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Ernev U 39
Alten steig, Donnerstag den 3. None n vor 1831
84. Jahrgang
NMekk zum Aoanmlaa
Erst Reparationen, dann Kreditverlängerung
Zn den letzten Tagen ist mit erschreckender Deutlichkeit klar geworden, wie tief Deutschland verschuldet und damit der internationalen Politik ausgeliefert ist. Nach einer amtlichen Mitteilung beträgt die kruzfristige Verschuldung Deutschlands 12 Milliarden, die langfristige 11,5 Milliarden RM. Ob diese Feststellungen schon endgültige sind, wird in der Oppositionspresse noch bezweifelt. Auf jeden Fall ist es eine Mitteilung des Reichsfinanzmmisters oder des Reichsbankpräsidenten. Es ist deshalb erklärlich, daß der Wirtschaftsbeirat des Reichskabinetts sich in den letzten Tagen mit der deutschen Auslandsverschuldung beschäftigte und einen besonderen Stillhalteausschuß berief. Wie sich diese Milliardenschulden auf die einzelnen Länder, aus die Wirtschaftszweige und die Banken verteilen, ist der Oeffentlichkeit noch nicht bekannt. Auch die verschiedenen ! Nachrichten über die Tilgungspläne eilen den Tat- k sachen voraus. Daß solche ernstlich erwogen werden, ist s selbstverstädlich. Es wird sich dabei vor allem um 7,5 Mil- j liarden RM. kurzfristige Kredite handeln, da die restlichen ? 4,5 Milliarden in einer Weise laufen, daß sie sich den Still- i Halteverhandlungen aus volkswirtschaftlichen Gründen ent- i ziehen. Die kurzfristigen Kredite, die etwa zu 15 Prozent verzinst werden müssen, sind für das Reich und seine Regierung die schwerste Sorge, obwohl durch das Stillhalte- ! konsortium in Basel eine Verlängerung bis Ende Februar ! rrreicht wurde. Diese Kredite stammen aus England, Ame- ! rika, der Schweiz (2,5 Milliarden) und Holland, zum klein- ! iten Teil aus Frankreich. Die Mehrheit liegt zweifellos bei Amerika und England.
Diese ungeheure Verschuldung umschließt das Schicksal unserer Wirtschaft und unseres Volkes für die nächsten Jahre. Fast sind darüber die Reparationsschulden in den Hintergrund getreten. Unsere ganze Schwäche ist nun aufgedeckt, und wir können daraus Schlüsse ziehen, welches Maß von Einschränkung und Sparsamkeit, Arbeit und Leistung notwendig sein wird, um die Fesseln zu tragen und zu erleichtern, die wir uns selbst auferlegt haben. Die Fehler der früheren Finanzpolitik in den letzten dreizehn Zähren, die unterdessen von den gegenwärtigen Führern im Reich offen zugestanden wurden, werden uns nun zum Verhängnis. Die Hoffnung, die durch das Hoover-Morato- rium geweckt wurde, ist verflogen, nur eine Regelung der Stillhaltekredite wird uns ein gewisses Maß von Be wegungsfreiheit und Erholungsmöglichkeit geben.
Lavals Amerikareise brachte eine große Enttäuschung. Ihr Ergebnis ist nun klargestellt. Hoover und Laval haben sich geeinigt, daß der Poungplan wieder in Kraft gesetzt wird, daß zuerst die Reparationen geregelt und dann die Kreditfrage angeschnittetn wird. Warum dieses Nachgeben Hoovers? Weil Hoover von seinem Parlament anfangs Dezember den einjährigen Zahlungsaufschub noch gutheißen lassen muß, ehe er einen ! weiteren Schritt wagt. Der deutsche Botschafter v. Hoesch ! hat in Paris von Laval und Briand nunmehr die Mit- ? teilung erhalten, daß auf Grund der französisch-amsrika- s Nischen Abmachungen nach Ablauf des Moratoriums am ? 1. Juli 1932 wieder das Regime des Poungplans in Kraft ! treten soll. Auf deutscher Seite ist bisher zunächst an eine Regelung der Kreditfrage gedacht worden, weil angesichts der großen Verschuldung Deutschlands ernsthast an eine Wiederaufnahme der Reparationszahlungen doch nicht gedacht werden kann. Deshalb war ja auch der Zahlungsaufschub Hoovers bewilligt worden Die französischen Blätter erheben jetzt schon den Vorwurf, daß amerikanische und englische Banken, „die mit dem Feuer spielten, als sie Deutschland immer wieder Geld liehen", allein darüber zu entscheiden hätten, ob sie die Kredite verlängern wollen. Frankreich wünsche den Vorrang der Reparationen. Ein schweizerisches Blatt sagt: „Deutschland habe keinerlei Trümpfe auszuspielen und Frankreich werde gut daran tun. ihm die Unterwerfung mit einigen kleinen Retuschen am Versailler Diktat zu erleichtern." So ist das Problem der nächsten Monate, wie vorauszusehen war, auf die Frage zugespitzt: Kapituliert Deutschland vor Frankreich oder nicht?
Da es sich aber um ein wirtschaftlich wie finanziell ungeheuer schwieriges und um ein vom Einzelnen kaum über- , sehbares Problem handelt, in dem überdies die politischen Fragen eine hervorragende Rolle spielen — auch die ganze
Entwicklung der Weltwirtschaftskrise ist dabei nicht außer acht zu lasten — wird man eine LösungnurinEtap- pen finden. Es dürfte Deutschland nicht gelingen, nachdem sich Hoover und Laval verständigt haben, die Reihenfolge zu ändern. Die Gegensätze zwischen der deutschen und französischen Auffassung in den Fragen der künftigen Reparationszahlungen und der Rückerstattung der Deutschland gewährten Kredite können nur durch eine Verständigung mit Frankreich überbrückt werden. Und das bedeutet doch eine Kapitulation. Allerdings keine politische, die Brüning seinerzeit in Paris und immer wieder in den Verhandlungen abgelehnt hat, weil sie vom Standpunkt der deutschen Politik untragbar wäre. Das aber schließt nicht aus, daß die finanzielle Entwicklung, die ungeheuere Verschuldung, die grauenhafte Wirtschaftszerstörung auch Len politischen Widerstand lahmlegen könnte. Und darin liegen die schweren innerpolitischen Gefahren.
Nachdem derdeutsch-franzöfischeWirtschafts- ausschuß in nächster Woche zum erstenmal in Paris Zusammentritt, besteht Hoffnung, daß durch eine wirtschaftliche Zusammenarbeit Deutschland in den Staus gesetzt wird, seine Entschädigungszahlungen vielleicht auf oem Wege von Sachlieferungen zu bewerkstelligen. Die Franzosen freilich möchten freie Hand haben, um auch deutsche Sachlieferungen auf den Weltmarkt zu bringen. Der fran- lösische Plan der Wiederaufnahme des Poungplanes läuft also vor allem auf eine Aufrechterhaltung der deutschen Sachlieferungen hinaus, durch deren Verwertung Frankreich Einnahmen gewinnen möchte. Man erwartet noch immer eine internationale Konferenz, sobald die deutsch-französischen Verhandlungen abgeschlossen sind.
Viel schwieriger aber wird es sein, die Frage der Privatoerschuldung der kurzfristigen Kredite zu regeln. Die französische Presse meint dazu, daß französische Hilfe erwogen werden könne, wenn die Banken sich auf keine neue Verlängerung einlasten sollten. Aber dann fordere Frankreich politische Bürgschaften. Im übrigen will Frankreich die Einigung Deutschlands mit den amerikanischen und englischen Banken über die Kredite den Beteiligten selbst überlasten.
Mit den vorstehenden Ausführungen ist die kaum lösbare Aufgabe der nächsten Zeit gekennzeichnet. Es sind bei der Lösung zweifellos zahlreiche Möglichkeiten und Abschnitte in Rechnung zu stellen. Für das deutsche Volk aber kann es nur gut sein, wenn es völlige Klarheit über seine Lage erhält.
Echo zur Unterredung Wch-Laval
Französische Blätterjtimmen
Paris, 4. Noo. Die Presse beschäftigt sich mit der Unterredung des Botschafters v. Hösch mit Ministerpräsident Laval und Außenminister Briand und glaubt, über die zweistündige Erörterung Mitteilung machen zu können.
„Echo de Paris" erklärt, anscheinend siebe für Deutschland die Lase der kurzfristigen Verschuldung an das Ausland und ein in Vorbereitung befindlicher Plan, der nach deutscher Ansicht die Zustimmung der ausländischen Banken finden dürfte, im Vordergrund der Betrachtung. Das Heike also, zunächst das Problem der privaten Interessen anzuschneiden. Die französischerseits gewünschte Borgangsweise dagegen stelle die Reparationen in den Vordergrund. Die französische Regierung stehe mit Recht auf dem Standvunkt. datz sie sich nach der öffentlichen Meinung in Frankreich richten müsse. Daher wolle sie sich nur innerhalb des rechtlichen Rahmens des Noungplanes halten. Man rare demgemäß Deutschland, sich zunächst einmal der französischen Ansicht anzu- schlieben. datz die privaten Interessen vor den Interessen der Gläubigerstaaten zurücktreten mutzten. Nach Ansicht des „Echo de Paris" ist es wahrscheinlich, daß Deutschland diesem Rate entsprechend die Einberufung des im doungplan vorgesehenen beratenden Ausschusses des Boungplanes beantragen werde. Der beratende Ausschutz des Voungvlanes könne vermutlich seine Arbeiten rasch abschlietzen und den Regierungen Maßnahmen Vorschlägen, die die Anwendung oder richtiger die Abänderung des Aoung- plans zum Ziele hätten. Es sei unvermeidlich, datz eine Konferenz der Regierungen stattfindet, die den Doungplan unterzeichnet haben. und zwar wahrscheinlich in Frankreich, entweder in Paris oder an der Riviera im Dezember oder spätestens Januar
„Matin" erklärt, es sei recht leichtfertig, wenn die französische Presse behaupten wolle, datz der deutsche Botschafter mehrere verschiedenartige Pläne oorgelegr habe, die in der deutschen Presse genanten Vorschläge beträfen ausschließlich die Erneuerung der
! kurzfristigen Kredite. Die Presjemitteilungen über die llnter- ? redung Laval-Briand-Hösch dagegen besagten, datz man von den
> Reparationen, folglich also von der Ablösung des gegenwärtigen s Moratoriums durch das normale Regime des doungplanes ge- i sprochen habe. In dieser Frage habe sich der deutsche Botschafter s im wesentlichen darauf beschränkt, zuzuhören. Die Rückkehr zum i Regime des Aoungplans bedeute auch für den Fall eines deut- , schen Antrages auf ein Moratorium die Einhaltung der Mora- ! roriumsbestimmungen dieses Planes. Obwohl die Pressemitteilungen die Frage der kurzfristigen Kredite mit Stillschweigen
s übergehen, scheine es recht unwahrscheinlich, datz Botschafter v. ! Hösch in dieser Hinsicht nicht ein dringliches Ersuchen vorgebracht j habe. Aber es sei möglich, datz jeder Schritt, wenn er überhaupt
> unternommen worden sei. an die falsche Adresse gerichtet worden j ist Müßten nicht die amerikanischen und englischen Banken, die : nnt dem Feuer spielten, als sie Deutschland immer wieder Geld i liehen, an erster Stelle darüber entscheiden, ob sic im Februar j ihre Kredite erneuern sollten? Falls die Mehrheit der amerika- f nischen und englischen Banken sich weigern würde, dazu bcizutra- l gen, die in Schwierigkeit geratenen Schuldner wieder flott zu r machen, dann müßten die Regierungen, die das schlimmste vsr- s meiden wollen, der deutschen Regierung die Frage vorleg.en. i welche Garantien sie in der Lage sei, zu geben. Die eigentliche ^ Entwicklung -er Verhandlungen hänge also jetzt von Berlin ab.
j ArbeltMschaffuilgsprogramin der ! RrWblchn
! Für 258 Millionen neue Aufträge
? Berlin, 4. Nov. Wie wir erfahren, haben in der letzten Woch«
- zwischen dem Reichsfinanzminister, dem Reichsverkehrsministe, I und dem Generaldirektor der Reichsbahn Besprechungen stattge-
- runden, die auf ein zusätzliches Arbeitsbeschaffunssprogramm de, s Reichsbahn abzielen. Man ist dabei übereingekommen, datz dir k Reichsbahn zusätzlich noch für etwa 250 Millionen Mark Aufträge ? erteilt. Formell bedarf dieser Entschluß zwar noch der Eenehmi- s gung des Verwaltungsrates der Reichsbahn, es ist aber wolf z nicht daran zu zweifeln, daß er seine Zustimmung erteilen wird r Etwa 80 Millionen des Zusatzbetrages sollen bereits für dieser i Monat mit angesetzt werden, die wohl in der Hauptsache fiii ! Oberbauarbeiten Verwendung finden werden. Augenblicklich fiw ? den bei der Leitung der Reichsbahn noch Beratungen über dir s Verteilung der Aufträge statt, die möglichst verschiedenen Jndu- r strien zugute kommen und gerecht auf die Industriegebiete der r einzelnen deutschen Länder verteilt werden sollen. Auch die f Kleineisenindustrie, die bekanntlich vor allem in Südwestfalen k zu Hause ist. soll besonders bedacht werden, und zwar zunächst r mit Aufträgen von etwa 10 Millionen Mark. Der Zweck dieses r zusätzlichen Programms liegt natürlich darin, gerade jetzt, da i mit dem schärferen Einsetzen des Winters ohnehin mit einer » stärkeren Zunahme der Arbeitslosigkeit zu rechnen ist, den in i Frage kommenden Wirtschaftszweigen zu helfen, ihre Betriebe j über Wasser zu ballen und möglichst viele Arbeiter zu beschäf- f tigen. Deshalb sollen die gegenwärtigen Beratungen über die k Verteilung der Aufträge auch möglichst beschleunigt werden. Es ? ist nun damit zu rechnen, datz sie bereits in den allernächsten Tagen zum Abschluß kommen. Diese Anstrengungen der Reichsbahn für eine zusätzliche Arbeitsbeschaffung sind umso höher anzuerkennen, als die Reichsbahn ohnehin jährlich für etwa 900 Millionen Mark Aufträge herausgeben läßt
Neues vom Tage
? Gesetzeliches Verbot des Zugabcwesens?
Berlin, 4. Nov. Als erster der zahlreichen Reichstagsausschüsse, i die während der Winterpause des Reichstages zusammentreten ! werden, versammelte sich am Mittwoch der volkswirtschaftlich« s Ausschuh, um zunächst die Anträge über das Zugabewesen zu i beraten. Der neue Reichsjustizminister Dr. Joel war zu der j Sitzung persönlich erschienen und erklärte, datz der Entwurf ! eines Gesetzes über die Gewährung von Zugaben zu Ware» f oder Leistungen bereits im Kabinett verabschiedet worden sei ! und sofort dem Reichsrat zugeleitet werden würde. Außerdem f fei beabsichtigt, dieses Gesetz im Reichsanzeiger auch beschleunig: ; zu veröffentlichen. Im Hinblick auf diese Sachlage bat der Mi- f nister den Ausschutz von der Beratung der vorliegenden An. j träge abzusehen, da ja der vorbereitete Entwurf die ganze Ma- s teric gesetzestcchnisch zusammenfaht. Der Ausschutz beschloß da> ! raufhin, die Anträge über das Zugabewesen von seiner Tages- j oronung abzusetzen. Er beschäftigte sich weiter mit Petitionen.
^ Die Lage der Neichsvost im zweiten Vierteljahr
^ Berlin, 4. Nov. Nach dem Bericht der Reichsvcht über das j zweite Viertel ihres Rechnungsjahres ist der Verkehr gegenüber
- dem gleichen Zeitraum des Vorjahres in fast allen Dicnstzweige» j zurückgegangen, besonders stark im Pater- und Telegrammver- § kedr. Im Postscheckverkehr wurden Buchungen über insgesamt 30 l Milliarden Mark ausgeführt, von Lenen 24 Milliarden Mar! ? bargeldlos beglichen wurden. Im Auslandsverkehr wurden trotz ^ der Behinderung des Zahlungsverkehrs noch 48 Millionen Marl f überwiesen. Es wurden 6.8 Millionen Telegramme befördert (im f Vorjahr 8,6 Millionen) und 597 Millionen Gespräche vermittelt ^ (im Vorjahr 629 Millionen). Die Zahl der Svrechstcllen ist um j 21019 zurückgegangen. Der Kasienabschlutz zeigt 487 Millionen
Marl Einnahmen «nd 498 Millionen Mark Ausgaben.