeigt den elsäßi- schen Lehrer in der Schule. Er liest den Kindern aus dem BuchKaiser Wilhelm" vor. In dem Buch fin­det sich folgende Stelle:Wenn wir auch nieder­gedrückt sind durch das brutale Gesetz der Eroberer, so scheint es doch, daß die Ungerechtigkeiten zu schwer, die Leiden zu groß sind, als daß sie ewig dauern könnten. In den Ohren hören wir immer denSchwur unserer Väter, unser Recht "ls Elsaß-Lothringer zu verlangen und Glieder der französischen Nation iubleiben. Das schönste Fest für die Elsäßer ist das französische Nationalfest. Da fahren alle nach Aenzig und abends, wenn der Gendarm schon schläft, kehren sie zurück. Dann tragen die Wagen franzö- wche Fahnen. Das elsätzische Dorf liegt da in der vtille der Nacht. In der Ferne hört man die Kano­nen einer deutschen Festung. Das sind die Kanonen von Vitsch. Unsere Dränger wissen, daß nur das Eisen das bewahren kann, was sie sich mit dem Eisen er-

haben. Aber der an Frankreich glaubende El- >Mr hört auch das Echo einer französischen Kanone und >agt sich, drüben auf der andern Seite der Grenze wacht man auch." Die deutschen Touristen gehen als Hochnäsige Parvenüs arrogant durchs Dorf, um so ver­

gessen zu machen, woher sie gekommen sind. Sie brummen fortwährend und haben an allem zu radeln. Sie stören die Harmonie der Landschaft durch ihre Geschmacklosigkeiten. Anders geben sich die französi­schen Touristen im Dorf: Sie kommen im Automobil, und es ist ein Vergnügen, sie zu sehen. Sie sind ele­gant und geschmackvoll gekleidet. Sie sagen beson­ders: Auf Wiedersehen! Unsere Kinder bekommen von ihnen Schokolade und sehen dann mit Trauer die Automobile der Besucher der Freiheit zufliegen. Sie sollten oft kommen und uns ihre Bücher und Zeitun­gen mitbringen. Die kleinen Elsäßer lieben die Franzosen instinktiv und würden sie noch mehr lieben/ wenn sie sie noch mehr sähen." Nicht einmal die Kirmes kann im Dorfe ohne Gendarmenaus­sicht gefeiert werden. An einer Stelle heißt es:Die elsäßischen Kinder geben sich das Wort, daß sie beim Kaiserhoch nur scheinbar den Mund öffnen. Wehe dem Feigen, der sich erlauben würde, mit den Wölfen zu heulen. Am Kaiserfest ist es gelungen. Wenn die maskierten" deutschen Herren vom Festessen kom­men, dann hat dieses ganze Herrenvolk Mühe, im Gleichgewicht zu bleiben. Bis spät in die Nacht er­schallen die düstern Kaiserhochs gleich dem Schrei der Raubtiere" usw. Von In­teresse ist noch, daß vor einigen Tagen die Academie Franyaise dem Angeklagten einen Preis von 1000 Franken zuerkannt hat.

In der Begründung des Urteils führte der Vor­sitzende u. a. aus, daß lediglich das Buch des Ange­klagten den Gegenstand der Anklage bilde. Der An­geklagte habe die Bevölkerung zweier Länder gegen­einander gehetzt. Er habe mit einem Kriege gerech­net und auch den Krieg gewollt. Das Vergehen des Angeklagten sei deshalb um so schwerer, als gerade zur damaligen Zeit eine große Gereiztheit unter der elsäßischen Bevölkerung herrschte und schon der ge­ringste Anlaß genügt hätte, um Gewalttätigkeiten herbeizuführen.

Stadt, Bezirk und Nachbarschaft.

Calw, den 11. Juli 1914.

Gastspiel des städtischen Kurtheaters Bad Liebenzell

in Calw.

Mit dem Schauspiel, mit welchem das Lieben­zeller Kurtheater seine diesjährige Spielzeit in Lie­benzell eröffnete, mit Henry BernsteinsDas Geheimnis", kam es gestern auch zu uns herauf, um einen Antrittsbesuch für dieses Jahr zu machen.

Das spannende Werk wurde unter von Akt zu Akt sich steigerndem Beifall gespielt. Nicht nur das Stück selbst fesselte mit dem Fortschreiten der Hand­lung mehr und mehr, sondern die Darsteller auch fan­den sich nach und nach zu einem einheitlichen, vor­nehm und geschmackvoll durchgeführten Spiel, das an die besten Vorstellungen des Ensembles erinnerte. Ueber den Inhalt des Stücks haben wir uns an die­ser Stelle schon ausführlich verbreitet. In seinem Mittelpunkt steht ein geheimnisvolles, sonderbares, unglaubliches Weib, das in seiner Laune, die Krank­heit ist, zwei Leben lebt: ein offen vor Augen lie­gendes, ideales, reiches und ein satanisches, in dem es mit einer schauderbaren Raffiniertheit an der Ver­nichtung des Glücks ihrer Nächsten arbeitet. Und warum? Nun, sie konnte deren Glück nicht er­tragen! Mit diesem Geständnis enthüllt sie das Nat- terhafte, das Geheimnisvolle ihres Wesens. Oder eigentlich macht es nur erst geheimnisvoller. Denn das Fragen hebt jetzt erst an: Eibls solche Rät­selweiber? Die Antwort auf diese Frage wird jeder­mann mehr oder weniger unter dem Einfluß seiner eigenen Erfahrungen geben. Die Möglichkeit solcher Naturen kann nicht bestritten werden, aber Verallge­meinerung wäre falsch. Unabhängig von dem Wesen der geheimnisvollen Gabriele Jannelot das Stück selbst und seine Entwicklung beurteilt, ist zu sagen,

daß der Schluß absolut nicht befriedigt. Line so rühr­selige Versöhnungskomödie, wie sie da Constant Jan- nelott mit seiner Gattin, die jahrelang hinter seinem Rücken log und trog, auffllhrt, widert geradezu an. Insofern scheint uns, ist Herr Constant Jannelot mo­ralisch ein recht armer Tropf, als er es nicht einmal über sich bringt, sich dieses Weib vom Halse zu schaf­fen. Auf diese Lösung wartet man sehnsüchtig. Aber der Dichter läßt einem hier nur die Möglichkeit, an­zunehmen: Alles verstehen, heißt alles verzeihen. Ge­heimnis über Geheimnis!

Die 56 oder 60 Zuhörer hatten, wenn das Bild 'gebraucht werden darf,unter dem leeren Saal schwer zu leiden". Auf den Hinteren Plätzen war es unmög­lich, die auf der Bühne sprechenden Personen zu ver­stehen und so etwas beeinträchtigt den Genuß einer Dichtung außerordentlich. Anfänglich hatte man auch den Eindruck, als seien die Schauspieler gewohnt, nur vor vollen Häusern zu spielen und zu reden, wo, wie man weiß, große Aufwendungen von Sprach kraft nicht nötig sind. Ueber das Spiel der einzelnen Dar­steller sei nur kurz noch gesagt, daß sie, von kleineren Unausgeglichenheiten abgesehen, nach besten Kräften ihren Aufgaben gerecht wurden. Ebenbürtig in der Qualität der Auffassung und des Spielens waren sich Willi Meinberg und Anny Hohen­feld (Constant und Gabriele Jannelot),- Trude Blagnies als Henriette, Wulf Haidyl als Denis le Guenn, Jda Gantier als Tante Clo- thilde und Günther F a b i a n als Ponta Tulli waren mit Begeisterung und Liebe bei ihren Rollen, sodaß deren Vertretung ihnen überzeugend gelang. Es ist aufrichtig zu wünschen, daß die nächstfolgenden Gast­spiele des Kurtheaters die Calwer nicht so theater­gleichgültig treffen;Puppchen" war seinerzeit aus- verkauft!

Sünntagsgcdanken.

Ohne Einsamkeit und Stille gibt es keine tiefe, dauernde Erholung unserer Seele von der Zerstreu­ung des Alltags. Wir brauchen stets neue Kraft, neue Liebe, neue Freude und wenn wir die ge­wonnen haben, dann haben wir uns erholt!

Ehr. Geyer.

Wir brauchen Zeiten, in denen wir mit uns selbst allein sind. Eine Woche oder zwei tun oft geradezu Wunder. Aber auch die einfache Gewohnheit, jeden Tag eine ganze oder nur eine halbe Stunde unsere tägliche Arbeit zu verlassen und alleinin die Stille zu gehen", was wahrhaftig ein einfache Sache ist, wäre für ungezählte Menschen eine Quelle unschätz­baren Gewinns. R. W. Trine.

Ein in sich beruhigter Mensch wie einfach klingt das! Aber es ist Kraft, es ist Errungenschaft. Das Mittelalter hatte seine Klöster, eine ideal ge­dachte Möglichkeit zur Sammlung und Einkehr. Die Klassiker empfehlen die Einkehr in das innere Klo­ster: in dasstillere Selbst". Das Mittel ist neben­sächlich, das Ziel ist die Hauptsache: der gefestigte in­nere Zustand. Fr. Lienhard.

Jeder suche zum Kranze bescheiden, was von Blumen er finden mag.

Jugend verblühet,

Freude entfliehet;

Lebe! Halte! Doch lauf nicht nach!

_ E. M. Arndt.

ep, Kirchliches. Die im Kalenderjahr 1913 zur Unterstützung inländischer Kirchengemeinden bei ihrem Kirchenbauwesen veranstalteten allgemeinen Kirchenkollekten haben zusammen die Summe von 52 249 Mark ertragen. Ein im Konsistorial-Amts- blatt veröffentlichter Erlaß weist darauf hin, daß all­gemeine Kirchenkollekten in sämtlichen Kirchen des Landes, auch den Filialkirchen, auszuführen sind.