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Knrnrnor«) s Altensteig, Montag den Äl. Septernder 1S31 s 84. Jahrgang

Alißerkraftschimg der Goldwührung io England

Die Londoner Börse morgen geschlossen

London, 2V. September. Reuter veröffentlicht fol­gendes Communique: Die Regierung ist sich nach Zurate­ziehung der Bank von England darüber klar geworden, dah es notwendig ist, ab Sonntag, den 20. S. mitternachts, die Goldwährung autzer Kraft zu setzen.

Ein Gesetzentwurf, der die Bank von England ermäch­tigt, die Einlösung der Banknoten in Gold einzustellen, wird dem Parlament am Montag zugeleitet und sofort in allen Lesungen erledigt werden.

Seit Mitte Juli sind Summen, die sich auf über 200 Millionen Pfund belaufen, vom Londoner Platz weggezo­gen worden. Diesen Anforderungen ist man teilweise mit Hilfe der Bestände an Gold und fremden Valuten nach­gekommen, teilweise mit Hilfe der in Frankreich und Amerika eingeräumten Kredite.

Durch die oben angeführten Beschlüsse werden Ver­pflichtungen der englischen Regierung oder der Bank von England, die in fremder Währung zahlbar sind, nicht honoriert. Eine Unterbrechung des gewöhnlichen Bank­geschäftes wird morgen nicht eintreten und es besteht kein Grund, dah solche Transaktionen, die sich in Sterling voll­ziehen, durch die neuen Maßnahmen in Mitleidenschaft gezogen werden. Die Börse wird morgen nicht geöffnet sein, da morgen das Parlament die Annahme der notwen­digen Gesetzentwürfe erledigen muß.

Die Regierung ist der Ansicht, daß die augenblicklichen Schwierigkeiten nicht auf Kapitalexport durch britische Staatsangehörige zurückznsiihreu sei, da die große Masse der Kapitalzurückziehungen auf fremde Rechnung erfolgte. Die Banken haben sich verpflichtet, ihre Mitwirkung bei Durchführung der Käufe von fremden Devisen durch eng­lische Staatsbürger zur Verfügung zu stellen. Ausgenom­men sind nur solche Devisenanforderungen, die zur Erfül­lung bestehender Verpflichtungen oder durch die tatsäch­lichen Bedürfnisse des Handelsverkehrs sich ergeben. Die Regierung wird» wenn es rätlich erscheint, nicht zögern, noch weitere Maßnahmen zu ergreifen.

Die Aushebung des Eoldstandarts in England

Die Tatsache, daß England von Mitternacht ab vom Gold­standard abgehen wird, hat in allen Kreisen tiefsten Eindruck hervorgerufen, lieber die Vorgeschichte dieser Maßnahme kann folgendes mitgeteilt werden: Macdonald hatte während der ganzen Krise die engstmögliche Fühlung mit seinem Hauptbera­ter aufrechterhalten und war am Freitag nachmittag von Dow- ningstreet nach Chequers gefahren in der Annahme, daß die Dinge normal liefen. Kurz nach seiner Abreise trafen jedoch neue Informationen ein, die den Premierminister bewogen, sofort zurückzukehren. Er hatte in Downingstreet sofort Bera­tungen mit seinen Hauptratgebern und Kabinettskollegen und kehrte am Abend nach Chequers zurück, nachdem er eine Kabi­nettssitzung für den Sonntag einberufen hatte, in der dann der Beschluß, vom Goldstandard abzugehen, gefaßt wurde. In der Sitzung, die von 4 bis 6 Uhr dauerte, bestand volle Ueberein- stimmung unter den Ministern.

Die nationale Regierung hatte bisher geglaubt, daß der Sterlingkurs nicht ernstlich gefährdet sei. Als der Premier­minister am Freitag nachmittag nach Chequers abgefahren war, gingen auch alle Informationen dahin, daß die Börsen einen normalen Tag gehabt hätten. In Chequers erhielt Macdonald jedoch kurz vor 19 Uhr eine telephonische Mitteilung, daß eine Einbuße von 1717^/- Millionen Pfund Sterling, davon 2 Mil­lionen Gold und der Rest in Anleihen in Krediten, zu verzeich­nen gewesen sei. Wie verlautet, wurde dem Premierminister mitgeteilt, daß die Bank von England zu der Feststellung ge­langt sei, daß sie das Pfund Sterling nicht auf seiner Goldbasis decken könne, daß sie aber noch die Gelegenheit nehmen wollte, die Börse am Samstag zu sondieren. Man hatte geglaubt, daß der Samstag ein ziemlich sicherer Tag sei, da die Börsen nur einen halben Tag offen sind, und daß, selbst wenn die Ope­ration gegen das Pfund ausfallen würde, der Verlust nicht sehr ernst sein werde. Macdonald erhielt jedoch am Samstag den Bericht, daß an einem halben Tage schon 2 Millionen Pfund verloren gegangen waren.

Die Eesetzesvorlage kann nicht vor morgen abend Gesetz werden. Da die Bank von England jedoch bereits von der Regierung ermächtigt worden ist, sofort unter dem neuen Gesetz zu handeln, wird die Vorlage der Bank Indemnität geben.

Diskonterhöhung der Bank von England

London, 20. September. Die Bank von England hat ihren Diskontsatz von 4V- auf 6 Prozent erhöht. Dieser Satz kommt mit Beginn des Geschäftes am Montag, den 21. September, zur Anwendung.

England wünscht eine internationale Wirtschaftskonferenz?

London, 20. September.People" betont in einem Leit­artikel, daß ein großer Teil der britischen Probleme internatio­nale Probleme sind, die nur durch internationale Konferenz der führenden Nationen geregelt werden können. Das Blatt dringt in die Regierung, sofortige Schritte zur Einberufung einer solchen Konferenz zu unternehmen.

Re neuen Notverordnungen

Aktienrechtsreform Bankenanfsicht Steueramnestie Sondergerichte für politische Ausschreitungen

Berlin, 20. Sevt. Die Reichsregierung bat bereits seit längerer Zeit eine umfassende Reform des deutschen Aktienrechts vorberei- ict. verschiedene Vorgänge der letzten Jahre, mit denen sich auch die Oenentlichkeit stark beschäftigt hat, haben aber die Reichsre­gierung vor die notwendige Aufgabe gestellt, gewisse Fragen wegen ihrer besonderen Dringlichkeit und Bedeutung alsbald auf verfassungsmäßigem Wege zu klarer Lösung zu dringen. Die Reichsregierung hat daher beschlossen, diese Vorschriften im Ent­wurf einer besonderen Notverordnung dem Herrn Reichspräsiden­ten zu unterbreiten, der daraufhin diese Notverordnung auf Grund von Artikel 48 der Reichsverfassung am heutigen Tage vollzogen bar.

Diese aus drei Teilen bestehende Notverordnung umfaßt in ihren zwei ersten Teilen neue Vorschriften auf dem Gebiet des Aktienrechts und der Vankenaufsicht.

In einem dritten Teile sind Vorschriften über eine Steueram­nestie in Verbindung mit einer Reichsbahnanlcihe angefügt, de­ren gleichzeitige sofortige Erledigung wegen ihrer besonderen Dringlichkeit geboten war.

Zu den drei Teilen der Notverordnung wird amtlicherseirs n. a. noch folgendes mitgeteilt:

1. Aktienrecht

In der Frage der Aktienrechtsreform bringt die Notverordnung als vordringlichste M-.ßnabme eine wesentliche Verschärfung der Ofsenlesungspflichten sowie die Einführung der Pflichtvrüiung. Durch eingehende Vorschriften über die Bilanz, die Gewinn- und Verlustrechnung sowie den Geschäftsbericht wird eine weit­gehende Publizität der Ve-Hältnissc oer Gesellschaft sichergestellt und ein wirksamer Schutz gegen mißbräuchliche Geschäftsführung geschaffen, wobei auf möglichste Klarstellung der durch die Kon­zernverflechtungen hervorgerufenen Verhältnisse Bedacht genom­men ist. Die Pflichtpriifung, d. h. die regelmäßige Vilanzkontrolle durch unabhängige Wirtschaftsprüfer, stellt eine Einrichtung von großer wirtschaftlicher und moralischer Bedeutung dar und wirk in erheblichem Maße zur Gesundung des deutschen Aktienwesens beitragen können. Durch die Notverordnung soll fernerhin den Mißständen bei der Geschäftsführung durch Vorstand und Auf- sichrsrat entgegengewirkt werden. Von besonderer Bedeutung ist die Vorschrift, nach der alle Satzungsbestimmungen über die Zusammensetzung und Bestellung des Aufsichtsrats und über die Vergütung seiner Mitglieder mit Beendigung der nächsten or­dentlichen Generalversammlung außer Kraft treten. Mit dem gleichen Zeitpunkt erlischt das Mandat der gewählten Mitglie­der des Auisichtsrars. Die Generalversammlung kann neue Be­stimmungen über die Zusammensetzung und Bestellung des Auf­sichtsrats und über die Vergütung mit einfacher Stimmenmehr­heit beschließen. Bei einem Handeln zum Nachteil der Gesell­schaft sowie bei Bilanzverschleierungen kann in besonders schwe­ren Fällen auf Zuchthaus bis zu fünf Jahren erkannt werden.

Mitaufgenommen in die Notverordnung ist schließlich die Re­gelung über den Erwerb eigener Aktien. Um eine Gefährdung der Gläubiger- und Aktionärinteressen zu verhüten, soll der Er­werb eigener Aktien künftig nur unter bestimmten eng begrenz­ten Voraussetzungen und grundsätzlich nur in Höhe von 10 o. H. des Grundkapitals zulässig sein.

2. Die BankenausMt

Die Bestimmungen über die Bankenaufsicht geben unter Wah­rung der vollen privatwirtschastlichen Verantwortung der Ban­ken für ihre Geschäftsführung der Reichsregierung und der Reichsbank die Möglichkeit, in einem ganz anderen Ausmaße als bisher sich über die Lage des deutschen Bankgewerbes und der deutschen Kreditwirtschaft fortlaufend zu unterrichten und die allgemeine Bankpolitik vom Standpunkt der deutschen Eesamt- wirtschaft aus zu beeinflussen. Dies ist in erster Linie der Auf­gabenkreis des neu zu bestellenden Reichskommisiars für da« Bankgewerbc. Die Verbindung zwischen dem Reichskommissai und der Reichsregierung und der Reichsbank stellt das Kurato­rium für das Bankgewerbe dar. dessen Vorsitzender der Reichs- bankvräsident ist und welchem außer den Staatssekretären der beiden bauptbeieiligten Reichsministerien und einem weiteren Mitglied des Reichsbankdirektoriums auch der Reichskommissar selbst angehört. Der Reichskommissar selbst hat das Recht, weit­gehend Auskünfte von den Banken zu verlangen, ihre Bücher einzusehen, gegebenen falls an Vorstandssitzungen und Sitzungen des Aufsichtsrats teilzunebmen. ja schließlich auch die Einberu­fung einer Generalversammlung zu verlangen. Soweit es für die Erfüllung seiner Aufgaben nötig ist, kann der Reichskommis­sar auch von Personen, die nicht das Bankgewerbe betreiben, Auskünfte über den Stand ihrer ausländischen Zahlungsver­pflichtungen und Zahlungsansprüche verlangen. Im übrigen sink der Reichskommissar für das Bankgewerbe und seine Beamter und Angestellten zur strengsten Verschwiegenheit verpflichtet. An eine Reibe von Instituten, die bereits unter öffentlicher Aufsich stehen, wie Privatnotenbanken, Hypothekenbanken, Sparkasse: und gemeinnützige Wobnungsunternehmungen, findet die Ver­ordnung nur insoweit Anwendung, als der Reichskommissar auch von ihnen die Anmeldungen ihrer ausländischen Zahlungsver­pflichtungen und Zahlungsansprüche verlangen kann.

3. Steueramnestie - Reichsbahnanleihe

^ - au- Grund der Selbstanzeige gewöhne Steueramnestie hat zwar nicht unbeachtliche Erfolge gehabt. Immerhin glaubt di« Reichsregierung gewichtige Anhaltspunkte dafür zu haben, daß bei weitem noch nicht alle Kreise der Bevölkerung den ernsthaf­ten Willen gehabt haben, ihren steuerlichen Verpflichtungen nachzukommen und die bisher verschwiegenen Vermögenswerte der Besteuerung wieder zuzusiihren. Die Reichsregierung wirk dafür sorgen, daß die bisher binterzogenen Werte steuerlich er­laßt werden: sie ist entschlossen, diesen ihren Willen mit allen ib: zu Gebote stehenden Mitteln durchzusetzen. Zu diesem Zweck ver­längert sie noch einmal die Steueramnestiefrist bis zum 15. Ok­tober und siebt zur Erlangung der Steueramnestie neben de: Selbstanzeige der bisher verschwiegenen Werte auch noch einen neuen Weg, nämlich den Erwerb einer steuerfreien Reichsbahn- Anleihe in Höhe der bisher nicht angegebenen Werte ohne An- zeigepflicht vor. Dafür soll aber gegen alle diejenigen, die von dieser nochmaligen Gelegenheit, wieder steuerehrlich zu werden, keinen Gebrauch machen, mit den schwersten Strafen vorgegangen werden. Wer nunmehr sein Vermögen weiterhin vorsätzlich nicht richtig deklariert oder das bisher schon angegebene Vermögen nicht entsprechend berichtigt oder auf Befragen unrichtige Aus­künfte gibt, wird auf jeden Fall mit Gefängnis nicht unter dre' Monaten, in schweren Fällen mit Zuchthaus bis zu 10 Jahren bestraft.

Außerdem sollen in verstärktem Umfange eidesstattliche Ver­sicherungen darüber eingefordcrt werden, daß anderes als das angegebene Vermögen nicht vorhanden ist. insbesondere daß im Auslande keine weiteren Vermögensgegenstände liegen. Endlich wird sich die Reichsregierung mit ausländischen Regierungen jwecks gegenseitiger Erfassung der im Ausland befindlichen Ber» mögen in Verbindung setzen.

Zur Steueramnestie speziell sei folgendes bemerkt: Steueram- aestie soll nach der neuen Verordnung nicht nur eintreten, wenn der Steuerpflichtige die bisher vorgesehene Anzeige gegenüber der Steuerbehörde mit entsprechenden Nachzahlungen iür 1931 und 1930 macht, sondern auch dann, wenn er. ohne daß er zur Anzeige, die von manchen, die wieder steuerehrlich werden und zahlen wollen gescheut wird, verpflichtet sein soll, die von der Reichsbahn jetzt ausgegcbene steuerfreie Anleihe im Nennwert des bisher verschwiegenen Vermögens per 1. Januar 1931 und wenn binrerzogenes Einkommen, Erbschaften, Schenkungen, Ge­werbeertrag oder 5 Prozent des Umsatzes in einem der Jahre 1930, 1929 oder 1928 größer ist, Anleihe in Höhe dieses Betrages erwirbt. Wer diesen Weg der Amnestie wählt, muß die Anleihe Z Jahre ununterbrochen im Besitz behalten. Sonst geht er der Vorteile der Amnestie mit rückwirkender Kraft verlustig. Di-, Anleihe soll außerdem steuerfrei sein. Das war nötig, denn sonst hätte der Steuerpflichtige bisher hinterzogene Umsätze und die Erträge daraus im nächsten Jahre in seiner Steuererklärung aufnehmen müssen und dann wäre gerade das nicht erreicht, was mit der Amnestie durch Zeichnung von Anleihe oder Deklara­tion erreicht werden sollte.

Um aber dem Steuerpflichtigen für die Zukunft keine unge­rechtfertigten Vorteile zuzuwenden, ist der Zinssatz niedrig, d. b. auf 4H Prozent bemessen. Darin liegt gleichsam ein vorwegge­nommener Abzug der in Frage kommenden Steuern vom Ein­kommen und Vermögen.

Die Anleihe soll auch von anderen Personen als solchen, die bisher ihre Steuern nicht richtig bezahlt haben, erworben wer­den können. Ein gewisser Anreiz liegt trotz niedrigen Zinsfußes in der Steuerfreiheit. Da diese Personen die Anleihe selbstver­ständlich jederzeit übertragen können, sind sie auch von vorn­herein in der Lage, sie steuerfrei zu verschenken, während dieje­nigen, die die Anleihe zu Steueramnestiezwecken erworben haben, sie erst nach fünf Jahren steuerfrei verschenken können. Das Auf­kommen wird die Reichsbahn kür em zusätzliches Arbeitsbeschaf- fungsprogramm verwenden.

4. Ankündigung von Sondergerichten

Schließlich weist die Reichsregierung auf folgendes bin: Es ist

in letzter Zeit eine so weitgehende Mißachtung der Gesetze u^> ei« so erschreckender Mangel an gesundem Gemeinschaftsgefühl und staatsbürgerlicher Gesinnung hervorgetreten, daß durchgrei­fende Abwehrmaßnahmeu unerläßlich sind. Die Reichsregierung hat sich daher entschlossen, zum Schutze der öffentlichen Sicherheit und zur Reinerhaltung der deutschen Wirtschaft und de, öffent­lichen Steuermoral dem Herrn Reichspräsidenten den Erlaß ei­ner Notverordnung über die Errichtung von Sondergerichten vor­zuschlagen. Die Sondergerichtc sollen in einem auf das äußerste beschleunigten Verfahren zur Aburteilung von gröblichen Ter­rorakten und Gewalttätigkeit sowie von schweren Fällen verbre­cherischer geschäftlicher Mißwirtschaft oder Steuer- und Devisen Hinterziehung berufen sein.